dgb jugend 2015 - Der 1. Mai in Braunschweig

Editorial
Liebe Leser*innen,
bereit zum fünften Mal schließt sich anlässlich des 1.
Mai in Braunschweig unser Jugendbündnis zusammen, welches sich seit 2011 u.a. auf der traditionellen 1. Mai-Demonstration zum Jugendblock formiert.
Damit versuchen wir, unseren Themen und unserer
Kritik an den bestehenden Verhältnissen eine Stimme zu verleihen. Uns eint hierbei eine fundamentale
Kritik an der kapitalistischen Gesellschaftsordnung
und die gemeinsame Forderung nach einem besseren
Leben für alle. Daher ist unser zentrales Motto: Gemeinsam für eine solidarische Gesellschaft!
Es ist notwendig unsere Kritik an den bestehenden
Verhältnissen gemeinsam zu formulieren, da unsere Probleme in der Schule, am Arbeitsplatz, mit dem
Arbeitsamt, der Ausländerbehörde oder an der Universität uns zwar einzeln treffen, jedoch Auswirkung
der selben gesellschaftlichen Verhältnisse sind.
Unsere Vorstellung von einer befreiten und solidarischen Gesellschaft hat sich leider noch lange nicht
erfüllt – Tag für Tag sind wir mit der Gewalt des kapitalistischen Alltags konfrontiert. Das macht die
Organisierung gegen die Verhältnisse so wichtig wie
eh und je und wir müssen gemeinsam Antworten auf
deren momentane Erscheinungen finden.
In dieser Broschüre wird es daher auch wieder Hintergrundartikel zu aktuellen Themen geben. So beschäftigen wir uns mit den bevorstehenden Treffen der
G7-Staaten in Deutschland und mit der grundsätzlichen Rolle des Staates. Eine Auseinandersetzung mit
der rassistischen BRAGIDA/PEGIDA-Montagsveranstaltung und ihren Parallelitäten zum Islamismus
findet ihr hier ebenfalls. Darüber hinaus wird sich
der besonderen Rolle der Gewerkschaften im Kapitalismus angenommen sowie auf deren Doppelcharakter hingewiesen und im selben Zuge beschäftigt
sich ein weiterer Artikel mit der Notwendigkeit einer
neuen Arbeitszeitverkürzungsdebatte.
Wir wollen aber auch Perspektiven für Kämpfe um
eine solidarische Gesellschaft hier vor Ort aufzeigen.
Dazu werden verschiedene Jugendorganisationen
aus Braunschweig ihre Positionen und aktuellen Arbeitsfelder vorstellen.
Viel Spaß beim Lesen und selber aktiv werden – wir
sehen uns am 1. Mai auf der Straße!
Euer Redaktionskollektiv im Jugendbündnis
1. ALLGEMEIN
3. TEXTE ZUM INHALTLICHEN SCHWERPUNKT
4
Historie des Jugendbündnisses
6
Aufruf
„Gegen die Gewalt der herrschenden Verhältnisse“
30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich
Für mehr Möglichkeiten der Persönlichkeitsentfaltung
außerhalb des Arbeitsprozesses
32
Ver.di Jugend Braunschweig/Wolfsburg
Das Treffen der G7 – oder: Wie hältst du es mit dem Staat?
Eine Staatskritik anlässlich des G7-Gipfels
2. WAS GEHT VOR ORT?
Von Franzi, Nele und Malte
Texte zur Vorstellung lokaler Gruppen
Doppelcharakter der Gewerkschaften
Eine Staatskritik anlässlich des G7-Gipfels
10
DGB Jugend TAK
Von Timo Reuter und Marvin Hopp
12
Ver.di Jugend
„In der Dämmerung fallen ihre Masken“
Ein Erklärungsversuch reaktionärer
Krisenbewältigungsideologien
14
IG Metall Jugend
16
SJ – Die Falken
18
AStA der TU
20
Antifaschistische Gruppe Braunschweig
34
42
46
Antifaschistische Gruppe Braunschweig
IMPRESSUM
Die Texte dieses Heftes geben nur die Meinung der jeweiligen
Autor*innen wieder. Die Verteiler*innen dieses Heftes sind
nicht mit den Macher*innen identisch.
Wir verwenden die geschlechtsneutrale Form „*innen“, um
neben dem männlichen und weiblichen Geschlecht auch
Transgendern und Anderen Rechnung zu tragen.
22
Ultras Braunschweig
24
Jusos
26
Grüne Jugend
V.i.S.d.P.: Markus Hulm, Jugendbildungsreferent
DGB Region SüdOst-Niedersachsen, Wilhelmstr. 5, 38100 Braunschweig
28
Jugendring Braunschweig
Bildrechte:
Seite 38&40: strassenstriche.net bei Flickr, CC BY-NC 2.0
H i st o r i e d e s J u g e n d b ü n d n i s s e s
4
2011
„Gemeinsam für eine solidarische Gesellschaft“
2012
„Unsere Kritik geht weiter“
2013
„Eine andere Welt ist nötig!“
2014
„Unser Protest ist grenzenlos“
5
G e g e n d i e G e wa l t d e r
h e r rs c h e n de n Ve r häl t nisse
Gemeinsam für eine
solidarische Gesellschaft!
Heraus zum 1. Mai
6
Wir, das Jugendbündnis zum 1. Mai 2015, rufen alle
SchülerInnen, Studierenden, Auszubildenden, jungen ArbeiterInnen und Erwerbslosen dazu auf, sich
am Jugendblock zu beteiligen. Es ist notwendig, unsere Kritik an den bestehenden Verhältnissen gemeinsam zu formulieren, da unsere Probleme - in
der Schule, am Arbeitsplatz, mit dem Arbeitsamt, der
Ausländerbehörde oder an der Universität - uns zwar
einzeln betreffen, jedoch die Auswirkungen derselben gesellschaftlichen Verhältnisse sind.
Die Verhältnisse, in denen wir leben, basieren auf
der Logik von Privateigentum an Produktionsmitteln und Profitmaximierung. Dies bedeutet für viele Menschen alltägliche Gewalt in Form von Armut
und Leistungszwang, Diskriminierung und Ausgrenzung, bzw. fehlender Teilhabe am gesellschaftlichen
Leben, aber auch grundlegend den Ausschluss von
Entscheidungen darüber, was wir produzieren und
wie wir den gesellschaftlichen Reichtum verteilen.
Eine andere Welt ist möglich
Die Alternative wäre, sich solidarisch gegen diese
Zustände zu organisieren und gemeinsam für ein gutes Leben für alle zu kämpfen. Allerdings stehen wir
uns alle in erster Line als Konkurrenten im ewigen
Wettbewerb um Jobs, Ausbildungs- und Studienplätze, bessere Noten oder Bewertungen gegenüber.
Diese Konkurrenzverhältnisse werden von vielen als
(gott-)gegeben wahrgenommen und aufgrund von
Leistungszwang verinnerlicht. Dass sie einer Gesellschaftsordnung entspringen, die vom Menschen geschaffen wurde und somit auch vom Menschen verändert und überwunden werden kann, wird zu selten
gesehen. Packen wir es an!
Rassismus und Faschismus den Boden entziehen
Oftmals dienen vereinfachte und falsche Muster zur
vermeintlichen Erklärung der herrschenden Verhältnisse. Die Zunahme sowie die Entstehung von PEGIDA/BRAGIA, auch bei uns in Braunschweig, sind
eines dieser falschen Erklärungsmuster. Plötzlich
sind Ausländer und Flüchtlinge an Arbeitslosigkeit
Schuld und nicht die ungleiche Verteilung der gesellschaftlich notwendigen Arbeit.
Dass die zugrunde liegenden Erklärungsmuster
dabei völlig irrational sind, sehen wir daran, dass
MigrantInnen einerseits „Schmarotzertum“ vorgeworfen wird und sie andererseits „uns“ die Arbeitsplätze wegnähmen. Was denn nun? Wer aus Angst
Menschen tritt, denen es noch schlechter geht als
einem selbst, ist kein besorgter Bürger, sondern ein
Arschloch!
Wir kämpfen lieber gemeinsam gegen die eigentlichen Ursachen der Gewalt der herrschenden Verhältnisse!
Der Kapitalismus ist nicht das Ende der Geschichte
Der Kapitalismus produziert heute unglaublichen
Reichtum und zugleich den Ausschluss vieler Menschen von diesem. Obwohl genug für alle da ist, wird
einem Großteil der Menschheit der Zugang zu dem
verwehrt, was sie für ein gutes Leben brauchen.
Selbst grundlegende Bedürfnisse der Menschen wie
Wohnraum für alle, Frieden, Gesundheit, genug zu
Essen und Bildung, kann der Kapitalismus nicht befriedigen. Immer noch sterben Menschen an Hunger
oder heilbaren Krankheiten, weil sie keinen Zugang
zum Nötigsten haben.
Die unsolidarische Verteilung des gesellschaftlichen
Reichtums ist die systematische Gewalt des kapitalistischen Alltags. Daher finden wir: Nur in einer
Gesellschaft, die den Zugang zum gesellschaftlichen
Reichtum allen (frei) ermöglicht, ist ein friedliches
und solidarisches Miteinander möglich.
So wie es ist, bleibt es nicht!
Für uns stellt sich daher die Frage, wie lange wir es,
insbesondere als junge Menschen, noch hinnehmen
wollen, uns dieser gewalttätigen Logik zu beugen.
Wie lange wollen wir es noch zulassen, dass eine Gesellschaft diese Logik verinnerlicht und sich dabei
Menschen, besonders in Krisenzeiten, mit vereinfachten und diskriminierenden Erklärungsmustern
zufrieden geben? Für uns stellt sich neben den täglichen Abwehrkämpfen, die wir gegen die permanenten Angriffe des Kapitalismus führen, auch immer
die Frage nach einer Gesellschaft jenseits dieser unmenschlichen und unsozialen Logik.
Wir bilden uns, machen uns Gedanken und kämpfen für eine Gesellschaft, in der Solidarität an erster
Stelle steht.
Jugendbündnis zum 1. Mai 2015
10.3
30 Uhr, Burgplatz
Im Anschluss: Jugendmeile im Bürgerpark
7
Wa s
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vor
Ort?
„ U n s e re m Ve rstän dnis na ch m ü ssen
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10
Wir sind ehrenamtlich engagierte junge Menschen
- Schüler*innen, Azubis, Studierende oder auch Arbeits- aber nie Beschäftigungslose, die sich der politischen Jugendbildungsarbeit verschrieben haben und
gemeinsam den Teamendenarbeitskreis (TAK) in der
DGB Jugend Braunschweig bilden.
Politische Jugendbildungsarbeit, auch weit über klassisch als gewerkschaftlich verstandene Themen hinaus, ist ein zentraler Bestandteil im Selbstverständnis und Tätigkeitsbereich der DGB Jugend. Unser
Ziel besteht darin, Jugendliche über gesellschaftliche
Misstände und die dahinterstehenden Strukturen
aufzuklären und sie gleichzeitig dazu zu ermutigen,
für die Partizipation an und solidarische Gestaltung
der Gesellschaft aktiv zu werden - sei es im Betrieb,
in der Schule, der Uni oder auch im “privaten” Umfeld. Wir möchten also ein politisches Verständnis
wecken und aufzeigen, dass auch und gerade junge
Menschen für ihre Interessen eintreten und ihren
Vorstellungen von einer anderen Gesellschaft Gehör
verschaffen können und sollten.
Das wollen wir euch allerdings nicht nach Lehrplan
„beibringen“ oder gar von oben „verordnen“, sondern ganz im Gegenteil gemeinsam mit euch auf
Augenhöhe und mit euren Perspektiven erarbeiten.
Unserem Verständnis nach müssen die Grundsätze
Freiheit, Gleichheit und Solidarität mit Leben gefüllt
werden und dementsprechend gestalten wir auch
unser
Bildungsangebot
bewusst jenseits von Leistungsprinzip und Autoritätsglaube. Diese in der Regel mehrtägigen Seminare
bieten wir seit vielen Jahren und erfreulicherweise
mit steigendem Umfang, u.a. zu den Themenbereichen Antirassismus & Diskriminierung (Courage),
Demokratie & Mitbestimmung (PDM) und auch Gesellschaft & Geschlecht (Gender) an. Vielleicht ist
der eine oder die andere Leser*in uns ja schonmal
begegnet und erinnert sich spätestens jetzt an unser
Seminar im Gewerkschaftshaus.
In diesem Rahmen begegnet uns - und vor allem
eben auch unseren Teilnehmenden - die sprichwörtliche Gewalt der herrschenden Verhältnisse in vielen
verschiedenen Formen. Dies beginnt bei Azubis, die
vom Betrieb als billige Hilfskräfte ausgenutzt werden
und dort alle möglichen Tätigkeiten ausüben müssen, nur nicht jene für die Erlernung ihres späteren
Berufs notwendigen - geht über die (Un-)Sichtbarkeit
verschiedener Arten von Diskriminierung im schulischen Alltag - und hört bei Diskussionen über geschlechtliche Rollenanforderungen und deren Auswirkungen auf unser Leben in dieser Gesellschaft
noch lange nicht auf.
Neben einigen praktischen Tipps, die wir aus unseren eigenen Erfahrungen geben können, sehen wir
unsere Aufgabe vor allem darin, diese persönlichen
Frustrationserlebnisse in einen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang zu bringen und damit auch
aufzuzeigen, welche Möglichkeiten es gibt, sich dagegen solidarisch zur Wehr zu setzen.
Daneben verstehen wir uns natürlich auch selbst als
politische Menschen und versuchen somit über unsere Bildungsarbeit hinaus aktiv gegen gesellschaftliche Missstände vorzugehen und unsere Vorstellungen einer solidarischen Gesellschaft breiter zu
streuen.
Dazu beteiligen wir uns aktuell nicht nur an den
No-Bragida-Protesten des „Bündnis gegen Rechts“,
sondern engagieren uns auch beim Jugendbündnis
zum 1. Mai im Jugendblock auf der Demo, mit Diskussionsveranstaltungen im Vorfeld und nicht zuletzt durch die Erstellung dieser wundervollen Broschüre.
Wer mit uns nach dieser kurzen Vorstellung immer
noch - oder gerade deswegen - Seminare organisieren möchte (wir teamen übrigens auch noch über die
o.g. hinaus verschiedene Workshops und Ausstellungen), kann sich gerne an unseren Jugendbildungsreferenten (Kontakt s.u.) wenden.
Vor allem aber freuen wir uns über personellen
Nachwuchs in unserem TAK - also wenn du vielleicht schonmal ein Seminar als „Teili“ mitgemacht
hast und auf die andere Seite wechseln möchtest
oder aber politische Jugendbildungsarbeit so wie
wir einfach mega cool und wichtig findest, dann bist
du herzlichst eingeladen, bei unseren regelmäßigen
Treffen reinzuschnuppern und mitzumachen!
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Z u e rs t m u s s d e r G l a u b e a n e t w a s
e n t st e h e n !
12
Ganz nach dem Motto von Meister Yoda: „Diskriminierung, Ausgrenzung und Ausbeutung – die dunklen Seiten der Macht sie sind! Besitz sie nicht dürfen
ergreifen von dir!“, kämpfen wir, die ver.di Jugend
Braunschweig/Wolfsburg, auch in diesem Jahr für
eine solidarische Gesellschaft, in der man Akzeptanz,
Toleranz und ein Miteinander nicht im App-Store
suchen muss. Wir stellen die Frage: Glauben wir nur,
was wir sehen oder sehen wir nur das, was wir glauben? Unser Fazit: Zunächst muss die Vorstellung von
einer solidarischen Gesellschaft in uns existieren,
um sie dann umzusetzen.
Zentrale Themen, bei denen wir Einfluss nehmen
wollen, sind die Verbesserung der Flüchtlingspolitik
und der Kampf gegen Alltagsrassismus. In Kooperation mit Asylsuchenden setzen wir uns im Rahmen
der Organisationswahlen in Ver.di dafür ein, dass
ver.di dafür eintritt, dass sich die Lebensbedingungen und Gesetze für Asylsuchende verbessern. Ebenfalls soll Geflüchteten eine Mitgliedschaft in ver.di
ermöglicht werden. Es ist wichtig in Zeiten von Bragida nicht nur Petitionspapiere zu unterschreiben,
sondern sich auch aktiv für Solidarität einzusetzen.
Daher beteiligen wir uns an den Gegendemonstrationen zu Bragida oder Nazi-Aufmärschen und sagen:
„Solidarität, die kannst du nicht googlen oder nachlesen, du kannst sie nur erleben!“.
Außerdem beschäftigen uns die Schwerpunkte: Arbeitszeitverkürzung, Mindestausbildungsvergütung, Bildungsurlaub und Arbeitskampf.
Um die Diskussion zur Arbeitszeitverkürzung wieder in unserer Gesellschaft zu etablieren, planen wir
zusammen mit der IGM Jugend eine Veranstaltung.
Denn: „Seit die Arbeiter Arbeit fordern statt so wenig
Arbeit wie möglich, blieb ihre Kritik systemimmanent…“ - das niedliche Känguru.
Wir sagen: Gewalt beginnt auch dann, wenn wir gezwungen sind jede Woche mindestens 40 Stunden zu
festen Zeiten arbeiten zu gehen, nur um uns selbst
zu reproduzieren. Kämpft mit uns für eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich!
Denn dann haben wir auch wieder Zeit zum Lachen.
Zeit um uns zu mobilisieren gegen prekäre Arbeitsund Lebensbedingungen, vor allem als ver.di Jugend
im Dienstleistungssektor. Daher unterstützen wir
tatkräftig die Tarifrunden für den öffentlichen Dienst
der Länder sowie den Sozial- und Erziehungsdienst.
Wir sagen: Solidarität, das beginnt schon beim „Gefällt-mir-Klick“ auf Facebook.
Wenn wir uns fragen, was die Gewerkschaften je für
uns getan haben, schreit es aus vielen Ecken. Aus einer kommt: „Bildungsurlaub“. In Niedersachsen steht
jedem*jeder Arbeitnehmer*in 5 Tage Bildungsurlaub
im Jahr zu. Ein Erfolg, den es zu verteidigen gilt. Wir
machen uns mit kreativen Ideen und Aktionen stark
dafür, dass dieses Angebot wahrgenommen wird.
Wir unterstützen unsere starken Jugend-und Auszubildendenvertretungen in den Betrieben, die sich
täglich dafür einsetzen, dass die Qualität der Ausbildung steigt. Hierbei unterstützen wir Aktionen zur
Übernahme oder großartige Kampagnen wie „Einsatz für 4 Wände“, eine Kampagne der JAVen und
Auszubildenden in Wolfsburg, um die Lebens- und
Wohnqualität der Auszubildenden vor Ort zu verbessern! „Wir alle suchen unser Leben lang nach einem
Ort, einem Menschen oder einer Vorstellung von etwas, das uns das Gefühl gibt, angekommen zu sein.“
- Lea-Patricia Kurz.
Lasst uns ein „Zuhause“ schaffen, das allen das Gefühl gibt, angekommen zu sein - für eine solidarische
Gesellschaft! „Willkommen auch in unserer ver.di Jugend ihr seid!“ - Meister Yoda.
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G e g e n d i e G e wa l t d e s Ka p i t a l s
Gemeinsam für ein schönes Leben!
14
Hallo! Wir sind die IG Metall Jugend aus Braunschweig. Wir – das sind Auszubildende, dual Studierende und Jugendvertreter*innen aus unterschiedlichen Braunschweiger Betrieben sowie Schüler*innen
und Student*innen. Zusammen treffen wir uns regelmäßig, um uns auszutauschen. Vor allem geht es
dabei natürlich um den allgegenwärtigen Kampf mit
den Arbeitgeber*innen. Was geht gerade schief? Wie
kann man das ändern? So versuchen wir u.a. gegen
prekäre Beschäftigung und Diskriminierung von
Azubis anzugehen.
Eine große Rolle spielt zurzeit die Qualität unserer
Berufsschulen. Um zunächst einen Überblick der Situation zu erhalten, haben wir im letzten Jahr eine
Umfrage in unseren Betrieben gestartet. Die Ergebnisse waren zum Teil erschreckend – über 75% wissen nicht einmal, dass eine Interessenvertretung
existiert! In unserer alljährlichen „Nikolausaktion“,
bei der wir den Braunschweiger Weihnachtsmarkt
ein wenig aufmischen, haben wir deshalb das Thema
aufgegriffen. Mit einem Beamer bewaffnet zeigten
wir ein selbstgedrehtes Video mit den Ergebnissen
und verteilten Flyer, auf denen die Berufsschulen schlechte Noten erhielten. Viele Passant*innen
konnten wir so auf dieses Problem aufmerksam machen und wir wollen auch weiterhin an dem Thema
arbeiten. Für den Frühsommer ist eine Podiumsdiskussion geplant.
Einen Erfolg für die betriebliche Weiterbildung konnten
wir in der letzten Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie erringen: Der Zugang zur Weiterbildung
wird damit für alle Beschäftigten deutlich einfacher.
Wir stellen uns klar gegen jegliche Form von Ausgrenzung und Diskriminierung. In den Betrieben
kommt leider beides in den unterschiedlichsten Formen vor. Um den Frauentag geht es also genauso,
wie um die Ungleichbehandlung von Kolleg*innen
mit Migrationshintergrund. In jedem Fall versuchen
wir eine Lösung zu finden. Deshalb sprechen wir uns
beispielsweise für die Einführung von anonymen
Bewerbungen aus.
Aber nicht nur betriebliche Themen befinden sich
in unserem Fokus. Mit Schrecken haben wir die
Entwicklung populistischer Parteien und Organisationen wie PEGIDA beobachtet und diskutiert. Seit
der PEGIDA-Ableger in Braunschweig demonstriert,
gehen auch wir auf die Straße, um zu verhindern,
dass Braunschweig zur Bühne rechter Parolen wird.
Für uns heißt es: Flagge zeigen gegen ausgrenzende
Meinungsbilder! Das gilt sowohl für BRAGIDA und
Naziaufmärsche als auch bei verstecktem Rassismus.
All diese Themen stehen natürlich nicht nur bei uns
auf der Tagesordnung. Gemeinsam sind wir stark,
deshalb ist uns Vernetzung sehr wichtig. Im Vor-
dergrund steht dabei die Zusammenarbeit mit dem
DGB und anderen DGB-Gewerkschaften. Im Jugendbündnis sind wir gern aktiv, weil es zeigt, dass wir
gemeinsam eine starke Stimme sind. Neben der ganzen politischen Arbeit verstehen wir uns auch sonst
ziemlich gut. Unser bunt gemischter Haufen hat bei
jedem Treffen viel zu Lachen und im Anschluss wird
sich häufig bei einem Bierchen in der Kneipe weiter
ausgetauscht.
Insgesamt sind wir in weit gestreuten Bereichen tätig. Das liegt wohl daran, dass es noch so viel zu tun
gibt im Kampf gegen die Gewalt der herrschenden
Verhältnisse. Allerdings haben wir auf dem Weg zu
einer solidarischen Gesellschaft auch schon viel geschafft. So gehört für uns zur erfolgreichen Arbeit
auch das Feiern, schließlich muss man sich auch mal
selbst auf die Schulter klopfen können.
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E in e We l t , wi e si e uns ge fäl l t!
16
Die Sozialistische Jugend – Die Falken ist ein freiwilliger, parteiunabhängiger Zusammenschluss von
Kindern und Jugendlichen.
Wir organisieren Veranstaltungen, Zeltlager und Ferienfreizeiten. Das SUB, im Bohlweg 55, ist unser
Jugendzentrum, in dem wir Partys, politische Seminare, Aktionen und vieles mehr organisieren. Im Vordergrund steht dabei der Anspruch der Selbstorganisation von Kindern und Jugendlichen - die Falken
stellen die Möglichkeiten dafür zur Verfügung.
Bei uns verbringen Kinder und Jugendliche ihre
Freizeit und machen gemeinsam mit anderen Politik für sich selbst. Politik hat etwas mit uns zu tun,
mit unseren Interessen, Bedürfnissen und unserem
alltäglichen Leben. Wir „Falken“ wehren uns gegen
Bevormundung, Intoleranz und gegen menschenverachtende Parolen und Politik. Wir treten ein für mehr
Gerechtigkeit, Chancengleichheit und eine grundlegende Veränderung der bestehenden Verhältnisse.
Frei von Rassismus, Sexismus, Homophobie, Kapitalismus und Antisemitismus. Und was wir denken,
träumen und hoffen, versuchen wir schon heute (vor) zu leben. Deswegen ist es umso wichtiger, Kindern
und Jugendlichen Möglichkeiten anzubieten, aus
denen sie lernen können, ihr Umfeld kritisch wahrzunehmen und Änderungsvorschläge zu entwickeln.
Denn gegen die Dinge, die uns nicht passen, müssen
wir aktiv vorgehen. Das können wir nur, wenn wir
wissen, was uns nicht passt
und wie wir es ändern können
- wenn wir wissen, dass eine andere Welt möglich ist.
Wir wollen eine Welt, die uns gefällt!
Peer Leader International - ein selbstorganisiertes
Jugendnetzwerk
Peer-Leader-International (PLI) ist ein innovatives
Bildungsprojekt für Jugendliche und junge Erwachsene mit einer Gruppe auch in Braunschweig. In Kooperation mit den Falken in Braunschweig organisieren wir unsere Aktionen ebenso im SUB am Bohlweg.
Das Projekt gibt den Teilnehmenden aus verschiedensten Kulturen und sozialen Schichten die
Möglichkeit, Neues kennen zu lernen und sich
auszuprobieren. Lernen und Spaß durch eigenverantwortliches und gemeinschaftliches Erarbeiten
von gemeinnützigen Projekten stehen dabei im Mittelpunkt.
PLI will die Idee des „global citizenship“ (Weltbürger_innen) mit den Zielen Frieden, intakte Umwelt,
Gerechtigkeit, Beteiligung und Bildung umsetzen.
Alle PLI-Projekte werden von den ersten Ideen bis
hin zur praktischen Realisierung von den Jugendlichen selbst entwickelt.
Bisher haben Peers im Netzwerk verschiedenste
Projekte verwirklicht: gutes Kochen - bio und fair,
Klimaschutz, Energieprojekte, Exkursionen, internationale Besuche, Street Art und
Globale Gerechtigkeit.
Bei Peer-Leader-International dabei zu sein bedeutet, das Leben
aktiv zu gestalten, Verantwortung
für sich selbst und das eigene Umfeld zu übernehmen und sich über
die Entwicklung von gemeinnützigen Projekten kreativ und spielerisch in die Gesellschaft einzubringen.
Die persönliche Entwicklung des Einzelnen ist der
Lohn dafür.
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18
Wir sind als politische Vertretung der Studierendenschaft durchgehend mit struktureller Gewalt
konfrontiert. Das hat viel damit zu tun, dass die
Universität gesellschaftlich als Ort der Elitebildung
angesehen wird und daher der Zugang zu dieser
Form der weiterführenden Bildung stark beschränkt
ist. Menschen ohne Abitur wird es fast unmöglich
gemacht, einen Platz in einem Studiengang zu bekommen. Wer nicht mit dem Schulsystem zurecht
kommt, hat keine Chance zu studieren. Zeitgleich ist
ein Studium eine Spezialisierung auf eine bestimmte
Wissenschaft und das angeeignete (Allgemein-)Wissen eines Abiturs wird nicht mehr benötigt. Scheitert
jemand also in Fächern wie Englisch oder Geschichte, ist auch ein Mathematik-Studium in weite Ferne
gerückt.
Wer einen Studienplatz erhält, wird mit weiteren
Problemen konfrontiert.
Spätestens durch die Einführung von Bachelor und
Master kommt es verstärkt dazu, dass Studis sich
nicht zum Zwecke eines Wissensgewinns mit Themen auseinandersetzen. Es wird immer mehr darauf
gesetzt, möglichst schnell mit dem Studium fertig zu
werden. Dieses wird fortlaufend optimiert, um mehr
und mehr Themen einzubauen, die ökonomisch verwertbar erscheinen. Durch die fehlende Zeit kommt
es dann auch zu Phänomenen wie Bulimielernen –
innerhalb von möglichst kurzer Zeit möglichst viel
Wissen auswendig zu
lernen, um es in Klausuren auf Kommando auszuschütten. Ein Lerneffekt bleibt dabei außen vor. Der
Kampf um bessere Noten und den schnelleren Abschluss führt zu einem Konkurrenzkampf an den
Hochschulen, welche eigentlich ein Platz für freie
Bildung sind und nicht zum reinen Erwerb von Abschlüssen.
Ein anderes Problem ist, dass viele Studis keinerlei
finanzielle Unterstützung von den Eltern bekommen
und sich mit BAföG und Jobben auseinandersetzen
müssen. Auf der einen Seite immer mehr in kurzer
Zeit auswendig lernen und auf der anderen Seite
das komplette Leben mit (Neben-)Jobs zu bestreiten,
sorgt für durchgehenden Stress und hohe Belastung
der Studierenden.
Wir als AStA versuchen, politisch gegen diese Umstände anzukämpfen und die Situation der Studierenden zu verbessern. Dabei vernetzen wir uns mit
anderen ASten auf Landesebene, um politischen
Druck auszuüben. Zugleich informieren wir die Studierenden und versuchen bei akuten Problemen
auch direkte Aktionen vor Ort zu machen. Dazu besteht die AStA-Struktur u.a. aus Referaten, wo aktive
Studis zu speziellen Themen arbeiten. So kümmern
sich Studis um die Situation des knappen günstigen Wohnraums und die semesterweise akute Wohnungsnot. Es gibt auch Referate zu Antifaschismus
oder Antirassismus, die sich mit diesen Themen auseinandersetzen und auch im städtischen Raum dazu
arbeiten. Dazu gibt es Referate wie das AusländerInnen-, Homosexuellen- und FrauenLesben-Referat,
welche als Repräsentationsorgane und Interessenvertretung für verschiedene Gruppen an der Hochschule agieren.
Wir wirken also in vielen Bereichen und können uns
glücklich schätzen, dass es aktive Studis gibt, die sich
so sehr einbringen.
Doch es ist nicht einfach, Leute für diesen Mehraufwand zu begeistern.
In nächster Zeit werden wir unter anderem versuchen zu verhindern, dass es zu einer Entdemokratisierung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes
kommt. Außerdem wollen wir Studis für politische
Themen begeistern, indem wir diese mit kulturellen
Veranstaltungen verbinden. Auch die Wohnraumknappheit wird weiterhin ein akutes Thema bleiben
und wir werden das „Festival contre le racisme“ (Veranstaltungen gegen Rassismus im Rahmen einer landesweiten Aktionswoche) wieder mehr beleben.
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20
Die Gesellschaft, in der wir leben, ist von unpersönlicher Herrschaft und struktureller Gewalt durchzogen. Das heißt, dass wir jeden Tag gezwungen sind, in
die Schule, Arbeit, Uni - oder, wenn wir Pech haben,
zum Jobcenter oder zur Ausländerbehörde - zu gehen.
Dafür kann keine Person verantwortlich gemacht
werden, sondern die abstrakten gesellschaftlichen
Verhältnisse, die sich gegen die Menschen verselbstständigt haben. Nach dem Zweck unseres täglichen
gesellschaftlichen Handelns fragt niemand, obwohl
die Frage nach dem Zweck des Ganzen die gesellschaftlichen Widersprüche und die alltägliche Gewalttätigkeit des Systems sichtbar machen würden.
Unser Anspruch ist es daher in erster Linie, Gesellschaft zu verstehen, um unsere eigene Erfahrung von
Ohnmacht gegenüber den Verhältnissen erklären zu
können. Es geht nicht darum, dass wir alleine in unserem Kämmerchen Bücher lesen und über die Welt
philosophieren, sondern wir halten die theoretische
Kritik der Gesellschaft für eine wichtige Praxis. Wir
wollen in aktuelle gesellschaftliche Auseinandersetzungen hineinwirken sowie in theoretischen Diskursen die Idee der Möglichkeit des schönen Lebens
für alle aufrecht erhalten - damit diese Möglichkeit
überhaupt real werden kann.
Dafür grundlegend ist Ideologiekritik - das heißt genauer die Kritik einer falschen oder verschobenen
Sicht auf die Welt - aber auch eine Kritik an der real
bestehenden gesellschaftlichen
Ordnung. Wir verstehen uns
als linksradikale, emanzipatorische Gruppe, die es
wichtig findet in die gesellschaftliche Realität zu intervenieren und positive Veränderungen zu bewirken. Allerdings sind wir uns auch darüber bewusst,
dass dies nur in einem gewissen Handlungsrahmen
möglich ist. Da die gegenwärtigen Verhältnisse von
Zwängen und Gewalt durchzogen sind und wir derzeit kaum emanzipatorisches Potenzial in der Gesellschaft sehen, läuft es meist leider darauf hinaus, nur
den schlimmsten Auswüchsen dieser Gesellschaft,
beispielsweise PEGIDA und Islamismus, entgegenzuwirken. Die Wurzel dieser schlimmsten Auswüchse liegt jedoch in der bürgerlich-kapitalistischen und
patriarchalen Einrichtung der Welt als Ganzes. Es
kann also nicht darum gehen, die Welt, wie sie ist,
gegen das noch Schlimmere zu verteidigen - sondern
die Ursachen in der kapitalistischen Vergesellschaftung zu benennen.
Um das bisher gesagte auf eine konkretere Ebene zu
bringen: Momentan sehen wir die Notwendigkeit,
sich gegen den PEGIDA-Ableger „BRAGIDA“ zu
stellen. Das tun wir auch inhaltlich und haben dafür einen Vortrag in Kooperation mit den Falken zu
antimuslimischem Rassismus und Islamismus organisiert und einen Text für diese Broschüre aufgearbeitet (ab Seite 46). Es geht uns eben nicht darum,
die freiheitlich-demokratische Grundordnung gegen
rassistische Dumpfbacken zu verteidigen, sondern
eine Gesellschaft infrage zu stellen, die eben diese
ständig hervorbringt - vor allem aber einen Staat einrichtet, der dafür sorgt, dass die Leichenberge an den
europäischen Außengrenzen immer größer werden.
Dies ist ein Beispiel dafür, wie sich der abstrakte,
unpersönliche Zwang des Kapitalismus in direkter
Gewalt manifestiert.
Da wir uns auch gegen falsche Erklärungsmuster des
Bestehenden stellen, kritisieren wir Antisemitismus
auch in seiner islamistischen Gestalt. Dieser tritt in
Europa verstärkt seit dem letzten Sommer gewaltsam und organisiert auf die Straße, unter freundlicher Nichtbeachtung Linker - im schlimmsten Fall
noch unter Beifall derselben. Solche Zustände wollen
wir mit dem bundesweiten Schall & Wahn-Bündnis
bekämpfen, indem wir im Juli gegen den antisemitischen Al-Quds Marsch demonstrieren. Denn mit
Reaktionären jeder Couleur ist eine befreite Gesellschaft nicht zu denken.
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22
Dass das unmittelbare Gewaltpotenzial in einem
Fußballstadion deutlich höher ist, als in anderen gesellschaftlichen Zusammenhängen, ist den meisten
Menschen wohl bekannt. Anhänger*innen von verfeindeten Vereinen provozieren sich in den Fanblöcken und Hooligans schlagen sich bei verabredeten
Prügeleien die Köpfe ein. Immer häufiger kommt
es aber auch zu Auseinandersetzungen zwischen
Fans des gleichen Klubs. Grund dafür ist vielerorts
das wieder erstarkte, aggressive Auftreten rechter
Hooligans mit dem klaren Ziel antirassistische und
antifaschistische Bestrebungen zurückzudrängen.
In zahlreichen Stadien blieb es jahrelang unkommentiert, dass (rechte) Hooligans in den Fankurven
stehen, die mit ihrer physischen Gewalt, aber auch
mit rassistischen, sexistischen, homophoben und
antisemitischen Beleidigungen oft eine Drohkulisse
gegenüber denjenigen Menschen schaffen, die ihre
Weltanschauung offen ablehnen.
Auch in Braunschweig kommt es seit mehreren Jahren zu Auseinandersetzungen zwischen rechten
Hooligans bzw. Fans und unserer Gruppe. Statt sich
hinter die antirassistischen Ultras zu stellen, versäumen die Vereine und Fanprojekte vielerorts, sich
nachhaltig und effektiv gegen Diskriminierung sowie
die dahinterstehenden Strukturen zu positionieren
und stellen (lieber) die antirassistischen Gruppierungen als Schuldige für die aufkeimende Konfliktlage
in den Vordergrund. So ist es auch in Braunschweig dazu gekommen, dass die Vereinsführung letztlich gegen unsere
Gruppe ein Auftrittsverbot im Stadion aussprach, um
damit die Situation vermeintlich zu beruhigen.
Auch in diesem Jahr bleibt es weiterhin unser Ziel,
uns für eine nazifreie Fankurve im Eintracht-Stadion einzusetzen, um es allen Menschen zu ermöglichen, fernab von Diskriminierung, Ausgrenzung und
Gewalt, die Spiele des BTSV zu verfolgen. Um diese
Ziele in die Tat umsetzen, werden wir weiterhin die
positiven Entwicklungen, im Bezug auf antirassistische Arbeit im Eintracht-Stadion, unterstützen und
uns parallel für die Aufhebung des Gruppenauftrittsverbotes einsetzen. Wir erachten es weiterhin als
notwendig, sich Nazis und rechtsoffenen Menschen
direkt an den Orten in den Weg zu stellen, an denen
sie versuchen ihre menschenverachtenden Ideologien zu platzieren. Darüber hinaus werden wir daran
festhalten, auch außerhalb des Stadions auf unsere politischen Ziele aufmerksam zu machen, sei es
durch Vorträge, Konzerte oder Infomaterial.
Aber auch gesamtgesellschaftlich wollen wir weiter
für ein offenes, buntes und vor allem antirassistisches Braunschweig eintreten. Für ein Braunschweig
ohne BRAGIDA, Nazis und sonstige Rechtspopulist*innen. Dafür wollen wir weiter an einer Vernetzung der antirassistischen Gruppen in Braunschweig
arbeiten. Hierzu dient seit mehreren Jahren das „Kei-
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auch dieses Jahr, am 20.06.2015, (wieder) in Braunschweig stattfindet. Hierzu sind alle herzlich eingeladen vorbeizuschauen!
Denn nur, wenn sich ein entschlossenes und engagiertes Bündnis den rechten Tendenzen in unserer
Stadt und unserer Gesellschaft in den Weg stellt,
können wir etwas erreichen. Deshalb engagieren wir
uns seit längerer Zeit im Bündnis gegen Rechts sowie
dem Jugendbündnis zum 1. Mai.
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J u s o s : l i n k s u n d f re i !
Wir JungsozialistInnen in Braunschweig (kurz: Jusos)
sind mehr als eine reine Parteijugend der SPD. Wir
sehen uns als eigenständigen, sozialistischen, feministischen und internationalistischen Richtungsverband, der sowohl in die Gesellschaft als auch in die
SPD mit progressiven Inhalten hineinwirkt. Dazu
beschäftigen wir uns auf unseren wöchentlichen Sitzungen mit unterschiedlichsten Themen: Von praxisbezogener Bildungs-, Umwelt- und Kommunalpolitik
bis hin zu theoretischen Inhalten, wie Gesellschaftskritik und Arbeitsethik.
24
Inhaltliche Arbeit
Wir legen sehr großen Wert darauf, dass alle Aktiven
bei uns eigenständig inhaltliche Schwerpunktthemen
mit einbringen können. Einige dieser Inhalte werden bei uns langfristig in sogenannten „Projekten“
behandelt. Derzeit haben wir die Projekte „Arbeit &
Wirtschaft“, „Bedarfsgerechter Wohnraum“, „Kapitalismuskritik“, „Internationales“, „Entwicklungspolitik“, „Jugendforderungen an die Kommunalpolitik“
und die „Juso-SchülerInnengruppe“. Darüber hinaus
bieten wir kostenfreie Wochenendseminare mit anderen Juso-Gruppen im Großraum Braunschweig
an, auf denen wir unsere inhaltliche Arbeit vertiefen
können.
Natürlich beziehen wir auch zur aktuellen Tagespo-
litik
kritisch
Stellung. So haben wir uns zur unwürdigen Asyl- und Flüchtlingspolitik der EU positioniert. Unter anderem fordern
wir Jusos ein Grundrecht auf Asyl, die Abschaffung
der Grenzschutzagentur Frontex, ein dauerhaftes
Bleiberecht für Asylsuchende, einen bedingungslosen Nachzug von Angehörigen Geflüchteter, ein
Recht auf Arbeit und Bildung für Flüchtlinge sowie
die Abschaffung der Residenzpflicht und des Asylbewerberleistungsgesetzes, um Flüchtlingen die reguläre Versorgung entsprechend der für StaatsbürgerInnen geltenden Sozialgesetzgebung zu eröffnen.
Denn wir kämpfen für eine solidarische Gesellschaft,
in der alle Menschen frei, gleich und solidarisch miteinander leben können - unabhängig von Herkunft,
Religion oder Geschlecht.
Aktionsorientierte Arbeit
Wir Jusos schmoren nicht im eigenen Saft! Uns ist es
wichtig, die inhaltliche Arbeit auch nach außen zu
tragen und mit Aktionen einen Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Aufklärung zu leisten. So richten
wir jedes Jahr zahlreiche Aktionen aus, wie das Juso-Fußballturnier oder die 24-Stunden-Aktion, bei
der wir 24 Stunden lang durchgängig in der Braunschweiger Innenstadt direkte Aufklärung vor Ort
betreiben und mit Menschen ins Gespräch kommen,
die sich sonst nicht unbedingt mit unserer politischen Arbeit beschäftigen. Darüber hinaus beteiligen
wir uns auch an Aktionen und Demonstrationen von
anderen linken Organisationen. So sind wir seit Beginn der naziunterlaufenden Demonstrationen des
Braunschweiger PEGIDA-Ablegers BRAGIDA wöchentlich auf den Gegendemonstrationen sichtbar.
Vor allem der Arbeit im Braunschweiger Jugendbündnis zum 1. Mai sehen wir, wie in jedem Jahr, mit
großer Freude entgegen. Durch diese Arbeit gelingt
es allen linken Jugendorganisationen, geschlossen
für eine bessere Welt jenseits der kapitalistischen
Gesellschaftsordnung einzutreten. Deshalb: Reih‘
auch Du Dich beim 1. Mai in den Braunschweiger Jugendblock mit ein!
Freizeit-Events
Politik soll natürlich auch Spaß machen. Wir bieten
allen Aktiven jedes Jahr zahlreiche Freizeitaktionen
an. So gehen wir im Sommer gemeinsam in Parks
grillen, veranstalten Partys oder gehen gemeinsam
auf Festivals unserer weltweiten Schwesterorganisationen. Sei dabei! Gestalte die Welt mit uns! Wir
freuen uns auf Dich!
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26
Was uns gerade bewegt
Die AfD hat es geschafft, mit ihrem pseudoprofessoralen Getue rechtspopulistisches, reaktionäres und
rechtsextremes Gedankengut wieder salonfähig zu
machen. Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und
viele weitere Formen von Diskriminierung und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit waren zwar
auch vorher schon in der Breite präsent und wirksam, hatten aber nicht in dem Maße eine öffentliche
Plattform.
Das ist vermutlich einer der maßgeblichen Faktoren,
die zu der Entwicklung beigetragen haben, die jetzt
zu sehen ist – nämlich dem Entstehen und Erstarken
zahlreicher rechter Bewegungen: von HoGeSa, wo
vor allem bekannte Neonazis und rechte Hooligans
zu finden waren, über PEGIDA, dem Schulterschluss
der extremen Rechten mit dem*der deutschnationalen Normalrassist*in, bis zu „Friedens“-Mahnwachen von völkisch-antisemitischen Verschwörungstheoretiker*innen. Auch die selbsternannte „Demo
für Alle“, wo erzkonservative Reaktionäre gegen sexuelle Vielfalt hetzen, ist hier einzuordnen.
Dass gleichzeitig die Zahl der Angriffe und Anschläge
auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte dramatisch gestiegen ist, macht deutlich, wie gefährlich diese Entwicklung ist. Auch die jüngere Vergangenheit lehrt,
dass rechte Propaganda nicht unwidersprochen
bleiben darf, wie das Beispiel von Rostock-Lichten-
hagen und als Folge der rassistische
Asylkompromiss zeigen. Deswegen besteht unsere
Hauptbeschäftigung aktuell darin, uns den Rechten
lautstark entgegenzustellen, egal ob das ein AfD-Parteitag in Bremen, HoGeSa in Hannover, Geschichtsrevisionismus in Magdeburg oder die wöchentlichen
Naziaufmärsche namens BRAGIDA hier vor der
Haustür sind.
Wenn dann noch Zeit bleibt, kümmern wir uns um
alle weiteren Projekte, wie die Aktion zur Eröffnung
von PRIMARK, die Vorbereitung des BgR-Fests zum
Tag der Befreiung oder unsere Seminare und Bildungsveranstaltungen.
Warum uns der 1. Mai und das Jugendbündnis wichtig sind
Die beim Jugendbündnis vertretenen Gruppen mögen sich in vielen Bereichen unterscheiden, aber
mindestens so viel haben wir auch gemein. Und
wenn wir progressive linke Ideen voranbringen wollen, geht das nur gemeinsam. Deshalb ist das Jugendbündnis, bei aller berechtigter Kritik am 1. Mai, eine
gute Gelegenheit dafür, genau diese Ideen hör- und
sichtbar zu machen.
Gerade feiern einige den mit Ausnahmen durchsetzten Mindestlohn als großartige linke Errungenschaft. Aber Teilhabe und Emanzipation sind nicht
mit Lohnabhängigkeit bei 8,50€ erreicht. So, wie die
ökonomischen Zwänge, die den Mindestlohn als Ge-
genmaßnahme überhaupt erst notwendig machen,
auch nicht naturgegeben sind, sondern menschengemacht. Deshalb muss statt der Frage, ob der Mindestlohn 8,50€ oder 10€ betragen soll, viel eher die
Systemfrage auf die Tagesordnung. Und genau das
können wir als Jugendbündnis am 1. Mai erreichen.
Was eine solidarische Gesellschaft für uns
bedeutet
Zunächst der Versuch einer Arbeitsdefinition: Eine
solidarische Gesellschaft achtet jedes Individuum als
gleichwertig.
Mit der GRÜNEN JUGEND verbinden viele Themen
wie Umwelt- und Klimaschutz. Näher betrachtet
sind diese aber kein Selbstzweck, sondern folgen im
Kern einem solidarischen Gedanken: nämlich dem
Versuch, die Folgen der eigenen Handlungen für das
Leben und die Freiheit anderer Menschen zu bedenken, egal, wie weit diese räumlich und zeitlich
entfernt sind. Ab irgendeinem Punkt die Folgen des
eigenen Handelns auszublenden, bedeutet, diejenigen Menschen abzuwerten, die dadurch nicht mehr
berücksichtigt werden. Unter Einbeziehung komplexerer Phänomene, wie des Klimawandels, kann deshalb für uns eine solidarische Gesellschaft nur global funktionieren. Exklusive Konstrukte, wie das der
Nation, müssen überwunden werden.
27
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Der Jugendring Braunschweig e.V., Dachverband
von 33 Kinder- und Jugendverbänden sowie Jugendgruppen, unterstützt diese in ihrer Arbeit, ist deren
Sprachrohr bei jugendpolitischen Themen und fördert die kritische Auseinandersetzung von Kindern,
Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit sozialen,
politischen, ökologischen und kulturellen Fragen.
Die Vielfältigkeit innerhalb unseres Verbandes führt
zu einer Vielzahl an Arbeitsfeldern, in denen wir uns
betätigen, und einer Vielfalt gesellschaftlich relevanter Fragen, mit denen wir uns beschäftigen.
28
T-Shirt für 2,50 Euro oder 40 Euro – was heißt nachhaltig?
Im Jugendring Braunschweig hat sich eine AG Nachhaltigkeit aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen
gebildet. Die Textilindustrie steht aktuell im Fokus
ihrer Arbeit. Die schlechten Arbeitsbedingungen bis
hin zur körperlichen Ausbeutung der dort arbeitenden Menschen sollen stärker in den gesellschaftlichen Diskurs in Braunschweig gerückt und Konsument*innen zum kritischen Nachdenken über ihr
Kaufverhalten anregt werden.
Woher kommt meine Kleidung? Wie werden 2 Euro
teure T-Shirts produziert? Warum hetze ich jedem
Trend hinterher? Benötige ich tatsächlich jeden Monat neue Kleidung? Werden „Billig-Shirts“ und teure
Markenshirts unter anderen Umständen produziert?
Ist vielleicht doch
nur das Firmenlabel ausschlaggebend für die immensen Preisunterschiede?
Fragen, über die wir nicht immer nachdenken, wenn
wir vollgepackt im noch anhaltenden Kaufrausch an
den Kassen von Primark, H&M, Esprit und Co. stehen. Unsere AG bietet eine Plattform für eine kritische Auseinandersetzung mit diesem und weiteren
Themen.
Tickets: Kostenlos oder nicht kostenlos? – das ist die
Frage
Regional vor Ort diskutieren wir gemeinsam mit
Schüler*innen und Vertreter*innen der Stadt, der
Braunschweiger Verkehrs GmbH und des Schulamtes über kostenlose Bus- und Bahntickets für alle
Schüler*innen. Die bisherigen Regelungen scheinen zum Teil recht willkürlich: Warum bekommen
Schüler*innen ab dem 11. Jahrgang keine kostenlose
Fahrkarte? Warum bekommt Max, der 1,9 km von der
Schule entfernt wohnt, keine Fahrkarte und Sophie,
die 2,1 km von der Schule entfernt wohnt, schon?
Wieso wird nicht allen jungen Menschen eine kostenfreie, ganzjährige Mobilität ermöglicht? Diese
Fragen bewegen Jugendliche in Braunschweig, wir
unterstützen sie in diesem Diskussionsprozess und
setzen uns für kostenlose Bus- und Bahntickets für
alle Schüler*innen ein.
Für Demokratie & Diversity
Rechtsextremismus, Rechtspopulismus, rechtes Gedankengut, Alltagsrassismus – ein täglicher Bestandteil unseres Lebens, dem wir gemeinsam entgegentreten müssen. Vor diesem Hintergrund richten wir
2015 die AG gegen Rechts ein und koordinieren im
Rahmen des Projektes „Demokratie leben! - Aktiv
gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ - eine offene Arbeitsgruppe für Jugendliche und junge Erwachsene, in der Aktionen
und Projekte organisiert werden sollen. Alle jungen
Menschen sind herzlichst eingeladen daran teilzunehmen!
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Lohnausgleich
Für mehr Möglichkeiten der Persönlichkeitsentfaltung
außerhalb des Arbeitsprozesses
Text der ver.di Jugend Braunschweig / Wolfsburg
„Seit die Arbeiter Arbeit fordern statt so wenig Arbeit
wie möglich, blieb ihre Kritik systemimmanent und
damit in einem befreienden Sinne wirkungslos.“
Das Känguru1
32
Dieses Zitat aus dem Buch „Das Känguru-Manifest“
ist symptomatisch für die aktuelle Lage in Deutschland. Die Gewerkschaften sind fast nur noch damit
beschäftigt, die von den Unternehmen erhobenen
Forderungen nach Arbeitszeitverlängerungen ohne
Lohnausgleich oder auch schlichte Lohnkürzungen
zur angeblichen Beschäftigungssicherung abzuwehren. Gleichzeitig haben die Arbeiter*innen Angst,
durch Arbeitsplatzverlust aus dem gesellschaftlichen
Leben vertrieben zu werden2.
Die Furcht vor der Arbeitslosigkeit stärkt die Unternehmen und diszipliniert die abhängig beschäftigten
Arbeiter*innen. Der Handlungsspielraum der Gewerkschaften wird kleiner und führt zu immer wei1
M.-U. Kling, Das Känguru-Manifest, Ullstein Taschenbuch,
2
2011.
O. Negt, Arbeit und menschliche Würde, Göttingen: Steidl
Verlag, 2002.
tergehenden Zugeständnissen an Arbeit, Arbeitszeit
und ihrer Bezahlung3. Nur die politische Durchsetzung einer Arbeitszeitverkürzung, über die Köpfe der
Unternehmer*innen hinweg, kann die Arbeitsbelastung abbauen, die Lebensqualität der Arbeiter*innen
erhöhen und nachhaltig für mehr Arbeitsplätze sorgen.
Gegen die Vormachtstellung
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der Arbeiter*innen
für die
der Arbeiter*innen
Das kapitalistische System ist dadurch gekennzeichnet, dass es nicht für alle arbeitsuchenden Menschen
einen Arbeitsplatz bereitstellt. Die Massenarbeitslosigkeit ist demnach gewollt und wird von Unternehmen unterstützt, um Personalkosten zu senken
und die Gewinne zu erhöhen. Oft wird hierbei der
Wettbewerb als Ausrede genutzt, um die Lohnkosten
niedrig zu halten und prekäre Beschäftigung durchzusetzen.
Währenddessen werden die Arbeitslosen durch
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, unsinnige Weiterbildungen und Kurzarbeit mit sogenannten Arbeitsmarktreformen aus der Arbeitslosenstatistik
gedrängt. Ihnen wird eingeredet, selbst schuld an
ihrer Arbeitslosigkeit zu sein. Aus Angst vor Kürzung der Sozialleistungen sind deswegen viele bereit,
trotz unsicherer Zukunftsperspektiven, solche Jobs
mit schlechter Bezahlung und schlechten Arbeitsbe3
F. Deppe, Gewerkschaften unter Druck. Autonomie und
außerparlamentarische Bewegung, Hamburg: Supplement der
Zeitschrift Sozialismus, Heft 9, 2003.
Arbeitszeitverkürzung nur bei vollem Lohnausgleich
dingungen anzunehmen. Eine steigende Anzahl von
Zeitarbeitsverträgen, Leiharbeit und Minijobs ist die
Konsequenz.
Ausschließlich durch die Schaffung von Vollzeitstellen mit auskömmlichen Einkommen kann die
zwangsläufig in Altersarmut mündende Zukunft vieler Menschen abgewendet und die (Über-)Macht der
Unternehmen bekämpft werden.
Mehr Freizeit
für eine
Verteilung
der Arbeit
Mehr Freizeit
fürgerechtere
eine gerechtere
Verteilung
der Ar
Der Überbelastung eines Teils der Bevölkerung steht
der Ausschluss eines anderen gegenüber. Während
die Arbeiter*innen mit immer mehr Arbeitsprozessen belastet werden, haben die Arbeitslosen immer
weniger Chancen auf neue Stellen. Automation und
Produktivitätsfortschritt sorgen dafür, dass das Arbeitsvolumen in Deutschland weiter sinkt und viele
Arbeitsplätze überflüssig werden.
Zusätzliche Arbeit kann wirkungsvoll nur durch die
Senkung der Arbeitsstunden aller Beschäftigten erreicht werden. Berechnungen der „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaft“ zu Folge würde eine Senkung
der wöchentlichen Arbeitszeit aller Arbeiter*innen
auf knapp 30 Stunden ausreichen, um allen Arbeitslosen einen Arbeitsplatz zu ermöglichen.
Solch eine gerechte Umverteilung der Arbeit würde
nicht bloß für mehr Freizeit zur individuellen Persönlichkeitsentfaltung sorgen. Es könnte für viele
Menschen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
bedeuten und mehr Teilzeitbeschäftigten die Aufnahme einer Vollbeschäftigung ermöglichen.
Arbeitszeitverkürzung nur bei vollem Lohnausgleich
Eine Arbeitszeitverkürzung für alle kann einzig und
allein durch den Kampf der Arbeiter*innen durchgesetzt werden. Denn es liegt nicht im Interesse der
Unternehmen, die Gewinne aus den Produktivitätssteigerungen mit den Beschäftigten zu teilen oder die
Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen und ihre eigene Machtposition dadurch zu schwächen. Doch Berufskrankheiten wie Burnout zeigen, dass es an der
Zeit ist für eine Entlastung einzustehen.
Viele Beschäftigte befürchten jedoch eine Lohnkürzung durch Arbeitszeitverkürzung, wodurch
die Gewerkschaftsarbeit erschwert wird. Dabei wären Lohnerhöhungen viel leichter durchzusetzen,
wenn die Position der Gewerkschaften gestärkt und
die Massenarbeitslosigkeit abgebaut ist. Außerdem
bringt die Vollbeschäftigung alle Arbeitslosen in
Lohn und Brot, ohne dass die abhängig Beschäftigten, die in Arbeit sind, sich an der Finanzierung beteiligen müssten. Auf diese Weise können sowohl die
Gesellschaft als auch der Staat entlastet werden, was
wiederum zu einer Senkung der Lohnnebenkosten
führen muss.
Deswegen gehen wir am 1. Mai in Braunschweig auf
die Straße, um lautstark „so wenig Arbeit wie möglich“ ohne Lohnkürzungen zu fordern. Wir kämpfen
für die Abschaffung von prekären Arbeitsverhältnissen und die Schaffung von kurzen Vollzeitstellen
durch Arbeitszeitverkürzung für alle. Für eine solidarische Gesellschaft, in der die Arbeit „fair-teilt“ ist.
33
D a s T re f fe n d e r G 7 – o d e r :
W i e h ä l t st d u e s m i t d e m S t a a t ?
Wir nehmen den G7 Gipfel und die Proteste dagegen zum
Anlass, um uns anzuschauen, was ein eigentlich Staat ist
und was seine Funktionen sind. Eine Staatskritik halten wir
für die Grundlage einer Diskussion über Staatlichkeit und
über Forderungen, die an den Staat gestellt werden.
Text von Franzi, Nele und Malte
34
Auch in diesem Jahr findet das Gipfeltreffen der sieben größten Industriestaaten wieder statt, diesmal ist
Deutschland Gastgeberland. Im beschaulichen Bayern auf Schloss Elmau werden am 7. und 8. Juni 2015
die Staats- und Regierungschefs von Frankreich,
Großbritannien, Deutschland, Japan, USA, Italien
und Kanada ein Wochenende lang über die Probleme dieser Welt diskutieren. Noch im letzten Jahr hieß
das Treffen G8-Gipfel, da neben den großen Industriestaaten auch Russland mitmischen durfte. Nach
der Krimkrise wurde Russland samt Putin allerdings
ausgeschlossen und die Gipfelstaaten kehrten zum
G7-Format zurück.
Rund um das Gipfeltreffen gibt es große Proteste,
meist von Seiten globalisierungskritischer Bewegungen und diverser „linker Gruppen“. Diese sehen
in dem Treffen die Schaltzentrale des Kapitalismus,
begreifen die Gruppe der Sieben als Spinne im Netz
oder hängen sich am Begriff „Club der Mächtigen“
auf, um den G7 als elitär, exklusiv und undemokra-
tisch zu entlarven. Es werden Demos, Blockaden,
Camps, Veranstaltungen und Alternativgipfel organisiert, um mit allen Mitteln des Protests den G7 zu
stören oder zu verhindern.
Der G7-Gipfel wird als eine Veranstaltung begriffen,
die außerhalb von demokratischen Prinzipien stattfindet und in seinen Entscheidungsprozessen vollkommen undemokratisch handelt. Verkannt wird dabei jedoch, dass die Staats- und Regierungschefs von
dem jeweiligen Volkssouverän gewählt wurden, also
demokratisch legitimiert sind. Außerdem müssen
Staaten immer innerhalb von bestimmten Zwängen
Entscheidungen treffen und haben eben nicht die
freie Entscheidungsgewalt. Selbst wenn das Treffen
„demokratischer“ wäre, würde das wenig verändern.
Bei einer Argumentation mit dem Demokratieprinzip
wird davon ausgegangen, dass Politik die Verhältnisse schafft, anstatt sie nur zu verwalten und am Leben
zu erhalten.
Das Gipfeltreffen muss als Form auf einer abstrakten
Ebene betrachtet werden. Es ist offensichtlich, dass
viele Widersprüche, die die Gesellschaft durchziehen, an diesem Treffen sichtbar werden. Die indische
Aktivistin Vandana Shiva bringt es auf den Punkt:
„Menschen, um deren Geld es geht, haben mehr
Rechte und Berechtigungen als Menschen, um deren
Leben es geht.“1
1
http://www.akweb.de/ak_s/ak516/05.htm
Bei dem Gipfeltreffen spielt wahrscheinlich das Geld
von Menschen tatsächlich eine größere Rolle als
deren Leben, wie Shiva argumentieren würde. Allerdings ist das nichts Außergewöhnliches, sondern
kapitalistischer Alltag. Diese Gesellschaft ist nicht
nach den Bedürfnissen der Menschen organisiert,
sondern danach, Kapital zu verwerten, also die Kapitalzirkulation am Leben zu erhalten. Die in den
globalisierungskritischen Gruppen vorhandenen
Erklärungsmuster für diesen Widerspruch reichen
von einer unterstellten moralischen Schwäche der
Staats- und Regierungschefs bis hin zu der Vorstellung, so ein Treffen müsse einfach demokratischer
sein, dann würde das Problem schon gelöst.
Diesen Erklärungsmustern liegt der Eindruck zugrunde, dass die Welt an diesem Wochenende hinter verschlossener Tür zugunsten eines „entfesselten
Kapitalismus“ strukturiert und gelenkt wird. Dies
impliziert nicht nur die Vorstellung eines Kapitalismus, der vermeintlich richtig angewendet die Probleme dieser Welt lösen würde, sondern auch von Staaten, welche - wenn von den richtigen Menschen oder
demokratischer organisiert - für die Interessen aller
eingesetzt werden könnten. Dabei wird jedoch ausgeblendet, dass diese Regierungen auch nur Repräsentant*innen der jeweiligen Staaten sind, welche
in internationaler Konkurrenz zueinander stehen
und als Staaten im Kapitalismus handeln. Außerdem
wird eine Reformierbarkeit des Kapitalismus unterstellt, die diesen Widerspruch auflösen würde.
Die Kritik bewegt sich also immer innerhalb vom
bürgerlichen Staatensystem und dem Kapitalismus.
Demnach sind Demos, Blockaden und Randale am
Tag des Gipfeltreffens eine politische Praxis, die
nicht über solche Systeme hinaus gehen. Das Gipfeltreffen muss als Form und Teil von kapitalistischen
Verhältnissen betrachtet werden. Eine vollständige
Kritik muss immer eine Staats- und Kapitalismuskritik sein, denn nur so kann dieser Widerspruch
verstanden und zerlegt werden.
„Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los”2
Um also das Treffen der G7 richtig zu verstehen,
müssen wir uns erst einmal anschauen, welches
Verhältnis zwischen Staat bzw. Politik und den wirtschaftlichen Verhältnissen besteht.
Wenn wir von Staat sprechen, dann sprechen wir
vom bürgerlichen Staat. Wir denken, dass Staaten,
bevor es eine Verallgemeinerung des Wertes und
Tausches sowie der kapitalistischen Produktion gab,
anders funktioniert haben. Die moderne Form des
bürgerlichen Staates hat sich aus den früheren Formen von Staatlichkeit heraus historisch entwickelt.
Diese historische Herleitung soll hier aber nicht Gegenstand sein, sondern nur der Staat in seiner bürgerlichen Form und dessen Verhältnis zur kapitalistischen Ökonomie. Dass beides miteinander zu tun
hat, ist ziemlich offensichtlich. Schließlich sprechen
führende Politiker*innen ständig davon, dass es „dem
2
Goethe, 1827: “Der Zauberlehrling”
35
36
Land gut geht, wenn
es der Wirtschaft gut
geht“ oder „politische
Handlungsfähigkeit
abhängig vom Wirtschaftswachstum“ sei.
Da stellt sich natürlich
die Frage, was eigentlich ein Staat ist und
welche Funktionen er
hat. Erst einmal ist der
Staat keine einzelne Person, sondern eine Institution, die aus vielen verschiedenen Personen besteht,
zum Beispiel der Bundeskanzlerin, der Bürokratie,
der Polizei oder dem Parlament. Außerdem sind alle
Bürger*innen in einem Land auch mehr oder weniger
so etwas wie ein Teil des Staates, weil sie die Regierung wählen können. Das würde nahelegen, dass die
Aufgabe des Staates darin besteht, unsere Interessen
zu vertreten. Schließlich könnten wir ja, sobald uns
eine Regierung nicht gefällt, einfach die Opposition
wählen und es schiene, als hätten wir so einen Einfluss auf staatliches Handeln. Grundlegend ändert
allerdings ein Regierungswechsel an der Politik des
Staates wenig. So hat etwa die SPD mit der Agenda
2010 den größten Sozialabbau der letzten Jahrzehnte
beschlossen - obwohl sie wegen ihres sozialdemokratischen Parteiprogramms gewählt wurde. Das liegt
daran, dass staatliche Politik sich nur in einem sehr
kleinen Handlungsrahmen bewegt, denn die Institution Staat hat ein Eigeninteresse: weiterbestehen und
sich in der Konkurrenz mit anderen Staaten behaupten.
Die Frage ist nun, wie ein Konstrukt wie der Staat
ein Eigeninteresse haben kann. Das liegt daran, dass
der Staat sich gegen die Menschen verselbstständigt.
Was das bedeutet, hat Goethe sehr bildlich in seinem
Gedicht „der Zauberlehrling“ formuliert. Dort verhext ein Zauberlehrling einen Besen, der ihm Wasser
holen soll. Das macht dieser dann auch, doch hört
er nicht mehr auf und das Bad, welches der Besen
füllen soll, läuft über. Der Zauberlehrling hat die
Kontrolle über „die Geister, die er rief“ verloren und
der Besen, welcher vorher nur ein Werkzeug war, ist
quasi zu eigenem Leben erweckt worden. Genauso
verhält es sich auch mit dem Staat. Die Menschen
haben in Revolutionen dafür gekämpft, einen bürgerlichen Staat aufzubauen, weil sie gehofft hatten,
dass dieser Staat ihnen als Werkzeug für ein besseres
Leben dient. Wie sich allerdings herausstellt, vertritt
der Staat eben nicht die Interessen der Menschen.
Außerdem haben die Menschen quasi vergessen,
dass sie selber einmal
diese Geister hervorge- Außerdem haben die Menschen
rufen haben, also einen quasi vergessen, dass sie selber einStaat erschaffen haben. mal diese Geister hervorgerufen
Das ist, als würde je- haben, also einen Staat erschaffen
mand auf einen Zettel haben.
schreiben: „Trink ein
Glas Wasser“ und diesen Zettel auf einen Tisch legen und weggehen. Nun
vergisst der Mensch, dass er diesen Zettel geschrie-
ben hat und beim nächsten Mal, wenn er an dem
Tisch vorbei geht, findet er diesen Zettel und liest:
„Trink ein Glas Wasser“ und fragt sich, ob er jetzt
wirklich ein Glas Wasser trinken muss. Vielleicht
fragt er noch einen anderen Menschen, ob er wirklich
ein Glas Wasser trinken müsse. Dieser liest dann den
Zettel und sagt: „Wenn das hier steht, musst du wohl
ein Glas Wasser trinken.“ Und nun trinkt der Mensch
immer ein Glas Wasser, wenn er an dem Tisch vorbei
geht - bis er Bauchschmerzen hat3. Genauso wie der
Mensch in dieser Geschichte selbst den Zettel geschrieben hat, haben die Menschen selbst einmal den
Staat erfunden und sorgen jeden Tag wieder dafür,
dass er weiter besteht und gegen die anderen Staaten
konkurrieren kann. Das haben sie allerdings „vergessen“. Der Staat sieht selber so aus und tritt so auf, als
sei er immer schon so gewesen. Er scheint natürlich,
als müsste es genauso sein, wie es ist und als könne
man es nicht verändern. Es wirkt, als würde der Staat
selbstständig handeln - deswegen sehen die Menschen ihr eigenes Handeln nicht, welches den Staat
überhaupt erst herstellt. Bini Adamzcak verbildlicht
in ihrem Buch diesen Effekt mit dem Gläserrücken.
Dabei legen mehrere Leute ihr Finger auf ein Glas.
Alle bewegen sich ein wenig und dadurch wird das
Glas verschoben - es sieht aber so aus, als würde es
dies von alleine tun. Die Handlung, die das Glas bewegt, ist eigentlich die der Menschen, wird aber zu
einer Eigenschaft des Dinges - in diesem Fall des
Glases - gemacht. Dieses Phänomen nennt sich auch
„Verdinglichung gesellschaftlicher Verhältnisse“.
Die Menschen schreiben so dem Staat ein Eigenleben
zu und tun das, wovon sie glauben, dass der Staat es
von ihnen verlangt. Durch dieses Handeln bekommt
der Staat tatsächlich ein Eigenleben - eben weil
alle Menschen daran glauben und danach handeln.
Dieses „fetischistische Bewusstsein“, wie Marx das
nennt, gibt es nicht
nur dem Staat ge„Die Menschen schreiben so dem
genüber, sondern
Staat ein Eigenleben zu und tun das,
den gesellschaftliwovon sie glauben, dass der Staat es
chen Verhältnissen
von ihnen verlangt.“
als Ganzem. Wenn
man sich etwa die
Wirtschaft
anschaut, kann man genauso feststellen, wie die Menschen die Kontrolle über die Gesellschaft verloren
haben.
Der Staat handelt (bzw. lässt die Menschen handeln)
in einer eigenen Logik, die sich eben gegen die Menschen verselbstständigt hat. In dieser Logik geht es
nur noch darum, in der Konkurrenz mit anderen
Staaten zu bestehen - und dafür benötigt der Staat
Geld. Dieses Geld bekommt der Staat (theoretisch)
nur über Steuergelder. Durch die Abhängigkeit von
den Steuern, die auf dem eigenen Staatsgebiet eingetrieben werden können, gibt es immer eine direkte Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Situation
im Staatsgebiet. Auch der Staat unterliegt also der
„stummen Gewalt der ökonomischen Verhältnisse“4.
Es ist folglich egal, welche Partei gerade an der Re-
3 Vgl. Bini Adamczak, 2010: „Kommunismus. Kleine Geschichte
wie alles anders wird“
4
MEW 23, S. 765
37
gierung ist und mit welchem politischen Programm
sie gewählt wurde; die Regierung ist immer darauf
angewiesen, dass es viel Wirtschaftswachstum gibt –
und vor allem mehr Wachstum als in den Ländern,
mit denen der Staat konkurriert. Der Staat ist dafür
da, die Rahmenbedingungen sicherzustellen, damit
die Wirtschaft weiter läuft. Das heißt: Im Kapitalismus hat der Staat eine ganz bestimmte Aufgabe – die
Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Besitz- und
Produktionsverhältnisse. Später schauen wir uns an,
wie genau er das eigentlich macht, indem wir zwei
wichtige Funktionen des Staates betrachten: den
Rechtsstaat und den Sozialstaat.
38
Weil Dinge produziert werden, die eigentlich kein
Mensch braucht, während es gleichzeitig Menschen
am Nötigsten fehlt. Diese gesellschaftlichen Verhältnisse produzieren einen riesigen Reichtum, aber in
einer Form, welche eben jene Menschen, die diesen
Reichtum produzieren, von ihm ausschließt. Und das
alles kann nur passieren, weil der Staat die Rahmenbedingungen dafür sicherstellt. Man kann also nicht
davon sprechen, dass der Staat für die Durchsetzung
unserer Interessen da ist.
Es gibt viele Leute, denen auch schon aufgefallen ist,
dass ihre Interessen nicht vom Staat vertreten werden. Dies ist zum Beispiel bei den G7-Protesten der
Fall. Diesen Umstand, führen sie allerdings darauf
“Wieso? Weshalb? Warum? - Wer nicht fragt bleibt zurück, dass der Staat von den falschen Leuten kondumm”5
trolliert, bzw. nicht demokratisch genug regiert wird.
Das schließt an alte marxistisch-leninistische VorZur Funktion des Staates im Kapitalismus
stellungen vom Staat als Werkzeug der herrschenden
Nun ist die Aufrechterhaltung dieser gesellschaftli- Klasse an. In dieser Vorstellung ist der Staat nur dafür da, die Interessen der Unterchen Verhältnisse ganz bestimmt
nicht das, was wir wollen, weil Zudem muss der Staat auch gele- nehmer*innen, oder wie Marx
diese Verhältnisse auf der einen gentlich Entscheidungen treffen, sagen würde: der Kapitalist*inSeite täglich Hunger und Armut die den einzelnen Kapitalist*innen nen, zu vertreten. Er sei also so
etwas wie ein Werkzeug für die
produzieren und auf der ande- gar nicht passen.
herrschende Klasse, um die Arren Seite unglaublichen Reichbeiter*innen zu unterdrücken
tum. Weil die einen 60 Stunden
die Woche arbeiten müssen und die anderen keine und dafür zu sorgen, dass sie weiter für die KapitaArbeit finden, unter prekären Verhältnissen leben list*innen arbeiten und produzieren. Nun dürfen in
müssen oder einfach gar nicht überleben können. demokratischen Ländern sowohl Arbeiter*innen als
auch Kapitalist*innen wählen gehen und auch Lob5 Die Sesamstraße, “Der, Die, Das”
byarbeit machen. Gewerkschaften versuchen genau
„Lieber Staat, jetzt mal echt, du bist absolut gerecht”6
so wie Unternehmerverbände Einfluss auf die Politik
zu nehmen.
Zudem muss der Staat auch gelegentlich Entscheidungen treffen, die den einzelnen Kapitalist*innen
gar nicht passen. Ein aktuelles Beispiel ist etwa der
Mindestlohn, der seit Anfang des Jahres in Kraft
getreten ist. Der ist ganz und gar nicht im Interesse
vieler Kapitalist*innen, weil sie ihren Arbeiter*innen
mehr Lohn zahlen müssen und deshalb die Profite
der Unternehmen kleiner werden. Aber der Staat
hat trotzdem entschieden, den Mindestlohn umzusetzen, weil er denkt, dass das gut für die Wirtschaft
als Ganzes ist (u.a. wegen steigender Kaufkraft der
Arbeiter*innen, die die Wirtschaft ankurbeln sollen
oder aber, um einer Verelendung der Arbeiter*innen
entgegenzuwirken, die dem Staat schaden könnte).
Außerdem wird damit den Arbeiter*innen ein Grund
genommen, zu protestieren, zu streiken oder vielleicht sogar die öffentliche Ordnung zu gefährden.
Eugen Paschukanis, ein marxistischer Rechtsphilosoph, fragt sich anschließend an diese Feststellung:
„Warum wird der Apparat des staatlichen Zwanges
nicht als privater Apparat der herrschenden Klasse
geschaffen, warum spaltet er sich von der letzteren
ab und nimmt die Form eines unpersönlichen, von
der Gesellschaft losgelösten Apparats der öffentlichen Macht an?“7
Damit stellt er die bürgerliche Vorstellung von Recht
als Ganzes in Frage. Diese Vorstellung, dass alle
Menschen gleich sind und ein freien Willen haben,
existierte vor dem Kapitalismus nicht. In der Feudalgesellschaft gab es zum Beispiel nur Vorformen von
Recht und keine allgemeinen Rechtsnormen. Für den
Kapitalismus ist es notwendig, dass sich die Menschen als freie und gleiche Warenbesitzende gegenüberstehen, denn Grundlage des Kapitalismus ist der
Äquivalenztausch - das bedeutet, dass bei Tauschgeschäften niemand „über den Tisch gezogen“ wird
- nur Waren von gleichem Wert können gegeneinander getauscht werden und niemand wird dabei benachteiligt oder begünstigt. Egal wer mit wem welche
Waren tauscht.
Der Staat ist deswegen eben nicht Instrument der
herrschenden Klasse, sondern tritt als neutrale regu6 Farin Urlaub, “Lieber Staat”
7 Paschukanis 1969: S. 120
39
lierende Instanz auf. Er muss eine Rechtssicherheit
gewährleisten und dafür sorgen, dass alle Menschen
sich an die Verträge, die sie schließen, auch halten.
Die
VertragspartDie Aufgabe des Staates besteht da- ner*innen brauchen
rin, diese Selbstzerstörung zu ver- einen
neutralen
hindern und den Schutz und die Dritten, also einen
weitere Konkurrenzfähigkeit der Schiedsrichter,
da
Arbeitskraft sicherzustellen.
sie aus ihren sich
widersprechenden
Eigeninteressen heraus mit „unfairen Mitteln“ kämpfen würden und ein
Vertrag gar nicht erst zustande käme.
Nicht nur in der Frage des Austausches von Waren
(Zirkulationssphäre), sondern auch in der Frage der
40
Produktionssphäre und des Klassenverhältnisses ist
eine Regulierung des Staates - in seinen Funktionen
als Rechtsstaat und als Sozialstaat - notwendig.
Der Rechtsstaat schützt seine Bürger*innen vor personeller Herrschaft, sodass niemand Sklave oder
Lehensdiener ist. Jede*r Bürger*in ist formal frei.
Der Staat verteidigt auch das Recht auf Besitz bzw.
Privateigentum, was zu einer von Marx als zynisch
bezeichneten „doppelten Freiheit“8 führt. Frei von
direkter Herrschaft und frei von Produktionsmitteln, sodass jede Person, die kein Kapital, bzw. keine Produktionsmittel besitzt, genötigt ist die eigene
Arbeitskraft zu vermarkten, um Überleben und/oder
Wohlstand zu sichern.
Außerdem sorgt er für eine formale Gleichheit: Vor
8 Vgl. MEW 23, S. 183
dem Staat sind - rechtlich gesehen - alle Menschen
gleich. Die Menschen sind aber - materiell betrachtet - ungleich. Auf der einen Seite gibt es Menschen,
die Kapital besitzen, die Kapitalist*innen (der Begriff
enthält für Marx keine moralische Wertung), und auf
der anderen Seite gibt es Menschen, die (fast) nichts
besitzen und nur ihre Arbeitskraft dem Markt zu Verfügung stellen können, also die Arbeiter*innen.
Kapital und Arbeiter stehen sich in ihren Interessen
unversöhnlich gegenüber, denn das Interesse der
Kapitalist*innen ist es, möglichst viel Profit zu machen und das der Arbeiter*innen, möglichst wenig
davon abzugeben. Die Arbeiter*innen möchten ein
schönes und sicheres Leben haben und um das zu
erreichen, sind sie auf einen möglichst hohen Lohn
angewiesen. Allerdings handeln die Kapitalist*innen nicht aus einer moralischen Schwäche heraus,
sondern müssen zwangsläufig so handeln, um in der
Konkurrenz zu bestehen.
Auch die Arbeiter*innen müssen untereinander
konkurrieren, um ihre Ware Arbeitskraft an die
Kapitalseite zu bringen. Dies führt zu schlechten
Arbeitsbedingungen, sinkenden Löhnen und Verschleiß der Arbeiter*innen durch zu viel Arbeit, sodass sich die Arbeitskraft selbst zerreiben würde.
Hier tritt der Sozialstaat auf den Plan. Dieser sorgt
dafür, dass Arbeiter*innen nicht mehr als x Stunden
in der Woche arbeiten dürfen, eine Gesundheitsversorgung gewährleistet ist und vieles mehr. Durch die
Konkurrenzverhältnisse neigt der Kapitalismus immanent dazu, seine eigene Grundlage zu zerstören.
Das betrifft neben der Zerstörung von Arbeitskraft
beispielsweise auch die Zerstörung natürlicher Ressourcen. Die Aufgabe des Staates besteht darin, diese
Selbstzerstörung zu verhindern und den Schutz und
die weitere Konkurrenzfähigkeit der Arbeitskraft sicherzustellen.
Zynischerweise könnte man sagen: Egal welche Position jemand im Kapitalismus einnimmt - Staat, Arbeiter*in, Kapitalist*in - sie alle reproduzieren den
Kapitalismus Tag für Tag in ihren jeweiligen Rollen.
„Als wir uns schließlich selbst erkannten und alles
ziemlich scheiße fanden, da hatten wir das Wichtigste kapiert“9
Die Feststellung, dass der Staat kein Instrument der
herrschenden Klasse ist, bedeutet ebenso, dass der
Staat im Allgemeinen nicht als Instrument gebraucht
werden kann - auch nicht als Instrument zur Befreiung. Bei der Umsetzung der staatlichen Ziele gibt es
9 Antilopen Gang, “Anti Alles Aktion”
gewisse Spielräume, die innerstaatlich teilweise das
Erkämpfen einer sozialverträglicheren Verwaltung
der Verhältnisse ermöglicht - wie etwa mit dem Mindestlohn.
Der bürgerliche Staat ist jedoch seiner Form nach kapitalistisch - das heißt ohne ihn nicht denkbar. Genauso ist ein bürgerlicher Staat und die bürgerliche
Rechtsform notwendig, um die Kapitalakkumulation
zu ermöglichen und am Laufen zu halten. Der Staat
ist dabei nicht autonom handelnd und kann dabei
vor allem seine eigene Grundlage (den Kapitalismus)
nicht abschaffen. Ebenso wenig kann er die Widersprüche, die dem Kapitalismus immanent sind, reformieren. Eine politische Praxis, die auf eine Kritik
des G7-Treffens abzielt, muss sich immer über die
beschränkten Handlungsfähigkeiten innerhalb des
Staates im Klaren sein. Eine Staats- und Kapitalismuskritik muss die Grundlage für eine strategische
Auslotung von politischen Handlungsmöglichkeiten
sein. Das gilt genauso für die Auseinandersetzung
mit dem G7-Gipfel.
41
D e r D o p p e l c h a ra k t e r d e r
Gewe r ks c h af te n
Text
von Timo
Reuter (Studierender
und Mitglied des OJA-/
Für mehr
Möglichkeiten
der Persönlichkeitsentfaltung
BJA-Leitungskollektivs
der IG Metall Jugend Braunschweig)
außerhalb des Arbeitsprozesses
und Marvin Hopp (Vorsitzender der JAV VW Braunschweig
und
JuTextMitglied des OJA-/BJA-Leitungskollektivs sowie desvon
gendausschusses beim Vorstand der IG Metall)
42
Die Notwendigkeit der Existenz von Gewerkschaften im Kapitalismus ist, ausgenommen in der Vorstellung von Faschisten und der einiger neoliberaler
Ideolog*innen, unbestritten. Ohne das regulierende
Eingreifen der Gewerkschaften und deren Betriebsräten, würde die kapitalistische Fortentwicklung der
Produktionsverhältnisse immer versuchen, unsere
Erfolge der Arbeiter*innenbewegung (weniger Arbeitszeit, steigende Löhne, mehr Urlaub, etc.) zu revidieren. Gleichzeitig würde es dazu führen, dass die
technologischen Entwicklungen – z.B. die Vorstellung einiger Arbeitergeber*innen im Rahmen der Debatte um die Gestaltung von „Industrie 4.0“ - zu einer
noch stärkeren Entmenschlichung der Arbeit führen.
Noch immer gilt es daher grundsätzlich festzustellen:
„Wenn der einzelne Arbeiter mit dem Kapitalisten
handelseins zu werden versucht, wird er
leicht geschlagen und muss sich ihm auf Gnade und
Ungnade ergeben. Wenn aber die
Arbeiter eines ganzen Gewerbes eine mächtige Organisation bilden, unter sich einen Fonds
sammeln, um imstande zu sein, den Unternehmern
nötigenfalls die Stirn zu bieten und sich
dadurch in die Lage versetzen, als eine Macht mit
den Unternehmen zu verhandeln, dann,
und nur dann, haben die Arbeiter Aussicht, wenigstens das bisschen zu erhalten, das bei der
ökonomischen Struktur der gegenwärtigen Gesellschaft als ein gerechter Tageslohn für ein
gerechtes Tagewerk bezeichnet werden kann.“1
Dies schrieb bereits Friedrich Engels in seinem Essay
über das Lohnsystem (im Jahr 1881). Die Feststellung,
dass alle lohnabhängig Beschäftigten sich nur durch
den gemeinsamen Zusammenschluss zur Wehr setzen können, besitzt auch 134 Jahre später noch immer Aktualität und wird insbesondere bei den unterschiedlichen Arbeitsbedingungen sichtbar, z.B.
zwischen tarifgebundenen und ungebundenen Betrieben. An dieser Notwendigkeit wird sich so schnell
auch nichts ändern, sofern wir in einer warenproduzierenden Gesellschaft leben, die über den Markt
kommuniziert und als oberstes Ziel nicht die Befriedigung der Bedürfnisse von Menschen hat, sondern
die Kapitalverwertung, bzw. Profitmaximierung.
Der dauerhafte Krisenzustand des Kapitalismus verlangt von uns als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter - allein schon aus humanitären Gründen eine Strategie zu entwickeln, die über das Handeln
als „Gestaltungsmacht“ innerhalb der bestehenden
Verhältnisse hinausgeht. „Gewerkschaften tun gute
Dienste als Sammelpunkte des Widerstands gegen
1
Marx, MEW Bd. 19, S. 253
die Gewalttaten des Kapitals. Sie verfehlen ihren
Zweck zum Teil, sobald sie von ihrer Macht einen unsachgemäßen Gebrauch machen. Sie verfehlen ihren
Zweck gänzlich, sobald sie sich darauf beschränken,
einen Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehenden Systems zu führen, statt gleichzeitig zu versuchen, es zu ändern, statt ihre organisierten Kräfte
zu gebrauchen als einen Hebel zur schließlichen Befreiung der Arbeiterklasse, das heißt zur endgültigen
Abschaffung des Lohnsystems.“2
Gewerkschaften haben nach dieser Vorstellung nicht
nur die Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb der bestehenden Verhältnisse reaktionäre Entwicklungen
abzufedern und in andere Bahnen zu lenken. Sie besitzen vor allem auch die Möglichkeit und die gleichzeitig damit verbundene Verpflichtung „Gegenmacht“
auszuüben. Ihr Wesen ist somit ein Doppelcharakter.
Der Doppelcharakter der Gewerkschaften
Auch zukünftig müssen die Gewerkschaften als
Sammelpunkt all derer fungieren, die gegen die
Angriffe des Kapitals auf uns und unsere Errungenschaften kämpfen wollen. Gewerkschaften sind
weiterhin einer der wichtigsten Regulationskräfte,
die zur Verlangsamung der Ökonomisierung unserer
Gesellschaft beitragen. Geht man davon aus, dass die
Ökonomisierung aller Gesellschaftsbereiche (kapitalistische Vergesellschaftung) weiterhin nicht aufgehalten und gleichzeitig die Zerstörung der ökologi2
Marx, Lohn, Preis und Profit, MEW Bd. 16, S. 152
schen Ressourcen unseres Planeten fortgesetzt wird
wie bisher, müssen wir feststellen, dass der Kapitalismus die Tendenz aufweist, seine eigene Grundlage
und damit auch die Grundlage menschlichen Lebens
auf dieser Erde zu zerstören. Daher sollte uns bewusst
sein, dass eine ausschließlich systemimmanente Gewerkschaftspolitik als Ordnung-/Gestaltungsmacht,
ihren Zweck verfehlt. Die Gewerkschaftsbewegung
„(...) sollte [daher] nicht vergessen, dass sie gegen
Wirkungen kämpft, nicht aber gegen die Ursachen
dieser Wirkungen; dass sie zwar die Abwärtsbewegung verlangsamt, nicht aber ihre Richtung ändert;
dass sie Beruhigungsmittel anwendet, die das Übel
nicht kurieren. Sie sollte daher nicht ausschließlich
in diesem unvermeidlichen Kleinkrieg aufgehen, der
aus den nie enden wollenden Gewalttaten des Kapitals oder aus den Marktschwankungen unaufhörlich
hervorgeht. (...) statt des konservativen Mottos: ‚Ein
guter Lohn für gute Arbeit!‘ sollte sie auf ihr Banner
die revolutionäre Losung schreiben: ‚Nieder mit dem
Lohnsystem!‘“3
„Nieder mit dem Lohnsystem!“
Aktuell „werden [Gewerkschaften] als potenzielle
Träger alternativer Gesellschaftskonzeptionen [...]
kaum wahrgenommen“4.
Zur Änderung dieses Umstandes bedarf es einer zu3
4
Marx, Lohn, Preis und Profit, MEW Bd. 16, S. 151
Prof. Dr. Dörre, System permanenter Bewährungsproben,
Mitbestimmung 01 & 02/2013
43
44
kunftsorientierten Gewerkschaftspraxis, die dem
derzeit dominierenden Abwehrkampf und der defensiven Haltung der Gewerkschaften ein Ende
setzen möchte. Hierfür muss die Losung „Nieder
mit den Lohnsystem!“ wieder zum Gegenstand gewerkschaftlicher und linker Debatten, sowie deren
Bildungsarbeit, werden. Mit dem Aufbau von Gegenmacht meinen wir allerdings nicht nur, die Konfrontation mit dem Kapital zu suchen. Mit dem Aufbau
von Gegenmacht, ist das Entwickeln alternativer
Gesellschaftskonzeptionen gemeint, welche das Ziel
haben, die Herrschaft der Waren über die Menschen
abzuschaffen und die Bedürfnisse der Menschen als
oberste Maxime ökonomischen Handelns zu verstehen. Hierfür müssen Räume geschaffen, offene Diskussionen geführt und die zerstörerische Tendenz
des Kapitalismus auch in unserer alltäglichen Politik
immer wieder benannt, bzw. sichtbar gemacht werden. Gleichzeitig darf aber auch der Kampf innerhalb des Lohnsystems nicht vergessen werden. Der
Mensch wird nicht über eine solidarische Gesellschaft nachdenken, wenn es ihm nur schlecht genug
geht. Es ist daher wichtig, weiterhin Rahmenbedingungen zu schaffen, die Diskussionen um Alternativen überhaupt ermöglichen. Denn „Angst lähmt die
Menschen, mindert ihre Kreativität und Leistungsfähigkeit und treibt sie zum Verzicht auf erworbene
Rechte in der bloßen Hoffnung, so ihren Arbeitsplatz
sichern zu können.“5.
Im aktuellen Zustand der Angst, des Verlustes der
5
Prof. Dr. Bontrup, Prof. Dr. Massarrat, Manifest zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit, 2011
existenziellen Grundlage, durch Arbeitslosigkeit oder
die zunehmenden Prekarisierung der Arbeit, gibt es
für viele Menschen kaum die Möglichkeit, über solche Fragen zu diskutieren.
Gewerkschaftsjugend in Bewegung
Eine Initiatorin zur Wiederbelebung von Debatten
über Systemalternativen, kann die Gewerkschaftsjugend sein, indem sie diese immer wieder einklagt
und die Notwendigkeit der Überwindung kapitalistischer Verhältnisse fortwährend benennt. Eine Plattform hierfür bietet uns der 1. Mai und das Jugendbündnis in Braunschweig, welches dieses Jahr bereits
zum fünftenMal dafür steht, dass der Anspruch der
Jugend gehört wird, über eine Alternative zum Kapitalismus zu diskutieren, sich auszutauschen und
gemeinsame Strategien zu entwickeln. Hierzu bietet uns das Jugendbündnis die Möglichkeiten. Hier
können wir neben dem Kampf im Lohnsystem, auch
über den Kampf gegen das Lohnsystem diskutieren
und Standpunkte unter jungen Menschen und ihren politischen Organisation austauschen. Am 1. Mai
feiern wir die Erfolge der Gewerkschaftsbewegung,
denn es ist wichtig uns daran zu erinnern, was wir
erkämpft haben. Wir kämpfen aber auch um bessere
Lebens- und Rahmenbedingungen für morgen und
wir streiten und diskutieren für eine Gesellschaft
jenseits des Kapitalismus.
Deswegen gehen wir am 1. Mai auf die Straße.
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„ I n d e r D ä m m e r u n g f a l l e n i h r e M a s ke n “
Von Wah n , Vi s i on & I de nt itä t
Ein Erklärungsversuch reaktionärer
Krisenbewältigungsideologien wie Pegida und
Islamismus
Text der Antifaschistischen Gruppe Braunschweig
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Im Oktober 2014 fand sich in Dresden eine Bewegung zusammen, die unter dem Namen „Patriotische
Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“
(PEGIDA) gegen eine angebliche Islamisierung und
gegen angebliche Wirtschaftsflüchtlinge protestiert.
Die Veranstalter*innen geben sich alle Mühe das
bürgerliche Image dieser Protestbewegung aufrecht
zu erhalten, doch es kristallisiert sich immer mehr
heraus, dass die Inhalte eine Schnittmenge mit rechtem Gedankengut bilden.
Die PEGIDA-Bewegung expandierte schnell
deutschlandweit und führt aktuell in leicht sinkender
Tendenz in verschiedenen Städten jede Woche Demonstrationen mit den immer gleichen rassistischen
Forderungen durch. Braunschweig bildet hierbei
leider keine Ausnahme, zur Freude der ortsansässigen Neonaziszene. So begrüßt die Partei „Die Rechte
Braunschweiger Land“ die Proteste und mobilisiert
zu der Veranstaltung von „BRAGIDA“ (Braunschweig
gegen die Islamisierung des Abendlandes).
Da sich auf den PEGIDA-Märschen neben den Bürgern*innen eben auch bekannte Neonazis herum-
treiben, lohnt ein Blick auf den Rassismus, den diese
Bewegung verbreitet, denn dieser ist differenziert zu
betrachten. Die meisten Neonazis gehen von einem
biologisierten Rassismus aus, Menschen werden also
aufgrund ihres Aussehens, ihrer Hautfarbe, Haarfarbe oder Kopfform einer „Rasse“ zugeordnet, der dann
die als „typisch“ geltenden und vor allem „natürlich
angeborenen“ Verhaltensmuster zugeschrieben werden. Diese Form des Rassismus begründet sich auf
der Rassentheorie, welche insbesondere im 19. und
20. Jahrhundert von Anthropologen vermeintlich
wissenschaftlich begründet wurde, meist zu dem
Zweck Herrschaftsverhältnisse zu rechtfertigen und
Menschen für politische Ziele zu mobilisieren. Auch
heutzutage wird versucht eine Aufteilung in Ethnien,
also Rassen, genetisch zu begründen. Die Rassentheorie ist wissenschaftlich widerlegt und man könnte
sagen, dass der biologistische Rassismus mittlerweile
in der breiten Bevölkerung aus der Mode gekommen
ist. Das bedeutet keineswegs, dass dieser gänzlich
verschwunden ist, was am Beispiel dieser Neonazis deutlich wird. Aber der Rassismus, welcher sich
in der heutigen Gesellschaft eingerichtet hat, ist ein
anderer.
Der Rassismus der „patriotischen Europäer“ funktioniert auch ohne eine biologisierende Konstruktion
von Rasse. Die Herstellung eines Eigen- und Fremdkollektivs läuft hier über das Ticket Kultur. Die Menschen scheinen hier nur als Träger*innen der Kultur
und nicht, wie im biologisierten Rassismus mit ihr
verwachsen. Demnach ist der Kulturbegriff anders
konstruiert als der Rassebegriff, meint aber im Grunde ähnliches. Es scheint zumindest theoretisch im
Bereich des Möglichen zu liegen, seine Kultur abzulegen und eine Fremde aufzunehmen, das wird
dann Integration genannt. Allerdings kann hier auch
keine allzu scharfe Trennlinie gezogen werden, da
es wiederum andere Rassist*innen gibt die sagen, es
sei eben nicht möglich seine Kultur abzulegen, weil
diese mit dem Menschen verwachsen sein, wie im
biologischen Rassismus.
Kultur ist für PEGIDA-Rassist*innen ein abgeschlossenes System, welches historisch gewachsen und
mit anderen Kultursystemen nicht kompatibel ist. Je
nachdem welche Spielart des Rassismus betrachtet
wird, besteht für Menschen die Möglichkeit, von der
einen Kultur in die andere überzugehen oder eben
nicht. Die Konsequenz aus letzterer Spinnerei ist
meist, dass die „fremde Kultur“ eine Gefahr für die
eigene Kultur und die eigenen Werte darstellt und
hier schlicht nicht existieren darf. Deutlich wird dies
in den absurden Bedenken von PEGIDA-Rassist*innen, dass „in 20 Jahren Deutschland so unterwandert
ist, dass wir zu Weihnachten in irgendeine Moschee
rennen müssen“1 und gipfelt dann in den Parolen wie
„Deutschland den Deutschen - Ausländer raus!“.
Deutlich wird dieser kulturelle Rassismus auch in
den immer laufenden Integrationsdebatten. Dort
wird behauptet, dass „die Ausländer sich nicht integrieren wollen“. Das impliziert einerseits die Vorstel1
lung von dem guten, integrierten Ausländer, der es
geschafft hat seine Kultur vollständig abzulegen und
eine fremde, in diesem Fall die „deutsche“ Kultur zu
verinnerlichen und andererseits die Vorstellung der
schlechten, integrationsunwilligen Ausländerin, die
nicht mal versucht hat deutsch zu lernen. Der Schein
wird aufrechterhalten, dass die Schuld in jedem Fall
bei „den Ausländern*innen“, die sich nicht genug
angestrengt haben, liegen muss. Grundlage dieses
Denkens ist die Idee, dass die deutsche Kultur ein
homogenes und eindeutig bestimmbares System von
Werten und Normen ist.
Dass es mit der Integration eben nicht so „simpel“
abläuft, zeigt die Tatsache, dass selbst die dritte Generation einer Einwandererfamilie, die keinen Bezug
mehr zu dem Leben ihrer Großeltern und deren vermeintlicher Kultur hat, noch als „Ausländer“ gelten,
weil sie eben nicht „deutsch“ aussehen oder sich so
verhalten - was auch immer das heißen soll.
Flüchtlinge, Menschen mit einer Migrationsgeschichte in einem arabischen Land und „nicht
deutsch Aussehende“ werden von PEGIDA fälschlicherweise den Salafisten und Islamisten zugeschrieben. Genau da zeigt sich sehr deutlich, dass diese
weit verbreitet Vorstellung von Kultur, die PEGIDA
vertritt, auch nichts anderes ist als das, was der alte
Begriff der „Rasse“ meinte.
Tatsächlich haben fast alle jihadistischen Salafisten,
die aus Deutschland kommen, eine deutsche Staatsbürgerschaft und sind „religiöse Analphabeten“2.
„Kontaktversuch: ‚Lügenpresse‘ trifft Pegida | Panorama |
NDR“ https://www.youtube.com/watch?v=DDkB09hxG2w
2 Wie Claudia Dantschke herausfand. http://www.bpb.de/
veranstaltungen/dokumentation/186663/die-szene-indeutschland^
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Dies zeigt, dass der Vorwurf des Islamismus an muslimische Gemeinden in Deutschland an den Haaren
herbei gezogen ist. Diejenigen, die sich tatsächlich
zum jihadistischen Salafismus entscheiden, haben
häufig nichts mit den muslimischen Gemeinden zu
tun, waren vor ihrer Radikalisierung nicht einmal
religiös, geschweige denn vertraut mit islamischen
Schriften. Dennoch werden diese Gemeinden oder
Menschen, die vermeintlich Muslime sind, für den
Jihadismus verantwortlich gemacht. Es scheint egal
zu sein, wie aufgeklärt Muslime sind oder wie sehr
sich Migrant*innen integrieren und ihre Kultur ablegen - der Vorwurf des Jihadismus und des „Ausländers“ lässt sich, wie im biologischen Rassismus, nicht
von diesen Personen lösen.
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Dazu kommen nun noch Diskurse über die ökonomische Verwertbarkeit (für den Arbeitsmarkt brauchbar) von Migrant*innen und Asylbewerber*innen,
die sich an Widerlichkeit nur gegenseitig übertreffen.
Die Migrant*innen werden offen nach kapitalistischer Logik in die „guten“ arbeitenden, die brav ihre
Steuern zahlen und die schlechten arbeitslosen, die ja
sowieso alle kriminell sind, kategorisiert. Die Gründe für eine Arbeitslosigkeit werden dabei allerdings
nicht hinterfragt. Beispielsweise lehnen viele Unternehmen eine Bewerbung von einem Menschen mit
einem vermeintlich ausländisch klingenden Namen
schon im Vorhinein ab. Zudem ist es Flüchtlingen in
den ersten Monaten generell untersagt zu arbeiten.
Und auch danach ist dies nur nach einer Vorrangprüfung für deutsche und EU-Bewerber*innen möglich.
Mit dieser Auffassung von Kultur aber steht PEGIDA den Islamisten, die sie vorgeben zu bekämpfen,
näher als sie denken. Ihr auserkorenes Feindbild, der
Islam, stellt den fremden Kulturkreis dar, der mit der
angeblichen westlichen, eigenen Kultur unvereinbar sei. Diesem islamischen Kulturkreis zugerechnet
werden auf der einen Seite islamistische Bewegungen wie die Salafisten sowie auf der anderen Seite
jede Moschee und jede arabisch klingende Shishabar.
Zwangsverschleierung oder Unterdrückung der Frau
und der Aufbau einer autoritären Gesellschaftsform
- Ziele von islamistischen Bewegungen - werden zur
Eigenschaft aller Muslime gemacht, egal wie aufgeklärt deren Weltbild ist.
Widerstand gegen patriarchale Strukturen, der auch
unter Muslima stattfindet, wird dabei unter den Teppich gekehrt. Denn das Bild der sich gegen Unterdrückung wehrenden muslimischen Frau passt natürlich
nicht in das rassistische Weltbild von PEGIDA-Demonstrant*innen. Sie denken, dass alle Muslime die
Unterdrückung der Frau gutheißen.
Absurderweise halten sie den „Westen“ für eine absolut emanzipierte Gesellschaft und nehmen dabei
Unterdrückung, Diskriminierung und Gewalt gegen
Frauen, Homosexuelle, Inter- und Transpersonen in
ihrem „christlichen Abendland“ nicht wahr. Obwohl
qualitative und strukturelle Unterschiede dabei zu
beachten sind. Gewalterfahrungen sind für Frauen
auch in Europa Realität und auch dort gibt es flächendeckende Unterdrückung von Männern gegenüber Frauen. Wir leben also ebenfalls in einer sexistisch strukturierten Gesellschaft, in der anscheinend
ein großer Teil der Männer denkt, Frauen nicht als
gleichberechtigte Subjekte anerkennen zu müssen.
In der Vorstellung, die PEGIDA von „dem Westen“
hat, wird das einfach ausgeblendet und sich ein Bild
des Westens als Hort der Emanzipation gemalt. Dem
gegenüber wird eine islamische Kultur imaginiert,
die das genaue Negativ dazu beinhaltet.
Frauen, die gegen die Unterdrückung durch die islamistische Ideologie (die oft auch von Frauen durchgesetzt wird) kämpfen, hilft es allerdings wenig, wenn
diese Unterdrückung zur Eigenschaft ihrer Kultur gemacht und nicht als das kritisiert wird, was sie ist:
patriarchale Ideologie, Gewalt und Zwang.
Hier liegt genau die Überschneidung von Islamisten
und PEGIDA-Teilnehmer*innen, durch die deutlich wird, wie widersprüchlich und inkonsistent der
Begriff von Kultur sein kann: Sie sind sich mit den
Islamisten einig darüber, dass der Islam nur Unterdrückung und Sharia bedeuten kann. Eine These, der
die meisten aufgeklärten Muslime sicherlich widersprechen würden.
PEGIDA ist die Reaktion auf ein Deutschland, das
immer mehr als ausländerfreundlich und kulturinteressiert in Erscheinung tritt. Es gibt parallele Denkstrukturen zwischen der negativen Bewertung von
Kulturen, die von PEGIDA-Rassist*innen vertreten
werden und den positiven Bewertungen, die auch
von weiten Teilen der sogenannten politischen Linken und Mitte verbreitet werden. Während sich ein
Großteil der Menschen auf „Festen der Kulturen“ herumtreibt, entsteht dort auch kein anderes Verständnis von Kultur als bei PEGIDA-Anhänger*innen, es
findet nur eine andere Form der Bewertung statt: Die
fremde Kultur wird als positives, exotisches Anderes
konstruiert, welches aber auch als abgeschlossenes
System funktioniert. In diesem positiven Rassismus
scheint die andere Kultur nicht nur in das eigene
Kultursystem integrierbar, sondern auch eine Bereicherung für die eigene Kultur zu sein. Nach den immer gleichen rassistischen Mustern werden nun den
fremden Kulturen positive Stereotypen zugeschrieben, die es dann zu akzeptieren und tolerieren gilt.
Salafisten, die in deutschen Innenstädten den Koran
verteilen, um Mitglieder zu rekrutieren, werden in
dieser Denkweise im schlimmsten Fall als kulturelle
Eigenheit des islamischen Kulturkreis verklärt und
nicht als das kritisiert, was sie sind: reaktionär und
gefährlich.
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Aufgrund des weit verbreiteten positiven Rassismus ist es nicht überraschend, dass Bewegungen wie PEGIDA schnell „Während sich ein Großteil der
ein großen Aufschwung Menschen auf „Festen der Kulturen“
erleben konnten, da die herumtreibt, entsteht dort auch kein
Grundstruktur eines ras- anderes Verständnis von Kultur als
sistischen Weltbilds in bei PEGIDA-Anhänger*innen“
der breiten Bevölkerung
völlig unreflektiert schon
vorhanden ist. Es ist nur
ein kleiner Schritt, von einer positiven Bewertung
des Anderen, hin zu einer negativen.
Ohnmächtig stehen sowohl PEGIDA als auch Islamisten der gesellschaftlichen Realität gegenüber und
kennen nur einen Ausweg – die erzwungene Homo-
genisierung der Gesellschaft und Flucht in die imaginierte Gemeinschaft. Den PEGIDA-Demonstrant*innen wird, wie dem Rest der Bevölkerung, suggeriert
an der Politik zu partizipieren (zum Beispiel durch
Wahlen), sie fühlen sich aber gerade deshalb ohnmächtig gegenüber den Verhältnissen, weil sie eben
durch ihre Stimme nichts verändern. In der Forderung nach gesellschaftlicher Totalität sind PEGIDA
und Islamisten letztendlich zwei Seiten der gleichen
Medaille. Sie sind Reaktionen auf die Widersprüche
dieser Gesellschaft. Wirtschaftliche Krisen werden
zum Beispiel nicht durch die kapitalistischen Verhältnissen erklärt, sondern durch falsche Erklärungsmuster, wie Rassismus und Fundamentalismus.
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Jene Weltanschauung bzw. Ideologie bietet eine psychische Entlastung für den Einzelnen, die diesem
Gefühl von Ohnmacht entgegen wirkt. Durch Parolen wie „Wir sind das Volk!“, die auf PEGIDA-Märschen skandiert werden, finden die Menschen in der
Konstruktion einer Gemeinschaft ein Gefühl von
Stärke und Zugehörigkeit, da dieses Kollektiv größer
und wirkmächtiger scheint als sie selbst. PEGIDA ist
die irrationale Verarbeitung der eigenen Ohnmacht
gegenüber den Verhältnissen in Form der Projektion des Unbehagens in die Figur des muslimischen
Fremden.
Die rechtsstaatlich kaum mehr vorhandene Asylgesetzgebung, die dank Frontex stetig wachsenden Leichenberge an den europäischen Außengrenzen und
die insbesondere seit Anfang 2014 rasant steigende Zahl an rassistisch motivierten Anschlägen und
Übergriffen in Deutschland reichen ihnen in ihrem
Hass gegen die vermeintlich Anderen nicht aus.
In dem menschenverachtenden, rassistischen Wahn,
werden Flüchtlinge zum Sündenbock und zum
Grund der Leidensgeschichte des Einzelnen in der
kapitalistischen Gesellschaft gemacht.
Auch der Islamismus bietet die Flucht in das Kollektiv, in dem vermeintlich die Widersprüche des
Kapitalismus und die Ohnmacht gegenüber den
ökonomischen Verhältnissen aufgehoben sind. Er ist
eine Reaktion auf Modernisierungsprozesse und die
Auflösung vorbürgerlicher Gesellschafts- und Familienverhältnisse. Der Islamismus ist eine moderne
Bewegung, die versucht, die Widersprüche der kapitalistischen Gesellschaft durch Homogenisierung
und autoritäre Gewalt, mit der Herstellung eines
Zwangskollektivs, zu begegnen. Eine moderne Bewegung deshalb, weil der Islamismus wie wir ihn kennen erst als Reaktion auf die Moderne entstanden ist
und es vorher vergleichbare
Bewegungen nicht gab. Is„In dem menschenverachtenlamisten behaupten sich auf
den, rassistischen Wahn,
islamische Traditionen zu
werden Flüchtlinge zum Sünbeziehen, was jedoch meist
denbock und zum Grund der
nicht stimmt. Die Ideen, die
Leidensgeschichte des EinIslamisten vertreten, sind
zelnen in der kapitalistischen
durchaus moderne Ideen,
Gesellschaft gemacht.“
beispielsweise jene, wie ein
Staat zu funktionieren hat,
und werden oft mit vermeintlich religiösen Traditionen untermauert oder angereichert. Das bedeutet
nicht, dass Islamisten das Ziel haben einen bürgerlichen Staat zu errichten, jedoch gab es die Idee eines
solchen islamistischen Staates in vormodernen Zei-
ten noch nicht.
Ihre Motivation ist dabei nicht allein durch Interessen ökonomischer und/oder politischer Natur
erklärbar. Es ist kein machtpolitischer Anspruch einer Weltreligion oder gar das Aufbegehren der abgehängten Trikont-Massen. Der rationale Gewinn für
die Islamisten ist die negative Aufhebung der kapitalistischen Widersprüche durch die Vernichtung des
Ungleichen. Das heißt: Sie versuchen mit Zwang und
Gewalt alle Widersprüche in der Gesellschaft zu lösen, indem Menschen außerhalb des Kollektivs, die
„Ungläubigen“, dafür verantwortlich gemacht werden.
Genauso wie in der modernen, kapitalistischen Gesellschaft etwa islamistische Ideen entstehen, in der
die Widersprüche mit Gewalt gelöst werden sollen,
ist in der modernen, kapitalistischen Gesellschaft
auch die Idee einer Welt ohne Zwang, Gewalt und
Ausbeutung entstanden. Ideen, die es so in einer
vormodernen Gesellschaft auch nicht gab. Dies bedeutet, dass in dieser Gesellschaft beide Tendenzen
verankert sind: Die Entstehung der absoluten Barbarei - wie sie die Welt mit dem Nationalsozialismus
und der Shoah bereits erlebt hat - aber auch die Befreiung, die auf die Abschaffung aller Verhältnisse,
„in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“
(MEW 1 S.385) abzielt.
Für uns bedeutet das alles, in unserer Kritik nicht
bei den gegenwärtigen Verhältnissen stehen zu bleiben. Eine emanzipatorische Kritik, die auf PEGIDA
und Islamismus zielt, muss immer auch die bürgerliche Gesellschaft im Fokus haben. Diese beiden
reaktionären Ideologien sind keine simplen Weltanschauungen, die aus dem Nichts heraus entstehen,
sondern stellen Reaktionen der unbewussten, psychischen Verarbeitungen in Verbindung mit falschen
Erklärungen der gesellschaftlichen Verhältnisse dar.
Weil Ideologien eben keine platten Weltanschauungen sind, ist es wichtig, nicht nur Ideologiekritik,
sondern auch Aufklärung gegen die gesellschaftlichen Zustände – die beides zu verantworten haben
– zu betreiben.
Das heißt für uns, nicht allein den Status quo gegen
noch Schlimmeres zu verteidigen, sondern aufzuzeigen, dass dieser Status quo ursächlich für das ist, was
gleichzeitig im schlimmsten Fall zu seiner negativen
Aufhebung tendiert.
Es ist Aufklärung über den positiven Gehalt von
Freiheit und Gleichheit als negatives Bild ihrer gegenwärtigen kapitalistischen Form. Es ist der Kampf
für Verhältnisse, die keine Unterdrückung produzieren, die entweder nach ihrer Aufhebung in der Vernichtung des Anderen endet oder die die Figur des
Fremden erschaffen muss, um darin den Hass auf
das was ist zu projizieren.
Der Kampf gegen PEGIDA und Islamismus ist demnach der Gleiche. Er muss beide als Feinde der befreiten Gesellschaft benennen und angreifen.
Antifaschistische Gruppe Braunschweig im März
2015
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Unterstützer*innen
10.30 Uhr, Burgplatz
Im Anschluss: Jugendmeile im Bürgerpark
Das Braunschweiger Jugendbündnis zum 1. Mai schließt sich seit 2011 jedes
Jahr zusammen, um die unterschiedlichen gesellschaftlichen Kämpfe
von sozialen, gewerkschaftlichen und antifaschistischen Gruppen in
Braunschweig zusammenzuführen und darauf aufmerksam zu machen,
dass diese über soziale Reformen hinaus gehen müssen.
Unser Motto lautet daher: „Gemeinsam für eine solidarische Gesellschaft“.