Risikomanagement-Jahrbuch 2015 - Startseite Institutionelle Kunden

Risikomanagement-Jahrbuch 2015
Aufbruch zu neuen Renditequellen
Inhalt
Vorwort
5
1
Rückblick 2014
6
2
Strategien für das
risikokontrollierte
Chancenmanagement
10
2.1 Komplexitätsprämien mit CoCos
12
2.2 Verbriefungen: Diversifikation
mit alternativen Kreditarten
14
2.3 Internationalisierung der
Rentenanlage
2
16
Risikomanagement-Jahrbuch 2015
2.4 Dynamische Wertsicherung mit
robusten Portfolios
2.5 Neue Ansätze im Management
des Risikos von Immobilienportfolios
4
18
5
Methoden und Modelle im
Risikomanagement
28
RisikomanagementKonferenz 2014
32
Ausblick 2015
36
20
6
3
RisikomanagementForschung
22
3.1 Mit Trendfolgemodellen
Markterträge stabilisieren
24
3.2 Risikokultur ist keine
Management-Lyrik
26
3
Wir arbeiten für Ihr Investment
4
Risikomanagement-Jahrbuch 2015
Vorwort
Das sich verschärfende Niedrigzinsumfeld, die schwächelnde Weltwirtschaft und die zunehmenden Störeffekte
geopolitischer Krisen setzen der Kapitalanlage deutscher institutioneller Investoren weiterhin zu. Mit Blick auf
das Jahr 2015 erwarten 43,5 Prozent von ihnen, dass sie ihre selbst gesteckten Ziele nicht erreichen können.
Dies ist das Ergebnis einer Investorenumfrage von Union Investment aus dem vergangenen Herbst. Die mittelfristige Perspektive sieht nicht besser aus. Für das Jahr 2018 rechnen 43,6 Prozent der Großanleger mit einer
Zielverfehlung.
Als Reaktion auf die Herausforderungen des schwieriger gewordenen Investmentumfeldes hat sich die Einstellung der Investoren bereits verändert. Innerhalb des klassischen Orientierungsrahmens von Sicherheit, Liquidität
und Rendite erhält letztgenannter Aspekt eine zunehmend größere Bedeutung. In der Befragung erachteten
19 Prozent die Rendite als das generell wichtigste Kriterium ihrer Kapitalanlage. Dies ist der höchste Wert seit
der Finanzkrise. Nach wie vor stellt allerdings die Sicherheit der Kapitalanlage die erste Priorität dar. 64 Prozent
der befragten Investoren äußerten sich in diesem Sinne.
Dieses Stimmungsbild macht das Dilemma deutscher Großanleger deutlich. Sicherheit geht vor. Ausreichende
Erträge sind jedoch nur noch durch eine stärkere Inkaufnahme von Risiko zu erzielen. Risikomanagement ist
vor diesem Hintergrund stärker gefragt denn je – sowohl im defensiven Sinne als Verlustbegrenzung als auch
offensiv im Hinblick auf die Erarbeitung von Renditechancen an den Märkten.
Den Kopf in den Sand zu stecken, ist keine Lösung. Attentismus ist das größte Risiko. Diese Erkenntnis hat sich
in der Investorenschaft durchgesetzt. Viele Anleger gehen bereits neue Wege: Sie stellen ihre Kapitalanlage breiter auf und erschließen neue Renditequellen. Diese Strategie der Diversifikation ist richtig, wenngleich auch nicht
immer einfach. Geringe Risikobudgets sowie interne und externe Restriktionen können sich als Stolpersteine erweisen. Dennoch gibt es zur stärkeren Diversifikation der Renditequellen derzeit keine Alternative. Aus Sicht von
Union Investment kommt es hier vor allem auf Folgendes an: erstens: breit diversifizieren. Zweitens: richtig diversifizieren. Drittens: aktiv steuern. Und viertens: dabei Wertsicherungsstrategien zum Einsatz bringen, die in der
Lage sind, mögliche Verluste frühzeitig zu begrenzen.
Wie dies unter anderem geschehen kann, erfahren Sie in unserem Risikomanagement-Jahrbuch 2015.
Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen
Ihr
Alexander Schindler
Mitglied des Vorstands
Union Asset Management Holding AG
5
1 Rückblick 2014
6
7
Renditen im Rückwärtsgang
Niedrige Zinsen, so weit das Auge reicht, und keine Trendumkehr in Sicht. Mit dieser Lage hatten es Investoren
auch 2014 zu tun. Wer zu Jahresanfang glaubte, dass etwa bei deutschen Bundesanleihen das Ende der Renditerückgänge erreicht sei, der irrte. Auch die Einprozentmarke stellte bei zehnjährigen Papieren keine nachhaltige
Hürde dar, zuletzt wurden mit Werten unter 0,5 Prozent nicht für möglich gehaltene Renditetiefstände erreicht.
Schön für die aktuelle Performance – aber schlecht mit Sicht auf längerfristige Ertragsziele vieler Investoren. Auf
der Suche nach Erträgen blieb Rentenanlegern daher kaum eine andere Möglichkeit, als die Risikoleiter weiter
nach oben zu steigen. Spread-Produkte wie Unternehmensanleihen, High-Yield- oder Nachranganleihen waren
gefragt, konnten in der Rückschau aber vielfach nicht mit der Entwicklung der Staatsanleihen mithalten. Für starkes Interesse sorgten dabei unter anderem Contingent Convertible Bonds (CoCos). Die Aussicht auf interessante
Renditeaufschläge und hohe Kuponzahlungen bescherte diesen nachrangigen Bankschuldverschreibungen ein
reges Interesse. Das Ausweiten des Rentenuniversums konnte den Ertragsdruck insgesamt jedoch nur mäßig
lindern, zumal die Renditen auch in den nicht traditionellen Fixed-Income-Segmenten nicht in den Himmel
wuchsen. Alternative Investments wie zum Beispiel in den Bereichen Infrastruktur, Immobilien oder Private
Equity standen daher 2014 weiterhin im Fokus der Investoren.
Geldpolitik als Stimulus
Die internationalen Notenbanken – allen voran die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrem Präsidenten Mario
Draghi – erwiesen sich im vergangenen Jahr einmal mehr als Treiber, auch (aber nicht nur) für risikobehaftete
Anlagen. Im Aktienbereich erreichten wichtige Leitindizes wie der S&P 500 oder der DAX infolge der weiterhin
lockeren Geldpolitik neue Höchststände. An vielen Investoren ging diese Entwicklung aufgrund nur geringer
Aktienquoten weitgehend vorbei. Angesichts der ebenfalls deutlich gestiegenen Volatilität an den Märkten dürfte
dieser Sachverhalt manchen Anleger nicht allzu sehr geschmerzt haben. Hinzu kam die Sorge über hohe Bewertungsniveaus und darüber, dass die Politik des billigen Geldes zur Bildung von Preisblasen beitragen könnte. Vor
diesem Hintergrund blieb das Aktienengagement der institutionellen Anleger auch 2014 eher überschaubar.
Renditerückgang: Rendite 10-jähriger Staatsanleihen
7,0% Deutschland
Frankreich
Italien
Spanien
Portugal
Irland
6,0% 5,0% 4,0% 3,0% 2,0% 1,0% 0,0% 31. Dez. 2013
8
31. März 2014
30. Juni 2014
30. Sept. 2014
31. Dez. 2014
USA
Risikomanagement-Jahrbuch 2015
Indexierter Kursverlauf ausgewählter Aktienindizes
125
125
EURO STOXX
STOXX 50
DAX
Nikkei 225
MSCI Emerging Markets
S&P 500
50 50 DAX
Markets
EURO
EURO STOXX
DAX Nikkei 225
Nikkei 225 MSCI Emerging
MSCI Emerging
Markets S&P 500 S&P 500
120
120
115
115
110
110
105
105
100
100
95
95
90
90
85
85
80
80
31.12.2013
31.03.2014
30.06.2014
30.09.2014
31.12.2014
Zweifel an nachhaltiger Konjunktur
Aus fundamentaler Sicht prägte im vergangenen Jahr die Unsicherheit hinsichtlich der globalen Wachstumsaussichten das Verhalten der Marktteilnehmer. In der Eurozone machte zumindest teilweise das Gespenst der
Rezession die Runde. Frankreich, immerhin die weltweit fünftgrößte Wirtschaftsnation, legte den konjunkturellen
Rückwärtsgang ein. In den USA verlangsamte sich das Wachstum im ersten Quartal und mit Blick auf China befürchteten die Anleger eine mögliche harte Landung. Auch der stark gefallene Ölpreis nährte Zweifel an der Verfassung der Weltwirtschaft. Gleichwohl: Je weiter das Jahr fortgeschritten war, umso mehr verfestigte sich das
Bild eines moderaten konjunkturellen Aufwärtstrends – besonders getrieben von einer soliden US-Konjunktur.
Für zusätzliche Turbulenzen sorgte die geopolitische Lage. Der Konflikt zwischen Moskau und Kiew um die Krim
und die östlichen Landesteile der Ukraine ließ ein Wiederaufleben des überwunden geglaubten Kalten Krieges
wieder möglich erscheinen. Die Sanktionen der EU und der USA gegenüber Russland belasteten sowohl die politischen Beziehungen und die russische Wirtschaft als auch die Exportaktivitäten westlicher Unternehmen. Daneben führte die Offensive der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zu einer weiteren Destabilisierung des
gesamten Nahen und Mittleren Ostens. In Afrika kostete das Ebolavirus Tausende Menschen das Leben und
lähmte die Wirtschaftstätigkeit in den betroffenen Staaten.
Fazit
Niedrige Zinsen, politische Börsen, unsichere Wachstumsaussichten und schwerwiegende geopolitische Krisen
machten die Kapitalanlage im Jahr 2014 einmal mehr zu einer Herausforderung auch für institutionelle Investoren. Dennoch: Unter dem Strich war es erneut ein gutes Jahr für die Kapitalmärkte.
9
2 Strategien für das risikokontrollierte
Chancenmanagement
10
Risikomanagement-Jahrbuch 2015
11
2.1 Komplexitätsprämien mit CoCos
Im anhaltenden Niedrigzinsumfeld bieten Nachranganleihen die Chance auf höhere Renditen im Fixed-IncomeUniversum. Sie beinhalten einen nachgelagerten Anspruch auf die Vermögenswerte des Schuldners im Fall einer
Insolvenz. Insofern weisen sie gegenüber erstrangig besicherten Anleihen einen Nachteil auf. Allerdings wird der
Anleger für die eingegangenen Risiken hier noch adäquat entlohnt.
Bankenregulierung
als Treiber
Investoren, die darüber hinausgehende Renditen vereinnahmen möchten, steht mit den sogenannten Contingent
Convertible Bonds (CoCos) eine komplexere, aber durchaus interessante Alternative zur Verfügung. CoCos gehören zu einer relativ jungen Generation von Nachranganleihen. Den Anstoß zu ihrer Etablierung gaben die Erfahrungen vieler Staaten mit den Bankenrettungen im Nachgang der Lehman-Krise. Die Idee: Mit CoCos sollte ein
Instrument geschaffen werden, das die Gläubiger nachrangiger Anleihen stärker in die Bemühungen zur Stabilisierung einer in Schieflage geratenen Bank einbindet. Bankeigentümer und Bankgläubiger sollen anstelle des
Steuerzahlers für Verluste einer Bank in die Verantwortung genommen werden. CoCos erreichen diese veränderte
Gläubigerhaftung, indem sie unter vorher festgelegten Bedingungen automatisch in das harte Eigenkapital der
emittierenden Bank übergehen und somit helfen, Verluste auszugleichen. Tritt der Ereignisfall (Trigger Event) ein,
wandeln sich die Hybridanleihen in Aktien oder werden vom Nominalwert abgeschrieben. Das Wandlungsrecht
liegt also nicht beim Inhaber, sondern ist vielmehr an das Unterschreiten von zuvor festgelegten Eigenkapitalquoten geknüpft.
So funktionieren CoCos
Gerät ein Institut in Schieflage, erfolgt nach Eintritt des vorher definierten Triggers eine Wandlung der Anleihe
in Aktien oder aber eine Verlustbeteiligung in Form einer Abschreibung. Hier wird unterschieden zwischen einer
dauerhaften Abschreibung (Permanent Writedown), die einem Totalausfall gleichkommen könnte, und einem vorläufigen Herunterschreiben (Temporary Writedown). Dies entspräche einem lediglich vorübergehenden Verlust mit
der Möglichkeit der späteren Wertaufholung. Das Eintreten des Ereignisfalls ist das entscheidende Kriterium für
die Pflichtwandlung. Daher sollte dieser Auslöser möglichst einfach, transparent und nachvollziehbar sein. Wichtig ist auch die Höhe des Triggers. Sie entscheidet darüber, wie schnell eine Wandlung erfolgt.
Wie bei klassischen Nachranganleihen wird auch bei CoCos zwischen Tier 2 und Additional Tier 1 unterschieden.
Tier-2-Emissionen gelten als Ergänzungskapital. Die Papiere sind endfällig und in der Regel mit einem festen
Kupon ausgestattet. Dieser wird unabhängig von der Gewinnsituation der ausgebenden Bank gezahlt. Additional-Tier-1-Schuldverschreibungen, die als zusätzliches Kernkapital angerechnet werden, besitzen hingegen keine
feste Laufzeit. Sie sind frühestens nach fünf Jahren kündbar. Zur Zinszahlung kommt es nur, wenn das Kreditinstitut einen ausreichenden ausschüttbaren Gewinn erzielt.
Kräftiger Renditezuschlag
CoCos auf
Wachstumskurs
12
Der Markt für Contingent Convertible Bonds ist gegenwärtig noch klein, dürfte aber künftig sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite weiter wachsen. Der Grund: Während CoCos Banken die Möglichkeit eröffnen, ihre Gesamtkapitalquote auf innovative Art und Weise zu stärken, bieten sie Investoren ein willkommenes
Renditeplus. Maßgeblichen Einfluss auf die Rendite haben die Höhe des Eigenkapitals und der vorher festgelegte
Trigger. Schmilzt die Kapitaldecke, rückt der Trigger näher, was steigende Renditen zur Folge hat. Zentraler Renditetreiber ist aber das CoCo-spezifische Risiko. Zerlegt man die Rendite, entfällt nur ein geringer Teil auf den risikolosen Zins und auch das Kreditrisiko steuert lediglich einen überschaubaren Anteil bei. Das Gros ist auf die
CoCo-spezifische Risikoprämie zurückzuführen. Damit ist in dem noch jungen Markt das Liquiditätsrisiko ebenso
abgegolten wie das Kuponrisiko aus dem hybriden Charakter der Anleihen. Darüber hinaus werden auch das
Wandlungsrisiko und das Kündigungsrecht bezahlt.
Risikomanagement-Jahrbuch 2015
„CoCos bieten eine deutlich höhere
Rendite als klassische Nachranganleihen“
Marc Hellingrath, Gruppenleiter, Unternehmens-Bonds (rechts)
Stefan Sauerschell, Senior Portfoliomanager Financials (links)
Spezielles Risikomanagement gefragt
Contingent Convertible Bonds sind eine komplexe Anlageklasse mit spezifischen Risiken und Chancen. Der
gezielten Einzeltitelauswahl kommt damit eine noch höhere Bedeutung zu als bei klassischen Anleihen. Union
Investment hat bereits seit 2011 umfangreiche Erfahrungen im Umgang mit CoCos sammeln können und eine
entsprechende Expertise aufgebaut. Dies betrifft sowohl die im Vorfeld nötige Analyse als auch den Handel und
das nachgelagerte Risikocontrolling. Eine besondere Herausforderung stellt die Bestimmung der in CoCos enthaltenen Risiken dar. Dazu hat Union Investment ein eigenes Bewertungsmodell entwickelt und eine umfassende
Datenbank erstellt, die hilft, Neuemissionen zu bepreisen und bestehende Anleihen unter Risiko-RenditeGesichtspunkten miteinander zu vergleichen.
Dieses Know-how fließt unter anderem in den UniInstitutional CoCo Bonds ein, der im vergangenen Jahr aufgelegt wurde. Der institutionelle Publikumsfonds legt schwerpunktmäßig in CoCos internationaler Emittenten an,
Fremdwährungsrisiken sind weitestgehend abgesichert. Mit diesem Fonds können institutionelle Investoren diversifiziert in der neuen Anlageklasse investieren. Beigemischt werden darüber hinaus klassische Nachranganleihen
von Finanzinstituten und Industrieunternehmen. Ferner besteht die Möglichkeit, sonstige fest- oder variabel verzinsliche Wertpapiere wie Unternehmensanleihen oder Covered Bonds in das Portfolio zu integrieren.
Trigger und Verlustabsorption der CoCos: die verschiedenen Ausgestaltungen
Ausgestaltungsmerkmale
eines CoCo Bonds
Trigger
Anleihebedingungen
Verlustabsorption
Wandlung
in Aktien
Regulatorisch
Preisspanne
Preisuntergrenze
Abschreibung
Permanent
Temporär
13
2.2 Verbriefungen: Diversifikation mit alternativen
Kreditarten
Besser als ihr Ruf
Im Fixed-Income-Bereich werfen klassische Anlageformen nur noch dann halbwegs ausreichende Erträge ab,
wenn Investoren bereit sind, stärker ins Risiko zu gehen – etwa durch den Erwerb von Anleihen mit längerer
Laufzeit oder von Papieren mit geringerer Bonität. Höhere Renditen lassen sich darüber hinaus jedoch auch mit
alternativen Strategien erzielen. Kreditverbriefungen sind ein Beispiel dafür. Im Zuge der Subprime-Krise sind
diese strukturierten Finanzprodukte in den vergangenen Jahren oftmals pauschal als problematisch und hochrisikobehaftet wahrgenommen worden. Bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass diese Sichtweise zu kurz greift.
Aufgrund ihrer soliden Chance-Risiko-Struktur eignen sich die meisten Verbriefungen gerade im Niedrigzinsumfeld als risikokontrollierte und unkorrelierte Variante für den notwendigen Mehrertrag.
Breites Spektrum von Kreditverbriefungen
Als Verbriefung gilt die Umwandlung von nicht handelbaren Forderungen in handelbare Wertpapiere. Verbriefungstechniken lassen sich grundsätzlich für eine Vielzahl unterschiedlicher Forderungen anwenden. Sie können
sich auf Konsumentenkredite ebenso beziehen wie auf Immobilien- oder Unternehmenskredite (siehe Grafik).
Verbriefungen dienen Banken und Industrieunternehmen als Mittel zur Kapitalbeschaffung oder Refinanzierung.
Rating-Agenturen
schaffen Transparenz
Die Abwicklung erfolgt in der Regel über eine sogenannte Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle, SPV),
die die Verbriefungen am Markt platziert. Dazu kauft sie die Forderungen vom Forderungsverkäufer (Originator).
Infolgedessen werden die Forderungen rechtlich vom verkaufenden Unternehmen getrennt. Die Verwaltung der
Forderungen bleibt in der Regel beim Originator. Die künftigen Zahlungsströme seitens der Kreditnehmer fließen
dem SPV zu. Ansprüche der Investoren sind ausschließlich gegen das SPV und das verbriefte Kreditportfolio zu
richten. Dadurch ist die Forderungserfüllung unabhängig von der Solvenz des Originators. Verbrieft werden stets
ganze Portfolios und nie einzelne Darlehen. Dabei kommen auch Rating-Agenturen zum Einsatz, die unter anderem die Qualität der zugrunde liegenden Forderungen analysieren und die Transaktionsstruktur überprüfen.
Globale Verbriefungen weisen eine hohe Stabilität auf, nur Subrime-Papiere*
stellen die Ausnahme dar
Kommulative Verlustraten europäischer ABS
(Emissionen 2000 bis 2012)
Kommulative Verlustraten globaler CDOs
1993 bis 2012
76,2%
0,1%
0,1%
0,9%
0,0%
1,0%
1,0%
Consumer
ABS
Commercial
ABS
CMBS
RMBS
SME* ABS
CLO
* hier am Beispiel von CDO of ABS (i.d.R. Wiederverbriefungen von Subprime Verbriefungen)
Quelle: Fitsch, Stand: 22. Oktober 2013
14
CDO of ABS
Risikomanagement-Jahrbuch 2015
„Kreditverbriefungen sind deutlich
besser als ihr Ruf.“
Alexander Ohl, Leiter Credit Solutions
Stabile Investments mit geringen Ausfallraten
Insgesamt weisen Verbriefungen ein vergleichsweise niedriges Ausfallrisiko auf. Nach dem Platzen der Immobilienblase waren die Probleme lediglich auf den Teilbereich der US-amerikanischen Subprime-Kredite begrenzt.
Das Gros der Verbriefungen bewältigte die Finanzkrise hingegen sogar besser als klassische Spread-Produkte wie
etwa Unternehmensanleihen. Dafür ist auch die (je nach Art der Verbriefung) geringe bis mittlere Korrelation zu
anderen risikobehafteten Anlageklassen verantwortlich gewesen. In den Jahren 2000 bis 2012 wurde weniger
als ein Prozent aller europäischen Verbriefungen nicht bedient. Zum Vergleich: Investment-Grade-Unternehmensanleihen weisen eine um ein Vielfaches höhere Ausfallrate auf.
Asset Backed Securities (ABS), bei denen europäische Automobilkredite und Leasingforderungen zugrunde liegen,
haben sogar eine makellose Bilanz. Selbst in den Krisenjahren 2007 bis 2011 verzeichneten sie keine Zahlungsstörungen. Für die günstige Bilanz der Verbriefungen sind auch die strukturellen Vorteile verantwortlich. So sind
Verbriefungen üblicherweise schon von Beginn an übersichert, besitzen also per se einen Puffer, der sie vor Zahlungsausfällen schützt. Zusätzlich dazu wurden in Europa regulatorische Änderungen vorgenommen, um das Vertrauen in diese Anlageklasse zu stärken. Seit einigen Jahren ist der Originator oder der Sponsor einer Transaktion
dazu verpflichtet, einen Selbstbehalt vorzunehmen. Er kann die Risiken also nicht vollumfänglich weitergeben
und ist schon aus eigenem Interesse um eine ordnungsgemäße Abwicklung bemüht.
Eine klare Sache
Auch in Sachen Transparenz brauchen sich Verbriefungen keineswegs zu verstecken. Der systematische Zugang
zu performancerelevanten Daten erfordert zwar gleich zu Beginn den Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur.
Ist diese aber erst geschaffen, kann beispielsweise über das „European Data Warehouse“ der Europäischen Zentralbank (EZB) sogar auf Einzelkreditinformationen verschiedenster europäischer Verbriefungen direkt zugegriffen
werden. Investoren sind somit in der Lage, eine individuelle Risikobewertung durchzuführen. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass einer Umfrage der US-Bank Morgan Stanley zufolge 96 Prozent der befragten
Investoren in diesem Jahr ihre Bestände an strukturierten Produkten aufstocken oder zumindest beibehalten
wollen.
Attraktive Renditechancen
Last, but not least sind mit Verbriefungen auch attraktive Renditechancen verbunden. Die Verzinsung erfolgt variabel, in der Regel mit einem Aufschlag auf den 3-Monats-EURIBOR. Dadurch ist die Zinssensitivität sehr gering.
Investoren müssen daher steigende Zinsen keinesfalls fürchten. Je nach Art der Verbriefung schwankt der Spread
bei einem guten Investment Grade Rating per Jahresende zwischen 70 und 250 Basispunkten bei Laufzeiten von
einem bis fünf Jahren. Im aktuellen Umfeld ergeben sich daraus also 2,4 Prozent Rendite. Mit vergleichbaren
Unternehmensanleihen ist nur etwa halb so viel zu erzielen. Wichtig ist: Die höhere Rendite resultiert nicht aus
den Kreditrisiken. Der Mehrertrag ergibt sich vielmehr als eine Art Komplexitätsaufschlag. Es lohnt sich also ein
genauer Blick auf das Segment.
15
2.3 Internationalisierung der Rentenanlage
„Der Blick über den Tellerrand lohnt sich“
Dr. Frank Engels, Managing Director,
Portfoliomanagement Renten
Langsam, aber sicher wird es ungemütlich an den europäischen Rentenmärkten. Renditen von weniger als einem
halben Prozent bei zehnjährigen Bundesanleihen machen deutlich, was die Stunde geschlagen hat, auch wenn
mancher Investor auf dem Weg ins Zinstal von steigenden Kursen bislang profitieren konnte. Mit der Annäherung
an die Nulllinie kommt diese Entwicklung nun an ihr natürliches Ende. Umso wichtiger wird die Suche nach Alternativen, gerade auf der Rentenseite.
Die Eurozone
kämpft um den
Anschluss
Die Gründe hierfür liegen auf der Hand. Nach wie vor ist die Eurozone mit strukturellen Herausforderungen
konfrontiert, die sich in Wachstumsschwäche und Disinflation beziehungsweise Deflation niederschlagen. Mit
einer verstärkt expansiven Geldpolitik versucht die Europäische Zentralbank (EZB) entgegenzusteuern und
zementiert so bis auf Weiteres das Niedrigzinsumfeld in den Staaten der Eurozone. Keine schönen Aussichten
für Rentenanleger.
In anderen Regionen der Welt, wie etwa in den USA, vollzieht sich eine gegenläufige Entwicklung mit robustem
Wachstum, weniger lockerer Geldpolitik und höheren Zinsen. Vor diesem Hintergrund lohnt ein Blick über den
„Euro-Tellerrand“ hinaus. Dies gilt insbesondere für deutsche Großanleger, deren Portfolios ein ausgeprägtes
Home-Bias aufweisen. Nach Untersuchungen von Greenwich Associates machten europäische Renteninvestments
zuletzt 65 Prozent der Vermögensallokation deutscher Investoren aus. Gerade sie könnten also eine stärkere internationale Diversifizierung ihrer Rentenanlagen nutzen, um von den weltweiten Zins- und Wachstumsunterschieden zu profitieren.
Transatlantik-Spread nutzen
„Amerika du hast es besser“
Zitat von:
Johann Wolfgang
von Goethe
Besonders augenfällig sind die Vorteile einer Internationalisierungsstrategie mit Blick über den „Großen Teich“.
So lagen die Renditen zehnjähriger amerikanischer Staatsanleihen seit 2013 kontinuierlich deutlich über denen
entsprechender Bundesanleihen (siehe Grafik). Dieser Transatlantik-Spread dürfte weiterhin anhalten und sich
sogar noch ausweiten. Ende Januar lag die Differenz beispielsweise bei etwa 130 Basispunkten, um dann bis
Mitte Februar auf knapp 160 Basispunkte zu steigen. Bei Union Investment erwarten wir zum Jahresende 2015
ein Renditeniveau von 2,75 Prozent bei zehnjährigen US-Treasuries, während diesseits des Atlantiks laufzeitengleiche Bundesanleihen lediglich mit 0,5 Prozent rentieren sollten, da hier das Anleihe-Ankaufprogramm der EZB
wirkt. Bei gleicher Bonität sind demnach mehr als 200 Basispunkte Zusatzrendite möglich – und ein auf die Zinsdifferenz abzielender Positionsaufbau gewinnt damit im Jahresverlauf zunehmend an Attraktivität. Selbst nach
Abzug eventueller Währungshedgekosten bleibt bei rollierenden kurz laufenden FX-Hedges unter dem Strich ein
Mehrertrag übrig.
Chancen bietet auch das Segment der Investment-Grade-US-Unternehmensanleihen. Über unterschiedliche Laufzeiten hinweg weisen diese bei marginal schlechterem Durchschnittsrating gegenüber dem entsprechenden Anleiheuniversum der Eurozone deutliche Renditevorteile auf. Während im kurz laufenden Bereich fast 100 Basispunkte zusätzlich vereinnahmt werden können, macht das Renditeplus bei lang laufenden US-Unternehmensanleihen deutlich über 200 Basispunkte aus. Die Kosten der Wechselkursabsicherung hebeln diesen Vorteil nicht
immer aus. Dies zeigt ein Blick auf das Verhältnis von Renditevorteil und Absicherungskosten bei US-Unternehmensanleihen in den Jahren von 1998 bis 2013 (siehe Grafik). Lediglich zweimal lagen die Kosten für rollierende
16
Risikomanagement-Jahrbuch 2015
3-Monats-Währungshedges in diesem Zeitraum über dem Renditevorteil. Oder anders ausgedrückt: Ganz überwiegend konnten Investoren trotz Absicherung von einer Internationalisierung der Rentenanlage profitieren –
so wie im derzeitigen Umfeld, wo die Differenz zwischen Mehrertrag und Hedgekosten beträchtlich ist.
Über unterschiedliche Rentensegmente internationalisieren
Zur internationalen Diversifizierung können grundsätzlich verschiedene Rentenklassen wie zum Beispiel gedeckte
Schuldverschreibungen (Covered Bonds), Unternehmensanleihen oder Staatsanleihen genutzt werden. Die Beimischung entsprechender Fremdwährungsanleihen bietet auch hier die Chance auf eine Mehrrendite nach Abzug
der Absicherungskosten. Wird ein rein aus Euroanlagen bestehendes Musterportfolio einem Portfolio, dem in
US-Dollar denominierte Anleihen hinzugefügt werden, gegenübergestellt, so wird der Effekt deutlich. Investieren
beispielsweise beide Portfolios zu jeweils einem Drittel in Covered Bonds, Investment Grade Corporates und Treasuries, so bewirkt bereits eine entsprechend abgesicherte Fremdwährungsquote von einem Drittel (bei ansonsten vergleichbaren Risikoeigenschaften) eine spürbar höhere Rendite in der Größenordnung von etwa 50 Basispunkten. Auch dieses Beispiel zeigt, dass eine Strategie der Internationalisierung über währungsgesicherte
Fremdwährungsanleihen mit klaren Vorteilen verbunden sein kann. Wichtige Voraussetzung hierfür ist allerdings,
dass die Währungsabsicherungskosten nicht im Zeitablauf deutlich steigen – dies wäre zum Beispiel bei stark
steigenden US-Geldmarktzinsen der Fall – und/oder die Renditen für ausländische Anleihen im Zeitablauf stärker
steigen beziehungsweise weniger sinken als die vergleichbarer Euroanleihen.
Zehnjahresrenditen USA und Euroland seit 1. Januar 2008
5%
US-Staatsanleihen
Bundesanleihen
4%
3%
2%
1%
0%
2008
2010
2012
2015
Renditevorteil und Absicherungskosten
3,0%
2,0%
1,0%
0,0%
–1,0%
–2,0%
–3,0%
Renitevorteil IG-Corps (USD-EUR)
Hedgekosten Differenz 3M-Geldmarkt USD-EUR)
–4,0%
2000
2002
2004
2006
2008
2010
2012
2014
17
2.4 Dynamische Wertsicherung mit
robusten Portfolios
Portfoliosicherung
ist Trumph
Wertsicherungskonzepte sind wichtiger denn je. Das Niedrigzinsumfeld verstärkt die Notwendigkeit, eine Mehrrendite gegenüber dem risikolosen Zinssatz zu erzielen. Doch höher rentierliche Anlagen unterliegen einem
größeren Risiko. Die damit verbundenen möglichen Verluste können die Kapitalbasis reduzieren. Mit dieser verringerten Kapitalbasis müssen in der Folge überproportional hohe Gewinne erwirtschaftet werden, um den Verlust zu kompensieren. Und das unter Inkaufnahme gleichermaßen erhöhter Risiken.
Dynamisch-asymmetrische Wertsicherungskonzepte helfen, dieses Problem in den Griff zu bekommen. Sie sind in
der Lage, kurzfristig auf ein verändertes Marktumfeld zu reagieren, Renditechancen zu nutzen und das Portfolio
zuverlässig nach unten abzusichern. Union Investment verfügt über eine nunmehr 20-jährige Erfahrung mit entsprechenden Strategien. In dieser Zeit wurden die Konzepte beständig weiterentwickelt und an die unterschiedlichen Bedürfnisse der Investoren angepasst. Mit Union Risk Contribution hat Union Investment nun einen Ansatz
entwickelt, der dazu beiträgt, die Allokation von Wertsicherungsportfolios zu verbessern und noch robuster zu
machen.
Gängige Allokationsmodelle mit Schwächen
Das Ziel der Asset Allocation besteht darin, das Portfolio so auszurichten, dass Risiko und Ertrag in einem optimalen Verhältnis stehen. Hierzu wird in der Praxis häufig das klassische Optimierungsverfahren nach Harry M.
Markowitz angewandt. Die Herleitung der Asset Allocation erfolgt dabei anhand von zwei Parametern: der erwarteten Rendite und dem Investmentrisiko, das mit der Standardabweichung der Portfoliorendite gemessen wird.
Dieses Verfahren birgt jedoch Schwachstellen. Zum einen führen bereits kleinere Fehler bei den Renditeprognosen zu negativen Ergebniseffekten. Zum anderen ergeben sich durch die Konzentration in Assets mit geringster
Volatilität nicht selten extreme Portfoliokonstellationen.
Als Alternative zu Markowitz nutzen Portfoliomanager zunehmend auch risikobasierte Allokationsmodelle, wie
zum Beispiel den Risk-Parity-Ansatz. Dieser fußt auf der Annahme, dass eine Einheit Risiko über alle Asset-Klassen hinweg langfristig gleich entlohnt werden muss. Bei der Vermögensaufteilung wird daher eine Gleichverteilung des Risikos über alle Asset-Klassen angestrebt. Weil diese Vorgehensweise ohne Renditeprognosen auskommt, reduziert sie die Abhängigkeit von unsicheren Ertragsschätzungen. Allerdings ist auch der einfache RiskParity-Ansatz (Equal Risk) nur eingeschränkt in der Lage, optimale Portfoliokonstruktionen zu generieren. Denn
die Gewichtung der Asset-Klassen erfolgt hier umgekehrt proportional zu ihren Volatilitäten und führt somit zu
einer höheren Allokation von Anlageklassen mit geringeren Schwankungen bzw. zu einer Fokussierung auf Renten. Korrelationsbedingte Diversifizierungseffekte werden also nicht berücksichtigt.
Union Risk Contribution: das Beste aus zwei Welten
Neue Wege gehen
Um die beschriebenen Schwächen der klassischen Allokationsmodelle zu vermeiden, hat Union Investment einen
eigenen Ansatz entwickelt, der die Techniken von risikogesteuerter und prognosebasierter Vermögensaufteilung
miteinander kombiniert.
Grundlage bildet die zur Risk-Parity-Welt gehörende Contribution-to-Risk-Methode. Das Portfolio ist hierbei derart konzipiert, dass alle Asset-Klassen unter Berücksichtigung von Volatilitäten und Korrelationen den gleichen
Risikobeitrag leisten. Mit diesem Ansatz eröffnet sich die Möglichkeit, Risikoprämien frei von Renditeprognosen
zu vereinnahmen. Gleichzeitig lassen sich die Risikobeiträge breiter über die Asset-Klassen streuen, um so eine
ausgewogenere und weniger anfällige Vermögensaufteilung zu erreichen. Anstelle der Fokussierung auf möglichst genaue Ertragsschätzungen steht also die robuste Risikoallokation im Vordergrund, die es erlaubt, gut
diversifiziert Marktchancen zu nutzen.
Damit dies gelingt, wird die risikogesteuerte Portfoliokonstruktion durch eine aktive, prognosebasierte Steuerung
ergänzt. So lässt sich im Rahmen der taktischen Asset Allocation auf Veränderungen an den Märkten reagieren.
Je nach kurz- und mittelfristiger Markterwartung können einzelne Asset-Klassen gegenüber dem aus der risiko-
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Risikomanagement-Jahrbuch 2015
gesteuerten Allokation erwachsenen Exposure über- oder untergewichtet werden. Der Vorteil dieses Vorgehens
liegt nicht nur darin, kurzfristige Marktschwankungen zu nutzen. Durch die zusätzliche Diversifizierung des Risikos kann auch die risikoadjustierte Performance deutlich verbessert werden.
Expertise des Union Investment Committees
Natürlich bedarf die aktive Steuerung der Asset Allocation einer fundierten und systematisch herbeigeführten
Marktmeinung. Neben den täglichen Einschätzungen aller Bereiche des Portfoliomanagements kommt hierbei
dem Union Investment Committee eine besondere Rolle zu. Dieses übergeordnete Gremium überprüft im Rahmen einer konsistenten Multiasset-Strategie vierteljährlich die mittelfristigen Kapitalmarktperspektiven sowie die
sich daraus ergebenden Ableitungen für die Anlagestrategie und Portfoliostruktur aller Fonds von Union Investment. Grundlage ist eine detaillierte Analyse der volkswirtschaftlichen Makrolage, eine Einschätzung der Marktrisiken sowie eine Bewertung der Asset Allocation. Auch beim Union-Risk-Contribution-Ansatz bestimmt die
Kapitalmarkteinschätzung des Union Investment Committees vor allem die taktische Portfoliosteuerung (siehe
Abbildung). Die mittelfristige Einschätzung des Gremiums wird mit der strategischen Allokation des Portfolios
abgeglichen und dann auf dem Weg des Black-Litterman-Verfahrens in die taktische Asset Allocation überführt.
Im Ergebnis unterstützt dieses Vorgehen deutlich die aktive Positionierung des Portfolios.
Fazit
In Zeiten niedriger Erträge und turbulenter Marktphasen können robuste Wertsicherungsportfolios einen erheblichen Mehrwert bieten. Verfahren der risikogesteuerten Asset Allocation eröffnen Investoren die Möglichkeit, sich
von unsicheren Renditeprognosen unabhängig zu machen und breit diversifiziert Risikoprämien zu erzielen. Idealerweise sollten entsprechende Techniken mit einem prognosebasierten, aktiven Management kombiniert werden.
Auf diese Weise können zwei unabhängige Asset-Allocation-Verfahren mit entsprechend großem Diversifikationsund Chancenpotenzial genutzt werden.
Das Union Investment Comittee setzt die Leitplanken
Strategisches
Portfolio
Asset-Klasse
Staatsanleihen EWU Kernländer
Covered Bonds
URC*
Strategisches
Portfolio
URC*
26,4%
6,7%
31,4%
10,6%
10,6%
Unternehmensanleihen Inv. Grade
6,8%
2,4%
Unternehmensanleihen High Yield
6,6%
9,3%
Staatsanleihen Schwellenländer
2,5%
0,7%
11,3%
15,3%
Staatsanleihen EWU Peripherie
Aktien Industrieländer
Aktien Schwellenländer
9,1%
9,0%
Wandelanleihen
10,0%
10,0%
Rohstoffe
10,0%
10,0%
Ertragserwartung (p.a.)
4,3%
4,5%
Volatilität (p.a.)
4,2%
4,7%
19
2.5 Neue Ansätze im Management des Risikos von
Immobilienportfolios
Ein über verschiedene Asset-Klassen hinweg breit gestreuter Investmentansatz ist wichtiger denn je, um zusätzliche Renditequellen zu erschließen. Immobilien spielen dabei eine wichtige Rolle. Da sie kaum mit anderen Anlageklassen korrelieren, leisten sie einen stabilisierenden Beitrag zum Gesamtportfolio. Kurz: Zur Reduzierung des
Risikos und zur Steigerung des Ertrags der Kapitalanlage ist die Beimischung von Immobilien grundsätzlich gut
geeignet. Aus Sicht des Risikomanagements steht die Steuerung von Immobilienportfolios allerdings vor speziellen Herausforderungen. Da sich eine Immobilie von einem Wertpapier auf vielfältige Weise unterscheidet, ist die
Anwendung von quantitativen Risikomodellen aus dem klassischen Wertpapierbereich nicht ohne Weiteres möglich. In der Praxis überwiegen qualitative Ansätze. Mit ImmoRisk verfügt Union Investment nun aber über ein
erprobtes Modell, das in der Lage ist, quantitativ fundierte Aussagen über die zu erwartende Rendite bzw. die
Wahrscheinlichkeit des Verfehlens einer angestrebten Rendite zu treffen.
Vergleichbarkeit des Gesamtrisikos
Ziel von ImmoRisk ist es, für Immobilienfonds analog zu den Techniken aus dem Wertpapierbereich ein Instrumentarium zur Risikoquantifizierung zu schaffen, um die Vergleichbarkeit des Gesamtrisikos von Immobilieninvestments mit dem anderer Asset-Klassen herzustellen. Im Vordergrund steht nicht die Analyse des Risikos
einzelner Objekte, sondern die Aggregation der Risikotreiber auf Ebene des Gesamtportfolios. Insbesondere wird
eine Ex-ante-Betrachtung ermöglicht, die unter anderem Value-at-Risk-Kennzahlen (VaR-Kennzahlen) ermittelt.
Gerade für Immobilienanleger, die wissen möchten, wie hoch das Risiko ist, eine erforderliche Rendite gegebenenfalls zu unterschreiten, ist dieses Verfahren unverzichtbar. Darüber hinaus erwartet auch die Aufsicht von
manchen Investoren die Berücksichtigung einer solchen Risikoanalyse. So sind beispielsweise Banken verpflichtet,
den VaR als Risikokennzahl im Controlling des Risikos ihrer Kapitalanlage zu berechnen.
Ansätze Risikomanagement für Immobilien
Risikoanalyse Immobilienportfolio
Qualitative Verfahren
•
•
•
•
•
•
Scoring Modelle
ABC-Analyse
Risiko-Checklisten
Stärken-Schwächen-Analyse
Fragenkatalog
Nutzwertanalyse
Quantitative Verfahren
Am meisten
verbreitete
Ansätze
wenig
Anwendung
in der Praxis
Ohne Berücksichtigung von
Wahrscheinlichkeitsverteilung:
• Korrekturverfahren
• Sensitivitätsanalyse
• Szenarioanalyse
Mit Berücksischtigung von
Wahrscheinlichkeitsverteilung:
• Analytische Ansätze
• Simulationsbasierte Ansätze
– Historische Simulation
– Monte-Carlo-Simulation
20
Risikomanagement-Jahrbuch 2015
Bewertung künftiger Risiken
Grundlage des ImmoRisk-Modells ist ein mehrstufiger Prozess. An dessen Anfang werden zunächst die Hauptrisiko- und -renditetreiber mit Verteilungsannahmen belegt. In einem zweiten Schritt erfolgt die Analyse der Abhängigkeiten einzelner Risiken untereinander. Hierzu werden die Korrelationen der Risikofaktoren berechnet und
über eine Korrelationsmatrix in das Modell eingespeist. Zusammenhänge zwischen den einzelnen Anlageobjekten
finden so explizit Berücksichtigung bei der Gesamtrisikobewertung. Für die Steuerungsgröße Rendite ist ein Bewertungsschema analog zur Preisrechnung vorgesehen. Schließlich werden mithilfe einer Monte-Carlo-Simulation
bis zu 3.000 mögliche Ausprägungen der Risikoparameter aus den vorgegebenen Verteilungsannahmen ermittelt
und über das Bewertungsschema zu 3.000 möglichen Ausprägungen der Rendite zusammengeführt. Auf diese
Weise ist es möglich, den künftigen Portfoliowert und die künftige Rendite als Verteilung zu ermitteln und abzubilden. Aus dieser Verteilung können dann Risiko- und Performanceeinschätzungen abgeleitet werden.
Anspruchsvolles
Risikomanagement
Mit ImmoRisk verfolgt Union Investment einen Ansatz im Management des Risikos von Immobilienportfolios,
der in der Praxis aufgrund seiner komplexen Anforderungen bisher nur selten zum Einsatz kommt (siehe Abbildung). Neben der Verarbeitung enormer Datenmengen erweist sich unter anderem die mitunter eingeschränkte
Datenbasis als Herausforderung. Denn noch können nicht für alle Länder und Nutzungsarten Verteilungsannahmen mit ausreichend langen Zeitreihen ermittelt werden; in diesen Fällen wird die fehlende Datenhistorie durch
Expertenschätzungen ersetzt.
Die Länge der in die Zukunft gerichteten Risikoanalyse liegt gegenwärtig bei zwölf Monaten, soll aber mittelfristig auf zwei bis drei Jahre erweitert werden. Für Immobilieninvestoren stellt ImmoRisk aber jetzt schon ein nützliches Instrument der Risikoanalyse dar. Mit ihm gelingt es erstmals, Rendite und Risiko mit dem gleichen Ansatz
zu ermitteln. Möglich sind nun auch Vergleiche der Performance von verschiedenen Sondervermögen. Und last,
but not least lassen sich mit ImmoRisk auch Aussagen hinsichtlich des sogenannten Shortfall-Risikos treffen, also
über die Wahrscheinlichkeit, eine angestrebte Rendite nicht zu erreichen.
Übertragung quantitativer Modelle
Im Management des Risikos von Wertpapieren gehören quantitative Modelle längst zum Standard und sind aus
dem Alltag der Portfoliomanager nicht mehr wegzudenken. Mit ImmoRisk halten entsprechende Verfahren unter
Berücksichtigung von Wahrscheinlichkeitsverteilungen Einzug auch in das Management des Risikos von Immobilien. Dabei sollte man sich bewusst sein, dass quantitative Modelle Grenzen haben und die Wirklichkeit nie zu
100 Prozent widerspiegeln können. Wichtig ist daher das Zusammenspiel mit dem im Immobiliengeschäft unerlässlichen individuellen Immobilienmanagement durch ein professionelles und erfahrenes Team.
Quantitative
Risikobewertung jetzt
auch für Immobilien
21
3 Methoden und Modelle im
Risikomanagement
22
23
3.1 Mit Trendfolgemodellen Markterträge
stabilisieren
Die große Rotation vom Fixed-Income-Bereich in die Aktienwelt hat noch nicht stattgefunden. Obwohl mit Aktien
im historischen Rückblick trotz zahlreicher Krisen langfristig attraktive Renditen zu erzielen waren, scheuen Investoren die erhöhten Schwankungen der Aktienmärkte. Dabei bietet das Risikomanagement gute Ansätze, um Aktienerträge auch in einem volatilen Umfeld zu stabilisieren. Trendfolgemodelle, mit denen auch Union Investment
arbeitet, sind hier eine interessante Möglichkeit.
Geringere Schwankungen und reduzierte Verluste
Erprobter Ansatz
mit Mehrwert
Beispiel
Momentum
Trendfolgeansätze sind nicht neu. Kurzgefasst zielen sie darauf ab, unter Berücksichtigung von Indikatoren der
technischen Analyse regelbasiert zuverlässige Signale für die Investmententscheidung zu liefern. Entsprechende
Modelle agieren prozyklisch und kommen aufgrund ihrer Verankerung in der technischen Analyse gänzlich ohne
Marktprognosen aus. Idealtypisch führen sie zur einer rechtzeitigen Abkopplung vom Abwärtstrend: Bei fallenden
Märkten erfolgt ein Ausstiegssignal; der Markt fällt weiter und stabilisiert sich; der Markt steigt wieder an und
der Investor nutzt das Signal des Aufwärtstrends zum Wiedereinstieg unterhalb der Marke des zuvor erfolgten
Ausstiegs. Der Mehrwert einer solchen Trendfolgemethode ist evident und durch die Wissenschaft für unterschiedliche Märkte, Zeitperioden und Indikatoren belegt.
Ein Blick auf die Signalhistorie eines einfachen Momentum-Indikators am Beispiel des MSCI Welt macht den
Nutzen deutlich. Grundlage sei folgende angenommene klare und einfache Investitionsregel. Liegt über die
letzten sechs Monate eine positive Kursentwicklung vor, existiert ein Aufwärtstrend und der Investor investiert
weiterhin im Aktienmarkt. Verzeichnen die Kurse im betreffenden Zeitraum hingegen eine negative Entwicklung,
so befindet sich der Markt in einem Abwärtstrend und der Investor schichtet in den Geldmarkt um. Wendet man
diese Regel auf den MSCI Welt im Zeitraum von 1999 bis 2014 an, so zeigen sich deutliche Abwärtstrends, vor
allem nach dem Platzen der Technologie-Blase, während der Finanzkrise und im Zusammenhang mit der Eurokrise. Insgesamt erzielte der MSCI Welt in diesem Zeitraum einen Kursanstieg von durchschnittlich fünf Prozent
pro Jahr unter Inkaufnahme teils erheblicher Schwankungen. Anleger, die auf Basis des oben dargestellten Momentum-Indikators über den gleichen Zeitraum investiert hätten, hätten sich hingegen über einen Wertzuwachs
von durchschnittlich etwas mehr als acht Prozent p.a. freuen können – und das bei deutlich reduziertem Verlustrisiko und geringerer Volatilität.
MSCI Welt
Momentum
Trendregression
Golden Cross
Cross Over
Relative Stärke
Hit-Ratio
Marktperzentil
Break Out
Trendfolge**
Rendite*
Volatilität*
Sharpe Ratio
Max. Verlust*
5,0
8,7
7,3
9,6
9,1
8,7
7,6
9,1
9,7
8,7
17,0
10,3
10,5
10,5
10,4
10,3
11,9
10,5
10,4
9,9
0,13
0,58
0,44
0,66
0,62
0,59
0,42
0,61
0,67
0,61
-61,3
-22,2
-31,8
-19,0
-18,4
-17,8
-32,6
-21,8
-16,7
-20,2
* in Prozent, ** Gleichgewichtung aller Indikatoren
Deutlicher Nutzen für den Investor
Neben dem Kriterium Momentum existiert in der technischen Analyse eine Vielzahl weiterer Indikatoren, die für
Trendfolgemodelle entweder singulär oder kombiniert genutzt werden können. Beispielhaft seien hier die Indikatoren Trendregression, Golden Cross, Crossover, relative Stärke, Hit Ratio, Marktperzentil und Breakout genannt. Wendet man diese ausgewählten Indikatoren auch auf die historische Entwicklung des MSCI Welt an,
so belegt die Analyse sowohl der einzelnen Trendindikatoren als auch der gleichgewichteten Kombination aller
Indikatoren ebenfalls den Nutzen von Trendfolgeansätzen. Ihr Einsatz führt langfristig nicht nur zu einer höheren
Rendite, sondern verbessert zudem klar erkennbar wichtige Risikokennziffern wie Volatilität, Sharpe Ratio und
maximalen Verlust (siehe Tabelle).
24
Risikomanagement-Jahrbuch 2015
Am stärksten zeigt sich der Nutzen der beschriebenen Trendfolgetechniken in Märkten mit klarem und nachhaltigem Trendwechsel, so wie dies am Verlauf des MSCI Welt erkennbar ist. Allerdings ist ein solches Marktmuster
nur eines von vielen möglichen Verlaufsmustern, die an den Aktienmärkten auftreten können. Damit stellt sich die
Frage, ob Trendfolgemodelle auch bei anderen Marktmustern funktionieren. Die Antwort hierauf lässt sich mithilfe
stochastisch-mathematischer Simulationsverfahren geben. Diese Verfahren ermöglichen es, wahrscheinliche Aktienmarktverläufe zu generieren, die vom historischen des MSCI Welt abweichen. Vergleicht man die Performance
derart generierter Aktienmarktverläufe mit der Performance einer Investmentstrategie, die nach dem Trendfolgemodell gesteuert wurde, ergibt sich ebenfalls ein klares Ergebnis. Alle Trendfolgestrategien schlagen die klassische Buy-and-Hold-Strategie, vor allem dann, wenn es für den Investor darauf ankommt (siehe Grafik). Dies
macht ein Blick auf die Renditeverteilung der Buy-and-Hold-Strategie, genauer gesagt auf den statistischen
Schwellenwert des Fünfprozentquantils deutlich. Über den betrachteten Zeitraum von zehn Jahren liegen fünf
Prozent aller Renditen unterhalb eines Wertes von minus sechs Prozent pro Jahr. Ein anderes Bild ergibt sich
unter Anwendung von Trendfolgestrategien. Hier weist das entsprechende Quantil einen Wert von null Prozent
auf. Lediglich fünf Prozent der Renditen sind also überhaupt negativ. Dies zeigt: Gerade in Abwärtsphasen können Trendfolgemodelle ihre Stärken ausspielen und das Verlustrisiko der Anlage reduzieren. Auf lange Sicht
gelangen sie damit im Durchschnitt zu positiveren und stabileren Gesamtergebnissen für das Portfolio.
Trendfolge schlägt
Buy and Hold
Trendfolge wirkt in allen Asset-Klassen
Aktienmarkt
5%-Quantil
-6% p.a.
Alle Indikatoren mit
ähnlichen Ergebnissen
Trendfolge
5%-Quantil
0% p.a.
Trendfolge
95%-Quantil
19% p.a.
Weniger negative
Renditen!
Aktienmarkt
95%-Quantil
21% p.a.
Aktienmarkt
Buy and Hold
-20%
-15%
-10%
-5%
0%
5%
10%
15%
20%
25%
30%
Trendfolgestrategien funktionieren in unterschiedlichem Maße auch für andere Asset-Klassen. Bei Staatsanleihen
aus den Euro-Kernländern bringen Trendfolgestrategien zwar keine höhere Performance, stabilisieren aber das Risiko. Steigt man die Risikoleiter weiter hinauf, werden die Vorteile der Trendfolgemodelle zunehmend größer. Bei
Unternehmensanleihen verbessert sich die durchschnittliche Rendite p.a. von 4,8 auf 4,9 Prozent, während der
maximale Verlust von –7,6 auf –3,2 Prozent absinkt. Noch deutlicher zeigen sich die Vorteile bei Hochzinsanleihen. Die Rendite steigt von 5,2 auf 7,8 Prozent, während der maximale Verlust von –43,5 auf –9 Prozent zurückgeht. Positiv ist der risikoadjustierte Mehrwert auch bei Staatsanleihen aus den Emerging Markets. Die Rendite
sinkt zwar leicht. Dafür wird das Verlustrisiko aber um nahezu zwei Drittel gesenkt. Und auch bei Rohstoffen
macht sich Trendfolge bezahlt: Die jährliche Rendite steigt von 4,6 auf 6 Prozent, während sich der maximale
Verlust der Trendfolgestrategien mit –22,3 Prozent gegenüber dem Buy-and-Hold-Ansatz mehr als halbiert. Im
Ergebnis funktioniert Trendfolge umso besser, je mehr Kursschwankungen eine Asset-Klasse aufweist.
Wirksames
Risikomanagement Tool
Diese Beispiele belegen, dass wirksames Risikomanagement einfach und transparent in die Investmentpraxis
integriert werden kann. Trendfolgemodelle eignen sich hier besonders gut. Sie sind einfach in der Handhabung,
transparent und ermöglichen ein aktives Eingreifen nach klaren Regeln. Ihre Wirkung entfalten sie vor allem in
der Verlustbegrenzung über alle Asset-Klassen hinweg. Sie schaffen damit einen Mehrwert gerade in solchen Fällen, in denen es darauf ankommt. Denn mögliche Verluste sind der langfristigen Performance abträglich. Ein Vermögensverlust reduziert die Kapitalbasis. Und mit dieser verringerten Kapitalbasis müssen in der Folge überproportional hohe Gewinne erwirtschaftet werden, um den Verlust zu kompensieren – und das unter Inkaufnahme
erhöhter Risiken.
25
3.2 Risikokultur ist keine Management-Lyrik
Gespräch mit Dr. Joachim Hein, verantwortlich für die Performanceanalyse und
das Risikocontrolling, über Nutzen und Schwachstellen von Risikomodellen.
„Gutes Risikomanagement braucht Mensch
und Maschine.“
Dr. Joachim Hein, Leiter Performanceanalyse
und Risikocontrolling
Auf der Risikomanagement-Konferenz von Union Investment hat Professor Emanuel Derman von der Columbia
University vor einem zu großen Vertrauen in die Fähigkeiten von finanzmathematischen Modellen gewarnt.
Müssen Risikomanager nun umdenken?
Trotz berechtigter Skepsis sollten wir das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Denn ohne mathematische
Modelle werden wir auch künftig im Risikomanagement nicht auskommen. Modelle erleichtern die systematische
Steuerung von Risiken. Sie ermöglichen eine automatisierte Risikobewertung nach einheitlichen und nachvollziehbaren Maßstäben. Bei Union Investment setzen wir daher weiterhin auf die etablierten, gängigen Verfahren
und versuchen, diese weiter zu verbessern.
Wo liegen denn die Schwächen der Modelle?
Der Nutzen von finanzmathematischen Modellen ist nur so groß, wie ihre Fähigkeit, die Wirklichkeit abzubilden.
Das ist gewissermaßen die Achillesferse. Denn völlig zu Recht hat Professor Derman darauf hingewiesen, dass
auch die besten Modelle nie in der Lage sein werden, die Komplexität der Realität vollständig abzubilden. Modelle können daher immer nur eine Annäherung an die Wirklichkeit sein. Zu 100 Prozent werden sie diese nie
erfassen, wie wir unter anderem im Verlauf der Finanzmarktkrise gesehen haben. Dieser Grenze sollten sich
Risikomanager stets bewusst sein.
Lässt sich dieses grundsätzliche Manko ausgleichen?
Vollständig wird dies vermutlich nie gelingen. Was aber hilft, ist eine Vielfalt beim Modelleinsatz. Werden Risiken
aus mehreren Blickwinkeln analysiert bzw. unterschiedlich parametrisierte Modelle genutzt, lassen sich die jeweiligen Schwächen ausgleichen. So wenden wir zum Beispiel für jedes unserer Portfolios sieben verschiedene Valueat-Risk-Methoden an. Wenn auch kein einzelner Wert für sich betrachtet 100 Prozent realitätskonform ist, so
können wir die Ergebnisqualität dadurch dennoch erheblich verbessern. Wichtig ist in jedem Fall aber ein kritischer Blick auf die Ergebnisse. Diese müssen sachgerecht und mit einem gehörigen Maß an Erfahrung interpretiert werden. Ein endgültiges Resultat, das die Maschine auf Knopfdruck ausspuckt, gibt es in der Regel also
nicht. Dazu braucht es immer auch den Menschen.
Was können Modelle leisten, was der Mensch?
Risikomodelle leisten wertvolle Hilfe bei der Standardanalyse – bei der Messung, beim Risikoreporting, bei der
systematischen Diversifikation und der Verlustbegrenzung. Die weiterführende Analyse der Risikotragfähigkeit
insbesondere vor dem Hintergrund von Sondersituationen an den Märkten erfordert hingegen den gesunden
Menschenverstand.
26
Risikomanagement-Jahrbuch 2015
Mensch und Maschine müssen also Hand in Hand arbeiten?
Diese Kombination macht in der Tat gutes Risikomanagement aus. Die Kapitalmarkterfahrung der Beteiligten
ist von zentraler Bedeutung. Denn die subjektive Bewertung der Modellergebnisse ist ein weiterer Teil eines vielschichtigen Risikomanagementprozesses. Das Ineinandergreifen beider Teile erfordert aber eine ausgeprägte
Risikokultur beim Asset Manager.
Was verstehen Sie darunter?
Risikokultur ist beileibe keine Management-Lyrik. Sie erfordert, dass sich das Risikomanagement nicht auf das
Messen von Risiken beschränkt, sondern darüber hinaus das systematische Denken und Handeln aller Beteiligten
in Bezug auf Risiken umfasst. Bei der Analyse großer Handelsverluste von Banken und Unternehmen finden sich
deutliche Muster einer schwach ausgeprägten Risikokultur. Aus gutem Grund hat daher das Institute of International Finance (IIF) mehrfach eine Stärkung der Risikokultur gefordert.
Modelle allein reichen nicht aus, um die Fülle möglicherweise eintretender Risiken zu erfassen. Sie prognostizieren schließlich nicht ein Ereignis, sondern dessen Folgewirkungen – das heißt die Welle, nachdem der Stein ins
Wasser gefallen ist. Die Folge ist, dass Ereignisse, die nicht wiederkehrend als „Learnings“ für die Modellbildung
erlebt worden sind, nicht erfasst werden können. Eine Risikokultur dagegen ist unabhängig vom Ereignis. Sie ermöglicht eine umfassende Risikobetrachtung, in die nach Möglichkeit eine Vielzahl von Experten eingebunden ist,
die untereinander in einem offenen Austausch stehen. Es ist nicht zielführend, die Verantwortung für das Risikomanagement einer Maschine oder nur einigen wenigen Quant-Experten zu überlassen.
Was bedeutet das für die Anlagepraxis?
Das heißt, dass bei Investmententscheidungen die zuvor definierte Risikotragfähigkeit ohne Wenn und Aber
konsequent berücksichtigt wird. Warnsignale müssen klar kommuniziert werden, sowohl vertikal als auch horizontal. Werden Risiken eingegangen, was in der Kapitalanlage gegenwärtig unvermeidlich ist, so muss dies stets
bewusst und transparent geschehen. Bedenken der Mitarbeiter sollten jederzeit ernst genommen und offen
diskutiert werden. Und nicht nur untereinander, sondern auch mit den Investoren.
Welche Rolle spielen Werte in diesem Kontext?
Eine gelebte Risikokultur stellt sich nicht von selbst ein, sondern muss gefördert werden. Das entsprechende
Werteumfeld spielt dabei eine wichtige Rolle. Partnerschaftliches Miteinander statt konkurrierendes Gegeneinander, Offenheit, Dialog- und Kritikfähigkeit machen Risikokultur erst möglich. Schwächen dürfen nicht vertuscht
werden. Überbringer schlechter Nachrichten müssen sicher sein, dass diese keine negativen Konsequenzen für
sie haben. Nur auf einem solchen Fundament kann der für die Risikokultur so wichtige unvoreingenommene
und breit angelegte Austausch aller Beteiligten gelingen.
Welchen Stellenwert wird das Risikomanagement künftig haben?
Wir befinden uns mitten in einem Strukturbruch. Mit einer rein defensiv ausgerichteten Anlagestrategie lassen
sich keine auskömmlichen Renditen mehr erwirtschaften. Investoren kommen folglich nicht darum herum, verstärkt Risiken einzugehen – und das mit Risikobudgets, die durch den Dauerkrisenzustand erheblich geschrumpft
sind. Vor diesem Hintergrund wird Risikomanagement zwangsläufig weiter an Bedeutung gewinnen. Nicht nur im
Sinne von Verlustvermeidung, sondern vor allem auch mit Blick auf ein risikokontrolliertes Chancenmanagement.
Eine gelebte Risikokultur sowohl beim Investor als auch beim Asset Manager ist hierbei unverzichtbar.
27
4 Risikomanagement-Forschung
28
29
Alternative Risikoprämien als Renditetreiber
Studie bestätigt
den Mehrwert
Im weiter anhaltenden Niedrigzinsumfeld suchen Investoren dringend nach neuen und diversifizierenden Renditequellen. Dabei fiel der Blick zuletzt auch auf eine Strategie, die zwar seit Jahren bekannt ist, aber in der Praxis
hierzulande bislang nur selten systematisch genutzt wurde: alternative Risikoprämien. Hierbei handelt es sich um
regelbasierte Investmentansätze, bei denen gezielt solche Risiken genommen werden, die über das systematische, also alle Wertpapiere betreffende Marktrisiko hinausgehen.
Welchen Mehrwert bieten entsprechende Strategien für den Investor, und eröffnen sie tatsächlich die Möglichkeit, die Ertragssituation und die Diversifikation im Portfolio zu verbessern? Im Auftrag von Union Investment untersuchte Prof. Dr. Arnd Wiedemann vom Lehrstuhl für Finanz- und Bankmanagement der Universität Siegen diese
Fragen im vergangenen Jahr. Die Ergebnisse seiner Risikomanagement-Studie waren eindeutig: Alternative Risikoprämien erzielen nicht nur langfristig stabile Überrenditen. Dank ihrer günstigen Korrelationseigenschaften
eignen sie sich auch für die Optimierung des Risiko-Rendite-Profils im Rahmen der Diversifikation.
Positive Performance und Stabilität in Krisenzeiten
Im Mittelpunkt der empirischen Untersuchung stand die Analyse von vier ausgewählten Strategien, mit denen
alternative Risikoprämien realisiert werden können. Während Size-Strategien versuchen, die Renditedifferenz
zwischen Unternehmen mit hoher und geringer Marktkapitalisierung auszunutzen, setzen Value-Strategien auf
die Renditedifferenz zwischen Unternehmen mit hohem und niedrigem Kurs-Buchwert-Verhältnis. MomentumAnsätze zielen auf Renditeunterschiede von Werten mit starker und schwacher Wertentwicklung. Low-Risk-Strategien hingegen konzentrieren sich auf die Renditedifferenz zwischen Papieren mit hoher und geringer Volatilität.
Bei allen vier Ansätzen können die alternativen Risikoprämien über das gleichzeitige Eingehen von Long- und
Short-Positionen realisiert werden.
Um die Renditeeigenschaften der Prämienstrategien zu beurteilen, betrachtete Prof. Wiedemann die Wertentwicklung der entsprechenden Long-Short-Portfolios über einen Zeitraum von 2003 bis 2014. Sein Ergebnis: „Alle vier
Strategien weisen langfristig eine positive Performance auf und liefern stabile Renditeergebnisse gerade auch in
Krisenzeiten“, so die Erkenntnis des Wissenschaftlers. Am besten schnitt im Rückblick die Size-Strategie ab, die
mit durchschnittlich 3,61 Prozent die höchste jährliche Überschussrendite erzielte. Es folgten Momentum mit
durchschnittlich 2,66 Prozent pro Jahr, Value mit 1,70 Prozent pro Jahr und Low Risk mit immerhin noch durchschnittlich 1,12 Prozent jährlicher Überschussrendite.
„Alternative Risikoprämien sind keine kurzfristige Modeerscheinung und akademisch
fundiert erforscht.“
Professor Dr. Arnd Wiedemann,
Lehrstuhl für Finanz- und Bankmanagement,
Universität Siegen
30
Risikomanagement-Jahrbuch 2015
Gute Diversifikationseigenschaften
Zu einem weiteren positiven Befund gelangt die Analyse der Korrelationseigenschaften. So besteht zwischen den
Renditen der vier alternativen Risikoprämienstrategien durchgehend nur ein sehr geringer Gleichlauf. Zwischen
dem Momentum- und dem Value-Ansatz sowie zwischen der Low-Risk- und der Value-Strategie sind die Korrelationen sogar negativ. „Vor diesem Hintergrund“, so Prof. Wiedemann, „bietet sich die Bildung eines aus den einzelnen Risikoprämien bestehenden Portfolios an, um die Diversifikationspotenziale zu nutzen.“ Auf diesem Weg
lässt sich, wie die Studie zeigt, bereits durch eine einfache Gleichgewichtung der Prämien die Volatilität der Renditen signifikant verringern. Im Ergebnis kann die Portfoliovolatilität auf ein Niveau abgesenkt werden, das niedriger als die geringste Volatilität der Renditen der einzelnen Prämien ist.
Deutliche Verringerung
des Risikos
Ähnlich risikoreduzierende Effekte ergeben sich auch dann, wenn die beschriebenen alternativen Risikoprämien
einem klassischen Multiasset-Portfolio beigemischt werden. Schon eine zehnprozentige Anreicherung reduziert
die Volatilität im erweiterten Multiasset-Portfolio um 0,59 Prozentpunkte. Der maximale Drawdown verbessert
sich um 2,15 Prozentpunkte. Die Sharpe Ratio steigt erkennbar an. Diese Effekte werden umso stärker, je höher
der Beimischungsanteil ansteigt.
Klarer Nutzen für Investoren
„Alternative Risikoprämien lassen sich durch regelbasierte Strategien vereinnahmen, versprechen langfristige
Überrenditen und optimieren durch ihr Diversifikationspotenzial das Risiko-Rendite-Profil der Kapitalanlage“,
kommentierte Prof. Wiedemann die Ergebnisse seiner Untersuchung. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass Investoren über die in der Studie analysierten vier Strategien hinaus über verschiedene Asset-Klassen hinweg eine
Anzahl weiterer Ansätze etwa in Form von Währungs-Carry-Prämien oder Liquiditätsprämien nutzen können.
Hieraus ergeben sich zusätzliche Diversifikationsmöglichkeiten für die Anleger. Seine Handlungsempfehlung:
„Investoren sollten gerade im aktuellen Umfeld die Chancen alternativer Risikoprämien nicht außer Acht lassen.“
Unabhängig von ihren Ertragseigenschaften böten sie zudem den Vorteil einer Anlage in liquiden und bekannten
Märkten und könnten darüber hinaus auch im Risikomanagement gut abgebildet werden. „Strategien zur
Hebung alternativer Risikoprämien“, so der Professor, „sind transparent, leicht umzusetzen und lassen sich
gut kontrollieren.“
Diversifikationseffekt eines gleichgewichteten ARP-Portfolios
4,0%
3,5%
Exzessrendite
Size-Prämie
MomentumPrämie
3,0%
2,5%
Diversifikationseffekt
2,0%
1,5%
ARP-Portfolio
(gleichgewichtet)
4%
ValuePrämie
Low-RiskPrämie
1,0%
0,5%
2%
ARP-Portfolio
(gleichgewichtet,
ohne Korrelationen)
8%
6%
10%
12%
Volatilität
31
5 Risikomanagement-Konferenz 2014
32
33
Lange Durststrecke für Rentenanleger
Ein Ende mit Schrecken oder ein Schrecken ohne Ende? Was das Niedrigzinsumfeld angeht, so stellten sich
Gäste der neunten Risikomanagement-Konferenz von Union Investment mit großer Mehrheit auf die zweite
Szenariovariante ein. 250 institutionelle Investoren waren im November 2014 nach Mainz gekommen, um im
Kreis von Wissenschaftlern und Praktikern über die Herausforderungen in der Kapitalanlage zu diskutieren. Auf
die Frage, wie lange das schwierige Zinsumfeld andauern werde, hatten sie eine klare Antwort: 68 Prozent von
ihnen rechneten damit, dass die Herausforderung niedriger Zinsen sie noch mindestens fünf Jahre lang intensiv
beschäftigen dürfte. 27 Prozent bejahten dies für einen Zeitraum von drei Jahren. Lediglich fünf Prozent der
Gäste erwarteten, dass der Spuk bereits Ende 2015 vorbei sein könnte. Letzteren konnte Jens Wilhelm, im Vorstand von Union Investment zuständig für das Portfoliomanagement, jedoch wenig Hoffnung machen. „Die Zinsen werden insgesamt noch für einige Jahre sehr niedrig bleiben“, warnte der Kapitalmarktstratege in Mainz.
„Das Niedrigzinsumfeld ist eher struktureller als zyklischer Natur.“
Prof. Emanuel Derman, Professor für Financial Engineering an
der Columbia University in New York
Prof. Daron Acemoglu, Professor für angewandte Ökonomik am
Massachusetts Institute of Technology (MIT)
Auf der Suche nach neuen Renditequellen
Doch wie können Investoren auf die Herausforderungen niedriger Zinsen reagieren? Breiter diversifizieren, aktiv
steuern und die Wertsicherung im Auge behalten. Diese Handlungsempfehlungen zogen sich wie ein roter Faden
durch die Vorträge und Statements der Referenten. So wies etwa Professor Dr. Arnd Wiedemann von der Universität Siegen auf die Möglichkeit der stärkeren Nutzung alternativer Risikoprämien hin. Im Auftrag von Union
Investment hatte der Wissenschaftler vier ausgewählte alternative Risikoprämienstrategien genauer unter die
Lupe genommen (Detailbericht auf Seite 30) und sie auf ihren konkreten Nutzen hin abgeklopft. Sein Ergebnis:
„Alle vier Strategien weisen langfristig eine positive Performance auf und liefern stabile Renditeergebnisse
gerade auch in Krisenzeiten.“
Auch Jens Wilhelm hatte in seinem Vortrag einige Vorschläge für die Zuhörer parat. Als Optionen im Niedrigzinsumfeld empfahl er – neben der stärkeren Nutzung alternativer Risikoprämien – die Dynamisierung der Risikoallokation sowie die Internationalisierung der Kapitalanlage. Die europäische Wirtschaft sei zwar nicht rezessionsgefährdet. Allerdings stottere der europäische Aufschwung. Anleger sollten daher Märkte jenseits der Eurozone
im Auge behalten. Häufig werde dort die Wirtschaft in den kommenden Jahren schneller wachsen und oftmals
seien auch die Zinsen höher. Im Anleihebereich verwies der Kapitalmarktvorstand auf die Chancen bei Nachrang-
34
Risikomanagement-Jahrbuch 2015
anleihen und CoCo-Bonds, High-Yield-Papieren, Asset Backed Securities sowie Schwellenländeranleihen in Hartwährung. Gewerbeimmobilien seien ebenfalls interessant. „Außerdem bleiben Aktien ein unverzichtbarer Baustein der Asset Allocation, unter anderem wegen attraktiver Dividendenrenditen“, sagte Wilhelm. „Vor allem in
den USA zeigt sich, dass die dortigen Unternehmen in der Breite in einer sehr robusten Verfassung sind.“
Dass Investoren bei der Diversifikation nicht ausschließlich auf alternative und neue Asset-Klassen setzen müssen, darauf wies Dr. Thorsten Neumann hin. „Aktien gehören als Renditetreiber in ein gut diversifiziertes Portfolio“, sagte der Managing Director Quant und Risk Management bei Union Investment. Der Herausforderung
erhöhter Volatilität könne unter anderem mithilfe von Trendfolgestrategien begegnet werden. Mit entsprechenden regelbasierten Ansätzen, die sich der technischen Analyse bedienen und versuchen, Trendbrüche an den
Märkten zu identifizieren, werden keine Prognosen benötigt, sondern es wird so lange investiert, bis der Trend
dreht. „Die Empirie hat gezeigt, dass Trendfolgestrategien in der Lage sind, die Markterträge zu stabilisieren“, erklärte Neumann in seinem Vortrag. Sie seien ein guter Weg, Verluste durch aktives Eingreifen nach festen Regeln
zu begrenzen, weil die Abkopplung vom Abwärtstrend mit ihnen rechtzeitig funktioniere. Dies gelte im Übrigen
nicht nur für die Aktienmärkte. „Auch im Rentenbereich schaffen Trendfolgestrategien einen Mehrwert – vor
allem mit Blick auf Unternehmens- und Hochzinsanleihen“, so Neumann auf der Risikomanagement-Konferenz.
Soziale Ungleichgewichte als Risikofaktor
Einigkeit herrschte in Mainz darüber, dass die geopolitischen Krisen die Kapitalanlage auch im Jahr 2015 und darüber hinaus weiterhin stark beeinflussen werden. Neben dem Ukraine-Konflikt und den Auseinandersetzungen
im Nahen Osten wurden auch die Spannungen zwischen den Atommächten in Asien als kritische Entwicklungen
mit erheblichem Störpotenzial für die Märkte identifiziert. Ein ganz anderes Risiko thematisierten die US-Starökonomen Emanuel Derman und Daron Acemoglu. Derman, der lange Zeit für Goldman Sachs arbeitete, lehrt derzeit
an der Columbia University. Der mit verschiedenen Preisen ausgezeichnete Wirtschaftswissenschaftler Acemoglu
forscht am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT). Einer breiten Öffentlichkeit wurde er zuletzt durch sein Buch „Warum Nationen scheitern“ bekannt.
Beide Referenten wiesen eindringlich auf das Risiko der wachsenden Ungleichheit in den entwickelten Volkswirtschaften hin. Diese Entwicklung, so die Überzeugung der US-Ökonomen, berge die Gefahr der gesellschaftlichen Erosion sowie letztendlich auch der Destabilisierung der Anlagemärkte. Zwar partizipierten mehr Menschen als früher am Wohlstand, doch klaffe die Schere bei der Verteilung der Wohlstandsgewinne zunehmend
zugunsten einiger weniger weiter auseinander. Nach Ansicht von Acemoglu ist eine solche Entwicklung in der
Geschichte stets der Anfang vom Ende erfolgreicher Nationen gewesen. Man könne dieser Gefahr jedoch entgegenwirken – mit einem funktionierenden Sozialstaat und der systematischen Qualifizierung von Arbeitslosen.
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6 Ausblick
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Der Gleichklang ist beendet
Die Herausforderungen des Niedrigzinsumfeldes bleiben den Investoren auch 2015 und darüber hinaus erhalten.
Der weltweite Gleichklang von Konjunktur und Geldpolitik jedoch ist beendet. Die Zins- und Wachstumsunterschiede zwischen Europa einerseits sowie den USA und anderen globalen Anlageregionen andererseits führen
Anleger in eine Welt der zwei Geschwindigkeiten. Damit steigt die Bedeutung der internationalen Diversifikation.
Die USA stützen das globale Wachstum
Der europäische Patient ist zwar auf dem Weg der Besserung, steht aber nach wie vor auf wackeligen Beinen.
Eine schnelle Gesundung und größere Kraftakte sind für 2015 nicht zu erwarten. Die Sorge vor gravierenden
Rückschlägen oder gar Rezessionsängste sind allerdings übertrieben. Insgesamt dürfte das Wachstum in der
Eurozone bei etwa 1,3 Prozent liegen. Es kommt darauf an, dass sowohl die Politik bei den Sparmaßnahmen
als auch die Europäische Zentralbank (EZB) in der Geldpolitik die richtige Dosis findet.
Ein stärkeres Wachstum ist jenseits des Atlantiks zu erwarten. Die verbesserte Lage am Arbeitsmarkt und der
steigende Binnenkonsum stützen die US-Wirtschaft. Insgesamt dürfte sie im Laufe dieses Jahres um 3,0 Prozent
zulegen. In den Schwellenländern wird die Entwicklung vor allem von der konjunkturellen Dynamik Chinas abhängen. Der leichte Abwärtstrend bei den Wachstumsraten wird sich dort zwar fortsetzen. Mit 7,0 Prozent
Zuwachs läuft der chinesische Konjunkturmotor aber immer noch auf vergleichsweise hohen Touren und produziert somit weiterhin einen wichtigen globalen Nachfragestimulus.
Rückenwind für die globale Wirtschaft kommt vom Ölpreis. Er entlastet sowohl Unternehmen als auch Verbraucher, vor allem in stark vom Ölimport abhängigen Regionen wie Asien oder Europa. Um einen dauerhaften Effekt
auf die Weltkonjunktur zu haben, müsste der Ölpreis allerdings langfristig niedrig bleiben. Viel wird davon abhängen, wann bei den in der OPEC tonangebenden arabischen Golfstaaten sowie den nicht im Kartell organisierten
großen Ölproduzenten wie Russland und den USA die Schmerzgrenze erreicht ist und die Ölförderung reduziert
wird.
Höhere Zinsen im angloamerikanischen Raum
Die Teuerungsraten werden nicht zuletzt wegen der gesunkenen Energiepreise niedrig bleiben und könnten sogar
noch etwas nachgeben. Dennoch ist in den kommenden Monaten mit einem moderaten Wirtschaftswachstum zu
rechnen, das inflationsfrei, aber eben nicht deflationär verlaufen wird. Die Notenbanken werden alles in ihrer
Macht Stehende tun, um einen nachhaltigen Preisrückgang zu vermeiden.
In der Eurozone bleibt das Zinsniveau daher historisch niedrig. Es ist davon auszugehen, dass die EZB ihre expansiven geldpolitischen Maßnahmen sogar noch ausdehnen wird – zunächst voraussichtlich ab Anfang 2015 mit
dem Ankauf von Unternehmensanleihen. Auch in Japan bleibt der Geldhahn weit geöffnet. Andere Währungsräume hingegen werden sich von der Politik des lockeren Geldes verabschieden. In den USA und in Großbritannien dürften die Zinsen steigen, wenn zunächst auch nur sehr moderat. In den Vereinigten Staaten ist mit diesem
Schritt vermutlich in der zweiten Jahreshälfte 2015 zu rechnen.
In diesem Umfeld werden die Renditen von Staatsanleihen der Eurozone grundsätzlich sehr niedrig bleiben. Die
zehnjährige Bundesanleihe könnte zwar leicht über die Einprozentmarke steigen. Entscheidend dafür ist die weitere Geldpolitik der EZB. Weitet diese ihre Anleihe-Ankaufprogramme auf Staatsanleihen aus, ist mit nachhaltigen
Anstiegen in signifikanter Größenordnung kaum zu rechnen.
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Risikomanagement-Jahrbuch 2015
Renditechancen nach wie vor vorhanden
Renditepotenzial besteht bei ausgewählten Peripherieanleihen, ansonsten sind aber lediglich noch hochverzinsliche Papiere (High Yield) und Titel aus den Schwellenländern wirklich attraktiv. Eine weitere Möglichkeit bieten
forderungsbesicherte Wertpapiere und Nachrangtitel wie beispielsweise Contingent Convertible Bonds, kurz
CoCo-Bonds. Angesichts höherer Zinsen außerhalb des Euroraums gilt aber gerade im Anleihebereich, dass es
für Anleger keine Alternative zu einer internationaleren Ausrichtung ihrer Portfolios gibt.
Weiter attraktiv bleiben Anlagen in Immobilien. Das zeigt sich in der ungebrochen hohen Nachfrage quer durch
alle Investorengruppen, die im Vergleich zum letzten Jahr noch einmal um ein Drittel zugelegt hat. Die Renditeaufschläge bei Immobilien sind nach wie vor interessant, zumal die Spitzenmieten in vielen Regionen der Welt
weiter steigen.
In der Gesamtschau halten wir Rohstoffe als Baustein für ein diversifiziertes Portfolio nach wie vor für unverzichtbar und erwarten in den kommenden zwölf Monaten auch wieder steigende Preise. Der Ölpreis ist zwar seit
Mitte Juni deutlich gefallen. Ein anhaltend niedriges Preisniveau sollte ab Mitte 2015 aber wieder zu einer zunehmenden Ölnachfrage führen. In Kombination mit reduzierten Fördermengen (aufgrund zu hoher Produktionskosten) dürfte das die Ölnotierungen wieder stützen. Positiv sehen wir auch einige Industriemetalle. Diese haben
sich verbilligt und dabei mittlerweile ein Preisniveau erreicht, das sich in der Nähe der Produktionskosten befindet. Bis auf Aluminium weisen zudem alle Industriemetalle ein deutliches Angebotsdefizit auf. In der Vergangenheit war dies immer ein Indikator für steigende Preise. Edelmetalle könnten hingegen von der anhaltenden Stärke
des US-Dollars und sinkenden Inflationserwartungen Gegenwind bekommen.
Positiv dürften sich weiterhin auch Aktien entwickeln. Damit die Kurse weiter klettern, müssen allerdings auch die
Unternehmensgewinne steigen. Die Chancen dafür stehen derzeit gut. Das gilt vor allem für die USA, aber auch
für Europa. Für die Konzerne aus dem Euroraum ist die Berichterstattung zum dritten Quartal die beste seit Langem gewesen. Und es gibt weitere Gründe, die für Aktien aus Europa sprechen. So zum Beispiel die Aufwertung
des US-Dollars. Davon sollten vor allem exportorientierte Unternehmen profitieren. Darüber hinaus helfen die
niedrigen Energiepreise, die Kosten der Konzerne zu senken.
„Die Bedeutung der internationalen
Diversifizierung steigt“
Björn Jesch, Leiter des Segments Portfoliomanagement
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Stand: März 2015
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