Risikomanagement-Jahrbuch 2015 Aufbruch zu neuen Renditequellen Inhalt Vorwort 5 1 Rückblick 2014 6 2 Strategien für das risikokontrollierte Chancenmanagement 10 2.1 Komplexitätsprämien mit CoCos 12 2.2 Verbriefungen: Diversifikation mit alternativen Kreditarten 14 2.3 Internationalisierung der Rentenanlage 2 16 Risikomanagement-Jahrbuch 2015 2.4 Dynamische Wertsicherung mit robusten Portfolios 2.5 Neue Ansätze im Management des Risikos von Immobilienportfolios 4 18 5 Methoden und Modelle im Risikomanagement 28 RisikomanagementKonferenz 2014 32 Ausblick 2015 36 20 6 3 RisikomanagementForschung 22 3.1 Mit Trendfolgemodellen Markterträge stabilisieren 24 3.2 Risikokultur ist keine Management-Lyrik 26 3 Wir arbeiten für Ihr Investment 4 Risikomanagement-Jahrbuch 2015 Vorwort Das sich verschärfende Niedrigzinsumfeld, die schwächelnde Weltwirtschaft und die zunehmenden Störeffekte geopolitischer Krisen setzen der Kapitalanlage deutscher institutioneller Investoren weiterhin zu. Mit Blick auf das Jahr 2015 erwarten 43,5 Prozent von ihnen, dass sie ihre selbst gesteckten Ziele nicht erreichen können. Dies ist das Ergebnis einer Investorenumfrage von Union Investment aus dem vergangenen Herbst. Die mittelfristige Perspektive sieht nicht besser aus. Für das Jahr 2018 rechnen 43,6 Prozent der Großanleger mit einer Zielverfehlung. Als Reaktion auf die Herausforderungen des schwieriger gewordenen Investmentumfeldes hat sich die Einstellung der Investoren bereits verändert. Innerhalb des klassischen Orientierungsrahmens von Sicherheit, Liquidität und Rendite erhält letztgenannter Aspekt eine zunehmend größere Bedeutung. In der Befragung erachteten 19 Prozent die Rendite als das generell wichtigste Kriterium ihrer Kapitalanlage. Dies ist der höchste Wert seit der Finanzkrise. Nach wie vor stellt allerdings die Sicherheit der Kapitalanlage die erste Priorität dar. 64 Prozent der befragten Investoren äußerten sich in diesem Sinne. Dieses Stimmungsbild macht das Dilemma deutscher Großanleger deutlich. Sicherheit geht vor. Ausreichende Erträge sind jedoch nur noch durch eine stärkere Inkaufnahme von Risiko zu erzielen. Risikomanagement ist vor diesem Hintergrund stärker gefragt denn je – sowohl im defensiven Sinne als Verlustbegrenzung als auch offensiv im Hinblick auf die Erarbeitung von Renditechancen an den Märkten. Den Kopf in den Sand zu stecken, ist keine Lösung. Attentismus ist das größte Risiko. Diese Erkenntnis hat sich in der Investorenschaft durchgesetzt. Viele Anleger gehen bereits neue Wege: Sie stellen ihre Kapitalanlage breiter auf und erschließen neue Renditequellen. Diese Strategie der Diversifikation ist richtig, wenngleich auch nicht immer einfach. Geringe Risikobudgets sowie interne und externe Restriktionen können sich als Stolpersteine erweisen. Dennoch gibt es zur stärkeren Diversifikation der Renditequellen derzeit keine Alternative. Aus Sicht von Union Investment kommt es hier vor allem auf Folgendes an: erstens: breit diversifizieren. Zweitens: richtig diversifizieren. Drittens: aktiv steuern. Und viertens: dabei Wertsicherungsstrategien zum Einsatz bringen, die in der Lage sind, mögliche Verluste frühzeitig zu begrenzen. Wie dies unter anderem geschehen kann, erfahren Sie in unserem Risikomanagement-Jahrbuch 2015. Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen Ihr Alexander Schindler Mitglied des Vorstands Union Asset Management Holding AG 5 1 Rückblick 2014 6 7 Renditen im Rückwärtsgang Niedrige Zinsen, so weit das Auge reicht, und keine Trendumkehr in Sicht. Mit dieser Lage hatten es Investoren auch 2014 zu tun. Wer zu Jahresanfang glaubte, dass etwa bei deutschen Bundesanleihen das Ende der Renditerückgänge erreicht sei, der irrte. Auch die Einprozentmarke stellte bei zehnjährigen Papieren keine nachhaltige Hürde dar, zuletzt wurden mit Werten unter 0,5 Prozent nicht für möglich gehaltene Renditetiefstände erreicht. Schön für die aktuelle Performance – aber schlecht mit Sicht auf längerfristige Ertragsziele vieler Investoren. Auf der Suche nach Erträgen blieb Rentenanlegern daher kaum eine andere Möglichkeit, als die Risikoleiter weiter nach oben zu steigen. Spread-Produkte wie Unternehmensanleihen, High-Yield- oder Nachranganleihen waren gefragt, konnten in der Rückschau aber vielfach nicht mit der Entwicklung der Staatsanleihen mithalten. Für starkes Interesse sorgten dabei unter anderem Contingent Convertible Bonds (CoCos). Die Aussicht auf interessante Renditeaufschläge und hohe Kuponzahlungen bescherte diesen nachrangigen Bankschuldverschreibungen ein reges Interesse. Das Ausweiten des Rentenuniversums konnte den Ertragsdruck insgesamt jedoch nur mäßig lindern, zumal die Renditen auch in den nicht traditionellen Fixed-Income-Segmenten nicht in den Himmel wuchsen. Alternative Investments wie zum Beispiel in den Bereichen Infrastruktur, Immobilien oder Private Equity standen daher 2014 weiterhin im Fokus der Investoren. Geldpolitik als Stimulus Die internationalen Notenbanken – allen voran die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrem Präsidenten Mario Draghi – erwiesen sich im vergangenen Jahr einmal mehr als Treiber, auch (aber nicht nur) für risikobehaftete Anlagen. Im Aktienbereich erreichten wichtige Leitindizes wie der S&P 500 oder der DAX infolge der weiterhin lockeren Geldpolitik neue Höchststände. An vielen Investoren ging diese Entwicklung aufgrund nur geringer Aktienquoten weitgehend vorbei. Angesichts der ebenfalls deutlich gestiegenen Volatilität an den Märkten dürfte dieser Sachverhalt manchen Anleger nicht allzu sehr geschmerzt haben. Hinzu kam die Sorge über hohe Bewertungsniveaus und darüber, dass die Politik des billigen Geldes zur Bildung von Preisblasen beitragen könnte. Vor diesem Hintergrund blieb das Aktienengagement der institutionellen Anleger auch 2014 eher überschaubar. Renditerückgang: Rendite 10-jähriger Staatsanleihen 7,0% Deutschland Frankreich Italien Spanien Portugal Irland 6,0% 5,0% 4,0% 3,0% 2,0% 1,0% 0,0% 31. Dez. 2013 8 31. März 2014 30. Juni 2014 30. Sept. 2014 31. Dez. 2014 USA Risikomanagement-Jahrbuch 2015 Indexierter Kursverlauf ausgewählter Aktienindizes 125 125 EURO STOXX STOXX 50 DAX Nikkei 225 MSCI Emerging Markets S&P 500 50 50 DAX Markets EURO EURO STOXX DAX Nikkei 225 Nikkei 225 MSCI Emerging MSCI Emerging Markets S&P 500 S&P 500 120 120 115 115 110 110 105 105 100 100 95 95 90 90 85 85 80 80 31.12.2013 31.03.2014 30.06.2014 30.09.2014 31.12.2014 Zweifel an nachhaltiger Konjunktur Aus fundamentaler Sicht prägte im vergangenen Jahr die Unsicherheit hinsichtlich der globalen Wachstumsaussichten das Verhalten der Marktteilnehmer. In der Eurozone machte zumindest teilweise das Gespenst der Rezession die Runde. Frankreich, immerhin die weltweit fünftgrößte Wirtschaftsnation, legte den konjunkturellen Rückwärtsgang ein. In den USA verlangsamte sich das Wachstum im ersten Quartal und mit Blick auf China befürchteten die Anleger eine mögliche harte Landung. Auch der stark gefallene Ölpreis nährte Zweifel an der Verfassung der Weltwirtschaft. Gleichwohl: Je weiter das Jahr fortgeschritten war, umso mehr verfestigte sich das Bild eines moderaten konjunkturellen Aufwärtstrends – besonders getrieben von einer soliden US-Konjunktur. Für zusätzliche Turbulenzen sorgte die geopolitische Lage. Der Konflikt zwischen Moskau und Kiew um die Krim und die östlichen Landesteile der Ukraine ließ ein Wiederaufleben des überwunden geglaubten Kalten Krieges wieder möglich erscheinen. Die Sanktionen der EU und der USA gegenüber Russland belasteten sowohl die politischen Beziehungen und die russische Wirtschaft als auch die Exportaktivitäten westlicher Unternehmen. Daneben führte die Offensive der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zu einer weiteren Destabilisierung des gesamten Nahen und Mittleren Ostens. In Afrika kostete das Ebolavirus Tausende Menschen das Leben und lähmte die Wirtschaftstätigkeit in den betroffenen Staaten. Fazit Niedrige Zinsen, politische Börsen, unsichere Wachstumsaussichten und schwerwiegende geopolitische Krisen machten die Kapitalanlage im Jahr 2014 einmal mehr zu einer Herausforderung auch für institutionelle Investoren. Dennoch: Unter dem Strich war es erneut ein gutes Jahr für die Kapitalmärkte. 9 2 Strategien für das risikokontrollierte Chancenmanagement 10 Risikomanagement-Jahrbuch 2015 11 2.1 Komplexitätsprämien mit CoCos Im anhaltenden Niedrigzinsumfeld bieten Nachranganleihen die Chance auf höhere Renditen im Fixed-IncomeUniversum. Sie beinhalten einen nachgelagerten Anspruch auf die Vermögenswerte des Schuldners im Fall einer Insolvenz. Insofern weisen sie gegenüber erstrangig besicherten Anleihen einen Nachteil auf. Allerdings wird der Anleger für die eingegangenen Risiken hier noch adäquat entlohnt. Bankenregulierung als Treiber Investoren, die darüber hinausgehende Renditen vereinnahmen möchten, steht mit den sogenannten Contingent Convertible Bonds (CoCos) eine komplexere, aber durchaus interessante Alternative zur Verfügung. CoCos gehören zu einer relativ jungen Generation von Nachranganleihen. Den Anstoß zu ihrer Etablierung gaben die Erfahrungen vieler Staaten mit den Bankenrettungen im Nachgang der Lehman-Krise. Die Idee: Mit CoCos sollte ein Instrument geschaffen werden, das die Gläubiger nachrangiger Anleihen stärker in die Bemühungen zur Stabilisierung einer in Schieflage geratenen Bank einbindet. Bankeigentümer und Bankgläubiger sollen anstelle des Steuerzahlers für Verluste einer Bank in die Verantwortung genommen werden. CoCos erreichen diese veränderte Gläubigerhaftung, indem sie unter vorher festgelegten Bedingungen automatisch in das harte Eigenkapital der emittierenden Bank übergehen und somit helfen, Verluste auszugleichen. Tritt der Ereignisfall (Trigger Event) ein, wandeln sich die Hybridanleihen in Aktien oder werden vom Nominalwert abgeschrieben. Das Wandlungsrecht liegt also nicht beim Inhaber, sondern ist vielmehr an das Unterschreiten von zuvor festgelegten Eigenkapitalquoten geknüpft. So funktionieren CoCos Gerät ein Institut in Schieflage, erfolgt nach Eintritt des vorher definierten Triggers eine Wandlung der Anleihe in Aktien oder aber eine Verlustbeteiligung in Form einer Abschreibung. Hier wird unterschieden zwischen einer dauerhaften Abschreibung (Permanent Writedown), die einem Totalausfall gleichkommen könnte, und einem vorläufigen Herunterschreiben (Temporary Writedown). Dies entspräche einem lediglich vorübergehenden Verlust mit der Möglichkeit der späteren Wertaufholung. Das Eintreten des Ereignisfalls ist das entscheidende Kriterium für die Pflichtwandlung. Daher sollte dieser Auslöser möglichst einfach, transparent und nachvollziehbar sein. Wichtig ist auch die Höhe des Triggers. Sie entscheidet darüber, wie schnell eine Wandlung erfolgt. Wie bei klassischen Nachranganleihen wird auch bei CoCos zwischen Tier 2 und Additional Tier 1 unterschieden. Tier-2-Emissionen gelten als Ergänzungskapital. Die Papiere sind endfällig und in der Regel mit einem festen Kupon ausgestattet. Dieser wird unabhängig von der Gewinnsituation der ausgebenden Bank gezahlt. Additional-Tier-1-Schuldverschreibungen, die als zusätzliches Kernkapital angerechnet werden, besitzen hingegen keine feste Laufzeit. Sie sind frühestens nach fünf Jahren kündbar. Zur Zinszahlung kommt es nur, wenn das Kreditinstitut einen ausreichenden ausschüttbaren Gewinn erzielt. Kräftiger Renditezuschlag CoCos auf Wachstumskurs 12 Der Markt für Contingent Convertible Bonds ist gegenwärtig noch klein, dürfte aber künftig sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite weiter wachsen. Der Grund: Während CoCos Banken die Möglichkeit eröffnen, ihre Gesamtkapitalquote auf innovative Art und Weise zu stärken, bieten sie Investoren ein willkommenes Renditeplus. Maßgeblichen Einfluss auf die Rendite haben die Höhe des Eigenkapitals und der vorher festgelegte Trigger. Schmilzt die Kapitaldecke, rückt der Trigger näher, was steigende Renditen zur Folge hat. Zentraler Renditetreiber ist aber das CoCo-spezifische Risiko. Zerlegt man die Rendite, entfällt nur ein geringer Teil auf den risikolosen Zins und auch das Kreditrisiko steuert lediglich einen überschaubaren Anteil bei. Das Gros ist auf die CoCo-spezifische Risikoprämie zurückzuführen. Damit ist in dem noch jungen Markt das Liquiditätsrisiko ebenso abgegolten wie das Kuponrisiko aus dem hybriden Charakter der Anleihen. Darüber hinaus werden auch das Wandlungsrisiko und das Kündigungsrecht bezahlt. Risikomanagement-Jahrbuch 2015 „CoCos bieten eine deutlich höhere Rendite als klassische Nachranganleihen“ Marc Hellingrath, Gruppenleiter, Unternehmens-Bonds (rechts) Stefan Sauerschell, Senior Portfoliomanager Financials (links) Spezielles Risikomanagement gefragt Contingent Convertible Bonds sind eine komplexe Anlageklasse mit spezifischen Risiken und Chancen. Der gezielten Einzeltitelauswahl kommt damit eine noch höhere Bedeutung zu als bei klassischen Anleihen. Union Investment hat bereits seit 2011 umfangreiche Erfahrungen im Umgang mit CoCos sammeln können und eine entsprechende Expertise aufgebaut. Dies betrifft sowohl die im Vorfeld nötige Analyse als auch den Handel und das nachgelagerte Risikocontrolling. Eine besondere Herausforderung stellt die Bestimmung der in CoCos enthaltenen Risiken dar. Dazu hat Union Investment ein eigenes Bewertungsmodell entwickelt und eine umfassende Datenbank erstellt, die hilft, Neuemissionen zu bepreisen und bestehende Anleihen unter Risiko-RenditeGesichtspunkten miteinander zu vergleichen. Dieses Know-how fließt unter anderem in den UniInstitutional CoCo Bonds ein, der im vergangenen Jahr aufgelegt wurde. Der institutionelle Publikumsfonds legt schwerpunktmäßig in CoCos internationaler Emittenten an, Fremdwährungsrisiken sind weitestgehend abgesichert. Mit diesem Fonds können institutionelle Investoren diversifiziert in der neuen Anlageklasse investieren. Beigemischt werden darüber hinaus klassische Nachranganleihen von Finanzinstituten und Industrieunternehmen. Ferner besteht die Möglichkeit, sonstige fest- oder variabel verzinsliche Wertpapiere wie Unternehmensanleihen oder Covered Bonds in das Portfolio zu integrieren. Trigger und Verlustabsorption der CoCos: die verschiedenen Ausgestaltungen Ausgestaltungsmerkmale eines CoCo Bonds Trigger Anleihebedingungen Verlustabsorption Wandlung in Aktien Regulatorisch Preisspanne Preisuntergrenze Abschreibung Permanent Temporär 13 2.2 Verbriefungen: Diversifikation mit alternativen Kreditarten Besser als ihr Ruf Im Fixed-Income-Bereich werfen klassische Anlageformen nur noch dann halbwegs ausreichende Erträge ab, wenn Investoren bereit sind, stärker ins Risiko zu gehen – etwa durch den Erwerb von Anleihen mit längerer Laufzeit oder von Papieren mit geringerer Bonität. Höhere Renditen lassen sich darüber hinaus jedoch auch mit alternativen Strategien erzielen. Kreditverbriefungen sind ein Beispiel dafür. Im Zuge der Subprime-Krise sind diese strukturierten Finanzprodukte in den vergangenen Jahren oftmals pauschal als problematisch und hochrisikobehaftet wahrgenommen worden. Bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass diese Sichtweise zu kurz greift. Aufgrund ihrer soliden Chance-Risiko-Struktur eignen sich die meisten Verbriefungen gerade im Niedrigzinsumfeld als risikokontrollierte und unkorrelierte Variante für den notwendigen Mehrertrag. Breites Spektrum von Kreditverbriefungen Als Verbriefung gilt die Umwandlung von nicht handelbaren Forderungen in handelbare Wertpapiere. Verbriefungstechniken lassen sich grundsätzlich für eine Vielzahl unterschiedlicher Forderungen anwenden. Sie können sich auf Konsumentenkredite ebenso beziehen wie auf Immobilien- oder Unternehmenskredite (siehe Grafik). Verbriefungen dienen Banken und Industrieunternehmen als Mittel zur Kapitalbeschaffung oder Refinanzierung. Rating-Agenturen schaffen Transparenz Die Abwicklung erfolgt in der Regel über eine sogenannte Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle, SPV), die die Verbriefungen am Markt platziert. Dazu kauft sie die Forderungen vom Forderungsverkäufer (Originator). Infolgedessen werden die Forderungen rechtlich vom verkaufenden Unternehmen getrennt. Die Verwaltung der Forderungen bleibt in der Regel beim Originator. Die künftigen Zahlungsströme seitens der Kreditnehmer fließen dem SPV zu. Ansprüche der Investoren sind ausschließlich gegen das SPV und das verbriefte Kreditportfolio zu richten. Dadurch ist die Forderungserfüllung unabhängig von der Solvenz des Originators. Verbrieft werden stets ganze Portfolios und nie einzelne Darlehen. Dabei kommen auch Rating-Agenturen zum Einsatz, die unter anderem die Qualität der zugrunde liegenden Forderungen analysieren und die Transaktionsstruktur überprüfen. Globale Verbriefungen weisen eine hohe Stabilität auf, nur Subrime-Papiere* stellen die Ausnahme dar Kommulative Verlustraten europäischer ABS (Emissionen 2000 bis 2012) Kommulative Verlustraten globaler CDOs 1993 bis 2012 76,2% 0,1% 0,1% 0,9% 0,0% 1,0% 1,0% Consumer ABS Commercial ABS CMBS RMBS SME* ABS CLO * hier am Beispiel von CDO of ABS (i.d.R. Wiederverbriefungen von Subprime Verbriefungen) Quelle: Fitsch, Stand: 22. Oktober 2013 14 CDO of ABS Risikomanagement-Jahrbuch 2015 „Kreditverbriefungen sind deutlich besser als ihr Ruf.“ Alexander Ohl, Leiter Credit Solutions Stabile Investments mit geringen Ausfallraten Insgesamt weisen Verbriefungen ein vergleichsweise niedriges Ausfallrisiko auf. Nach dem Platzen der Immobilienblase waren die Probleme lediglich auf den Teilbereich der US-amerikanischen Subprime-Kredite begrenzt. Das Gros der Verbriefungen bewältigte die Finanzkrise hingegen sogar besser als klassische Spread-Produkte wie etwa Unternehmensanleihen. Dafür ist auch die (je nach Art der Verbriefung) geringe bis mittlere Korrelation zu anderen risikobehafteten Anlageklassen verantwortlich gewesen. In den Jahren 2000 bis 2012 wurde weniger als ein Prozent aller europäischen Verbriefungen nicht bedient. Zum Vergleich: Investment-Grade-Unternehmensanleihen weisen eine um ein Vielfaches höhere Ausfallrate auf. Asset Backed Securities (ABS), bei denen europäische Automobilkredite und Leasingforderungen zugrunde liegen, haben sogar eine makellose Bilanz. Selbst in den Krisenjahren 2007 bis 2011 verzeichneten sie keine Zahlungsstörungen. Für die günstige Bilanz der Verbriefungen sind auch die strukturellen Vorteile verantwortlich. So sind Verbriefungen üblicherweise schon von Beginn an übersichert, besitzen also per se einen Puffer, der sie vor Zahlungsausfällen schützt. Zusätzlich dazu wurden in Europa regulatorische Änderungen vorgenommen, um das Vertrauen in diese Anlageklasse zu stärken. Seit einigen Jahren ist der Originator oder der Sponsor einer Transaktion dazu verpflichtet, einen Selbstbehalt vorzunehmen. Er kann die Risiken also nicht vollumfänglich weitergeben und ist schon aus eigenem Interesse um eine ordnungsgemäße Abwicklung bemüht. Eine klare Sache Auch in Sachen Transparenz brauchen sich Verbriefungen keineswegs zu verstecken. Der systematische Zugang zu performancerelevanten Daten erfordert zwar gleich zu Beginn den Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur. Ist diese aber erst geschaffen, kann beispielsweise über das „European Data Warehouse“ der Europäischen Zentralbank (EZB) sogar auf Einzelkreditinformationen verschiedenster europäischer Verbriefungen direkt zugegriffen werden. Investoren sind somit in der Lage, eine individuelle Risikobewertung durchzuführen. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass einer Umfrage der US-Bank Morgan Stanley zufolge 96 Prozent der befragten Investoren in diesem Jahr ihre Bestände an strukturierten Produkten aufstocken oder zumindest beibehalten wollen. Attraktive Renditechancen Last, but not least sind mit Verbriefungen auch attraktive Renditechancen verbunden. Die Verzinsung erfolgt variabel, in der Regel mit einem Aufschlag auf den 3-Monats-EURIBOR. Dadurch ist die Zinssensitivität sehr gering. Investoren müssen daher steigende Zinsen keinesfalls fürchten. Je nach Art der Verbriefung schwankt der Spread bei einem guten Investment Grade Rating per Jahresende zwischen 70 und 250 Basispunkten bei Laufzeiten von einem bis fünf Jahren. Im aktuellen Umfeld ergeben sich daraus also 2,4 Prozent Rendite. Mit vergleichbaren Unternehmensanleihen ist nur etwa halb so viel zu erzielen. Wichtig ist: Die höhere Rendite resultiert nicht aus den Kreditrisiken. Der Mehrertrag ergibt sich vielmehr als eine Art Komplexitätsaufschlag. Es lohnt sich also ein genauer Blick auf das Segment. 15 2.3 Internationalisierung der Rentenanlage „Der Blick über den Tellerrand lohnt sich“ Dr. Frank Engels, Managing Director, Portfoliomanagement Renten Langsam, aber sicher wird es ungemütlich an den europäischen Rentenmärkten. Renditen von weniger als einem halben Prozent bei zehnjährigen Bundesanleihen machen deutlich, was die Stunde geschlagen hat, auch wenn mancher Investor auf dem Weg ins Zinstal von steigenden Kursen bislang profitieren konnte. Mit der Annäherung an die Nulllinie kommt diese Entwicklung nun an ihr natürliches Ende. Umso wichtiger wird die Suche nach Alternativen, gerade auf der Rentenseite. Die Eurozone kämpft um den Anschluss Die Gründe hierfür liegen auf der Hand. Nach wie vor ist die Eurozone mit strukturellen Herausforderungen konfrontiert, die sich in Wachstumsschwäche und Disinflation beziehungsweise Deflation niederschlagen. Mit einer verstärkt expansiven Geldpolitik versucht die Europäische Zentralbank (EZB) entgegenzusteuern und zementiert so bis auf Weiteres das Niedrigzinsumfeld in den Staaten der Eurozone. Keine schönen Aussichten für Rentenanleger. In anderen Regionen der Welt, wie etwa in den USA, vollzieht sich eine gegenläufige Entwicklung mit robustem Wachstum, weniger lockerer Geldpolitik und höheren Zinsen. Vor diesem Hintergrund lohnt ein Blick über den „Euro-Tellerrand“ hinaus. Dies gilt insbesondere für deutsche Großanleger, deren Portfolios ein ausgeprägtes Home-Bias aufweisen. Nach Untersuchungen von Greenwich Associates machten europäische Renteninvestments zuletzt 65 Prozent der Vermögensallokation deutscher Investoren aus. Gerade sie könnten also eine stärkere internationale Diversifizierung ihrer Rentenanlagen nutzen, um von den weltweiten Zins- und Wachstumsunterschieden zu profitieren. Transatlantik-Spread nutzen „Amerika du hast es besser“ Zitat von: Johann Wolfgang von Goethe Besonders augenfällig sind die Vorteile einer Internationalisierungsstrategie mit Blick über den „Großen Teich“. So lagen die Renditen zehnjähriger amerikanischer Staatsanleihen seit 2013 kontinuierlich deutlich über denen entsprechender Bundesanleihen (siehe Grafik). Dieser Transatlantik-Spread dürfte weiterhin anhalten und sich sogar noch ausweiten. Ende Januar lag die Differenz beispielsweise bei etwa 130 Basispunkten, um dann bis Mitte Februar auf knapp 160 Basispunkte zu steigen. Bei Union Investment erwarten wir zum Jahresende 2015 ein Renditeniveau von 2,75 Prozent bei zehnjährigen US-Treasuries, während diesseits des Atlantiks laufzeitengleiche Bundesanleihen lediglich mit 0,5 Prozent rentieren sollten, da hier das Anleihe-Ankaufprogramm der EZB wirkt. Bei gleicher Bonität sind demnach mehr als 200 Basispunkte Zusatzrendite möglich – und ein auf die Zinsdifferenz abzielender Positionsaufbau gewinnt damit im Jahresverlauf zunehmend an Attraktivität. Selbst nach Abzug eventueller Währungshedgekosten bleibt bei rollierenden kurz laufenden FX-Hedges unter dem Strich ein Mehrertrag übrig. Chancen bietet auch das Segment der Investment-Grade-US-Unternehmensanleihen. Über unterschiedliche Laufzeiten hinweg weisen diese bei marginal schlechterem Durchschnittsrating gegenüber dem entsprechenden Anleiheuniversum der Eurozone deutliche Renditevorteile auf. Während im kurz laufenden Bereich fast 100 Basispunkte zusätzlich vereinnahmt werden können, macht das Renditeplus bei lang laufenden US-Unternehmensanleihen deutlich über 200 Basispunkte aus. Die Kosten der Wechselkursabsicherung hebeln diesen Vorteil nicht immer aus. Dies zeigt ein Blick auf das Verhältnis von Renditevorteil und Absicherungskosten bei US-Unternehmensanleihen in den Jahren von 1998 bis 2013 (siehe Grafik). Lediglich zweimal lagen die Kosten für rollierende 16 Risikomanagement-Jahrbuch 2015 3-Monats-Währungshedges in diesem Zeitraum über dem Renditevorteil. Oder anders ausgedrückt: Ganz überwiegend konnten Investoren trotz Absicherung von einer Internationalisierung der Rentenanlage profitieren – so wie im derzeitigen Umfeld, wo die Differenz zwischen Mehrertrag und Hedgekosten beträchtlich ist. Über unterschiedliche Rentensegmente internationalisieren Zur internationalen Diversifizierung können grundsätzlich verschiedene Rentenklassen wie zum Beispiel gedeckte Schuldverschreibungen (Covered Bonds), Unternehmensanleihen oder Staatsanleihen genutzt werden. Die Beimischung entsprechender Fremdwährungsanleihen bietet auch hier die Chance auf eine Mehrrendite nach Abzug der Absicherungskosten. Wird ein rein aus Euroanlagen bestehendes Musterportfolio einem Portfolio, dem in US-Dollar denominierte Anleihen hinzugefügt werden, gegenübergestellt, so wird der Effekt deutlich. Investieren beispielsweise beide Portfolios zu jeweils einem Drittel in Covered Bonds, Investment Grade Corporates und Treasuries, so bewirkt bereits eine entsprechend abgesicherte Fremdwährungsquote von einem Drittel (bei ansonsten vergleichbaren Risikoeigenschaften) eine spürbar höhere Rendite in der Größenordnung von etwa 50 Basispunkten. Auch dieses Beispiel zeigt, dass eine Strategie der Internationalisierung über währungsgesicherte Fremdwährungsanleihen mit klaren Vorteilen verbunden sein kann. Wichtige Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Währungsabsicherungskosten nicht im Zeitablauf deutlich steigen – dies wäre zum Beispiel bei stark steigenden US-Geldmarktzinsen der Fall – und/oder die Renditen für ausländische Anleihen im Zeitablauf stärker steigen beziehungsweise weniger sinken als die vergleichbarer Euroanleihen. Zehnjahresrenditen USA und Euroland seit 1. Januar 2008 5% US-Staatsanleihen Bundesanleihen 4% 3% 2% 1% 0% 2008 2010 2012 2015 Renditevorteil und Absicherungskosten 3,0% 2,0% 1,0% 0,0% –1,0% –2,0% –3,0% Renitevorteil IG-Corps (USD-EUR) Hedgekosten Differenz 3M-Geldmarkt USD-EUR) –4,0% 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 17 2.4 Dynamische Wertsicherung mit robusten Portfolios Portfoliosicherung ist Trumph Wertsicherungskonzepte sind wichtiger denn je. Das Niedrigzinsumfeld verstärkt die Notwendigkeit, eine Mehrrendite gegenüber dem risikolosen Zinssatz zu erzielen. Doch höher rentierliche Anlagen unterliegen einem größeren Risiko. Die damit verbundenen möglichen Verluste können die Kapitalbasis reduzieren. Mit dieser verringerten Kapitalbasis müssen in der Folge überproportional hohe Gewinne erwirtschaftet werden, um den Verlust zu kompensieren. Und das unter Inkaufnahme gleichermaßen erhöhter Risiken. Dynamisch-asymmetrische Wertsicherungskonzepte helfen, dieses Problem in den Griff zu bekommen. Sie sind in der Lage, kurzfristig auf ein verändertes Marktumfeld zu reagieren, Renditechancen zu nutzen und das Portfolio zuverlässig nach unten abzusichern. Union Investment verfügt über eine nunmehr 20-jährige Erfahrung mit entsprechenden Strategien. In dieser Zeit wurden die Konzepte beständig weiterentwickelt und an die unterschiedlichen Bedürfnisse der Investoren angepasst. Mit Union Risk Contribution hat Union Investment nun einen Ansatz entwickelt, der dazu beiträgt, die Allokation von Wertsicherungsportfolios zu verbessern und noch robuster zu machen. Gängige Allokationsmodelle mit Schwächen Das Ziel der Asset Allocation besteht darin, das Portfolio so auszurichten, dass Risiko und Ertrag in einem optimalen Verhältnis stehen. Hierzu wird in der Praxis häufig das klassische Optimierungsverfahren nach Harry M. Markowitz angewandt. Die Herleitung der Asset Allocation erfolgt dabei anhand von zwei Parametern: der erwarteten Rendite und dem Investmentrisiko, das mit der Standardabweichung der Portfoliorendite gemessen wird. Dieses Verfahren birgt jedoch Schwachstellen. Zum einen führen bereits kleinere Fehler bei den Renditeprognosen zu negativen Ergebniseffekten. Zum anderen ergeben sich durch die Konzentration in Assets mit geringster Volatilität nicht selten extreme Portfoliokonstellationen. Als Alternative zu Markowitz nutzen Portfoliomanager zunehmend auch risikobasierte Allokationsmodelle, wie zum Beispiel den Risk-Parity-Ansatz. Dieser fußt auf der Annahme, dass eine Einheit Risiko über alle Asset-Klassen hinweg langfristig gleich entlohnt werden muss. Bei der Vermögensaufteilung wird daher eine Gleichverteilung des Risikos über alle Asset-Klassen angestrebt. Weil diese Vorgehensweise ohne Renditeprognosen auskommt, reduziert sie die Abhängigkeit von unsicheren Ertragsschätzungen. Allerdings ist auch der einfache RiskParity-Ansatz (Equal Risk) nur eingeschränkt in der Lage, optimale Portfoliokonstruktionen zu generieren. Denn die Gewichtung der Asset-Klassen erfolgt hier umgekehrt proportional zu ihren Volatilitäten und führt somit zu einer höheren Allokation von Anlageklassen mit geringeren Schwankungen bzw. zu einer Fokussierung auf Renten. Korrelationsbedingte Diversifizierungseffekte werden also nicht berücksichtigt. Union Risk Contribution: das Beste aus zwei Welten Neue Wege gehen Um die beschriebenen Schwächen der klassischen Allokationsmodelle zu vermeiden, hat Union Investment einen eigenen Ansatz entwickelt, der die Techniken von risikogesteuerter und prognosebasierter Vermögensaufteilung miteinander kombiniert. Grundlage bildet die zur Risk-Parity-Welt gehörende Contribution-to-Risk-Methode. Das Portfolio ist hierbei derart konzipiert, dass alle Asset-Klassen unter Berücksichtigung von Volatilitäten und Korrelationen den gleichen Risikobeitrag leisten. Mit diesem Ansatz eröffnet sich die Möglichkeit, Risikoprämien frei von Renditeprognosen zu vereinnahmen. Gleichzeitig lassen sich die Risikobeiträge breiter über die Asset-Klassen streuen, um so eine ausgewogenere und weniger anfällige Vermögensaufteilung zu erreichen. Anstelle der Fokussierung auf möglichst genaue Ertragsschätzungen steht also die robuste Risikoallokation im Vordergrund, die es erlaubt, gut diversifiziert Marktchancen zu nutzen. Damit dies gelingt, wird die risikogesteuerte Portfoliokonstruktion durch eine aktive, prognosebasierte Steuerung ergänzt. So lässt sich im Rahmen der taktischen Asset Allocation auf Veränderungen an den Märkten reagieren. Je nach kurz- und mittelfristiger Markterwartung können einzelne Asset-Klassen gegenüber dem aus der risiko- 18 Risikomanagement-Jahrbuch 2015 gesteuerten Allokation erwachsenen Exposure über- oder untergewichtet werden. Der Vorteil dieses Vorgehens liegt nicht nur darin, kurzfristige Marktschwankungen zu nutzen. Durch die zusätzliche Diversifizierung des Risikos kann auch die risikoadjustierte Performance deutlich verbessert werden. Expertise des Union Investment Committees Natürlich bedarf die aktive Steuerung der Asset Allocation einer fundierten und systematisch herbeigeführten Marktmeinung. Neben den täglichen Einschätzungen aller Bereiche des Portfoliomanagements kommt hierbei dem Union Investment Committee eine besondere Rolle zu. Dieses übergeordnete Gremium überprüft im Rahmen einer konsistenten Multiasset-Strategie vierteljährlich die mittelfristigen Kapitalmarktperspektiven sowie die sich daraus ergebenden Ableitungen für die Anlagestrategie und Portfoliostruktur aller Fonds von Union Investment. Grundlage ist eine detaillierte Analyse der volkswirtschaftlichen Makrolage, eine Einschätzung der Marktrisiken sowie eine Bewertung der Asset Allocation. Auch beim Union-Risk-Contribution-Ansatz bestimmt die Kapitalmarkteinschätzung des Union Investment Committees vor allem die taktische Portfoliosteuerung (siehe Abbildung). Die mittelfristige Einschätzung des Gremiums wird mit der strategischen Allokation des Portfolios abgeglichen und dann auf dem Weg des Black-Litterman-Verfahrens in die taktische Asset Allocation überführt. Im Ergebnis unterstützt dieses Vorgehen deutlich die aktive Positionierung des Portfolios. Fazit In Zeiten niedriger Erträge und turbulenter Marktphasen können robuste Wertsicherungsportfolios einen erheblichen Mehrwert bieten. Verfahren der risikogesteuerten Asset Allocation eröffnen Investoren die Möglichkeit, sich von unsicheren Renditeprognosen unabhängig zu machen und breit diversifiziert Risikoprämien zu erzielen. Idealerweise sollten entsprechende Techniken mit einem prognosebasierten, aktiven Management kombiniert werden. Auf diese Weise können zwei unabhängige Asset-Allocation-Verfahren mit entsprechend großem Diversifikationsund Chancenpotenzial genutzt werden. Das Union Investment Comittee setzt die Leitplanken Strategisches Portfolio Asset-Klasse Staatsanleihen EWU Kernländer Covered Bonds URC* Strategisches Portfolio URC* 26,4% 6,7% 31,4% 10,6% 10,6% Unternehmensanleihen Inv. Grade 6,8% 2,4% Unternehmensanleihen High Yield 6,6% 9,3% Staatsanleihen Schwellenländer 2,5% 0,7% 11,3% 15,3% Staatsanleihen EWU Peripherie Aktien Industrieländer Aktien Schwellenländer 9,1% 9,0% Wandelanleihen 10,0% 10,0% Rohstoffe 10,0% 10,0% Ertragserwartung (p.a.) 4,3% 4,5% Volatilität (p.a.) 4,2% 4,7% 19 2.5 Neue Ansätze im Management des Risikos von Immobilienportfolios Ein über verschiedene Asset-Klassen hinweg breit gestreuter Investmentansatz ist wichtiger denn je, um zusätzliche Renditequellen zu erschließen. Immobilien spielen dabei eine wichtige Rolle. Da sie kaum mit anderen Anlageklassen korrelieren, leisten sie einen stabilisierenden Beitrag zum Gesamtportfolio. Kurz: Zur Reduzierung des Risikos und zur Steigerung des Ertrags der Kapitalanlage ist die Beimischung von Immobilien grundsätzlich gut geeignet. Aus Sicht des Risikomanagements steht die Steuerung von Immobilienportfolios allerdings vor speziellen Herausforderungen. Da sich eine Immobilie von einem Wertpapier auf vielfältige Weise unterscheidet, ist die Anwendung von quantitativen Risikomodellen aus dem klassischen Wertpapierbereich nicht ohne Weiteres möglich. In der Praxis überwiegen qualitative Ansätze. Mit ImmoRisk verfügt Union Investment nun aber über ein erprobtes Modell, das in der Lage ist, quantitativ fundierte Aussagen über die zu erwartende Rendite bzw. die Wahrscheinlichkeit des Verfehlens einer angestrebten Rendite zu treffen. Vergleichbarkeit des Gesamtrisikos Ziel von ImmoRisk ist es, für Immobilienfonds analog zu den Techniken aus dem Wertpapierbereich ein Instrumentarium zur Risikoquantifizierung zu schaffen, um die Vergleichbarkeit des Gesamtrisikos von Immobilieninvestments mit dem anderer Asset-Klassen herzustellen. Im Vordergrund steht nicht die Analyse des Risikos einzelner Objekte, sondern die Aggregation der Risikotreiber auf Ebene des Gesamtportfolios. Insbesondere wird eine Ex-ante-Betrachtung ermöglicht, die unter anderem Value-at-Risk-Kennzahlen (VaR-Kennzahlen) ermittelt. Gerade für Immobilienanleger, die wissen möchten, wie hoch das Risiko ist, eine erforderliche Rendite gegebenenfalls zu unterschreiten, ist dieses Verfahren unverzichtbar. Darüber hinaus erwartet auch die Aufsicht von manchen Investoren die Berücksichtigung einer solchen Risikoanalyse. So sind beispielsweise Banken verpflichtet, den VaR als Risikokennzahl im Controlling des Risikos ihrer Kapitalanlage zu berechnen. Ansätze Risikomanagement für Immobilien Risikoanalyse Immobilienportfolio Qualitative Verfahren • • • • • • Scoring Modelle ABC-Analyse Risiko-Checklisten Stärken-Schwächen-Analyse Fragenkatalog Nutzwertanalyse Quantitative Verfahren Am meisten verbreitete Ansätze wenig Anwendung in der Praxis Ohne Berücksichtigung von Wahrscheinlichkeitsverteilung: • Korrekturverfahren • Sensitivitätsanalyse • Szenarioanalyse Mit Berücksischtigung von Wahrscheinlichkeitsverteilung: • Analytische Ansätze • Simulationsbasierte Ansätze – Historische Simulation – Monte-Carlo-Simulation 20 Risikomanagement-Jahrbuch 2015 Bewertung künftiger Risiken Grundlage des ImmoRisk-Modells ist ein mehrstufiger Prozess. An dessen Anfang werden zunächst die Hauptrisiko- und -renditetreiber mit Verteilungsannahmen belegt. In einem zweiten Schritt erfolgt die Analyse der Abhängigkeiten einzelner Risiken untereinander. Hierzu werden die Korrelationen der Risikofaktoren berechnet und über eine Korrelationsmatrix in das Modell eingespeist. Zusammenhänge zwischen den einzelnen Anlageobjekten finden so explizit Berücksichtigung bei der Gesamtrisikobewertung. Für die Steuerungsgröße Rendite ist ein Bewertungsschema analog zur Preisrechnung vorgesehen. Schließlich werden mithilfe einer Monte-Carlo-Simulation bis zu 3.000 mögliche Ausprägungen der Risikoparameter aus den vorgegebenen Verteilungsannahmen ermittelt und über das Bewertungsschema zu 3.000 möglichen Ausprägungen der Rendite zusammengeführt. Auf diese Weise ist es möglich, den künftigen Portfoliowert und die künftige Rendite als Verteilung zu ermitteln und abzubilden. Aus dieser Verteilung können dann Risiko- und Performanceeinschätzungen abgeleitet werden. Anspruchsvolles Risikomanagement Mit ImmoRisk verfolgt Union Investment einen Ansatz im Management des Risikos von Immobilienportfolios, der in der Praxis aufgrund seiner komplexen Anforderungen bisher nur selten zum Einsatz kommt (siehe Abbildung). Neben der Verarbeitung enormer Datenmengen erweist sich unter anderem die mitunter eingeschränkte Datenbasis als Herausforderung. Denn noch können nicht für alle Länder und Nutzungsarten Verteilungsannahmen mit ausreichend langen Zeitreihen ermittelt werden; in diesen Fällen wird die fehlende Datenhistorie durch Expertenschätzungen ersetzt. Die Länge der in die Zukunft gerichteten Risikoanalyse liegt gegenwärtig bei zwölf Monaten, soll aber mittelfristig auf zwei bis drei Jahre erweitert werden. Für Immobilieninvestoren stellt ImmoRisk aber jetzt schon ein nützliches Instrument der Risikoanalyse dar. Mit ihm gelingt es erstmals, Rendite und Risiko mit dem gleichen Ansatz zu ermitteln. Möglich sind nun auch Vergleiche der Performance von verschiedenen Sondervermögen. Und last, but not least lassen sich mit ImmoRisk auch Aussagen hinsichtlich des sogenannten Shortfall-Risikos treffen, also über die Wahrscheinlichkeit, eine angestrebte Rendite nicht zu erreichen. Übertragung quantitativer Modelle Im Management des Risikos von Wertpapieren gehören quantitative Modelle längst zum Standard und sind aus dem Alltag der Portfoliomanager nicht mehr wegzudenken. Mit ImmoRisk halten entsprechende Verfahren unter Berücksichtigung von Wahrscheinlichkeitsverteilungen Einzug auch in das Management des Risikos von Immobilien. Dabei sollte man sich bewusst sein, dass quantitative Modelle Grenzen haben und die Wirklichkeit nie zu 100 Prozent widerspiegeln können. Wichtig ist daher das Zusammenspiel mit dem im Immobiliengeschäft unerlässlichen individuellen Immobilienmanagement durch ein professionelles und erfahrenes Team. Quantitative Risikobewertung jetzt auch für Immobilien 21 3 Methoden und Modelle im Risikomanagement 22 23 3.1 Mit Trendfolgemodellen Markterträge stabilisieren Die große Rotation vom Fixed-Income-Bereich in die Aktienwelt hat noch nicht stattgefunden. Obwohl mit Aktien im historischen Rückblick trotz zahlreicher Krisen langfristig attraktive Renditen zu erzielen waren, scheuen Investoren die erhöhten Schwankungen der Aktienmärkte. Dabei bietet das Risikomanagement gute Ansätze, um Aktienerträge auch in einem volatilen Umfeld zu stabilisieren. Trendfolgemodelle, mit denen auch Union Investment arbeitet, sind hier eine interessante Möglichkeit. Geringere Schwankungen und reduzierte Verluste Erprobter Ansatz mit Mehrwert Beispiel Momentum Trendfolgeansätze sind nicht neu. Kurzgefasst zielen sie darauf ab, unter Berücksichtigung von Indikatoren der technischen Analyse regelbasiert zuverlässige Signale für die Investmententscheidung zu liefern. Entsprechende Modelle agieren prozyklisch und kommen aufgrund ihrer Verankerung in der technischen Analyse gänzlich ohne Marktprognosen aus. Idealtypisch führen sie zur einer rechtzeitigen Abkopplung vom Abwärtstrend: Bei fallenden Märkten erfolgt ein Ausstiegssignal; der Markt fällt weiter und stabilisiert sich; der Markt steigt wieder an und der Investor nutzt das Signal des Aufwärtstrends zum Wiedereinstieg unterhalb der Marke des zuvor erfolgten Ausstiegs. Der Mehrwert einer solchen Trendfolgemethode ist evident und durch die Wissenschaft für unterschiedliche Märkte, Zeitperioden und Indikatoren belegt. Ein Blick auf die Signalhistorie eines einfachen Momentum-Indikators am Beispiel des MSCI Welt macht den Nutzen deutlich. Grundlage sei folgende angenommene klare und einfache Investitionsregel. Liegt über die letzten sechs Monate eine positive Kursentwicklung vor, existiert ein Aufwärtstrend und der Investor investiert weiterhin im Aktienmarkt. Verzeichnen die Kurse im betreffenden Zeitraum hingegen eine negative Entwicklung, so befindet sich der Markt in einem Abwärtstrend und der Investor schichtet in den Geldmarkt um. Wendet man diese Regel auf den MSCI Welt im Zeitraum von 1999 bis 2014 an, so zeigen sich deutliche Abwärtstrends, vor allem nach dem Platzen der Technologie-Blase, während der Finanzkrise und im Zusammenhang mit der Eurokrise. Insgesamt erzielte der MSCI Welt in diesem Zeitraum einen Kursanstieg von durchschnittlich fünf Prozent pro Jahr unter Inkaufnahme teils erheblicher Schwankungen. Anleger, die auf Basis des oben dargestellten Momentum-Indikators über den gleichen Zeitraum investiert hätten, hätten sich hingegen über einen Wertzuwachs von durchschnittlich etwas mehr als acht Prozent p.a. freuen können – und das bei deutlich reduziertem Verlustrisiko und geringerer Volatilität. MSCI Welt Momentum Trendregression Golden Cross Cross Over Relative Stärke Hit-Ratio Marktperzentil Break Out Trendfolge** Rendite* Volatilität* Sharpe Ratio Max. Verlust* 5,0 8,7 7,3 9,6 9,1 8,7 7,6 9,1 9,7 8,7 17,0 10,3 10,5 10,5 10,4 10,3 11,9 10,5 10,4 9,9 0,13 0,58 0,44 0,66 0,62 0,59 0,42 0,61 0,67 0,61 -61,3 -22,2 -31,8 -19,0 -18,4 -17,8 -32,6 -21,8 -16,7 -20,2 * in Prozent, ** Gleichgewichtung aller Indikatoren Deutlicher Nutzen für den Investor Neben dem Kriterium Momentum existiert in der technischen Analyse eine Vielzahl weiterer Indikatoren, die für Trendfolgemodelle entweder singulär oder kombiniert genutzt werden können. Beispielhaft seien hier die Indikatoren Trendregression, Golden Cross, Crossover, relative Stärke, Hit Ratio, Marktperzentil und Breakout genannt. Wendet man diese ausgewählten Indikatoren auch auf die historische Entwicklung des MSCI Welt an, so belegt die Analyse sowohl der einzelnen Trendindikatoren als auch der gleichgewichteten Kombination aller Indikatoren ebenfalls den Nutzen von Trendfolgeansätzen. Ihr Einsatz führt langfristig nicht nur zu einer höheren Rendite, sondern verbessert zudem klar erkennbar wichtige Risikokennziffern wie Volatilität, Sharpe Ratio und maximalen Verlust (siehe Tabelle). 24 Risikomanagement-Jahrbuch 2015 Am stärksten zeigt sich der Nutzen der beschriebenen Trendfolgetechniken in Märkten mit klarem und nachhaltigem Trendwechsel, so wie dies am Verlauf des MSCI Welt erkennbar ist. Allerdings ist ein solches Marktmuster nur eines von vielen möglichen Verlaufsmustern, die an den Aktienmärkten auftreten können. Damit stellt sich die Frage, ob Trendfolgemodelle auch bei anderen Marktmustern funktionieren. Die Antwort hierauf lässt sich mithilfe stochastisch-mathematischer Simulationsverfahren geben. Diese Verfahren ermöglichen es, wahrscheinliche Aktienmarktverläufe zu generieren, die vom historischen des MSCI Welt abweichen. Vergleicht man die Performance derart generierter Aktienmarktverläufe mit der Performance einer Investmentstrategie, die nach dem Trendfolgemodell gesteuert wurde, ergibt sich ebenfalls ein klares Ergebnis. Alle Trendfolgestrategien schlagen die klassische Buy-and-Hold-Strategie, vor allem dann, wenn es für den Investor darauf ankommt (siehe Grafik). Dies macht ein Blick auf die Renditeverteilung der Buy-and-Hold-Strategie, genauer gesagt auf den statistischen Schwellenwert des Fünfprozentquantils deutlich. Über den betrachteten Zeitraum von zehn Jahren liegen fünf Prozent aller Renditen unterhalb eines Wertes von minus sechs Prozent pro Jahr. Ein anderes Bild ergibt sich unter Anwendung von Trendfolgestrategien. Hier weist das entsprechende Quantil einen Wert von null Prozent auf. Lediglich fünf Prozent der Renditen sind also überhaupt negativ. Dies zeigt: Gerade in Abwärtsphasen können Trendfolgemodelle ihre Stärken ausspielen und das Verlustrisiko der Anlage reduzieren. Auf lange Sicht gelangen sie damit im Durchschnitt zu positiveren und stabileren Gesamtergebnissen für das Portfolio. Trendfolge schlägt Buy and Hold Trendfolge wirkt in allen Asset-Klassen Aktienmarkt 5%-Quantil -6% p.a. Alle Indikatoren mit ähnlichen Ergebnissen Trendfolge 5%-Quantil 0% p.a. Trendfolge 95%-Quantil 19% p.a. Weniger negative Renditen! Aktienmarkt 95%-Quantil 21% p.a. Aktienmarkt Buy and Hold -20% -15% -10% -5% 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% Trendfolgestrategien funktionieren in unterschiedlichem Maße auch für andere Asset-Klassen. Bei Staatsanleihen aus den Euro-Kernländern bringen Trendfolgestrategien zwar keine höhere Performance, stabilisieren aber das Risiko. Steigt man die Risikoleiter weiter hinauf, werden die Vorteile der Trendfolgemodelle zunehmend größer. Bei Unternehmensanleihen verbessert sich die durchschnittliche Rendite p.a. von 4,8 auf 4,9 Prozent, während der maximale Verlust von –7,6 auf –3,2 Prozent absinkt. Noch deutlicher zeigen sich die Vorteile bei Hochzinsanleihen. Die Rendite steigt von 5,2 auf 7,8 Prozent, während der maximale Verlust von –43,5 auf –9 Prozent zurückgeht. Positiv ist der risikoadjustierte Mehrwert auch bei Staatsanleihen aus den Emerging Markets. Die Rendite sinkt zwar leicht. Dafür wird das Verlustrisiko aber um nahezu zwei Drittel gesenkt. Und auch bei Rohstoffen macht sich Trendfolge bezahlt: Die jährliche Rendite steigt von 4,6 auf 6 Prozent, während sich der maximale Verlust der Trendfolgestrategien mit –22,3 Prozent gegenüber dem Buy-and-Hold-Ansatz mehr als halbiert. Im Ergebnis funktioniert Trendfolge umso besser, je mehr Kursschwankungen eine Asset-Klasse aufweist. Wirksames Risikomanagement Tool Diese Beispiele belegen, dass wirksames Risikomanagement einfach und transparent in die Investmentpraxis integriert werden kann. Trendfolgemodelle eignen sich hier besonders gut. Sie sind einfach in der Handhabung, transparent und ermöglichen ein aktives Eingreifen nach klaren Regeln. Ihre Wirkung entfalten sie vor allem in der Verlustbegrenzung über alle Asset-Klassen hinweg. Sie schaffen damit einen Mehrwert gerade in solchen Fällen, in denen es darauf ankommt. Denn mögliche Verluste sind der langfristigen Performance abträglich. Ein Vermögensverlust reduziert die Kapitalbasis. Und mit dieser verringerten Kapitalbasis müssen in der Folge überproportional hohe Gewinne erwirtschaftet werden, um den Verlust zu kompensieren – und das unter Inkaufnahme erhöhter Risiken. 25 3.2 Risikokultur ist keine Management-Lyrik Gespräch mit Dr. Joachim Hein, verantwortlich für die Performanceanalyse und das Risikocontrolling, über Nutzen und Schwachstellen von Risikomodellen. „Gutes Risikomanagement braucht Mensch und Maschine.“ Dr. Joachim Hein, Leiter Performanceanalyse und Risikocontrolling Auf der Risikomanagement-Konferenz von Union Investment hat Professor Emanuel Derman von der Columbia University vor einem zu großen Vertrauen in die Fähigkeiten von finanzmathematischen Modellen gewarnt. Müssen Risikomanager nun umdenken? Trotz berechtigter Skepsis sollten wir das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Denn ohne mathematische Modelle werden wir auch künftig im Risikomanagement nicht auskommen. Modelle erleichtern die systematische Steuerung von Risiken. Sie ermöglichen eine automatisierte Risikobewertung nach einheitlichen und nachvollziehbaren Maßstäben. Bei Union Investment setzen wir daher weiterhin auf die etablierten, gängigen Verfahren und versuchen, diese weiter zu verbessern. Wo liegen denn die Schwächen der Modelle? Der Nutzen von finanzmathematischen Modellen ist nur so groß, wie ihre Fähigkeit, die Wirklichkeit abzubilden. Das ist gewissermaßen die Achillesferse. Denn völlig zu Recht hat Professor Derman darauf hingewiesen, dass auch die besten Modelle nie in der Lage sein werden, die Komplexität der Realität vollständig abzubilden. Modelle können daher immer nur eine Annäherung an die Wirklichkeit sein. Zu 100 Prozent werden sie diese nie erfassen, wie wir unter anderem im Verlauf der Finanzmarktkrise gesehen haben. Dieser Grenze sollten sich Risikomanager stets bewusst sein. Lässt sich dieses grundsätzliche Manko ausgleichen? Vollständig wird dies vermutlich nie gelingen. Was aber hilft, ist eine Vielfalt beim Modelleinsatz. Werden Risiken aus mehreren Blickwinkeln analysiert bzw. unterschiedlich parametrisierte Modelle genutzt, lassen sich die jeweiligen Schwächen ausgleichen. So wenden wir zum Beispiel für jedes unserer Portfolios sieben verschiedene Valueat-Risk-Methoden an. Wenn auch kein einzelner Wert für sich betrachtet 100 Prozent realitätskonform ist, so können wir die Ergebnisqualität dadurch dennoch erheblich verbessern. Wichtig ist in jedem Fall aber ein kritischer Blick auf die Ergebnisse. Diese müssen sachgerecht und mit einem gehörigen Maß an Erfahrung interpretiert werden. Ein endgültiges Resultat, das die Maschine auf Knopfdruck ausspuckt, gibt es in der Regel also nicht. Dazu braucht es immer auch den Menschen. Was können Modelle leisten, was der Mensch? Risikomodelle leisten wertvolle Hilfe bei der Standardanalyse – bei der Messung, beim Risikoreporting, bei der systematischen Diversifikation und der Verlustbegrenzung. Die weiterführende Analyse der Risikotragfähigkeit insbesondere vor dem Hintergrund von Sondersituationen an den Märkten erfordert hingegen den gesunden Menschenverstand. 26 Risikomanagement-Jahrbuch 2015 Mensch und Maschine müssen also Hand in Hand arbeiten? Diese Kombination macht in der Tat gutes Risikomanagement aus. Die Kapitalmarkterfahrung der Beteiligten ist von zentraler Bedeutung. Denn die subjektive Bewertung der Modellergebnisse ist ein weiterer Teil eines vielschichtigen Risikomanagementprozesses. Das Ineinandergreifen beider Teile erfordert aber eine ausgeprägte Risikokultur beim Asset Manager. Was verstehen Sie darunter? Risikokultur ist beileibe keine Management-Lyrik. Sie erfordert, dass sich das Risikomanagement nicht auf das Messen von Risiken beschränkt, sondern darüber hinaus das systematische Denken und Handeln aller Beteiligten in Bezug auf Risiken umfasst. Bei der Analyse großer Handelsverluste von Banken und Unternehmen finden sich deutliche Muster einer schwach ausgeprägten Risikokultur. Aus gutem Grund hat daher das Institute of International Finance (IIF) mehrfach eine Stärkung der Risikokultur gefordert. Modelle allein reichen nicht aus, um die Fülle möglicherweise eintretender Risiken zu erfassen. Sie prognostizieren schließlich nicht ein Ereignis, sondern dessen Folgewirkungen – das heißt die Welle, nachdem der Stein ins Wasser gefallen ist. Die Folge ist, dass Ereignisse, die nicht wiederkehrend als „Learnings“ für die Modellbildung erlebt worden sind, nicht erfasst werden können. Eine Risikokultur dagegen ist unabhängig vom Ereignis. Sie ermöglicht eine umfassende Risikobetrachtung, in die nach Möglichkeit eine Vielzahl von Experten eingebunden ist, die untereinander in einem offenen Austausch stehen. Es ist nicht zielführend, die Verantwortung für das Risikomanagement einer Maschine oder nur einigen wenigen Quant-Experten zu überlassen. Was bedeutet das für die Anlagepraxis? Das heißt, dass bei Investmententscheidungen die zuvor definierte Risikotragfähigkeit ohne Wenn und Aber konsequent berücksichtigt wird. Warnsignale müssen klar kommuniziert werden, sowohl vertikal als auch horizontal. Werden Risiken eingegangen, was in der Kapitalanlage gegenwärtig unvermeidlich ist, so muss dies stets bewusst und transparent geschehen. Bedenken der Mitarbeiter sollten jederzeit ernst genommen und offen diskutiert werden. Und nicht nur untereinander, sondern auch mit den Investoren. Welche Rolle spielen Werte in diesem Kontext? Eine gelebte Risikokultur stellt sich nicht von selbst ein, sondern muss gefördert werden. Das entsprechende Werteumfeld spielt dabei eine wichtige Rolle. Partnerschaftliches Miteinander statt konkurrierendes Gegeneinander, Offenheit, Dialog- und Kritikfähigkeit machen Risikokultur erst möglich. Schwächen dürfen nicht vertuscht werden. Überbringer schlechter Nachrichten müssen sicher sein, dass diese keine negativen Konsequenzen für sie haben. Nur auf einem solchen Fundament kann der für die Risikokultur so wichtige unvoreingenommene und breit angelegte Austausch aller Beteiligten gelingen. Welchen Stellenwert wird das Risikomanagement künftig haben? Wir befinden uns mitten in einem Strukturbruch. Mit einer rein defensiv ausgerichteten Anlagestrategie lassen sich keine auskömmlichen Renditen mehr erwirtschaften. Investoren kommen folglich nicht darum herum, verstärkt Risiken einzugehen – und das mit Risikobudgets, die durch den Dauerkrisenzustand erheblich geschrumpft sind. Vor diesem Hintergrund wird Risikomanagement zwangsläufig weiter an Bedeutung gewinnen. Nicht nur im Sinne von Verlustvermeidung, sondern vor allem auch mit Blick auf ein risikokontrolliertes Chancenmanagement. Eine gelebte Risikokultur sowohl beim Investor als auch beim Asset Manager ist hierbei unverzichtbar. 27 4 Risikomanagement-Forschung 28 29 Alternative Risikoprämien als Renditetreiber Studie bestätigt den Mehrwert Im weiter anhaltenden Niedrigzinsumfeld suchen Investoren dringend nach neuen und diversifizierenden Renditequellen. Dabei fiel der Blick zuletzt auch auf eine Strategie, die zwar seit Jahren bekannt ist, aber in der Praxis hierzulande bislang nur selten systematisch genutzt wurde: alternative Risikoprämien. Hierbei handelt es sich um regelbasierte Investmentansätze, bei denen gezielt solche Risiken genommen werden, die über das systematische, also alle Wertpapiere betreffende Marktrisiko hinausgehen. Welchen Mehrwert bieten entsprechende Strategien für den Investor, und eröffnen sie tatsächlich die Möglichkeit, die Ertragssituation und die Diversifikation im Portfolio zu verbessern? Im Auftrag von Union Investment untersuchte Prof. Dr. Arnd Wiedemann vom Lehrstuhl für Finanz- und Bankmanagement der Universität Siegen diese Fragen im vergangenen Jahr. Die Ergebnisse seiner Risikomanagement-Studie waren eindeutig: Alternative Risikoprämien erzielen nicht nur langfristig stabile Überrenditen. Dank ihrer günstigen Korrelationseigenschaften eignen sie sich auch für die Optimierung des Risiko-Rendite-Profils im Rahmen der Diversifikation. Positive Performance und Stabilität in Krisenzeiten Im Mittelpunkt der empirischen Untersuchung stand die Analyse von vier ausgewählten Strategien, mit denen alternative Risikoprämien realisiert werden können. Während Size-Strategien versuchen, die Renditedifferenz zwischen Unternehmen mit hoher und geringer Marktkapitalisierung auszunutzen, setzen Value-Strategien auf die Renditedifferenz zwischen Unternehmen mit hohem und niedrigem Kurs-Buchwert-Verhältnis. MomentumAnsätze zielen auf Renditeunterschiede von Werten mit starker und schwacher Wertentwicklung. Low-Risk-Strategien hingegen konzentrieren sich auf die Renditedifferenz zwischen Papieren mit hoher und geringer Volatilität. Bei allen vier Ansätzen können die alternativen Risikoprämien über das gleichzeitige Eingehen von Long- und Short-Positionen realisiert werden. Um die Renditeeigenschaften der Prämienstrategien zu beurteilen, betrachtete Prof. Wiedemann die Wertentwicklung der entsprechenden Long-Short-Portfolios über einen Zeitraum von 2003 bis 2014. Sein Ergebnis: „Alle vier Strategien weisen langfristig eine positive Performance auf und liefern stabile Renditeergebnisse gerade auch in Krisenzeiten“, so die Erkenntnis des Wissenschaftlers. Am besten schnitt im Rückblick die Size-Strategie ab, die mit durchschnittlich 3,61 Prozent die höchste jährliche Überschussrendite erzielte. Es folgten Momentum mit durchschnittlich 2,66 Prozent pro Jahr, Value mit 1,70 Prozent pro Jahr und Low Risk mit immerhin noch durchschnittlich 1,12 Prozent jährlicher Überschussrendite. „Alternative Risikoprämien sind keine kurzfristige Modeerscheinung und akademisch fundiert erforscht.“ Professor Dr. Arnd Wiedemann, Lehrstuhl für Finanz- und Bankmanagement, Universität Siegen 30 Risikomanagement-Jahrbuch 2015 Gute Diversifikationseigenschaften Zu einem weiteren positiven Befund gelangt die Analyse der Korrelationseigenschaften. So besteht zwischen den Renditen der vier alternativen Risikoprämienstrategien durchgehend nur ein sehr geringer Gleichlauf. Zwischen dem Momentum- und dem Value-Ansatz sowie zwischen der Low-Risk- und der Value-Strategie sind die Korrelationen sogar negativ. „Vor diesem Hintergrund“, so Prof. Wiedemann, „bietet sich die Bildung eines aus den einzelnen Risikoprämien bestehenden Portfolios an, um die Diversifikationspotenziale zu nutzen.“ Auf diesem Weg lässt sich, wie die Studie zeigt, bereits durch eine einfache Gleichgewichtung der Prämien die Volatilität der Renditen signifikant verringern. Im Ergebnis kann die Portfoliovolatilität auf ein Niveau abgesenkt werden, das niedriger als die geringste Volatilität der Renditen der einzelnen Prämien ist. Deutliche Verringerung des Risikos Ähnlich risikoreduzierende Effekte ergeben sich auch dann, wenn die beschriebenen alternativen Risikoprämien einem klassischen Multiasset-Portfolio beigemischt werden. Schon eine zehnprozentige Anreicherung reduziert die Volatilität im erweiterten Multiasset-Portfolio um 0,59 Prozentpunkte. Der maximale Drawdown verbessert sich um 2,15 Prozentpunkte. Die Sharpe Ratio steigt erkennbar an. Diese Effekte werden umso stärker, je höher der Beimischungsanteil ansteigt. Klarer Nutzen für Investoren „Alternative Risikoprämien lassen sich durch regelbasierte Strategien vereinnahmen, versprechen langfristige Überrenditen und optimieren durch ihr Diversifikationspotenzial das Risiko-Rendite-Profil der Kapitalanlage“, kommentierte Prof. Wiedemann die Ergebnisse seiner Untersuchung. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass Investoren über die in der Studie analysierten vier Strategien hinaus über verschiedene Asset-Klassen hinweg eine Anzahl weiterer Ansätze etwa in Form von Währungs-Carry-Prämien oder Liquiditätsprämien nutzen können. Hieraus ergeben sich zusätzliche Diversifikationsmöglichkeiten für die Anleger. Seine Handlungsempfehlung: „Investoren sollten gerade im aktuellen Umfeld die Chancen alternativer Risikoprämien nicht außer Acht lassen.“ Unabhängig von ihren Ertragseigenschaften böten sie zudem den Vorteil einer Anlage in liquiden und bekannten Märkten und könnten darüber hinaus auch im Risikomanagement gut abgebildet werden. „Strategien zur Hebung alternativer Risikoprämien“, so der Professor, „sind transparent, leicht umzusetzen und lassen sich gut kontrollieren.“ Diversifikationseffekt eines gleichgewichteten ARP-Portfolios 4,0% 3,5% Exzessrendite Size-Prämie MomentumPrämie 3,0% 2,5% Diversifikationseffekt 2,0% 1,5% ARP-Portfolio (gleichgewichtet) 4% ValuePrämie Low-RiskPrämie 1,0% 0,5% 2% ARP-Portfolio (gleichgewichtet, ohne Korrelationen) 8% 6% 10% 12% Volatilität 31 5 Risikomanagement-Konferenz 2014 32 33 Lange Durststrecke für Rentenanleger Ein Ende mit Schrecken oder ein Schrecken ohne Ende? Was das Niedrigzinsumfeld angeht, so stellten sich Gäste der neunten Risikomanagement-Konferenz von Union Investment mit großer Mehrheit auf die zweite Szenariovariante ein. 250 institutionelle Investoren waren im November 2014 nach Mainz gekommen, um im Kreis von Wissenschaftlern und Praktikern über die Herausforderungen in der Kapitalanlage zu diskutieren. Auf die Frage, wie lange das schwierige Zinsumfeld andauern werde, hatten sie eine klare Antwort: 68 Prozent von ihnen rechneten damit, dass die Herausforderung niedriger Zinsen sie noch mindestens fünf Jahre lang intensiv beschäftigen dürfte. 27 Prozent bejahten dies für einen Zeitraum von drei Jahren. Lediglich fünf Prozent der Gäste erwarteten, dass der Spuk bereits Ende 2015 vorbei sein könnte. Letzteren konnte Jens Wilhelm, im Vorstand von Union Investment zuständig für das Portfoliomanagement, jedoch wenig Hoffnung machen. „Die Zinsen werden insgesamt noch für einige Jahre sehr niedrig bleiben“, warnte der Kapitalmarktstratege in Mainz. „Das Niedrigzinsumfeld ist eher struktureller als zyklischer Natur.“ Prof. Emanuel Derman, Professor für Financial Engineering an der Columbia University in New York Prof. Daron Acemoglu, Professor für angewandte Ökonomik am Massachusetts Institute of Technology (MIT) Auf der Suche nach neuen Renditequellen Doch wie können Investoren auf die Herausforderungen niedriger Zinsen reagieren? Breiter diversifizieren, aktiv steuern und die Wertsicherung im Auge behalten. Diese Handlungsempfehlungen zogen sich wie ein roter Faden durch die Vorträge und Statements der Referenten. So wies etwa Professor Dr. Arnd Wiedemann von der Universität Siegen auf die Möglichkeit der stärkeren Nutzung alternativer Risikoprämien hin. Im Auftrag von Union Investment hatte der Wissenschaftler vier ausgewählte alternative Risikoprämienstrategien genauer unter die Lupe genommen (Detailbericht auf Seite 30) und sie auf ihren konkreten Nutzen hin abgeklopft. Sein Ergebnis: „Alle vier Strategien weisen langfristig eine positive Performance auf und liefern stabile Renditeergebnisse gerade auch in Krisenzeiten.“ Auch Jens Wilhelm hatte in seinem Vortrag einige Vorschläge für die Zuhörer parat. Als Optionen im Niedrigzinsumfeld empfahl er – neben der stärkeren Nutzung alternativer Risikoprämien – die Dynamisierung der Risikoallokation sowie die Internationalisierung der Kapitalanlage. Die europäische Wirtschaft sei zwar nicht rezessionsgefährdet. Allerdings stottere der europäische Aufschwung. Anleger sollten daher Märkte jenseits der Eurozone im Auge behalten. Häufig werde dort die Wirtschaft in den kommenden Jahren schneller wachsen und oftmals seien auch die Zinsen höher. Im Anleihebereich verwies der Kapitalmarktvorstand auf die Chancen bei Nachrang- 34 Risikomanagement-Jahrbuch 2015 anleihen und CoCo-Bonds, High-Yield-Papieren, Asset Backed Securities sowie Schwellenländeranleihen in Hartwährung. Gewerbeimmobilien seien ebenfalls interessant. „Außerdem bleiben Aktien ein unverzichtbarer Baustein der Asset Allocation, unter anderem wegen attraktiver Dividendenrenditen“, sagte Wilhelm. „Vor allem in den USA zeigt sich, dass die dortigen Unternehmen in der Breite in einer sehr robusten Verfassung sind.“ Dass Investoren bei der Diversifikation nicht ausschließlich auf alternative und neue Asset-Klassen setzen müssen, darauf wies Dr. Thorsten Neumann hin. „Aktien gehören als Renditetreiber in ein gut diversifiziertes Portfolio“, sagte der Managing Director Quant und Risk Management bei Union Investment. Der Herausforderung erhöhter Volatilität könne unter anderem mithilfe von Trendfolgestrategien begegnet werden. Mit entsprechenden regelbasierten Ansätzen, die sich der technischen Analyse bedienen und versuchen, Trendbrüche an den Märkten zu identifizieren, werden keine Prognosen benötigt, sondern es wird so lange investiert, bis der Trend dreht. „Die Empirie hat gezeigt, dass Trendfolgestrategien in der Lage sind, die Markterträge zu stabilisieren“, erklärte Neumann in seinem Vortrag. Sie seien ein guter Weg, Verluste durch aktives Eingreifen nach festen Regeln zu begrenzen, weil die Abkopplung vom Abwärtstrend mit ihnen rechtzeitig funktioniere. Dies gelte im Übrigen nicht nur für die Aktienmärkte. „Auch im Rentenbereich schaffen Trendfolgestrategien einen Mehrwert – vor allem mit Blick auf Unternehmens- und Hochzinsanleihen“, so Neumann auf der Risikomanagement-Konferenz. Soziale Ungleichgewichte als Risikofaktor Einigkeit herrschte in Mainz darüber, dass die geopolitischen Krisen die Kapitalanlage auch im Jahr 2015 und darüber hinaus weiterhin stark beeinflussen werden. Neben dem Ukraine-Konflikt und den Auseinandersetzungen im Nahen Osten wurden auch die Spannungen zwischen den Atommächten in Asien als kritische Entwicklungen mit erheblichem Störpotenzial für die Märkte identifiziert. Ein ganz anderes Risiko thematisierten die US-Starökonomen Emanuel Derman und Daron Acemoglu. Derman, der lange Zeit für Goldman Sachs arbeitete, lehrt derzeit an der Columbia University. Der mit verschiedenen Preisen ausgezeichnete Wirtschaftswissenschaftler Acemoglu forscht am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT). Einer breiten Öffentlichkeit wurde er zuletzt durch sein Buch „Warum Nationen scheitern“ bekannt. Beide Referenten wiesen eindringlich auf das Risiko der wachsenden Ungleichheit in den entwickelten Volkswirtschaften hin. Diese Entwicklung, so die Überzeugung der US-Ökonomen, berge die Gefahr der gesellschaftlichen Erosion sowie letztendlich auch der Destabilisierung der Anlagemärkte. Zwar partizipierten mehr Menschen als früher am Wohlstand, doch klaffe die Schere bei der Verteilung der Wohlstandsgewinne zunehmend zugunsten einiger weniger weiter auseinander. Nach Ansicht von Acemoglu ist eine solche Entwicklung in der Geschichte stets der Anfang vom Ende erfolgreicher Nationen gewesen. Man könne dieser Gefahr jedoch entgegenwirken – mit einem funktionierenden Sozialstaat und der systematischen Qualifizierung von Arbeitslosen. 35 6 Ausblick 36 37 Der Gleichklang ist beendet Die Herausforderungen des Niedrigzinsumfeldes bleiben den Investoren auch 2015 und darüber hinaus erhalten. Der weltweite Gleichklang von Konjunktur und Geldpolitik jedoch ist beendet. Die Zins- und Wachstumsunterschiede zwischen Europa einerseits sowie den USA und anderen globalen Anlageregionen andererseits führen Anleger in eine Welt der zwei Geschwindigkeiten. Damit steigt die Bedeutung der internationalen Diversifikation. Die USA stützen das globale Wachstum Der europäische Patient ist zwar auf dem Weg der Besserung, steht aber nach wie vor auf wackeligen Beinen. Eine schnelle Gesundung und größere Kraftakte sind für 2015 nicht zu erwarten. Die Sorge vor gravierenden Rückschlägen oder gar Rezessionsängste sind allerdings übertrieben. Insgesamt dürfte das Wachstum in der Eurozone bei etwa 1,3 Prozent liegen. Es kommt darauf an, dass sowohl die Politik bei den Sparmaßnahmen als auch die Europäische Zentralbank (EZB) in der Geldpolitik die richtige Dosis findet. Ein stärkeres Wachstum ist jenseits des Atlantiks zu erwarten. Die verbesserte Lage am Arbeitsmarkt und der steigende Binnenkonsum stützen die US-Wirtschaft. Insgesamt dürfte sie im Laufe dieses Jahres um 3,0 Prozent zulegen. In den Schwellenländern wird die Entwicklung vor allem von der konjunkturellen Dynamik Chinas abhängen. Der leichte Abwärtstrend bei den Wachstumsraten wird sich dort zwar fortsetzen. Mit 7,0 Prozent Zuwachs läuft der chinesische Konjunkturmotor aber immer noch auf vergleichsweise hohen Touren und produziert somit weiterhin einen wichtigen globalen Nachfragestimulus. Rückenwind für die globale Wirtschaft kommt vom Ölpreis. Er entlastet sowohl Unternehmen als auch Verbraucher, vor allem in stark vom Ölimport abhängigen Regionen wie Asien oder Europa. Um einen dauerhaften Effekt auf die Weltkonjunktur zu haben, müsste der Ölpreis allerdings langfristig niedrig bleiben. Viel wird davon abhängen, wann bei den in der OPEC tonangebenden arabischen Golfstaaten sowie den nicht im Kartell organisierten großen Ölproduzenten wie Russland und den USA die Schmerzgrenze erreicht ist und die Ölförderung reduziert wird. Höhere Zinsen im angloamerikanischen Raum Die Teuerungsraten werden nicht zuletzt wegen der gesunkenen Energiepreise niedrig bleiben und könnten sogar noch etwas nachgeben. Dennoch ist in den kommenden Monaten mit einem moderaten Wirtschaftswachstum zu rechnen, das inflationsfrei, aber eben nicht deflationär verlaufen wird. Die Notenbanken werden alles in ihrer Macht Stehende tun, um einen nachhaltigen Preisrückgang zu vermeiden. In der Eurozone bleibt das Zinsniveau daher historisch niedrig. Es ist davon auszugehen, dass die EZB ihre expansiven geldpolitischen Maßnahmen sogar noch ausdehnen wird – zunächst voraussichtlich ab Anfang 2015 mit dem Ankauf von Unternehmensanleihen. Auch in Japan bleibt der Geldhahn weit geöffnet. Andere Währungsräume hingegen werden sich von der Politik des lockeren Geldes verabschieden. In den USA und in Großbritannien dürften die Zinsen steigen, wenn zunächst auch nur sehr moderat. In den Vereinigten Staaten ist mit diesem Schritt vermutlich in der zweiten Jahreshälfte 2015 zu rechnen. In diesem Umfeld werden die Renditen von Staatsanleihen der Eurozone grundsätzlich sehr niedrig bleiben. Die zehnjährige Bundesanleihe könnte zwar leicht über die Einprozentmarke steigen. Entscheidend dafür ist die weitere Geldpolitik der EZB. Weitet diese ihre Anleihe-Ankaufprogramme auf Staatsanleihen aus, ist mit nachhaltigen Anstiegen in signifikanter Größenordnung kaum zu rechnen. 38 Risikomanagement-Jahrbuch 2015 Renditechancen nach wie vor vorhanden Renditepotenzial besteht bei ausgewählten Peripherieanleihen, ansonsten sind aber lediglich noch hochverzinsliche Papiere (High Yield) und Titel aus den Schwellenländern wirklich attraktiv. Eine weitere Möglichkeit bieten forderungsbesicherte Wertpapiere und Nachrangtitel wie beispielsweise Contingent Convertible Bonds, kurz CoCo-Bonds. Angesichts höherer Zinsen außerhalb des Euroraums gilt aber gerade im Anleihebereich, dass es für Anleger keine Alternative zu einer internationaleren Ausrichtung ihrer Portfolios gibt. Weiter attraktiv bleiben Anlagen in Immobilien. Das zeigt sich in der ungebrochen hohen Nachfrage quer durch alle Investorengruppen, die im Vergleich zum letzten Jahr noch einmal um ein Drittel zugelegt hat. Die Renditeaufschläge bei Immobilien sind nach wie vor interessant, zumal die Spitzenmieten in vielen Regionen der Welt weiter steigen. In der Gesamtschau halten wir Rohstoffe als Baustein für ein diversifiziertes Portfolio nach wie vor für unverzichtbar und erwarten in den kommenden zwölf Monaten auch wieder steigende Preise. Der Ölpreis ist zwar seit Mitte Juni deutlich gefallen. Ein anhaltend niedriges Preisniveau sollte ab Mitte 2015 aber wieder zu einer zunehmenden Ölnachfrage führen. In Kombination mit reduzierten Fördermengen (aufgrund zu hoher Produktionskosten) dürfte das die Ölnotierungen wieder stützen. Positiv sehen wir auch einige Industriemetalle. Diese haben sich verbilligt und dabei mittlerweile ein Preisniveau erreicht, das sich in der Nähe der Produktionskosten befindet. Bis auf Aluminium weisen zudem alle Industriemetalle ein deutliches Angebotsdefizit auf. In der Vergangenheit war dies immer ein Indikator für steigende Preise. Edelmetalle könnten hingegen von der anhaltenden Stärke des US-Dollars und sinkenden Inflationserwartungen Gegenwind bekommen. Positiv dürften sich weiterhin auch Aktien entwickeln. Damit die Kurse weiter klettern, müssen allerdings auch die Unternehmensgewinne steigen. Die Chancen dafür stehen derzeit gut. Das gilt vor allem für die USA, aber auch für Europa. Für die Konzerne aus dem Euroraum ist die Berichterstattung zum dritten Quartal die beste seit Langem gewesen. Und es gibt weitere Gründe, die für Aktien aus Europa sprechen. So zum Beispiel die Aufwertung des US-Dollars. Davon sollten vor allem exportorientierte Unternehmen profitieren. Darüber hinaus helfen die niedrigen Energiepreise, die Kosten der Konzerne zu senken. „Die Bedeutung der internationalen Diversifizierung steigt“ Björn Jesch, Leiter des Segments Portfoliomanagement 39 Kontakt Union Investment Institutional GmbH Weißfrauenstraße 7 60311 Frankfurt am Main Telefon: 069 2567-7652 Telefax: 069 2567-1616 www.die-risikomanager.de Stand: März 2015 005131 03.15 Die Inhalte dieses Marketingmaterials stellen keine Handlungsempfehlung dar, sie ersetzen weder die individuelle Anlageberatung durch die Bank noch die individuelle, qualifizierte Steuerberatung. Dieses Dokument ist ausschließlich für professionelle Kunden vorgesehen. Dieses Dokument wurde von der Union Investment Institutional GmbH mit Sorgfalt entworfen und hergestellt, dennoch übernimmt Union Investment keine Gewähr für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit. Quelle aller Grafiken, sofern nicht anders angegeben, ist Union Investment.
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