MAMMAKARZINOM 23 CME Operative Therapie des Mammakarzinoms © karelnoppe - Fotolia Christof Sohn, Frederik Marmé, Jörg Heil, Maria Blumenstein, Christoph Domschke, Joachim Rom, Florian Schütz Universitätsfrauenklinik Heidelberg Die Kunst , eine Brustkrebserkrankung adäquat operativ zu versorgen liegt nicht in der Skalpellführung, sondern vielmehr darin, die für die individuelle Patientin richtige Indikation zu einer allumfassenden Therapie prospektiv festzulegen. Wo früher Chef- oder Oberärzte eminenzbasiert eine Behandlungsmethode festgelegt haben, stehen heute interdisziplinäre Tumorkonferenzen im Vordergrund. Es verwundert, dass in den meisten Brustzentren die postoperativen Tumorkonferenzen seit Jahren etabliert sind, präoperativ jedoch weiterhin eine Interdisziplinarität zu fehlen scheint. Prätherapeutische Tumorkonferenz Zu einem frühen Zeitpunkt der Therapie müssen aber individuelle Therapiestrategien festgelegt werden, welche folgende Faktoren beinhalten: – – – – Tumorcharakteristika Tumorbiologie Alter der Patientin Indikation zur primären Chemotherapie – Familienanamnese – Eigenanamnese – Wünsche der Patientin (z. B. Fertilität) Vor allem die präoperative Chemotherapie bei primär operablem Mammakarzinom gewinnt immer mehr an Bedeutung, da eine Individualisierung der Chemotherapie gemessen an dem klinischen Ansprechen des Primärtumors möglich erscheint (Loibl S. et. al, Oncol. Research & Treatment, 2014). Des Weiteren kann man während einer neoadjuvanten Chemotherapie die Zeit für eine genetische Beratung und ggfs Mutationsanalyse bei familiären Risikokonstallation nutzen. Gegebenenfalls kann bei nachgewiesener BRCA-Mutation eine Umstellung der Chemotherapie auf Platinsalze erfolgen. Ob bei nachgewiesener 01/2015 CMExtra 24 MAMMAKARZINOM BRCA1- oder 2-Mutation eine Ausweitung der operativen Behandlung (z.B. beidseitige Mastektomie und Salpingoovarektomie) zu einem Vorteil der Patientin gereicht, konnte in Studien bisher nicht nachgewiesen werden. Bei prämenopausalen Patientinnen kann eine Beratung bezüglich eines Kinderwunsches eine wichtige Rolle vor einer Operation spielen. Über fertilitätserhaltende Massnahmen (z. B. eine Ovarial-PE mit Kryokonservierung) sollte vor (neo)adjuvanten Chemotherapien aufgeklärt werden. Brusterhaltende Therapie ist nicht gleich brusterhaltende Therapie Die häufigste durchgeführte Operation bei Brustkrebs ist die Segmentresektion, welche vorallem bei kleineren Tumoren bis 2−5 cm Größe durchgeführt werden kann. Anders als bei der Lumpektomie, bei der der Tumor kugelförmig mit einem gewissen Sicherheitsabstand umschnitten wird, wird bei der Segmentresektion der Tumor mit einem Sicherheitsabstand von ca. 0,5−1 cm in alle Richtungen unter Mitnahme des Milchgangs, der zur Mamille führt exidiert. Das keil- bis spindelförmig aussehende Segment sollte eindeutig mit Fäden oder Klammern in mindestens zwei nicht gegenüberliegenden Richtungen markiert werden, damit eine adäquate Aufarbeitung durch einen spezialisierten Pathologen gewährleistet ist. In schwierigen Fällen bietet sich eine Markierung in vivo an. Stets sollte bei der Segmentresektion die Faszie des M. pectoralis major miteinfernt werden. Eine Entfernung der Haut über dem Tumor ist nicht grundsätzlich indiziert, es sei denn der Verdacht einer Hautinfiltration läge vor. Aus diesem Grund muss bei einer Segmentresektion auch nicht streng über dem Tumor geschnitten werden. Kosmetisch günstigere Schnittführungen CMExtra 01/2015 wie eine mamilliäre Schnittführung oder eine submammäre Schnittführung kommen ebenfalls in Betracht. Ob über diese Schnittführungen auch der Wächterlymphknoten entfernt werden kann, liegt häufig an der Lage des Tumors. Nach einer Segmentresektion kann die Adaptation der Wundränder zur Wiederherstellung der Brustdrüsenform ausreichen. Bei größeren Segmentresektionen können jedoch auch schon onkoplastische Techniken in form von Verschiebelappenplastiken oder Rotationsplastiken notwendig sein. Bei größeren Tumoren oder ausgedehnten intraduktalen Tumorkomponenten (Mikroverkalkung) kann eine Quadrantenresektion mit onkoplastischer Rekonstruktion der Brustdrüse und ggfs. Größenangleichung bei kontralateralen Seite indiziert sein. Besonders bei Tumoren der inneren Quadranten müssen besondere onkoplastische Techniken zum Einsatz kommen. Diesen Techniken gemein ist eine Wiederherstellung der Brustdrüsenform, welche in den allermeisten Fällen mit einer optischen Verkleinerung der Brust einher geht. Aus diesem Grund ist es in den meisten Fällen notwendig, Anteile der Haut über der Brustdrüse zu resezieren, um ein adäquates kosmetisches Ergebnis herstellen zu können. Diese Hautresektion kann je nach Lage des Tumors über eine doppelte mammilläre Schnittführung, eine B-Plastik, eine tumoradaptierte Reduktionsplastik oder andere Schnittführungen erfolgen. Häufig ist eine Größenanpassung der kontrlateralen Brust notwendig, welche primär oder nach erfolgter Bestrahlung durchgeführt werden kann. Mastektomie Die modifiziert radikale Mastektomie sollte nur dann durchgeführt werden, wenn der Tumor die Haut zu infiltrieren scheint oder die Patientin keinen Wunsch nach einer primären oder sekundären Rekonstruktion hegt. Die typische spindelförmige Schnittführung, welche zum Prozessus axilliaris hochgezogen werden kann, stellt die Standardschnittführung dar. Bei kleineren Brüsten können auch zirkuläre Schnittführungen mit einem tabaksbeutelartigen Verschluss möglich sein. Es ist darauf zu achten, dass mediale und laterale Fettpürzel soweit wie möglich vermieden werden. Die hautsparende Mastektomie sollte bei Wunsch nach primärer oder sekundärer Rekonstruktion favorisiert werden, wobei je nach Tumorlage die möglichst kleine Schnittführung angepasst werden sollte. Die Dicke des Hautmantels ist direkt mit der Rezidivgefahr korreliert. Hautnekrosen sollten jedoch vermieden werden. Subkutane Mastektomien mit Belastung eines ca. 1 cm dicken Hautmantels sind bei invasiven Karzinomen nur noch in Einzelfällen zu empfehlen. Um die spätere Rekonstruktion einfacher zu gestalten, sollte die Brustumschlagsfalte bei der Präparation geschont werden. Die Nippel sparende Mastektomie, bei der der Hautmantel wie bei der hautsparenden Mastektomie nur sehr dünn belassen wird, scheint dann mit einer adäquaten onkologischen Sicherheit einherzugehen, wenn der Primärtumor und die Intraduktale Tumorkomponente möglichst weit vom Nippel entfernt liegen (mind. 2 cm). Axilläre Lymphonodektomie Die Entfernung des Wächterlymphknotens (Sentinel) stellt die Standardoperation bei klinisch unauffälliger Axilla dar. Die axilläre Lymphonodektomie, welche mit einer höheren Comorbidität einhergeht, sollte bei klinischem Verdacht auf befallene Lymphknoten durchge- MAMMAKARZINOM führt werden, wobei optimaler Weise eine Stanzbioptische Sicherung des suspekten Lymphknotens vorliegen sollte. Bei befallenen Sentinellymphknoten sollte nach erfolgter Mastektomie immer eine axilläre Lymphonodektomie der Level 1 und 2 durchgeführt werden. Der Nutzen einer axillären Lymphonodektomie bei brusterhaltender Therapie und tumorös befallenem Wächterlymphknoten wurde jedoch in Frage gestellt (Guliano et al, JAMA, 2010). In der statistisch schwierig auszuwertenden Studie konnte kein Vorteil bzgl. des loko-regionalen sowie des systemischen Rezidivrisikos für diejenigen Patientinnen gezeigt werden, welche nach brusterhaltender Therapie, adäquater Bestrahlung der Brust mit tangential axillärem Feld eine axilläre Lymphonodektomie des Level 1 und 2 erhielten. Die Ergebisse dieser prospektiven Studie decken sich mit Analysen aus retrospektiven Studien, wobei klar die statistische Auswertung und die zu geringe Rekrutierungsrate mit wahrscheinlich unterschätzter statistischer Power kritisiert werden müssen. Die klinischen Vorteile der vermiedenen axillären Lymphonodektomie liegen in der geringeren Morbidität (Lymphödem, Nervenschädigungen, Blutungen). Ob diese einzelne Studie bereits die tägliche klinische Routine ändern sollte, ist schwer zu beantworten. Wir sollten jedoch mit unseren Patientinnen im Lichte der publizierten Ergebnisse den Nutzen und das mögliche Risiko diskutieren. Primäre und sekundäre Rekonstruktion der Brust nach Mastektomie Studien zeigen, dass ein Großteil der mastektomierten Frauen den Wunsch nach einer Brustrekonstruktion hegen. Der limitierende Faktor der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Brustrekonstruktion nach Mastektomie liegt in der Not- $ Bernd Layer – Fotolia wendigkeit der Radiatio der Toraxwand und der Lymphabflusswege. Da die Indikation zur Radiatio in den letzten Jahren durch die Strahlentherapeuten immer mehr ausgeweitet wurde, muss dieser Faktor bei jeder Mastektomie beachtet werden. Grundsätzlich sind Brustprothesen den autologen Rekonstruktionsformen wegen der geringeren Komplikationsrate vorzuziehen. Bestrahlungen der Toraxwand nach Mastektomie und direkter primärer Sofortrekonstruktion der Brust mit Implantaten können in 40 bis 80 Prozent der Patientinnen eine relevante Komplikation hervorrufen, die vor allem im Bereich der Wundheilungsstörung und Infektion liegt. Diese Komplikationen können zu einem Totalverlust der Prothese führen. Sekundäre Brustrekonstruktionen mit Implantaten nach erfolgter Radiatio der Thoraxwand ebenfalls mit einer signifikant erhöhten Komplikationsrate verbunden, welche ebenfalls sehr häufig mit dem Verlust der Prothese einhergehen kann. Bei bereits durchgeführten oder wahrscheinlich notwendigen Brust- bestrahlungen sollten deswegen autologe Haut-(Muskel)-Fett-Lappenplastiken favorisiert werden. Sicherlich werden in Zukunft xenologe azelluläre Matrixes sowie synthtische Netze eine wesentliche Rolle bei der Rekonstruktion der Brust spielen. Momentan bleibt jedoch die Frage der Finanzierung dieser Techniken offen. Ebenso könnten Fettabsaugung und Lipofilling einen weiteren Beitrag dazu leisten, kleinere Korrekturmaßnahmen z. B. im axillären Bereich durchzuführen. Allerdings existieren bisher keine Langzeitdaten insbesondere bzgl. des Lipofillings mit Stammzellen. In unserem Brustzentrum wurde folgender Algorhythmus festgelegt: Zeigt sich während der Operation eine Notwendigkeit zur Strahlentherapie (z. B. befallener Sentinellymphknoten) wird auf eine Primärrekonstruktion verzichtet. Nach erfolgter Strahlentherapie wird eine sekundäre Rekonstruktion mit autologem Gewebe inclusive Hauttransposition empfohlen. Bei feh- 01/2015 CMExtra 25 26 MAMMAKARZINOM lenden Indikationen zur Radiatio der Thoraxwand kann eine Sofortrekonstruktion der Brust entweder mit Expandertechnik oder unter Verwendung von xenologem Gewebe (z. B. azelluläre Schweinehautmatrix) durchgeführt werden. In seltenen Fällen wird trotz Notwendigkeit einer Radiatio auf ausdrücklichen Wunsch der Patienten eine Sofortrekonstruktion trotz Indikation zur Radiatio durchgeführt. In diesen Fällen wird ein Hautmuskelexpander subpektoral als Platzhalter eingelegt und bis zur Radiatio rasch aufgefüllt. Da in diesen Fällen zumeist eine Skinsparing Mastektomie durchgeführt wurde, und somit vor allem der Muskel gedehnt werden muss, ist dies zumeist problemlos möglich. Bei der Radiatio kann ggfs. der Expander wieder abgelassen werden. Nach erfolgter Bestrahlung der Brust kann in einem Abstand von 6−12 Monaten ein Austausch des Expanders durch eine Silikonprothese vollzogen werden. Brustrekonstruktion mit autologem Gewebe (M. latissimus dorsi flap, TRAM-Flap, DIEP-Flap, Gracilis-Flap, w w .d w e CME .c me .m go -f ac h v CMExtra er la ge 01/2015 etc.) werden bei vorbestrahlten Brustwänden und auf Wunsch der Patientin durchgeführt. Jede Patientin sollte interdisziplinär in Zusammenarbeit mit einem plastischen Chirurgen diesbezüglich beraten werden. Entscheidend ist hierbei, dass alle Operationstechniken dem Brustzentrum zur Verfügung stehen. In unserem Brustzentrum werden die gestielten Lappentechniken durch die Gynäkologen und die freien Lappentechniken durch die plastischen Chirurgen durchgeführt. Zusammenfassung Die Kunst der Operation des Mammakarzionoms ist, die adäquate Indikation zu stellen. Dies sollte im interdisziplinären Ansatz erfolgen, da moderne Therapien nicht nur die Größe des Tumor und den Nodalbefall sondern auch die Tumorbiologie, die Familienanamnese und die persönliche Lebenssituation der Patientin berücksichtigen. Die brusterhaltende Operation ist den ablativen Verfahren natürlich vorzuziehen, wobei onkoplastische Techniken unter Berücksichtigung der Ge- genseite gute kosmetische Ergebnisse erzielen können. Nach ablativen Operationen kann eine simultane oder sekundäre Brustrekonstruktion mit autologem Gewebe oder Implantaten erfolgen. Ein spezialisiertes Brustzentrum sollte alle Operationstechniken ggf. auch in Zusammenarbeit mit einem plastischen Chirurgen anbieten können. Literatur beim Verfasser Hierbei handelt es sich um eine Zweitpublikation aus der der ONKOLOGIE heute. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Christof Sohn Universiätsfrauenklinik Heidelberg 69115 Heidelberg E-Mail: christof.sohn@med.uni-heidelberg.de Prof. Dr. med. Christof Sohn Bequem und einfach Alle CME Artikel finden Sie online auf unserem neuen CME-Portal unter www.cme.mgo-fachverlage.de!
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