Vom Allgäu bis zur Donau alles über Wirtschaft, Kultur, Gesellschaft und Lebensart 8. Jahrgang, Sonderheft Architektur 2014, Euro 7,50 edition: schwab en Das besondere Magazin für die erfolgreichen Seiten einer Region Architektur u n d Design: Zwei Schwaben sorgen für Aufsehen Werner Aisslingers Wohnutopie: Home oft the Future - Hotels im New Look von Armin Fischer - Karl Ganser und Andy Brauneis über Stadtplanung: Wer kümmert sich um das Schöne?-Chef büros: Zimmer der Macht- Neue Häuser von Manfred, Lux, Alexander Nägele, Andreas Petermann, Thomas Barbist und Stefan Hiendl Hiendl Schineis | Haus PO • • I I • H i l l LOGENPLATZ „Sie haben es geschafft, ein schönes, ästhetisch anspruchsvolles Haus zu verwirklichen, das trotzdem für seine Bewohner da ist und nicht umkehrt. Wir haben uns von der ersten Nacht an wohl gefühlt/ 6 Ein solches Kompliment wird Architekten selten zuteil, wenn sich der Bauherr nach einer ersten Phase des Beschnupperns und kontroverser Diskussionen am Ende doch auf die Vorstellungen des Planers einlässt. Das überschwängliche Lob konnte die Architektenpartnerschaft Stefan Hiendl und Regina Schineis - mit Büros in Pas s au und Augsburg für ein in seinem Grundriss unkonventionelles Einfamilienhaus in Deggendorf einheimsen, das sich an einen leicht abfallenden Hang inmitten traditioneller niederbayerischer Wohnbebauung mit Blick auf einen Speichersee fläzt. Der Bauherr wusste allerdings, was ihn erwartet, wenn er Hiendl-Schineis mit der Planung seines Hauses beauftragt. Es war jedoch aller Mühen wert. Seite 47 'S n JNKJ ix • ri •r- j H fc Tjfc^ •an*» ^"^JH ^^^3 'WttD KETäSsPP V«6f**^B ' ^9 R 11 I I I R^ 1 m m a-3 En Kl îvwf .TP?,?^' ÎKf^t* ftvk. ï 4fi£Jl2 K-S H^^Hktv _? ~i-l Zeitgemäßem Wohnen und der Natur den notigen Raum geben, war einer der Gedanken, den das Architektenpaar Stefan Hiendl und Regina Schineis bei der Planung des Hauses in Deggendorf umsetzte. (Alle Bilder: Eckhart Matthaus) Seite 48 Die Architektur und die Zuordnung der Baukörper schaffen für jene, die bewusstes Seilen noch nicht verlernt haben, ungewöhnliche Perspektiven. Seite 4g Hiendl Schineis I Haus PO Architekturaufnahmen in einem Objekt, das die Eigentümer noch nicht mit ihrer Einrichtung, ihren Möbeln, Bildern und Accessoires in Besitz genommen haben, legen die Konzeption und die Struktur architektonischen Schaffens schonungslos frei. Kenner sehen auf den ersten Blick, ob das Haus-wie im Fall des Hauses PO-in sich stimmig ist oder planerische Mängel aufweist. Die Bauherren sind jedenfalls nach der Inbesitznahme vor ihrer „Loge über dem See" äußerst angetan. Seite 50 r Seite 51 Hiendl Schineis | Haus PO Der Bauherr hatte sich im Niederbayerischen nach attraktiven Einfamilienhäusern umgesehen und fühlte sich stets angesprochen, wenn er auf Bauten der Augsburg-Passauer Architektenallianz gestoßen war. Die Herausforderung für Stefan Hiendl war keine einfache. Das Grundstück verfügt nur über einen enge Zufahrt und fällt Richtung Norden zu einem Speichersee ab. Es galt die Sonne in die Wohnräume einzufangen und den Baukörper möglichst sanft in die Grünlandschaft einzubetten. Architektonisch bot sich ein relativ schmaler Querriegel an, der abgestuft in den Hang eingebettet werden sollte, um trotz der Nordhanglage das Sonnenlicht in die Wohnräume fluten zu lassen. Die Lösung war, das Licht über liegende Fenster im Süden und durch eine clevere Positionierung der Verglasung an der Südseite in die Räume zu leiten. Nach Norden hin öffnet sich das Haus durch eine großzügige, offene Fassade in die niederbayerische Landschaft. Ausblick, Lichteinfall und die inneren Umfassungsflächen aus Lärchenholz definieren die fließenden Wohnräume. Die Atmosphäre wechselt mit der Tageszeit, dem Sonnenstand und dem Rhythmus der Jahreszeiten. Einzigartig ist der Blick auf den See: Den Hausherren wird die Natur auf dem Silbertablett serviert. Der klare, einfache, längliche Baukörper und die Außenfassaden aus dunklen, sägerauen Fichtenbrettern geben dem Gebäude eine schlichte, jedoch markante Struktur. Das Objekt wurde wegen des schmalen Grundstücks als Holzrahmenbau vorgefertigt und abgestuft in den Hang positioniert. Nachts, wenn Licht die Räume erhellt, spiegelt sich das Objekt wie ein erleuchteter Kahn auf der tiefschwarzen Seeoberfläche. Ein Holzdeck vor der aufgeglasten Fassade ist Hiendl Schineis Architekten Partnerschaft Llederergasse2 94032 Passau im Sack 3a 86152 Augsburg www.hiendlschineis.com Seite 52 dann der bevorzugte Logenplatz für laue Sommernächte. Die Hausherren haben inzwischen auch den gekiesten, umschlossenen Hof — angrenzend zum Eingangsbereich — liebgewonnen. Sie nutzen diesen bis in den Spätherbst hinein. Vor sich eine lodernde Feuerschale, in den Sternenhimmel blickend. Die Eigentümer hatten zuerst Bedejiken, dass das Haus „durch seine Größe" und die Anordnung der Räume „nicht behaglich ist und die Wege weit sein könnten", es durch „seine Architektur kühl wirkt und keine Geborgenheit vermittelt". Ihr Resümee bereits kurz nach dem Einzug: „Nichts davon ist eingetreten!" Alles, wirklich alles, sei praktisch und da wo es sein soll, schwärmt der Hausherr. Durch die intelligente Einteilung der Räume entlang der Längsachse des Gebäudes seien die Wege kürzer als vorher in der alten Wohnung. Den intensiven Planungsprozess mit Stefan Hiendl und Regina Schineis finden die Bauherren im Nachhinein als unerlässlich, um zu einem optimalen Ergebnis zu kommen: „Fast immer, nach längerer Diskussionen eigentlich immer, sind wir den Vorschlägen der Architekten gefolgt — und haben es bis heute nicht bereut. Wir halten den von den Architekten eingeschlagenen Weg nicht gerade für einfach, aber grundsätzlich richtig." Wenn sie auf die Bauphase zurückblicken, sind alle Kontroversen vergessen, klingt der Dank für die geleistete Arbeit nahezu schwärmerisch: „Sie lieben, was sie tun. Es tut ihnen in der Seele weh, wenn etwas nicht ihren Ansprüchen genügt. Sie haben unser Haus gebaut, als wäre es das ihre!" edition:schwaben | Im Blickpunkt *5i PUNKTLANDUNG Die Augsburger Architektin Regina Schineis und ihr Partner Stefan Hiendl lieben es, mit Materialien und Licht zu spielen. Insbesondere dann, wenn Schineis gebeten wird, sich auf den ersten Blick eher unscheinbaren Projekten im öffentlichen Raum zu widmen. Wer sich von AugsburgHaunstetten über die Bürgermeister-Ulrich-Straße in das Roundabout einfädelt und dann die Hugo-Eckener-Straße links liegen lässt, fährt geradewegs auf einen liegenden, silbern schimmernden Quader zu, der sich aus einem Grünstreifen vor dem neuen Büro- und Technikgebäude des Fraunhofer-Instituts erhebt. Der flüchtige Betrachter mag sich die Augen reiben und sich fragen, was dieses Gebilde mitten in der architektonischen Pampas soll. Es ist eines von drei skulpturalen „Designer-Stücken", die die Architektin im Stadtgebiet von Augsburg seit der Jahrtausendwende realisiert hat. Zwei davon sind Einstiegsbauwerke für öffentliche Infrastrukturprojekte: eines am Königsplatz und das zweite eben vor dem FraunhoferInstitut. Das dritte ist die Funkfeststation nahe des Augsburger Klinikums. Am Seite 122 Königsplatz verkleidet ein Edelstahlgerippe das schlichte Einstiegsbauwerk. Je nachdem von welcher Seite das Objekt betrachtet wird, ergibt sich eine andere Durchsicht. Nachts beginnt das Bauwerk zu leuchten. Ein auswärtiger Kunstfreund wollte den illuminierten Baukörper sogar erwerben, weil er ihn für eine moderne Lichtinstallation hielt. Eine ähnliche Magie verströmt die Funkfeststation, wenn bei Tag Sonne und Schatten mit dem Baukörper spielen und nachts künstliches Licht das Objekt erhellt. Der Funktion des Bauwerks entsprechend hat Schineis mit ihrem Konzept „das Innere" architektonisch nach außen gestülpt. Glas umhüllt die stählerne Box der Funkfeststation. Darüber sind Kupferbänder gewickelt, die die Nutzung des Baukörpers andeuten. Die jüngste architektonische Skulptur von Regina Schieneis ist das Einstiegsbauwerk für das Wasserrückhaltebecken beim Innovationspark Augsburg. Die Hülle für den Baukörper bilden durchbrochene Platten aus dem neuentwickelten Werkstoff Alusion. Es sind sehr robuste, nicht entflammbare Matten aus Aluminiumschaum, die sich ideal für eine extravagante Fassadengestaltung eignen. Dieser Aluminiumschaum verbindet die kühle Schönheit von Metall mit einer an bewegtes Wasser erinnernden Oberfläche. Also eine Punktlandung, auch was die architektonische Interpretation der Funktion des Gebäudes betrifft. Um den transluzenten Effekt des Materials zu erhöhen, ist Schineis auf eine schlichte, jedoch raffinierte Idee verfallen: Sie hängte in das Innere des Baukörpers eine Disco-Kugel, die nachts angestrahlt wird. Dann bricht und läuft das Licht wie tausend kleine Sternschnuppen durch die rabenschwarze Fassade. (Bilder: privat, Eckhart Matthäus) PS: Wie abscheulich und grauslich ein Einstiegsbauwerk ausfallen kann, stellen jene Ingenieure und Architekten unter Beweis, die sich gut zwanzig Meter von Regina Schineis' Baukörper entfernt planerisch verwirklicht haben. Ein Ausschluss aus ihrer Standesvertretung wäre die einzig angemessene Strafe für diese ästhetische Zumutung.
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