MOE- KULTUR. DE Kulturveranstaltungen aus Mittel- und Ost Europa in Berlin-Brandenburg www.moe-kultur.de EIN PROJEKT VON JOE - PLATTFORM BERLIN E.V. AUSGABE 87 APRIL 2013 REDAKTIONSSCHLUSS 10-04-2013 • Termine • Partner • Impressum • Veranstaltungsadressen unter www.moe-kultur.de InformationsZentrum Sozialwissenschaften Abt. Informationstransfer Osteuropa DGO Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde e.V. SÜDOSTEUROPAGESELLSCHAFT e.V. Zweigstelle Berlin Unsere Partner: Wissenschaftlich relevante Veranstaltungshinweise finden Sie im Berlin-Brandenburger Forum Osteuropa http://www.gesis.org/Kooperation/Information/Osteuropa/newslist.htm 1 APRIL/MAI 2013 MOE- KULTUR. DE Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater • Vortrag INHALT Kalendarium >>Kulturkalender APRIL/MAI (S. 3-9) Ausstellungen – Diskussionen – Film – Literatur – Performance – Musik – Tanz - Theater Notabene >> Aufgepasst!!! (S. 10-12) - besondere Termine – Hintergrundinformationen - Dots, Lines & Me und Moskau • Pawel Zawislanski im Gespräch >> Lesetipp (S. 12-14) - In Geiselhaft genommen - Der Judenstadt Lublin • Michael Kleineidam >> MOE-aktuell (S. 15-16) - Einstrategischer Partner auf Irrwegen • Ursula Koch-Laugwitz >> Nachtrag (S. 16-17) - - Anne-Klein-Preis an Lepa Mladenovic • Angelika Buchelt >> Besondere Orte – einzigartige Geschichten (S. 18-19) - Die Breslauer Jahrhunderthalle • Michael Kleineidam >> Kurz notiert (S. 19-22) - wichtige Hinweise - Termine - Ausschreibungen und einiges mehr >> Unsere Partner: Osteuropa Zentrum Berlin Verlag (S. 12) Newsletter des Deutschen Kulturforums östliches Europa (S. 22) IMPRESSUM M O E - Kultur- Newsletter ein Projekt der JOE-Plattform Berlin e.V. www.joe-plattform.de REDAKTION Ewa Strózczynska-Wille (Gesamtredaktion) Angelika Buchelt Michael Kleineidam Agnieszka Mikolajewicz Iwona Uberman Natalie Wasserman Mario Schneider (auch Layout) Weitere Informationen: www.moe-kultur.de (auch Veranstaltungsadressen) redaktion@moe-kultur.de Tel: 030-8524897 MOE APRIL/MAI 2013 SEITE 2 APRIL/MAI 2013 MOE- KULTUR. DE Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater bis 20.04. SK A Galerie Jirísvestka, Ausstellung „Sonntag“ Einzelpräsentation der jungen slowakischen Künstlerin Katarína Poliaciková Weitere Informationen: www.katarinapol.com www.jirisvestka.com Potsdamer Str. 81c bis. 16.05. • PL A Polnisches Institut Dots, Lines & Me - Pael Zawislak (aka kropki kreski) Pawel Zawislaks Künstlername ist keiner von der üblichen Sorte: „kropki kreski” lässt auf simple schlichte Linien und einfache Punkte schließen, doch sein Portfolio ist alles andere als einfältig. Farbe, Form Technik, Medium – die Arbeiten scheinen nicht nur in der Ausführung, sondern auch in der Themenwahl keine Grenzen zu kennen. Das Polnische Institut präsentiert dem Berliner Publikum eine umfangreiche Werksübersicht, die es in dieser Form hier noch nicht gegeben hat. Die Ausstellung umfasst thematisch breitgefächerte Auftragsentwürfe und unabhängige Arbeiten. Kurator: Michael Okraj Burgstraße 27 bis 26.05. • HU A Collegium Hungaricum Berlin Ausstellung Nothing that Exists or Happens is Symmetrical Die Installation von Tímea Anita Oravecz nähert sich der Figur des Künstlers in seiner Funktion als Schamane. Schamanen sind Reisende zwischen den Sphären und so Sinnstifter für die Gemeinschaften, in denen sie wirken. Ausgehend von ihrer eigenen ausgiebigen Reisegeschichte visualisiert Oravecz persönliche Verbindungslinien und unsichtbare Überlagerungen der Städte Budapest, Berlin, Venedig und New York City. Eine Installation mit Musik (Christoph Coburger) und gesprochenem Wort (Konstantin Bühler). (Moholy-Nagy Studiogalerie) Dorotheenstr. 12 bis 09.06. • HU A Collegium Hungaricum Berlin Ausstellung Syntonyms – eine Installation von Ábris Gryllus In der Installation Syntonyms werden sechs europäische Städte – darunter auch Berlin – zur visuellen Grundlage eines auditiven interaktiven Spiels. Die Silhouetten von Gebäuden werden in Parameter umgewandelt. Diese Parameter dienen als Grundlage für Sounderlebnisse, die dem Publikum innerhalb einer begehbaren, igluartigen Hülle präsentiert werden. Dort können Sie zwischen den verschiedenen Städten und passenden Sounds wählen. (Moholy-Nagy Studiogalerie) Dorotheenstr. 12 15.04. 19.00 Uhr • KOS/SRB DIS Europaeische Akademie Berlin Aus aktuellem Anlass Gespraech mit dem Aussenminister von Kosovo Die von der EU vermittelten Gespraeche zwischen Serbien und Kosovo sind ohne Erfolg beendet worden. Gibt es doch noch eine Lösung? Was bedeutet das fuer die Entwicklung der beiden Länder? Der Aussenminister des Kosovo, Dr. Enver Hoxhaj wird die Entwicklungen aus seiner Sicht erläutern und für Fragen zur Verfügung stehen. Danach bitten wir zu einem Glas Wein, um das Gespräch informell fortzusetzen. Anmeldung: Tel. 89 59 51 0, email: eab@eab-berlin.eu, Bismarckallee 46/48 MOE APRIL/MAI 2013 SEITE 3 APRIL/MAI 2013 MOE- KULTUR. DE Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater • Vortrag 16.04. 18.00 h • CZ L Tschechisches Zentrum Berlin Lesegruppe Literatura Franca Permezza: Partitura di Praga: Commissario Trattonis Sünden-Fall. Der erste Ausflug in die nicht-tschechische Literatur führt uns nach Venedig und Prag: in Venedig wird die Leiche eines tschechischen Pianisten gefunden, der Commissario reist bei seinen Ermittlungen auch nach Prag. Bitte melden Sie sich an, wenn Sie zum Treffen der Gruppe kommen wollen (ccberlin@czech.cz), unsere Treffen finden in deutscher Sprache statt. Wilhelmstraße 44 17.04. 19.00 Uhr • RUM F Rumänisches Kulturinstitut Berlin Film und Diskussion „Bukarest – damals“ Erinnerungen an eine Jugend im Bukarester Stadtteil Cauzasi Auf der Suche nach Spuren der Erinnerung an ihre Kinder- und Jugendzeit reiste die Künstlerin Liane Birnberg gemeinsam mit der Filmemacherin Barbara Kasper nach langer Zeit erstmals wieder nach Bukarest. Der essayistische Erinnerungsfilm „Bukarest- damals“ enthält die von Barbara Kasper filmisch umgesetzten Eindrücke. Königsallee 20 A 18.-21.04. • HU M Collegium Hungaricum Festival Songs unlimited An vier Abenden präsentiert “Songs unlimited” Künstlergespräche und Songs aus den Bereichen experimenteller Pop, Jazz und Neue Musik sowie über diese Sparten hinaus. Dadurch soll der Song als Kunstform jenseits idiomatischer Grenzen in den Fokus gerückt werden. Dorotheenstr. 12 18.-24.04. • PL F Polnisches Institut Berlin FilmPOLSKA Neues Polnisches Kino • Dokumentarfilme • Shorts Retrospektive • Kamerakunst • Workshop • Diskussionen Ist 2013 das Jahr des polnischen Films? Die polnische Filmlandschaft wird auch bei der 8. Ausgabe von filmPOLSKA umfangreich seziert. Nicht umsonst ist es das größte Festival polnischer Filmkunst außerhalb Polens. Über 100 Filme, Gäste, Retrospektiven, Workshops für junge Filmemacher, eine Ausstellung, eine Podiumsdiskussion und vieles mehr bilden das vielfältige Festivalprogramm. Veranstaltungsorte: Hackesche Höfe Kino • Zeughauskino • Kino Arsenal • Kino FSK • Brotfabrik • Club der polnischen Versager • Filmclub K18 • AckerStadtPalast Burgstr. 27 18.04. 18.00 Uhr • SRB L südost Europa Kultur e.V. Lesung Roman “Kornblumenblau: Ein Fall für Milena Lukin” mit den Autoren Christian Schünemann & Jelena Volic Moderation: Hartmut Topf Kornblumenblau - ein Kriminalroman um die Belgraderin Milena Lukin. Als Expertin für Strafrecht wird sie nicht nur in spektakuläre Verbrechen verwickelt, sondern nimmt uns mit in eine faszinierende Stadt im Brennpunkt europäischer Geschichte. Großbeerenstr. 88 MOE APRIL/MAI 2013 SEITE 4 APRIL/MAI 2013 MOE- KULTUR. DE Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater • Vortrag 18.04. 19.00 Uhr • RUS F Kino Krokodil Zum Tod von Aleksej German (20.07.1938-21.02.2013) Straßenkontrolle SU 1971/1986, 98 min, DF R: Aleksej German nach Motiven einer Erzählung von Jurij GermanEin Soldat der Roten Armee desertiert während des Zweiten Weltkrieges, wechselt zu den Deutschen über, schließt sich später aber sowjetischen Partisanen an. Diese bleiben misstrauisch und voller Vorurteile, und erst durch eine außergewöhnlich mutige Tat kann er die Genossen von seiner aufrechten Gesinnung überzeugen, verliert dabei aber sein Leben. Weitere Termine: 20.4.-19 Uhr, 27.4.-18.15 Uhr, 28.4.-18. Uhr Greifenhagener Str. 32 19.04. 19.00 Uhr • MOE F Kino Krokodil Nachspiel GoEast Filmfestival Spielzeuge Litauen 2012, 60 min, OmeU, R: Lina Lulyt Wettbewerb Dokumentarfilm Ein Bataillon von blauen Elefanten, grünen Hasen und weißen Katzen säumen den Zugang zum Bahnhof. Ein Großteil der BewohnerInnen von Schlobin verdient seinen Lebensunterhalt mit der Herstellung und dem Verkauf von Kuscheltieren an vorbeifahrende Passagiere. Allerdings ist es verboten, sich den Zügen zu nähern ... Dieses groteske Spektakel als Ausgangspunkt nehmend, konzentriert sich die Regisseurin Lina Lulyt auf das alltägliche Leben der BewohnerInnen von Schlobin, des von Armut geprägten weißsrussischen Ortes. In Anwesenheit der Regisseurin Greifenhagener Str. 32 19.04. 20.30 Uhr • RUS F Kino Krokodil Nachspiel GoEast Filmfestival Die Himmelsbräute der Wiesen-Mari RUS 2012, 106 min, OmeU R: Aleksej Fedortschenko B: Denis Osokin Wettbewerb Spielfilm Sie glauben an magische Birken und Schamanen und die Weisheit der Natur. Vor allem aber glauben sie an das Leben. Und das mit einem sehr gesunden Appetit auf Sex. Die Frauen, um die sich alles dreht, stammen aus dem Volk der Mari, einer wolga-finnischen Minderheit im Norden Russlands. 22 Episoden, die nur durch den Ort miteinander verbunden sind, erzählen von diesen starken Frauen. Sie sind die Hauptdarstellerinnen in einem heidnischen Schauspiel, das so sinnlich und schräg ist, dass es einem fast den Atem verschlägt. Greifenhagener Str. 32 Rumänisches 19.04. 19.00 Uhr • RUM F Kulturinstitut Berlin Film und Diskussion Ein Jahrhundert für Rumänien Der Dokumentarfilm “Ein Jahrhundert für Rumänien” von Adrian Cioroianu, Historiker und ehemaliger Außenminister deckt 100 Jahre der Geschichte Rumäniens, ein Weg der von zehn nationalen Prioritäten des Jahrhunderts geprägt war. Im Anschluß an die Filmvorführung wird der Historiker Adrian Cioroianu die Präsentation halten. Königsallee 20 A MOE APRIL/MAI 2013 SEITE 5 APRIL/MAI 2013 MOE- KULTUR. DE Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater • Vortrag 20.04. 19.00 Uhr • PL A PIGASUS polish poster gallery Ausstellung „Weltkino im polnischen Plakat“ führt die gleichnamige Ausstellungsreige fort und lädt ein zu einer filmisch-retrospektive Weltreise mit den polnischen Plakaten. In der Exposition, die extra für das filmPOLSKA vorbereitet wurde, finden ca. 40 Plakate aus der Zeit der Volksrepublik Polen Platz. Mit Werken von: Jan Lenica, Eryk Lipinski, Jan Mlodozeniec, Andrzej Pagowski, Franciszek Starowieyski und Waldemar Swierzy. Ausstellungsdauer: 20.04.-19.05. Danziger Str. 52 22.04. 20. Uhr • HU A Collegium Hungaricum Berlin Ausstellungseröffnung Drájfünfzíben – Photo & Video check-out Der Budapester Foto- und Videokünstler Miki357 zeigt zwei Fotoserien: HTC357, bestehend aus einer Auswahl von Bildern, die er in einem Jahr mit seinem Handy fotografierte, sowie seine Porträtserie 13, entstanden zwischen dem 6. und 18. April 2012. Als authentischer Vertreter der ungarischen Underground-Kultur bleibt er seiner künstlerischen Herkunft treu, kann sich aber gegebenenfalls auch davon lösen. Dorotheenstr. 12 24.04. 19.00 h • M BG Bulgarisches Kulturinstitut Klassisches Konzert in unregelmäßigen Rhythmen – Kita Boncheva –Sopran, Ruslana Onischuka – Klavier Auf dem Programm stehen Arien aus beliebten Opern und Operetten von Mozart, Puccini, Verdi, Lehar, Rimsky-Korsakov und bulgarischen Arien und Lieder von Good Christus, Parashkev Hadjiev, Lubomir Pipkov, Gerogi Zlatev - Cherkin. Beginn: 19:00 Uhr Leipziger Straße 114-115 25.04. 19.00 h • RO F Rumänisches Kulturinstitut Berlin CINEMA-TEK RKI BERLIN Secvente/ Sequences, R:Alexandru Tatos, OmeU RKI Berlin präsentiert eine Reihe von 10 Filmvorführungen, die aus einer Auswahl der besten rumänischen Filme aller Zeiten besteht. Das Projekt stellt Werke, von vor und nach der rumänischen Revolution, der größten Regisseuren, wie Tatos, Pintilie, Saucan, Gulea, Danieliuc oder Pita, sowie Dokumentarfilme vor. Der Film „Secvente“ besteht aus drei eigenständigen Teilen: “Telefonul”, “Prospecie” und “Patru palme”, gebunden durch ein Filmteam und durch die Stimmung und die Probleme, die bei einem Filmdreh erscheinen. Königsallee 20 A 25.04. 20.00 Uhr • PL M Club der Polnischen Versager Ackerstrasse ODDLAB: musikalische, experimentelle, elektronische Reihe im CPV Das oddlab ist eine Veranstaltungsreihe, bei der es um Aspekte elektronischer Musik geht...Live- Musik,Patch of the Day, DJ-ing, Sound-Installation, DIY (do it yourself:) Da elektronische Musik längst Mainstream ist, ist es nicht mehr spannend immer die gleichen Presets, Maschinen und Technoprotagonisten zu hören. Selber löten, eigene Sound erstellen und unabhängige kleine Künstler vorstellen steht im Vordergrund, allerdings nicht stalinistisch, es darf auch gerne Ausnahmen von der Regel geben. 168-170 MOE APRIL/MAI 2013 SEITE 6 APRIL/MAI 2013 MOE- KULTUR. DE Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater • Vortrag 25.04.-26.04. • MOE KON Collegium Hungaricum Konferenz Die ostmitteleuropäischen Freiheitsbewegungen 1953-1989 60 Jahre nach dem Volksaufstand in der DDR widmet sich die Konferenz den Freiheitsbestrebungen im ehemaligen Ostblock. Sie versucht Antworten in vergleichender Perspektive zu geben, um die Auseinandersetzung mit der deutschen und ostmitteleuropäischen Geschichte voranzutreiben. Veranstaltungszeitraum: 25.04. (14:15-20 Uhr) 26.04. (09 Uhr–14:45) Anmeldung: dg@deutsche-gesellschaft-ev.de Dorotheenstr. 12 26.04. 19.00 h • PL L Buchbund Gombro in Berlin. Ein Gespräch mit Susanna Fels Moderation: Rüdiger Fuchs Sanderstr. 8 Von 1939 bis 1963 lebte Witold Gombrowicz auf der anderen Erdhalbkugel, fern der Heimat, in Argentinien. Einer der bedeutendsten polnischen Schriftsteller verbrachte die 23,5 Jahre des Exils in überwiegend ärmlichen Verhältnissen. Nicht zuletzt deshalb nahm er das Angebot eines Stipendiums der Ford-Stiftung und der Stadt Berlin an und fuhr mit dem Schiff nach Europa, um den einjährigen Gastaufenthalt anzutreten. Seine Erlebnisse im Westen der geteilten Stadt haben ihren Niederschlag in den „Berliner Notizen“ gefunden, die als eigenständiges Werk erschienen, aber auch in sein berühmtes „Tagebuch“ aufgenommen wurden. Eine feindselige Pressekampagne in der Volksrepublik Polen, Gefühle der Fremdheit, Vorahnungen des Todes und längere Krankheit überschatteten seine Zeit in Berlin. Umso mehr zählten für ihn die Begegnungen und Diskussionen mit jungen Menschen, mit Emigranten und Deutschen, von denen manche zu Freunden wurden. Seine damals engste Vertraute, Helferin und Stütze bei vielen Gelegenheiten, war die Fotografin und Malerin Susanna Fels. Susanna Fels, geboren 1937 in Breslau, verbrachte ihre Kindheit und die Nachrkiegsjahre in Polen, 1956 folgte die Auswanderung nach Westdeutschland, seit 1960 lebt sie in Berlin. Dort zählten sehr bald zahlreiche Protagonisten der künstlerischen Bohème zu ihren Bekannten, u.a. Max Hölzer, Uwe Johnson, Ingeborg Bachmann. Sie arbeitete als Fotografin, Malerin und Multimedia-Künstlerin, ihre Werke wurden in Deutschland, Frankreich und Polen ausgestellt. 26.04. 18.00 Uhr • MOE A ZAK | BRANICKA Rüdiger Fuchs, geboren 1969 in Pasewalk, lebt in Rostock. Autor eines Buches über Gombrowicz („Gombroman“), Verleger und Herausgeber der „Gombrowicz-Blätter“. Im Rahmen des “Gallery Weekend Berlin 2013” Ausstellung „Bilder der Berührung” mit Arbeiten von Valie Export. Der Schwerpunkt liegt auf den Arbeiten der Künstlerin, in denen Berührung und Implikationen von Berührung in Installationen, Zeichnungen, Fotografie, Video und archiviertem Material Ausdruck finden. Als eine Schlüsselfigur der zeitgenössischen Kunst seit den sechziger Jahren hat Valie Export eine wegweisende und entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Performance-Kunst, Feminismus und Aktionskunst sowie konzeptueller Fotografie und Film gespielt. Die Vernissage findet in Anwesenheit der Künstlerin statt. Ausstellungsdauer: 26.4.-15.6. www.zak-branicka.com Lindenstr. 35 MOE APRIL/MAI 2013 SEITE 7 APRIL/MAI 2013 MOE- KULTUR. DE Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater • Vortrag 26.04.-28.04. • DE/PL T schloss bröllin e.V. international art research location Bröllin 3 Im Rahmen von: Kontrapunkt 2013 Programm auf Schloss Bröllin Zum 13. Mal ist Schloss Bröllin ein Schauplatz des grenzüberschreitenden Teils von Kontrapunkt. Diesmal mit Szenischen Fragmenten aus den Produktionen des Residenzprogramms: bigNotwendigkeit Spitfire Company und Lumpenbrüder.Ausserdem präsentiert Janek Turkowski (PL) die Performance Margarete und The Working Party (D/PL) die erste Austellung des Langzeitprojekts “Flüchtige Erinnerungen” Freitag, 26.: Programm von 17:30 Uhr (Eröffnung) bis ca. 21:30 Uhr Samstag, 27.: Programm von 19:00 Uhr bis ca. 22:30 Uhr Sonntag, 28.: Symposium “Stücke – Fragmenty – Pieces of Identity: neue Formen erzählerischen Theaters” von 9:30 Uhr bis 16:00 Uhr 27.04. 22.00 Uhr • RUS M Kaffee Burger GmbH Torstraße 60 Kaffee Burger - Party: RUSSENDISKO mit Kaminer & Gurzhy Anschl. ab 4 Uhr GÖTTERDÄMMERUNG mit DJ Christian F. (Indie, Pop & Rock) 28.04. 16.00 Uhr • MOE DIS Collegium Hungaricum Gallery Weekend Wie sammelt und zeigt man Videokunst? Videokunst ist nach wie vor ein anspruchsvolles Medium für Sammler und Kunstliebhaber. MOMENTUM und das .CHB eröffnen daher anlässlich des Gallery Weekends die Diskussion zu der Fragestellung, weshalb es noch immer ein Respekt einflößendes Unterfangen ist, Videokunst zu sammeln und warum der kommerzielle Wert der sogenannten time-based media ihrer Bedeutung noch nicht gerecht werden kann. Weitere Informationen: www.momentumworldwide.org | www.balticcontemporary.org Dorotheenstr. 12 30.04. 19.15 Uhr • DDR F Kino Krokodil In 100 Filmen durch das Jahrhundert Vorwärts die Zeit oder Ernst Busch DDR 1967, s/w, 37 min R: Karl Gass “Vorwärts die Zeit” porträtiert Ernst Busch bei der Aufzeichnung seines Albums „Roter Oktober“. Der Sänger erzählt dabei nicht nur von seinen Treffen mit Majakowskij, Tretjakow und Lunatscharskij im Berlin der 1920er Jahre, sondern auch aus seiner Moskauer Zeit. Besonders lebendig wirkt der Film immer dann, wenn er den ungeduldigen, temperamentvollen Busch bei seiner Arbeit mit dem Orchester zeigt. www.kinokrokodil.de Greifenhagener Str. 32 06.05. 20.00h • RUS M Konzerthaus Berlin Kleiner Saal Berlin-Debüt: Evgeny Starodubtsev Klavierabend mit dem Preisträger der Honens International Piano Competiton 2009: „Ein volkommener, ein forschender Künstler“ (New York Times) Johann Sebastian Bach Vier Toccaten für Klavier Pierre Boulez „Notations“ György Ligeti Études pour piano (Deuxième livre) www.konzerthaus.de Gendarmenmarkt 2 MOE APRIL/MAI 2013 SEITE 8 APRIL/MAI 2013 MOE- KULTUR. DE Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater • Vortrag 08-05-10.05. • PL Th Berliner Festspiele Julia Holewinska am Stückemarkt Theatertreffen Jedes Jahr im Mai versammelt das bedeutendste deutsche Theaterfestival Theaterschaffende, Journalisten und Gäste aus der ganzen Welt in Berlin. Herzstück des Theatertreffens sind die zehn „bemerkenswertesten Inszenierungen“, die alljährlich von einer unabhängigen Kritikerjury aus rund 400 Aufführungen der Saison ausgewählt werden. Die drei Säulen Publikumsfestival, Fachmesse und Campus prägen das Gipfeltreffen des deutschsprachigen Theaters. Diskussionen mit Gästen aus Kultur, Politik und Wirtschaft stellen Bezüge zwischen Theater und aktuellen gesellschaftspolitischen Themen her. Der Spielplan und weitere Informationen: www.berlinerfestspiele.de/theatertreffen Schaperstraße 24 14.05. 19.30 h • PL F Kino Arsenal kinoPOLSKA im Arsenal Galerianki /Shopping Girls PL 2009, R: Katarzyna Roslaniec; 108 min; OmdU; M: O.S.T.R.; D: Anna Kaczmarczyk, Dagmara Krasowska, Dominika Gwit An sich kann man den zahllosen Einkaufszentren nichts vorwerfen. Sie sind bunt, drinnen ist es warm, man fühlt sich geborgen und sicher. Für Milena und ihre Freundinnen sind die Einkaufsoasen jedoch ein Jagdrevier. Ihre Beute sind ältere Männer, die Tauschwaren sind Sex gegen Kosmetika und modische Kleidung. Galerianki/Shopping Girls erzählt die Geschichte eines Mädchens, das in das „Tauschgeschäft“ einsteigt. Der Debütfilm von Katarzyna Roslaniec nimmt mit schonungsloser „Frische” das Thema der jugendlichen Prostitution auf. Ein Problem, das nicht nur in Polen oft unter den Tisch gekehrt wird. Im Anschluss das Gespräch mit Katarzyna Roslaniec Potsdamer Str. 2 15.05. 19.30 h • PL F Kino Arsenal Egoisci / Egoisten PL 2001; R: Mariusz Trelinski; OmeU; D: Magdalena Cielecka, Olaf Lubaszenko, Jan Frycz, Rafal Mohr, Agnieszka Dygant, Violetta Kolakowska, Marek Zeranski u.a. Der Film bildet das Warschauer “Dolce Vita” ab, eine Stadt, wo der Rubel rollt, der Erfolg lockt und jeder seine Chance wittert. Die Helden sind jung, schön und reich. Moral ist für sie ein Fremdwort. Was zählt, ist eine falsch verstandene Freiheit, die mit schnellem Sex und vielen Drogen lockt. Treli?ski selbst nennt seinen Film eine Erzählung über „eine Provinzstadt auf der Route zwischen Berlin und Moskau, wo man einen Zwischenhalt einlegt, um einen Hotdog zu verzehren und billigen Sex zu haben. Gier, Snobismus, Beliebigkeit und Zweitrangigkeit zeichnen diese Stadt aus, wo ich zu leben habe, wo ich geboren wurde. Aus dieser Mischung sind die „Egoisten“ entstanden.“ Ein spannendes Kino des polnischen Fin de siècle. Mariusz Trelinski ist einer der größten Talente des polnischen Kinos, der dem Filmgeschäft den Rücken gekehrt hat und sein Leben der Oper verschieben hat. Sein erster Kinofilm Pozegnanie jesieni (Der Abschied vom Herbst, 1990) wurde bei den Internationalen Filmfestspielen in Venedig gefeiert. Seine Verfilmung der Erzählung „Die Sanfte” von Fiodor Dostojewski (1995) gehört zu den schönsten Bildern des polnischen Kinos. Egoisci war sein dritter und letzter Spielfilm. Mariusz Trelinski ist seit 2008 künstlerischer Leiter der Nationaloper in Warschau Potsdamer Str. 2 MOE APRIL/MAI 2013 SEITE 9 APRIL/MAI 2013 MOE- KULTUR. DE NOTABENE Kalenderblatt MAI 3. Mai: Nationalfeiertag Polen Tag der Verfassung vom 3. Mai Die Verfassung wurde am 3. Mai 1791 in Warschau verabschiedet. Sie ist die erste demokratische Verfassung in Europa und zweite in der Welt (nach den USA ). 9. Mai: Tag des Sieges über das Nazideutschland (1945)/Russland 9. Mai: Tag der Befreiuung/ Tschechische Republik (gesetzlicher Feiertag) 30. Mai: Tag der Republik / Kroatien >> Aufgepasst!!!! 15.4., 19. Uhr Gespräch Wie die Medien berichten, sind die von der EU vermittelten Gespräche zwischen Serbien und Kosovo ohne Erfolg beendet worden. - Gibt es doch noch eine Lösung? - Was bedeutet das für die Entwicklung der beiden Länder? Ein Gespräch mit dem Außenminister des Kosovo, Dr. Enver Hoxhaj Ort: Europäische Akademie Berlin www.eab-berlin.eu bis 19.04. Kunstaktion/ Posen Invasion der Barbaren. Das andere Festival Die Wanderboje von/mit den Künstlern Anne Peschken, Marek Pisarsky (Urban Art) 10.5., 20 Uhr Berlin Filmreportage über die Kunstaktion in Posen Ort: Club der polnischen Versager Dots, Lines & Me und Moskau Pawel Zawislak im Gespräch mit Marcin Rozyc Pawel Zawislaks Künstlername ist keiner von der üblichen Sorte: „kropki kreski”, also einfach Linien und Punkte, doch sein Portfolio ist alles andere als einfältig. Farbe, Form, Technik, Medium – die Arbeiten scheinen nicht nur in der Ausführung, sondern auch in der Themenwahl keine Grenzen zu kennen. Ob in Mode- und Zeitgeist-Magazinen wie Exklusiv, Vice , Viva!, Gala Men oder bei Kooperationen mit renommierten Marken oder Designern wie Converse, Orska oder Polygon, erfüllt jede Zeichnung einen anderen Zweck, ohne die künstlerische Autarkie einzubüssen. Pawel Zawislak (geb. 1983 in Warschau) studierte an der Kunstakademie in Wroclaw. Er arbeitete für diverse renommierte Konzerne unterschiedlicher Branchen, u.a. H&M und kooperierte häufig mit freien Designern in Moskau, Prag, Budapest. Marcin Rozyc: Gibt es Bereiche, die Dich bei der Arbeit besonders inspirieren? Zum Beispiel Träume oder das Unterbewusstsein? Pawel Zawislak: Träume sind es sicherlich nicht, weil ich keine habe oder mich zumindest an keine erinnern kann. Ich schöpfe eher aus Erfahrungen und dem, was im Leben pas MOE APRIL/MAI 2013 siert. Aber auch Beobachtungen sind hilfreich. Ich arbeite generell in zwei Richtungen: Einerseits kommerzielle Arbeiten, also Illustrationen für Zeitungen, Entwürfe für Bekleidungsunternehmen und andererseits künstlerische Arbeiten, wobei ich hier überwiegend mit Emotionen spiele. „Allegorie der Vergänglichkeit der Welt” – Eine Fliege und Katzen beugen sich über Geld, Schmuck und verfaultes Obst. Diese Arbeit erinnert sehr stark an Vanitätsmotive. Sie entstand durch Beobachtung dessen, was mich in Moskau umgibt. Also sinnfreier Konsum, Geld, Sex, Prostitution. Meine Kunst ist eine Ansammlung von Gedanken, Gefühlen, Erfahrungen und gleichzeitig eine Analyse dessen, was mich umgibt. Kunst zu machen bedeutet, seine Gefühle auszudrücken. Manchmal habe ich den Eindruck, dass meine Arbeiten entstehen, bevor etwas passiert. Eine Art Vorahnung oder Prophezeiung... Die Arbeit „Everything that shines must die” habe ich kurz vor Anna Przybyszs Tod begonnen. < Anna Maria Przybysz hochbegabte, renommierte polnische Graphikerin, die nur mit 26 Jahren tragisch ums Leben gekommen ist in Folge der Vergiftung durch Kohlemmonoxid.> Vor kurzem wollte ich etwas zum Thema Bestattung machen, als würde ich ahnen, was mit meiner Mutter geschieht. Das ist sehr seltsam… Zeichnest Du Männer, mit denen Du gerne ins Bett gehen würdest? In meiner Kunst gibt es durchaus Fetisch-Elemente. Ist doch klar, dass ich keine schlanken Jungs male. Warum nicht? Weil ich einen anderen Fetisch habe. Warum magst Du Moskau nicht? Moskau ist ein ganz besonderer Ort und hat mit Europa fast nichts gemeinsam. Moskau ist ein eklektisches Sammelsurium der schönsten und schlimmsten Dinge, die in der modernen Welt vorkommen können. Ein Mann ohne Arme und Beine bettelt hier auf der Straße neben einem Prada-Laden. Diese Umgebung wirkt sich auf die Mentalität der Moskauer aus. Die Menschen leben hier ausschließlich für sich selbst, andere interessieren sie nicht. Sind denn die Menschen in Warschau, London oder Hamburg sind einfühlsamer und hilfreicher? Ich denke schon. Ein gewöhnliches Beispiel: Wenn Du etwas auf der Straße verlierst, wird Dich in Europa sicherlich jemand darauf ansprechen oder es gar aufheben und es Dir SEITE 10 MOE- KULTUR. DE APRIL/MAI 2013 NOTABENE geben. In Moskau interessiert es niemanden. Selten hört man auf der Straße das Wort „Entschuldigung“. Stattdessen höre ich überall nur: „Russland ist stark!“ Hier muss man stark sein. Ein russischer Mann muss einen Bauch haben und eine Familie ernähren und er muss heterosexuell sein oder zumindest so tun. Andererseits gibt es hier wundervolle Architektur. Ich liebe natürlich die Skulpturen in der UBahn, sie sind stark überzeichnet und sollen die Macht und die Größe des Imperiums symbolisieren. Es gibt hier auch tolle Ausstellungen. Dank Moskau fühle ich mich stärker und selbstbewusster. Ich weiß, dass ich zurechtkomme und auch in schwierigen Situationen immer eine Lösung finde, es hat immer schon funktioniert und auch jetzt ist es so. Früher war ich viel verschlossener, ich war totaler Soziopath. Jetzt kann ich ganz ungezwungen Menschen treffen und mit ihnen reden. Das hat mich viel Überwindung gekostet. Jetzt weiß ich aber, dass man von anderen Menschen sehr viel lernen kann. Ich bin immer noch neugierig auf ihre Emotionen, ihre Lebensgeschichten und die Gespräche. Wo wohnst Du in Moskau? In der siebenten Etage in einer Plattenbausiedlung. 20 bis 30 Minuten U-Bahnfahrt von der Innenstadt entfernt. In der Nähe der Station Rechnoy Vokzal. Hier gibt es Plattenbauten und sowohl legale wie auch illegale Einwanderer. Es soll eine sehr gefährliche Gegend sein, mich stört das aber gar nicht. Magst Du diese Atmosphäre? Sie ist inspirierend. In Wroclaw wohnte ich in einem Wohnhaus aus der Vorkriegszeit mit Einschusslöchern in der Fassade und vielen Zigeunern als Nachbarn. In Moskau lebe ich neben Tadschiken, Usbeken und armen Russen. Nachbarn in meinem Alter tragen Jogging-Hosen, spielen Hockey, interessieren sich für Fußball, manchmal für S p e e d way und tragen Siegelringe. Ein Siegelring mit Edelsteinen wird in absehbarer Zeit sicherlich in einer meiner Arbeiten auftauchen. Er wird Stärke, Macht, Geld aber auch Peinlichkeit symbolisieren. Gibt es in Moskau Cafés, Galerien oder Gassen die Du besonders magst? Ich reise permanent durch Russland und besuche Städte, die in verschiedenen Ze i t zonen liegen. Krasnodar, Wolgograd, Woronesch, Rostow, St. Petersburg sind nur einige davon. Ich arbeite 12-13 Stunden am Tag. Wenn ich manchmal schnell nach Hause will und ein Taxi vom Flughafen nehme, dauert das bis zu 2 Stunden. Man kann nicht wirklich voraussehen, was hier passieren kann. Es gibt Momente, in denen ich alleine in Städten bin, die ich nicht kenne, ich sehe Flughäfen, die am Rande des Zusammenbruchs sind, dann eine Reihe von Schornsteinen, Einkaufszentren und Hotels. Diese Reisen nehmen mich sehr mit. Ich versuche jedoch, innere Ruhe zu bewahren. Dank dessen bin ich stärker und selbstbewusster. Problematisch ist es auch wenn ich konkrete Abgabetermine einhalten muss, daher habe ich gelernt, überall zu arbeiten. Ich bin nicht in der Lage zu beurteilen, wie mein Tag verlaufen wird, zeichne also in der U-Bahn oder in der Straßenbahn. Zeit ist für mich sehr wertvoll. Wenn Du in der U-Bahn zeichnest, beobachten Dich die Menschen? Sprechen sie Dich auch an? Nein, hier redet man nicht mit anderen Menschen. Du bist in Dzierzoniów aufgewachsen. Niederschlesien ist eine faszinierende Region, auch wegen der großen Dichte an Kunst und Kulturdenkmälern, die sich so sehr von denen im restlichen Polen unterscheiden. Es ist ehemals deutsche Architektur und Kunst. Hatte das Einfluss auf Deine MOE APRIL/MAI 2013 Entwicklung? Mehr als die Architektur beeinflussten mich als Kind die Besuche bei meinem Großvater in Uciechów nahe Dzierzoniów. Als ich Kind war, faszinierten mich handgemachte Werkzeuge. Mein Großvater fertigte landwirtschaftliche Geräte, Mützen, Gürtel und sogar Schuhe. Mich interessierten auch die volkstümlichen Heiligenbilder die bei meinem Großvater hingen und die nachkolorierten, unvollkommenen Fotografien. Interessiert Dich die tragische Geschichte Niederschlesiens, von wo fast die gesamte Bevölkerung brutal vertrieben und ein anderes ebenso brutal vertriebenes Volk angesiedelt wurde? Faszinierend ist auch die Tatsache, dass es kurz nach dem Krieg eine große Ansiedlung überlebender Juden in Dzierzoniów gab. Beeinflusste das irgendwie Dich oder Deine Kunst? Ich habe mal erfahren, dass mein Großvater während des Krieges Juden versteckte. Sie lebten bei ihm im Schuppen unter der Erde. Doch viel faszinierender finde ich die Gegenwart und die reale Umgebung. Nach Wroclaw bist Du zum Studium gekommen? Nach der Oberschule wollte ich eigentlich Modedesign in Lódz studieren, aber Lódz war dann doch etwas zu weit weg, also entschied ich mich für Wroclaw. Zunächst kam ich an die Berufsschule für Bauwesen – furchtbare Erfahrung – dann entschied ich mich für die Kunstakademie und studierte in Abendkursen Design. Um mir mein Studium zu finanzieren, pflückte ich in Deutschland Kartoffeln, Preiselbeeren und Mais. So finanzierte ich mir mein erstes und zweites Studienjahr. Dann arbeitete ich bei H&M, bekam ein Wissenschaftsstipendium und dann ein Ministeriumsstipendium. Haben Dich die Kunst und Kultur von Wroclaw beeinflusst? Sicherlich hat mich die Sammlung des Nationalmuseums beeinflusst. Darunter Jacek Malczewski <1854-1929, polnischer maler des Modernismus und Symbolismus>. Schöne, verdammt gut ausgeführte Arbeiten, handwerklich herausragend und voller Symbole. Da sind die Realität, das Leben, der Tod… alles! Ich bewundere auch Eugeniusz Get Stankiewicz < 1942-2011, Graphiker und Bildhauer> und sein Werk „Do it Yourself“ mit dem Kreuz, einem Christus an der Seite, drei Nägeln und einem Hammer. Eine Version des Objektes ist im Nationalmuseum zu sehen, eine andere an einer Fassade in der Altstadt von Wroclaw. Du zeichnest oft Vögel. Ist das ein Art Vogel-Faszination? Mein Elternhaus stand direkt am Waldrand. Vögel, Rehe und die Natur spielten in meinem Leben immer schon eine große Rolle. Die Arbeit, in der Papageien eine Taube angreifen war eine Auftragsarbeit für das Kinderlabel CzesioCiuch. Darin geht es um Zurückweisung aus der Gruppe und um langwieriges Mobbing von Kindern, in der Schule oder auf dem Spielplatz. Was ist die perfekte Traumstadt in der Du gerne leben würdest? Aus beruflichen Gründen sicherlich New York, aber am liebsten wäre ich mit meinem Partner, mit Hunden und Katzen in Dzierzoniów. Hast Du keine Angst vor der Engstirnigkeit Kleinstädten? Nein. Ich bin der Großstädte überdrüssig. von SEITE 11 APRIL/MAI 2013 MOE- KULTUR. DE NOTABENE Du machst Kunst und lebst in Moskau, einer seltsamen und verdammt interessanten Stadt. Du reist durch ganz Russland. Arbeitest für H&M, eine der wichtigsten Modeketten weltweit. Beruflich bist Du sehr erfolgreich. Ich habe mich nie als Erfolgsmensch gesehen. Ich versuche immer das Beste zu geben, sowohl als Kropki Kreski als auch in meiner Arbeit für H&M. Ich arbeite gerne in verschiedenen Bereichen gleichzeitig, das erweitert meine Wahrnehmung. Die Arbeit bei einem Unternehmen erfordert eine gewisse Unterordnung. Hier gibt es strenge Regeln und die Absatzzahlen sind sehr wichtig. Es ist zuweilen schwierig, sich unterzuordnen. Doch ich finde immer einen Kompromiss. Außerdem lässt mir das Unternehmen kreative Freiheit. Ich kann mir Stifte und Farben leisten. Muss niemanden um etwas bitten, muss keine Käufer suchen und muss nicht auf Überweisungen von Kunden warten. Ich habe hart dafür gearbeitet. Hast Du dirty pleasures? Du kannst doch nicht ständig arbeiten? Ich liebe Schuhe. Ich kann ein T-Shirt für 20 Zloty tragen, muss aber gute Schuhe haben. Welche Marken? Derzeit liebe ich zum Beispiel meine Camper von Bernhard Willhelm. Den Linken habe ich mir selbst gekauft, den Rechten bekam ich von meinem Partner. Ich kann aber nicht glauben, dass es in Moskau keine Enklaven gibt, in denen es wie in den netten, angesagten Gegenden von Paris oder New York zugeht. Vermutlich gibt es solche Orte, ich habe sie aber noch nicht gefunden. Bislang kenne ich Orte, wo sich Künstler treffen. Da ist es allerdings unglaublich posch und show off, mich macht das nicht an. Hier hängt sogar der Status in alternativen Künstlerkreisen davon ab, wie viel Geld man hat. Da reicht es nicht, wenn man zwei coole Paar New Balance Schuhe hat, man muss Dutzende aus limitierten Serien davon haben. Aber Du verdienst sicherlich nicht wenig, also wo ist das Problem? Ich spare für das Studium. Außerdem ist das nicht meine Lebensart. Welches Ziel verfolgst Du mit Deiner Kunst? Ich will, dass sie zum Denken anregt und so bewegt, wie die Werke von Malczewski. Ich wünsche mir, dass meine Arbeiten ähnliche Gefühle hervorrufen. Ich hänge nicht an meinen Arbeiten. Sobald etwas fertig ist, kann ich es weggeben und es kann ein Eigenleben entwickeln und andere erfreuen. Nach der Fertigstellung ist jede Arbeit frei. Auch wenn die Liebe für immer bleibt, die Beziehung ist beendet. Aus dem Polnischen von Marcin Zastrozny Das Gespräch wurde veröffentlicht in Zusammenhang mit der Ausstellung im Polnischen Kulturinstitut Berlin: Dots, Lines & Me – Pawel Zawislak, noch bis 16.5. MOE stellt eine leicht gekürzte Fassung vor. MOE APRIL/MAI 2013 Lesetipp Unsere Partner: www.oezb-verlag.de In Geiselhaft genommen Michael Kleineidam Die Universität Potsdam und die FU Berlin waren im Rahmen eines gemeinsamen Seminars mit ihrer Diskussionsreihe „Grenzen der Übersetzbarkeit” nach Berlin-Neukölln in die Räume des buch- bund gekommen und hatten zu einer dritten Debatte die polnische Autorin Bozena Keff und ihren deutschen Übersetzer Michael Zgodzay geladen. Es ging um Bozena Keffs Buch „Ein Stück über Mutter und Vaterland“ (Utwor o matce i ojczyznie), das in der polnischen Presse als eines der außergewöhnlichsten und wichtigsten literarischen Werke der letzten Jahre bezeichnet wird und für den NIKE-Literaturpreis 2009 nominiert war. Es ist unmöglich, den Text irgendeiner Literaturgattung zuzuordnen. Als Prosa-Gedicht, Textfragment in Versen und zeitgenössische Satire, als antikes Drama bis hin zu Oper und Oratorium wird er bezeichnet. Kurz: er ist literarische Regellosigkeit. Das Buch erzählt verteilt auf viele Stimmen eine Mutter-To c h t e r-Geschichte als einen Konflikt ohne Ausweg. Die Mutter, die den Krieg und nach der Flucht aus Lemberg den Holocaust in der Sowjetunion überlebte, ist gefangen in ihrer Leidensgeschichte und nimmt ihre Tochter als Geisel ihres erlittenen Schicksals. Die Geschichte über Hunger, Verfolgung, und Vernichtung muss ihr nicht durch Fragen entlockt werden, sie überschüttet die Tochter mit ihrem gebetsmühlenhaften, nicht enden wollenden Klagelied derart, dass diese nichts mehr davon hören will und kann. Selbst Opfer macht sie ihrerseits die Tochter zum Opfer. Diese rebelliert und wehrt sich durch Verachtung und Hass. Keff belässt es jedoch nicht bei der Darstellung des persönlichen Mutter-Tochter-Konflikts, sondern verallgemeinert ihn durch Einbettung in patriarchale Gewaltstrukturen mit antisemitischen und populär-ordinären Ke n n zeichen. Damit begeht sie ein gleich doppeltes Sakrileg: das an einem geheiligten Mutterbild und das am mythischen Vaterland. Bozena Keff, Dichterin, Literaturwissenschaftlerin, Filmkritikerin, Publizistin und Dozentin für Gender Studies an der Warschauer Universität, heißt auch Bozena Uminska oder seit einigen Jahren Uminska-Keff. Der Name des Vaters, dem es zu Beginn der Volksrepublik Polens von der Armee wärmstens anempfohlen wurde, den jüdischen Namen Keff gegen einen polnischen zu tauschen, wurde zum Namen der Dichterin, als Literaturwissenschaftlerin nennt sie sich Uminska, als Publizistin und Essayistin Uminska-Keff. Die Autorin räumt ein, dass „Ein Stück über Mutter und Vaterland“ biografische Züge trägt. Aus Keffs Äußerungen im buch-bund waren die erlittenen Verletzun- SEITE 12 APRIL/MAI 2013 MOE- KULTUR. DE NOTABENE gen noch deutlich herauszuhören, insbesondere auch die durch antisemitische Anfeindungen in Vergangenheit und Gegenwart. Als eine Multimedia-Produktion brachte Marcin Liber den Text im März 2010 zur Uraufführung auf die Bühne des Teatr Wspolczesny in Szczecin (Stettin), knapp ein Jahr später inszeniere ihn Jan Klata für das Teatr Polski in Wroclaw (Breslau). Klata lässt die Tochter-Mutter-Konstellationen paarweise von fünf Frauen und einem Mann in Frauen-Kleidern spielen, wobei sich im Verlauf des Stückes die Rollenverteilungen auch umkehren. Die bildmächtige Inszenierung steckt voller musikalischer und choreografischer Einfälle, die von den Akteuren als SängerInnen und TänzerInnen hinreißend perfekt umgesetzt werden. Das Spektrum der Musik reicht von barocken Chorälen und Wagner bis hin zu Beat und afrikanischen Rhythmen, die literarischen Anspielungen schlagen einen Bogen von matriarchalischen Urmythen und der griechischen Kora-Persephone zu Tolkiens Hobbits, Lara Croft und Ridley Scott. Klata erschafft Bilder, die lange im Gedächtnis haften bleiben, etwa wenn er zwei Darstellerinnen mit ihren Zöpfen wie mit einer Nabelschnur aneinander kettet, was jeden Versuch des Entkommens von vorneherein scheitern lässt. Das Bühnenbild (Justine Lagowski) besteht vor allem aus vier großen, drehbaren Blechkästen, die als Wohnung, Gartenlaube, Versteck, Durchgang oder als Garderobe zum Umziehen dienen. Sie lassen sich aber auch als Gefängnisse deuten, aus denen es für Mutter und Tochter kein Entkommen gibt. Keffs „Ein Stück über Mutter und Vaterland“ war auch Inspiration für die Ausstellung „Meine Mutter ist nicht göttlich (Moja matka nie jest boska)“ in der Krakauer Galerie für Moderne Kunst Bunkier Sztuki (Kunst-Bunker), in der sechs junge Künstlerinnen Installationen zeigten, die die Tochter-Mutter-Beziehung zum Thema haben. Das Buch, die Aufführungen und die Ausstellung sind gute Beispiele dafür, wie sich in den letzten Jahren das kulturelle Interesse in Polen der Zeit der deutschen Besetzung, dem Holocaust, dem Antisemitismus und der Wirkungsmacht der Geschichte auf die Gegenwart zuwendet. Literaturhinweis: > Bozena Keff, Ein Stück über Mutter und Vaterland; aus dem Polnischen von Michael Zgodzay, Leipzig 2010 Die Judenstadt von Lublin von Majer Balaban Michael Kleineidam Der gebürtige Lemberger Majer Balaban gilt als Begründer der modernen Geschichtsschreibung der polnischen Juden und als erster Geschichtswissenschaftler, der sowohl jüdische als auch christliche und polnische Quellen auswertete und für seine Arbeit verwendete. Er lehrte ab 1928 an der Warschauer Universität jüdische Geschichte und war Mitbegründer des Instituts für jüdische Studien in Warschau. Als er während des Ersten Weltkrieges als Rabbiner in der österreichischen Armee nach Lublin kam, war er bereits als Historiker anerkannt. In seiner knapp bemessenen Freizeit begann er, Materialien zur Geschichte der Juden in Lublin zu sammeln. Zusammen mit dem deutschen Architekten MOE APRIL/MAI 2013 Richard Henker, der neunundfünfzig Zeichnungen beisteuerte, entstand das Buch „Die Judenstadt in Lublin“, das 1919 von der jüdischen Gemeinde in Berlin im „Jüdischer Verlag“ herausgegeben wurde. Im vergangenen Jahr erschien in enger Zusammenarbeit zwischen der Freien Universität Berlin und der Maria Curie-Sklodowska Universität Lublin ein Nachdruck dieser Ausgabe in deutscher und polnischer Sprache. Auf Polnisch (Zydowskie miasto w Lublinie) war der Text erstmals 1991 in Lublin von dem gerade in einem alten Stadttor gegründeten kleinen Theater, dem „Brama Grodzka- Teatr- NN“, in der Übersetzung von John Doktor veröffentlicht worden. Doktor hat eigens für den jetzigen Nachdruck seine damalige Übersetzung überarbeitet. Bei der Vorstellung des Buches im Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften (PAN) erläuterten die Initiatoren des Projektes, die Litera t u r h i s t o r i ker Hartmut Eggert aus Berlin und Janusz Golec aus Lublin, sowie der Historiker und Slawist Michael G. Müller von der Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg die historischen und literarischen Hintergründe des Buches. Lublin war sechs Jahrhunderte lang ein Ort, an dem Sprachen, Traditionen und Religionen zusammentrafen. In Anbetracht der Vielfalt ihrer Bewohner galt diese Stadt bereits in der Neuzeit als Hauptstadt der Kulturen. Einer der wichtigsten Momente in der Geschichte des Ortes war das Auftreten der jüdischen Gemeinde im 15. Jahrhundert. Die folgenden Jahrhunderte prägte sie das Lubliner Leben. Das J u d e nviertel, welches das mittelalterliche Schloss umschloss, wurde das „Gelehrtenviertel“ genannt, war jedoch auch eines der wirtschaftlichen Mittelpunkte der Stadt. Heute sind von diesem kulturellen und wirtschaftlichen Reichtum nur noch wenige Spuren aufzufinden. Die Erinnerung daran wach zuhalten und das wenig Verbliebene aufzubewahren, war Ziel des Buchprojektes. Die diesjährige Vortragsreihe „Geschichte im öffentlichen Raum“ im Rahmen des Klaus Zernack Colloquiums bei PAN hat sich zur Aufgabe gestellt, die Möglichkeiten einer solchen Repräsentation der Vergangenheit im öffentlichen Raum aus zu loten und zur Diskussion zu stellen. Die Vortragsreihe findet in Zusammenarbeit mit dem Centrum Judaicum Berlin statt. Literaturhinweis: > Der Reprint von Majer Balaban, Die Judenstadt von Lublin, kann exklusiv in Schleichers Buchhandlung in Berlin, Dahlem-Dorf erworben werden (oder per Mail: info@schleichersbuch.de oder telefonisch unter 030- 841 902 0) Antisemitismus in Südosteuropa Die Südosteuropäischen Hefte, die dritte Ausgabe setzt sich mit dem Thema des „Antisemitismus in Südosteuropa“. Die vielfältigen Formen der Judenfeindschaft, die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts unter dem Begriff Antisemitismus subsumiert werden, sind seit Jahrzehnten Gegenstand der Forschung. Antisemitismus in Südosteuropa, seine Bedeutung und Intensität im politischen und sozialen Raum sind aber weitgehend unberücksichtigt geblieben. Antisemitisches Denken und Handeln waren und sind nicht immer sofort greifbar. Dies gilt gerade für weite Teile der SEITE 13 APRIL/MAI 2013 MOE- KULTUR. DE NOTABENE südosteuropäischen Gesellschaften, wo weder eine ausgeprägte politische noch soziale Sensibilität für die Wirkmacht des Antisemitismus vorhanden ist. So wird Antisemitismus oftmals ausschließlich als Teil der jüdischen Geschichte betrachtet. Dabei war und ist Antisemitismus ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, das sich allerdings in seinen Auswirkungen in die jüdische Geschichte einschreibt. Umso wichtiger erscheint es uns, Themenfelder zu beleuchten, in denen sich Judenfeindschaft „nebenbei“ manifestiert hatte. So stellen sich etwa Fragen nach der Bedeutung des Antisemitismus in den Diskursen um Nationalitäten und Minderheiten, um Ausgrenzung und Identität seit dem 19. Jahrhundert bis heute. Zu bedenken wäre der Stellenwert, den die Judenfeindschaft in der Literatur, in der Frauenbewegung, im Sozialismus, in der Positionierung zum Staat Israel oder gar im jugoslawischen Zerfallsprozess der 1990er Jahre hatte. > Informationen: h t t p : / / s u e d o s t e u r o p a e i s c h e - h e f t e . o r g / m a n u s k r i p t r i c h t l inien/ > Aus dem Serbokroatischen: György Spiró: Der Verruf Das Thema des Romans ist die alles beherrschende Atmosphäre von Argwohn und Verdacht in Ungarn, im Jahr des Aufstands von 1956. Spirós „Antiheld“, der Ingenieur Gyula Fátray, ist ein „kleiner Mann“, der die entscheidenden Wochen des Aufstandes und des darauf folgenden Rachefeldzugs im Krankenhaus verbringen muss. Er ist weder Täter noch Opfer, dennoch gerät er mit Frau und Kind in eine lebensgefährliche Situation. Eine unheimliche und kafkaeske Geschichte... Der 1946 geborene Roman- und Hörspielautor, Lyriker, Theatermacher und Kritiker György Spiró gilt als einer der wichtigsten ungarischen Autoren und ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden. Sieben Romane hat er bisher geschrieben. Mit „Der Verruf“ ist nun erstmals einer davon auf Deutsch erschienen. Erschienen: www.nischenverlag.at Radmila Lazic: Das Herz zwischen den Zähnen Mit schockierender Direktheit artikuliert Radmila Lazic Dinge, über die man gewöhnlich schweigt, und gilt als “die einzige Katze in der serbischen Poesie, die kratzen kann”. Leipziger Literaturverlag www.l-lv.de Bestellungen: post@l-lv.de Milos Crnjanski: Iris Berlina 1928 war Crnjanski Ku l t u rattaché in Berlin. Seine Beobachtungen sind gerade für das deutschspra c h i g e Publikum von herausragendem Interesse. Crnjanski gibt nicht nur seine Eindrücke, sondern auch seine Vermutungen und Zweifel wieder, und einiges dabei erwies sich geradezu prophetisch. Robert Hodel (Hg.): Hundert Gramm Seele Die Anthologie stellt zum ersten Mal die Generation der zwischen 1940 und 1960 geborenen serbischen Dichter vor. Ihre Vielstimmigkeit ermöglicht eine facettenreiche Innenperspektive auf ein Land, das in den letzten beiden Jahrzehnten vor allem von außen wahrgenommen wurde. Ana Djokic: Rezepte fürs Glück Ein Roman über junge und nicht mehr ganz so junge Frauen, die in Serbien lernen müssen, mit Vorurteilen umzugehen. Das Portrait der Frauen ist vor dem Hintergrund der NATO-Intervention in Belgrad realistisch dargestellt. Verica Trickovic: Als rettete mich das Wort Die versammelten Gedichte sind Ausdruck des Versuchs, nach der Emigration aus Jugoslawien nach Deutschland das Sprechen neu zu lernen. - Aus dem Russischen: Anna Achmatowa: Unserer Nichtbegegnung denkend Mit dem vorliegenden Band wurde eine Auswahl aus fünf Schaffensjahrzehnten der Dichterin getroffen, die den Zeitgeist der jeweiligen Jahre wiedergibt. Die Grundstimmung dieser Ausgabe bleibt trotz widrigster Lebensumstände positiv und macht Mut, nach vorn zu schauen. Marina Zwetajewa: Mit diesem Unmaß im Maß der Welt Leidenschaft und Eifersucht, Heimweh und Sehnsucht, Einsamkeit der Künstlerin und Mitfühlen mit den Leidenden und Geschundenen. Ihre Sprache ist lakonisch, ausdrucksstark, tief emotional, aus dem Inneren geschöpft. > Aus dem Bulgarischen: Elin Rachnev: Zimt In “Zimt” schildert Elin Rachnev starke Gefühle in unverblümter Form. Der Erzähler spricht in der Hauptsache zwei Frauen an: die eine verkörpert das Ideal, die andere die desillusionierende Wirklichkeit. Dennoch schafft Rachnev eine Verbindung zwischen beiden, die auch dem Leser nicht entgehen kann. > Aus dem Polnischen: Cyprian Kamil Norwid: Über die Freiheit des Wortes Seit seiner Wiederentdeckung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist Norwid fester und maßgeblicher Bestandteil polnischer Geisteskultur. Diese Ausgabe gibt einen repräsentativen Überblick zur Dichtung Norwids. MOE APRIL/MAI 2013 Polen-Analysen Nr.121 Der Arbeitsmarkt in Polen - Analyse Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik in Polen Maciej Duszczyk, Warszawa - Tabellen und Grafiken zum Text Statistiken zu Arbeitslosigkeit und Emigration - Chronik: 5. – 18.02.2013 Lesehinweis Jahrbuch Polen 2013 Arbeitswelt http://www.deutsches-polen-institut.de SEITE 14 MOE- KULTUR. DE APRIL/MAI 2013 NOTABENE >> MOE-aktuell Ein strategischer Partner auf Irrwegen? Perspektiven für die Ukraine 2013 Ursula Koch-Laugwitz > Die regierende Partei der Regionen (PdR) hat bei der Parlamentswahl im Oktober 2012 keine eigene Mehrheit erreicht und somit ihr Wahlziel deutlich verfehlt. Parteien am linken und rechten Rand wurden gestärkt. Erstmals zieht eine rechtsextreme Partei in Fraktionsstärke in das ukrainische Parlament ein. > Zwar hat Präsident Wiktor Janukowytsch seine Macht intern ausgebaut. Dennoch kann er sich seiner Wiederwahl 2015 nicht sicher sein. > Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine befinden sich in einer Sackgasse. Kurzfristige fiskalische Erwägungen könnten angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage eine Neuausrichtung der ukrainischen Außenpolitik bewirken. Ein Beitritt zur Zollunion von Russland, Belarus und Kasachstan wird ernsthaft erwogen. (...) EU und Ukraine in der Sackgasse Innenpolitische Konflikte belasten die Außenbeziehungen der Ukraine stark: Seit im Juni 2011 vor einem Kiewer Bezirksgericht der erste Prozess gegen die frühere Ministerpräsidentin Tymoschenko begann, in dem sie wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt wurde, sind die Beziehungen zur Europäischen Union und Deutschland sukzessive erkaltet. Europäische Verantwortliche werfen der Ukraine die rechtliche Verfolgung von führenden Oppositionspolitikern und mithin politisch motivierte Rachejustiz vor, beklagen Einschränkungen der Presse- und Medienfreiheit sowie andere Verschlechterungen demokratischer Standards, nicht zuletzt bei der Parlamentswahl im Oktober. Je massiver die Kritik an der ukrainischen Führung wurde, umso störrischer wurde darauf reagiert. Gleichzeitig gilt es festzuhalten, dass die ukrainischen- russischen Beziehungen sich, aus anderen Gründen, im Ergebnis auch in sehr schwierigem Zustand befinden. Ein guter Indikator ist hier die bittere Klage in der Moskauer Nesawisimaja Gaseta am 19. November 2012 unter der Überschrift »Russland kann sich in der Ukraine auf niemanden verlassen«. Die EU und die Mitgliedstaaten haben den politischen Druck auf die Ukraine, besonders zur Freilassung vom Tymoschenko, in den letzten 18 Monaten konsequent zu erhöhen versucht, unter anderem dadurch, dass die Unterzeichnung eines an sich musterhaften Freihandelsabkommens (DCFTA) ausgesetzt und die Unterschrift unter das ebenfalls fertig verhandelte Assoziierungsabkommen auf ein unbekanntes Datum verschoben worden ist. Für viele Ukrainer entsteht dadurch der Eindruck, dass das Assoziierungsabkommen eine Belohnung für eine Freilassung vom Tymoschenko sein soll. Aus westlicher Sicht sollte es darum gehen, die staatliche Souveränität der Ukraine als wichtigem Brückenstaat zu festigen und sie bei Reformen in Staat und Wirtschaft zu unterstützen. Wo steht die EU heute? Hat sie mit ihrem Oberlehrerhabitus die gewünschten Veränderungen in der Ukraine anstoßen können? Die Debatten der letzten Monate zeigen, dass es in Brüssel und anderswo an fundierter Ukraine-Expertise mangelt: Eine polternde Bestrafungspolitik, die laut über Sanktionen nachdenkt, verkennt, dass eine schwierige Annäherung der MOE APRIL/MAI 2013 Ukraine an die EU im ureigenen Interesse wäre. Wenn die bestehenden, in der Amtszeit von Janukowytsch wieder gewachsenen Demokratiedefizite in der Wahrnehmung der ukrainischen Bürger von der EU zum Anlass genommen werden, sich von dem Land zurückzuziehen, entsteht auch ein Schaden für Europa. Es kann nicht im europäischen Interesse liegen, wenn es in der Ukraine chaotisch zugeht. Chaos spielt darüber hinaus politisch den Befürwortern der »russischen Lösung« in die Hände. Die PdR wird von ostukrainischen Eliten dominiert, von denen viele ein Interesse an einer engeren Zusammenarbeit mit Russland haben. Aber diese Tatsache gleichzusetzen mit dem Willen und der Bereitschaft zur Aufgabe der Unabhängigkeit, ist ein intellektueller Kurzschluss. Betrachtet man parallel, wie die EU ihr Verhältnis zu Russland gestaltet und dortige innen- politische Ent-wikklungen kommentiert, ist der Verdacht doppelter Standards naheliegend. Regierungspartei und Opposition unterscheiden sich in ihrem Po l i t i k verständnis und -stil nur marginal. Die Opposition verfügt, bei aller zutreffenden Kritik an der Regierung, nicht über ein konsistentes Konzept, hinter dem sich Mehrheiten für die notwendigen Reformen versammeln könnten. Fast ausnahmslos bestimmt extreme Kurzfristigkeit das Handeln der Eliten in Wirtschaft und Politik. Aus diesem Grund stellt die Option eines Beitritts zur oder einer engen Zusammenarbeit mit der Zollunion am Ende dieses Jahres erstmals eine denkbare Variante dar. Aufgrund der Brüsseler Problemlagen kann die Ukraine mittelfristig von der EU kaum umfangreiche Unterstützung erwarten. Die Marktzugänge sind nicht gleichgewichtig, da insbesondere die ukrainische Agra r b ranche negativ von einem Freihandelsabkommen betroffen sein wird. Diese Branche hat aus globaler Perspektive großes Potenzial, dass sich über eine EU-Integration kaum realisieren ließe. Der Zugang zu wichtigen russischen Märkten, für die es aufgrund der begrenzten Produktqualität keine europäischen Alternativen gibt, bliebe via Zollunion bestehen. Das wichtigste kurzfristige Argument ist ein nennenswerter Gasrabatt, der in etwa der Höhe der zu bedienenden Auslandschulden der Ukraine im Jahr 2013 entsprechen könnte. Wenn gleichzeitig auch die IWF-Gespräche in einer Sackgasse verharren, gewinnen Stimmen an Einfluss, die angesichts von North und South Stream realisieren, dass die heutigen Gewinne aus dem Gastransportsystem zeitlich begrenzt sind und sein zügiger Verkauf an Gazprom heute noch ein fiskalisch gutes Geschäft ist. Es ist eine Verhärtung in den Beziehungen eingetreten: Tymoschenko ist nicht frei, allerorten grassiert Enttäuschung und eine gewisse Ukraine-Müdigkeit. Alternativen in dieser Symbolpolitik hat die EU aber nicht, sie sollte sich auf Realpolitik konzentrieren. Die EU wird häufiger, als es ihr Recht sein kann, als fremde Interventionsmacht missbraucht: Von der Opposition und Teilen der Zivilgesellschaft dadurch, dass diese die EU immer wieder auffordern, bestimmte Veränderungen bei der Regierung par ordre du mufti durchzusetzen, für die sich die Opposition selbst zu schwach fühlt. Dadurch entsteht aber in der Bevölkerung eine zunehmend kritische Sicht auf die EU, die letztlich für eine Schwächung der proeuropäischen Kräfte in der Ukraine sorgt. Der Weg zu Demokratie und Marktwirtschaft steht für die Ukraine noch immer offen. 2004 haben illusionäre Hoffnungen vieler Ukrainer und im Westen getrogen. Der Alltag ist für die Menschen seit der Unabhängigkeit eine permanente Herausforderung: Es ist an der Zeit für Ehrlichkeit, denn D e m o k ratieentwicklung und Wirtschaftsmodernisierung SEITE 15 APRIL/MAI 2013 MOE- KULTUR. DE NOTABENE dauern nicht nur einige Jahre, sie beanspruchen Jahrzehnte. Der Weg dahin ist schwer und Rückschläge gehören dazu. Mit kritischen Partnern, die Zusammenarbeit ernst nehmen, ist er zu schaffen. > Hinweis: Dieser Beitrag wurde bei der Friedrich Ebert Stiftung veröffentlicht. Vollständige Fassung: www.fes.de/international „Human Rights Made in Russia“ – Kampagne Mit diesem Motto macht Amnesty International mit verschiedenen Aktionen auf drei Fälle von Menschenrechtsverletzungen in Russland aufmerksam. Neben der Freilassung von Chodorkowski und Lebedew setzt sich Amnesty International für die 2009 ermordete Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Natalia E s t e m i r o wa sowie den Menschenrechtsverteidiger Igor Kaljapin ein. Kaljapin ist Vorsitzender der russischen NGO IRCAT, die sich gegen Folter einsetzt und den Opfern von Folter und Misshandlung hilft. Kaljapin wird von den tschetschenischen Behörden strafrechtlich unter Druck gesetzt, weil sie ihm vorwerfen vertrauliche Informationen veröffentlicht zu haben. Stattdessen . kritisierte er lediglich die fehlende Effizienz der Ermittlungen in Fällen von „Verschwindenlassen“ und beanstandete immer wieder, dass Opfern von Menschenrechtsverletzungen nur unzureichende Rechtsmittel zur Verfügung stünden. Amnesty International hat eine Petition zum Stopp der politischen Verfolgung und zur Unterstützung der Arbeit von Igor Kaljapin gestartet. Mit Plakaten in U-Bahn-Stationen und Spots im Fahrgastfernsehen der Hannover Stadtbahnen, rückt Amnesty International die drei Fälle während der momentan stattfindenden Hannover Messe in den Fokus der Öffentlichkeit. Mehr als 350 Menschen versammelten sich am 7. April zur Eröffnung der Hannover Messe durch Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Putin vor dem Hannover Congress Center, um gegen Menschenrechtsverletzungen in Russland zu demonstrieren. Anlässlich des Besuchs von Präsident Putin in Deutschland veröffentlichte Pawel Chodorkowski einen Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“. Darin forderte er die deutsche Politik auf, ihre pra g m at i s c h e Leisetreterei gegenüber Russland aufzugeben und stattdessen die russische Zivilgesellschaft durch offene und klare Kritik an den undemokratischen Zuständen unter dem Putin Regime zu unterstützen. Darüber hinaus drückte er seine Hoffnung aus, dass deutsche Politiker sich auch für die Freilassung seines Vaters einsetzen, die zur Verbesserung der deutsch-russischen Beziehungen beitragen könnte. MOE APRIL/MAI 2013 Nachtrag Anne-Klein-Frauenpreis Würdigung für engagiertes Handeln bei Verletzung der Menschenrechte Angelika Buchelt Anne-Klein-Frauenpreis, verliehen von der Heinrich-BöllStiftung, um das Lebenswerk Anne Kleins (1950-2011) in Erinnerung zu behalten und die Möglichkeit zu schaffen, es in veränderter Form - im Sinne der Frauen - weiterzuführen. Die Preisvergabe, dotiert mit 10.000 Euro, ist auch als eine politische und finanzielle Unterstützung zu verstehen, um die frauenpolitischen, feministischen Errungenschaften, die durch Anne Klein erwirkt wurden, auszudehnen. Zum ersten Mal wurde der Anne-Klein-Frauenpreis von der grünnahen Heinrich-Böll-Stiftung am 2. März 2012 an Dr. Nivedita Prasad verliehen. Sie wurde in Madras/Indien geboren, studierte an der FU Berlin - Sozialpädagogik. In Oldenburg hat sie an der Carl von Ossietzky Universität promoviert zum Thema “Gewalt gegen Migrantinnen und die Gefahr ihrer Instrumentalisierung im Kontext von Migrationsbeschränkung”. Diese beschriebene Problematik hat Dr. Nivedita Prasad als freiberufliche Dozentin und Publizistin stetig weiterverfolgt, mit dem Ergebnis, dass es zu mutigen Aufdeckungen von Unrechtverhalten gegenüber Frauen kam, diese öffentlich gemacht wurden und somit gerichtliche Veränderungen erwirkten. Durch die Preisver-leihung an Dr. Nivedita Prasad sind ihre Themen und den damit verbundenen Anliegen breit in die Öffentlichkeit gestreut und gehört worden. Die bedeutendste Änderung, die mit dem Anne-Klein-Preis verbunden war, ist die Änderung und Unterstützung durch das Auswärtige Amt, das im Herbst 2012 Folgendes festgelegt hat: “Hausangestellte und DiplomatenInnen müssen jetzt einmal im Jahr zum Auswärtigen Amt, um ihre Ausweise zu verlängern, das heißt, es gibt endlich einen zwingenden Kontakt zur Behörde, und es gab erstmalig im November 2012 eine Informationsveranstaltung des Auswärtigen Amtes über Hausangestellte von DiplomatenInnen.” Dies alles dient dem Zweck, um der Ausbeutung der Hausangestellten entgegenzuwirken und sie auf ihre Rechte hinzuweisen. Durch den Preis wurde auch die Aufmerksamkeit der Beauftragten für Menschenrechte der Bundesrepublik erweckt, und somit durch Unterstützung auch viel zur Umsetzung dieses Vorhabens mit dazu beigetragen. Die zweite Preisverleihung fand am 1. März 2013 statt und ging an Lepa Mladenovic.Sie engagiert sich seit Jahrzehnten in Serbien für die Rechte der Frauen und Menschen mit sexueller Identität, die nicht den Normen der Mehrheit entsprechen. Die Jurybegründung stellte Barbara Unmüßig (Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung und Vorsitzende der Jury) vor: “Viel zu viele Menschen, an vielen Orten dieser Welt, werden wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt, diskriminiert, kriminalisiert. Wir, die Heinrich-Böll-Stiftung, unterstützt deshalb in vielen Ländern z.B. in Russland (hat erst kürzlich die vermeintliche “Propagierung” von Homosexualität verboten und die sichtbare Homosexualität in der Öffentlichkeit unter Strafe gestellt), im Libanon, Südafrika, in der Türkei, in Georgien mal lauter, aber eben auch mal leiser, weil es nicht anders geht. Wir üben ganz konkrete praktische Solidarität für Menschen und Projekte, die sich gegen Diskriminierung und Kriminalisierung einsetzen. Die diesjährige Preisträgerin, Lepa Mladenovic, kann sehr viel erzählen, was es heißt, als lesbisch stigmatisiert und ausgegrenzt zu werden. Sie sagte, “Wir, auch wenn die Politik es in Serbien nicht möchte und uns bekämpft, wir feiern unse- SEITE 16 MOE- KULTUR. DE APRIL/MAI 2013 NOTABENE re kleinen Erfolge”. Es sind eben die unerschrockenen Aktivisten und Aktivistinnen wie Lepa auch, die unter Einsatz ihres Lebens für diese Rechte kämpfen. Wir wissen, dass viel zu viele Menschen, weil sie für ihre sexuelle Identität und Orientierung stehen ermordet werden, weltweit. Lepa arbeitet als Aktivistin in und mit Netzwerken, z.B. in der Friedensorganisation “Frauen in Schwarz” (nach israelischem Vorbild) in Belgrad und der Organisation für Lesbenrechte, “Arkadia” und “Labris”. Ihr großes Anliegen ist vor allem die Arbeit mit traumatisierten Frauen. Vielfachdiskriminierungen und Gewalterfahrungen hinterlassen tiefe emotionale Verstörungen. Es ist eine Arbeit - die kaum finanziell unterstützt wird. Du machst diesen Frauen mit deiner professionellen Beratung Mut. Durch furchtlosen und unermüdlichen politischen Einsatz inspiriert sie viele Menschen, unterstützt unzählige Mitstreiterinnen in Serbien, vor allem aber auf dem gesamten Balkan und weltweit.” Lepa Mladenovic kam nicht allein, um den Preis entgegenzunehmen. Sie reiste mit einer 22köpfigen Delegation an. Sie kamen aus sechs verschiedenen Städten in BosnienHerzegowina. Die Aktivistinnen wollten die Zeit nutzen, um in einen Erfahrungsaustausch mit den vielen Projekten, die es in Berlin gibt, zu treten. Der Anne-Klein-Frauenpreis soll genau dieser gemeinsamen feministischen und lesbischen Bewegung in Bosnien-Herzegowina und Serbien zu Gute kommen und den Projekten helfen, sich weiter zu entwikkeln. Barbara Unmüßig betonte, dass mit diesem Preis ein kräftiges politisches Signal gegen die Homophobie in Serbien und vielen anderen Ländern der Welt gesetzt werden soll. Und dies geschieht zur Zeit schon mit einem Büro der HeinrichBöll-Stiftung in Belgrad, womit Lepas Mladenovic s Arbeit, wo immer es möglich ist, unterstützt werden kann. Die Laudatio für Lepa Mladenovic hielt Dr. Monika Hauser. Sie selbst ist eine preisgekrönte Frau; 2008 erhielt sie den alternativen Nobelpreis, Ende 2010 ist sie mit dem Staatspreis des Landes Nordrhein Westfalen für ihr außerordentliches Engagement ausgezeichnet worden. Dr. Monika Hauser ist Gründerin und Geschäftsführerin der Frauenorganisation medica mondiale. Seit fünfzehn Jahren setzt sie sich für Frauen und Mädchen in Kriegsgebieten ein, die sexualisierte Gewalt erleiden mussten. Dies ist seit dem Krieg auf dem Balkan, im Besonderen, in Bosnien-Herzegowina der Fall. Sie beschrieb noch einmal ganz deutlich die Situation des Landes, was sich einmal Jugoslawien nannte: “Viele Menschen hier haben nur eine vage Erinnerung an das Schicksal Jugoslawiens und seiner Menschen. Aber gerade vor dem Hintergrund der Kriege erscheint dein unerschütterliches Eintreten für demokratische, antimilitaristische und feministische Prinzipien umso bewundernswerter und mutiger. Deine Integrität und dein Handeln inmitten des mörderischen serbischen Nationalismus zeigt, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen. Eine Haltung in der es nicht nur in deinem Land, sondern auch immer wieder in diesem deutschen Nachkriegsland mangelt.” Es gab eine Aufbruchsstimmung, Diskussionen über Gewalt, Abtreibung, Sexualität von Frauen, wie auch in anderen Ländern der 70iger und 80iger Jahre. Doch die schwachen Flügel der Demokratiebewegung waren durch rassistische, nationalistische, opportunistische Stimmen immer in Gefahr. Die Gewalt richtete sich erst einmal gegen die eigene Familie. Lepa Mladenovic gründete eine SOS Hotline in Belgrad für Frauen und Kinder. Dann brach der Krieg aus. Die Frauen, Feministinnen, die sich angefangen hatten zusammenzuschließen, fanden sich nun in zwei Staaten wieder, als Angehörige “vermeintlich anderer Ethnien”. Die MOE APRIL/MAI 2013 Frauen ließen sich nicht auseinandertreiben. “Seit Oktober 1991 standen sie jahrelang Mittwoch für Mittwoch deutlich und sichtbar in Belgrad, in ihrem stummen aber vielberechtigten Protest “Ihr sprecht nicht für uns”, “Wir sprechen für uns selbst”, so lauteten ihr Schilder.” Diese Gruppe, in der Lepa Mladenovic maßgeblich mit beteiligt war, wird als einzige Antikriegsgruppe in Serbien bezeichnet. Während des gesamten Krieges leistete sie Hilfe und Unterstützung für die Frauen und Mädchen. Und nach dem Krieg ging es so weiter. Die erste Hotline in BosnienHerzegowina wurde eingerichtet. Es entstand das autonome Frauenzentrum, um kriegsvergewaltigte Frauen zu unterstützen, das Tra u m a -Zentrum und das Ro m a - F ra u e n Zentrum, um nur einiges zu benennen. Die Anerkennung des Anderen Monika Hauser sprach aber auch davon, dass sich Lepa Mladenovic angesichts der Gräueltaten des Krieges nicht davon abschrecken ließ, ihre eigene Identität anzuerkennen und nicht zu verstecken. Was auch bedeutete in ihrem Land dafür verfolgt und verprügelt zu werden. “Dein behaaren auf die Anerkennung des Anderen” ist für Monika Hauser sicher die wichtigste Aufforderung für Lepa Mladenovic in diesem Sinne weiter zu gehen. Abschließend möchte ich auf die einleitenden Worte von Barbara Unmüßig zurückkommen, die uns zeigen, was schon erreicht und in Bewegung gesetzt worden ist, auch dort, wo es vielleicht nicht so viele Menschen vermutet hätten: “Barack Obama ist nicht nur der erste schwarze Präsident in der Geschichte der USA, auch der erste Präsident, der in seiner Vereidigungsrede seiner zweiten Amtsperiode das Wort “Gay” in den Mund genommen hat. Und er betonte, dass die Reise der US Amerikaner, die mit den Ponieren begann, erst vollendet sein wird, wenn die homosexuellen Brüder und Schwestern rechtlich gleichgestellt sind. Anfang Februar stimmte das britische Parlament für ein Gesetz, dass die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt. Dafür gab es im Parlament der Britten eine Mehrheit von 400 zu 150 Stimmen. Frankreichs Nationalversammlung hat viele Stunden gestritten, auf sehr hohem Niveau, wie ich erfahren habe, und schließlich hat die französische Nationalversammlung im Februar für das Recht der gleichgeschlechtlichen Ehe und das Recht auf Adoption für gleichgeschlechtliche Paare gestimmt. Auch hier braucht es noch, wie in Großbritannien, die Zustimmung durch den Senat.” In Deutschland wird das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden, ob gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften Kinder in Zukunft adoptieren können. Es gibt noch eine weitere Erwägung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg, dass homosexuelle Asylbewerber, die in ihrer Heimat mit homophober Verfolgung rechnen müssen, nicht mehr abgeschoben oder abgewiesen werden dürfen. Bisher geschah das häufig mit der Begründung, sie könnten doch ihre sexuelle Identität in ihren Heimatländern ausleben. Wir werden das Ergebnis und die Entscheidung erfahren. SEITE 17 MOE- KULTUR. DE APRIL/MAI 2013 NOTABENE >> Preise Auszeichnungen KAIROS-Preis Der polnischer Künstler Pawel Althamer, dessen Werk Bildhauerei, Performances, Videokunst und Installationen umfasst, hat den - KAIROS-Preis 2013 erhalten. Der Preis wird Preis wird seit 2007 alljährlich von der Hamburger Alfred Toepfer Stiftung an europäische Künstler und Wissenschaftler aus den Bereichen bildende und darstellende Kunst, Musik, Architektur, Design, Film, Fotografie, Literatur und Publizistik verliehen und ist mit 75.000 € einer der höchst dotierten Kunstpreise Europas. In Berlin wurde Althamer 2011 vor allem durch die Ausstellung “Almech” in der “Deutsche Guggenheim”ngsund Wachpersonal, leitenden Bankangestellten und deren Kunden anfertigen ließ und damit ein monumentales, kollektives Selbstporträt schuf. Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung Der diesjährige Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung wurde dem deutschen Litera t u r w i s s e n schaftler Klaus-Michael Bogdal für sein bahnbrechendes Werk „Europa erfindet die Zigeuner. Eine Geschichte von Faszination und Verachtung“ zugesprochen. Er untersucht darin die sechs Jahrhunderte andauernde Verfolgung und Ausgrenzung der Romavölker in Europa und beschreibt „die allmähliche Verfertigung eines historischen Vorurteils gegen ein imaginäres Kollektiv, das mangels Schrift den Fremddeutungen, Zuschreibungen und Projektionen anderer hilflos ausgeliefert war“. Adelbert-von-Chamisso-Preise Den Adelbert-von-Chamisso-Preis erhält dieses Jahr Marjana Gaponenko für ihren Roman „Wer ist Martha?”. Der seit 1985 von der Robert Bosch Stiftung verliehene Literaturpreis zeichnet deutsch schreibende Au t o r I n n e n nicht deutscher Muttersprache aus, die „vor dem Hintergrund ihres eigenen Sprach- und Kulturwechsels Aspekte interkultureller Existenz sprachkünstlerisch gestalten“. Marjana Gaponenko wurde 1981 in Odessa geboren, studierte dort Germanistik und lebt nach Aufenthalten in Krakau und Dublin jetzt als freie Schriftstellerin in Mainz. Förderpreise erhalten der in Opole geborene und jetzt in Berlin-Wedding lebende Matthias Nawrat für seinen Roman „Wir zwei allein” und die aus Tirana kommende und nun ebenfalls in Berlin lebende Albanerin Anila Wilms für ihren ersten Roman „Das albanische Öl oder Mord auf der Straße des Nordens”. Kurt-Wolff-Förderpreis Alljährlich auf der Leipziger Buchmesse verleiht die Kurt Wolff Stiftung die Kurt-Wolff-Preise für herausragende Programme in Deutschland ansässiger, unabhängiger Verlage. Der Förderpreis ging dieses Jahr an den Zwei-Frauen-Verlag binooki, der im Juni 2011 von Inci Bürhaniye und Selma Wels in Berlin mit dem Ziel gegründet wurde, türkische Gegenwartsliteratur auf Deutsch zu verlegen. Die beiden in Deutschland geborenen Schwestern, „Kinder echter türkischer Eltern“, sind Seiteneinsteigerinnen: die ältere Inci ist Juristin mit eigener Kanzlei, Selma hat Betriebswirtschaft studiert. Der Hauptpreis ging an den Wallenstein Verlag in Göttingen. mk In diesem Zusammenhang: > Klaus-Michael Bogdahl: Europa erfindet die Zigeuner. Eine Geschichte von Faszination und Verachtung; Suhrkamp 2011 > Marjana Gaponenko: Wer ist Martha?; Suhrkamp Berlin, 2012. MOE APRIL/MAI 2013 > Matthias Nawrat: Wir zwei allein; Nagel und Kimche Verlag, Zürich 2012 > Anila Wilms: Das albanische Öl oder Mord auf der Straße des Nordens; Transit Buchverlag, 2012 << Besondere Orte – einzigartige Geschichten Die Breslauer Jahrhunderthalle, eine Ikone moderner Architektur Michael Kleineidam Vor einhundert Jahren, am 20. Mai 1913, wurde die vom Breslauer Stadtbaurat Max Berg entworfene Jahrhunderthalle nach nicht einmal zweijähriger Bauzeit eröffnet. Für das Deutsche Kulturforum östliches Europa war dies ein willkommener Anlass, den Kunsthistoriker Jerzy Ilkosz, Direktor des städtischen Architekturmuseums von Wroclaw/Breslau, im Rahmen der Ve ra n s t a l t u n g s r e i h e „Architekturgeschichte der Moderne in Ostmitteleuropa“ zu einem Vortrag nach Berlin in die Humboldt Universität einzuladen. Ein kompetenterer Fachmann hätte für dieses Thema nicht gewonnen werden können. Ilkosz hat darüber promoviert und war mitve rantwortlich für die große Ausstellung über die Jahrhunderthalle vom 17. Juni bis 27. November 2005 in Wroclaw. Der von Jerzy Ikosz herausgegebene Begleitband zu dieser Ausstellung „Die Jahrhunderthalle und das Ausstellungsgelände in Breslau das Werk Max Bergs“ (ins Deutsche übersetzt von Beate Störtkuhl) gilt inzwischen als Standardwerk zu diesem Thema. Ilkosz war auch eine der treibenden Kräfte der Initiative, die dazu führte, dass die Jahrhunderthalle als „Centennial Hall“ seit 2006 zum UNESCO-Weltkulturerbe gezählt wird. In der Begründung wurde das Bauwerk als „ P i o n i e rarbeit der modernen Technik und Architektur“ bezeichnet, als ein „kreatives und innovatives Beispiel für die Entwicklung der Bautechnik in großen Stahlbetonkonstruktionen.“ Seit der „Schlesischen Gewerbe -und Industrie-Ausstellung“ im Jahre 1881 wurde in Breslau über die Notwendigkeit eines Ausstellungs- und Messegeländes diskutiert. Das sich in östlicher Randlage befindliche Breslau sollte zu Städten im Westen Deutschlands wirtschaftlich konkurrenzfähiger zu gemacht werden. Ausstellungen erschlossen neue nationale und internationale Märkte. Mit seinem Artikel „Braucht Breslau ein Ausstellungsgebäude?“ griff der Direktor des Schlesischen Museums für Kunstgewerbe und Altertümer Kurt Masner 1908 diese Gedanken auf und entfachte darüber eine breite öffentliche Debatte. Er schlug eine Mehrzweckhalle nach dem Vorbild der gerade von dem Architekten Friedrich von Thiersch errichteten Festhalle in Frankfurt a. Main vor. Ein zeitlich naheliegender, patriotischer Anlass zu einem solchen Vorhaben war die hundertjährige Wiederkehr des Aufrufs „An mein Volk“, den der preußische König Friedrich Wilhelm III. von Breslau aus an seine Untertanen gerichtet hatte und der als der Beginn der Befreiung Preußens von der napoleonischen Herrschaft galt. Eine „Jahrhundertausstellung“ sollte an dieses Ereignis erinnern. Bei dem gerade neu nach Breslau berufenen Stadtbaurat Max Berg fiel die Idee auf fruchtbaren Boden. SEITE 18 MOE- KULTUR. DE APRIL/MAI 2013 NOTABENE Er sah in dem Projekt die Chance, seine Vision des „Neuen Bauens“ zu verwirklichen und die Stadt an der Oder städtebaulich zu einer modernen Metropole zu entwickeln. Dritter im Bunde war der Direktor der Staatlichen Akademie für Kunst und Kunstgewerbe Hans Poelzig. Allen drei ging es auch darum, ein Ausstellungsgelände und eine Halle für kulturelle Zwecke zu erhalten. Dann ging es Schlag auf Schlag. Max Berg begann bereits im Februar 1910 mit den ersten Planungsskizzen für die Halle, Poelzig fertigte den Generalplan für das gesamte, in den Scheitniger Park (heute Park Szczytnicki) eingebettete Messegelände. Im Juni wurden Entwurf und Kostenvoranschlag beim Stadtrat eingereicht, der zwei Wochen später dem Vorhaben in einer Sondersitzung zustimmte. Im Dezember 1912 war der Rohbau des Gebäudes fertiggestellt. Max Bergs Jahrhunderthalle mit ihrer gewaltigen, aus 32 Gewölberippen bestehenden Kuppel, einer Spannweite von 65 Metern und einer lichten Höhe von 42 Metern beeindrukkt allein schon durch ihre Monumentalität. Sie war das damals größte freitragende Bauwerk der Welt aus dem noch jungen Material Eisenbeton. Viermal hatten Statiker die Berechnungen überprüft, ehe sie grünes Licht für den Bau gaben. Der Grundriss, gebildet aus einem Kreis mit vier halbrunden Absiden, vereinigt die uralten Symbole von Quadrat und Kreis. Berg war davon überzeugt, dass es eine Art „Naturharmonie“ gäbe. Eine solche Harmonie wünschte er seinem Bauwerk, eine Harmonie, die nicht nur intellektuell, sondern auch psychisch erfahrbar sein sollte. Dank der vollständigen Verglasung der Kuppel ist der Innenraum lichtdurchflutet, wirkt transparent, kontemplativ und von verblüffender Leichtigkeit. Ähnlichkeiten zu gotischen Kathedralen waren von Berg durchaus gewollt. So geht aus Quellen hervor, dass die Sichtbarkeit des Materials Beton in seiner rohen Form von Berg nur für den Außenbau vorgesehen war. Der Innenbau hingegen sollte mit Malerei, Glasfenstern und Plastiken ausgestaltet werden, wofür Oskar Kokoschka vorgesehen wa r. Aus Kostengründen konnte dieses Konzept nicht realisiert werden. Gleichsam als „Altarersatz“ wurden in der östlichen fensterlosen Apsis eine Bühne und die damals mit 200 Registern größte, durch W. Sauer erbaute Orgel der Welt platziert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Orgel auf drei neue Orgeln aufgeteilt, u.a. auf die Breslauer Domorgel, die heute die größte Orgel Polens ist. Bergs Jahrhunderthalle ist ein frühes Beispiel einer modernen Architektur für die Massen. Der „apolitische Sozialist“ (Ilkosz) Berg bezeichnete ihn als einen „Dom der Demokratie“. Für die Jahrhunderthalle hatte der gerade mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnete Gerhart Hauptmann das am 31. Mai 1913 von Max Reinhardt in der Jahrhunderthalle uraufgeführte Schauspiel „Festspiel in deutschen Reimen“ geschrieben, das die „Erinnerung an den Geist der Befreiungskriege“ in symbolischer Form als Puppentheater darstellt. Wenn sich in der Schlussszene die Schauspieler mit dem Publikum vereinigten, realisierte sich Reinhardts Vision eines „Theater der 5000“, eines Kulturbetriebs für breite Bevölkerungsschichten. Mit seiner Theater-Halle war Berg auch Vorbild für das Totaltheater der Bauhauskünstler Gropius und Piscator. Dem Schauspiel von Gerhard Hauptmann widerfuhr hingegen kein günstiges Geschick. Nach nur fünfzehn Vorstellungen wurde es abgesetzt, zu sehr „verdammt es den Krieg und preist den Frieden“, wie der Schriftsteller Ernst Toller damals feststellte. MOE APRIL/MAI 2013 Noch während des Ersten Weltkriegs fand auf dem Ausstellungsgelände die erste Industrieausstellung statt, ab 1918 dann regelmäßig im Frühling und Herbst Industrieund vor allem Baumessen. Dass die Halle während der NSZeit für propagandistische Massenveranstaltungen genutzt wurde, ist vor allem der gewollten vielseitigen Nutzbarkeit geschuldet. Es gab auch Bestrebungen, sie zu einem „Dom des deutschen Volkstums“ umzustilisieren. Hitler selbst soll das Bauwerk eher nicht gemocht haben – für ihn war Stein statt Beton Garant für Größe in der Baukunst. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs- Breslau hieß inzwischen Wroclaw und die Jahrhunderthalle Hala Ludowa (Volkshalle) - war die Stadt Ort zweier Großveranstaltungen. Im Juli 1948 wurde die „Ausstellung der Wiedergewonnenen Gebiete“ eröffnet, für die vor der Halle ein von Stanislaw Hempel geschaffenes nadelförmiges Bauwerk von ursprünglich 106 m Höhe, die „Iglica“, errichtet wurde. Im August folgte der „Weltkongress der Intellektuellen zur Verteidigung des Friedens“, an dem Delegierte aus 46 Ländern teilnahmen, darunter so illustre Namen wie Pablo Picasso, Aldous Huxley oder Max Frisch. In der Folgzeit bewährte sich die Halle als ein multifunktionaler Veranstaltungsort. In den siebziger Jahren beherbergte sie mit dem Kino „Gigant“ den größten Kinosaal Polens, 1997 fand hier der Internationale Eucharistische Kongress mit Pa p s t Johannes Paul II. statt und die Wroclawer Oper brachte nach der Jahrtausendwende den gesamten Ring von Richard Wagner als Megaevent zur Aufführung. Jahrhunderthalle heute: „Hala Stulecia“ Zum Zeitpunkt der Eintragung als Weltkulturerbe war die Fassade der Jahrhunderthalle in einem renovierungsbedürftigen Zustand. Die bereits 1995 durchgeführten Untersuchungen ergaben eine beschleunigte Ausbreitung von Betonschäden. Die daraufhin durchgeführten Fachuntersuchungen, Analysen, Versuche und Entwürfe sowie Erfahrungswerte aus Instandsetzungen anderer historischer Betonbauten ermöglichten es, eine Technologie der farblichen Vereinheitlichung der Fassade zu entwickeln, die alle Anforderungen der Ku n s t h i s t o r i ker und Denkmalpfleger erfüllte. Nun sieht die Halle so aus, als wäre daran überhaupt nichts gemacht worden. Etwas Besseres kann über ein frisch restauriertes Gebäude nicht gesagt werden. Jerzy Ilkosz hatte die Jahrhunderthalle in seinen Publika-tionen schon mit ihrem alten Namen Hala Stulecia bezeichnet als sie offiziell noch Hala Ludowa hieß und lange bevor sie unter ihrem international geläufigen Namen Centennial Hall in die Liste des Weltkulturerbes eingetragen wurde. Dieser Eintrag beendete dann auch den heftigen Streit um den richtigen Namen. Heute verweisen die Wegweiser in der Stadt zur Hala Stulecia. > Buchhinweis: Jerzy Ilkosz: Die Jahrhunderthalle und das Ausstellungsgelände in Breslau - das Werk Max Bergs. München, 2006. > In diesem Zusammenhang: Die sechsteilige Veranstaltungsreihe „Architekturgeschichte der Moderne in Ostmitteleuropa“ ist das Ergebnis einer beispielhaften Zusammenarbeit. Beteiligt sind: Deutsches Kulturforum östliches Europa, Institut für Kunst und Bildgeschichte der HumboldtUniversität, Fachgebiet Kunstgeschichte der Technischen Universität Berlin, Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (BKGE) in Oldenburg SEITE 19 APRIL/MAI 2013 MOE- KULTUR. DE NOTABENE Die nächsten Termine sind: 17.4., 20 Uhr „Eine Stadt zum Wohnen. Die Ideen zur Reform des Wohnens um 1900 und ihre Umsetzung in Posen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts“; Referentin: Hanna Brendel (TU Posen/Poznan) Ort: Humboldt-Universität Berlin , Hörsaal 207, Dorotheenstraße 26. 6.5., 20 Uhr c.t. Modernisierungen. Kunst und Architektur in den neuen Staaten Ostmitteleuropas 1918–1939 Referent: Andrzej Szczerski (Jagiellonen- Universität Krakau/Kraków) Ort: TU Berlin, Architekturgebäude, Hörsaal A 053 • Straße des 17. Juni 152 15. 5., 20 Uhr c.t. Zwischen Provinz und Metropole. Stettiner Architektur 1891-1918 Referent: Rafal Makala (Nationalmuseum Stettin/Szczecin) Ort: Humboldt-Universität Berlin, Hörsaal 207, Dorotheenstraße 26; Informationen auch: www.kulturforum.info >> MOE > REISEN Schlösser und Herrenhäuser als Spiegel niederschlesischer Geschichte 3. Mai - 7. Mai/ Start in Berlin Einst als „Land der Schlösser“ bezeichnet, weist es eine ungewöhnlich hohe Dichte an repräsentativen Adelssitzen auf, die sich seit dem 13. Jahrhundert prächtig entwickelten. U.a. exzellent restaurierte Residenzen und Höhepunkte der Schlossbaukunst des 16.-19. Jahrhunderts, wie das herrschaftliche Logis Schloss Romberg/Samotwór. Weitere Informationen: www.arnefranke.de/ Reisen Kurz notiert << Europäische Kulturhauptstadt 2013: Kristina Forbat, Stadtschreiberin in Kosice/Kaschau Die Autorin und Übersetzerin wird ein Internettagebuch führen und dort über ihre Begegnungen und Beobachtungen berichten. Der direkte Kontakt ist auch über ein Blog möglich. Das vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien dotierte Stadtschreiber-Stipendium des Deutschen Kulturforums östliches Europa wird im Jahr 2013 zum fünften Mal vergeben. Weitere Informationen: www.stadtschreiber.kulturforum.info Kaschau/Kosice Europas Kulturhauptstadt 2013 www.kosice2013.sk 13. GOEAST - FESTIVAL DES MITTEL- UND OSTEUROPÄISCHEN FILMS Prof. Dr. Rita Süssmuth ist die neue Schirmherrin von goEast. Die Bundestagspräsidentin a.D. setzt sich unter anderem als Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde sowie des Deutschen Polen-Instituts für eine Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Entwicklungen in Mittel- und Osteuropa und für den Dialog zwischen Ost und West ein. www.filmfestival-goEast.de ZAK BRANICKA Galerie auf ART COLOGNE 2013 (19. 22.04) mit Arbeiten von Zofia Kulik www.zak-branicka.com Ausschreibung „Grenzgänger“, ein Förderprogramm der Robert Bosch Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Literarischen Colloquium Berlin. Bewerbungsschluss: 30.4.2013 Gesucht werden Autoren, die Informationen aus erster Hand sammeln, authentische Orte besuchen wollen und einen eigenen Blick wagen. Die Veröffentlichungen sollen ein breites Publikum erreichen können, zu Diskussionen anregen und zu mehr Verständnis für die Länder Mittel-, Ost-, Südosteuropas und Nordafrikas beitragen. Willkommen sind literarische und essayistische Prosa, Fototextbände, Kinderund Jugendbücher, aber auch Drehbücher für Dokumentarund Spielfilme sowie Hörfunkbeiträge. Informationen/Bewerbunsgmodalitäten: www.lcb.de EU-Kulturförderung 2014: Seminare 23. und 24.4. Bonn 2014 startet unter dem Namen »Kreatives Europa« ein neues Rahmenprogramm für die Kulturförderung der EU. Die Kenntnis des kulturpolitischen Hintergrunds der EUKulturförderung und der sich abzeichnenden Gewichtsverlagerung bei der thematischen Schwerpunktsetzung kann dabei hilfreich sein, interessante und in die Philosophie des Programms passende Projekte zu konzipieren. Informationen/ Anmeldung: www.ccp-deutschland.de/termine-ccp.html?&no_cache=1 MOE APRIL/MAI 2013 SEITE 20 MOE- KULTUR. DE APRIL/MAI 2013 NOTABENE Spanien und Slowenien im Fokus der EU-Kommission Die EU-Kommission sieht die makroökonomischen Ungleichgewichte in Spanien und Slowenien als übermäßig an. In Spanien stelle die äußerst hohe Verschuldung eine ernste Gefahr dar, wie jetzt aus den Ergebnissen der in 13 Mitgliedstaaten durch- geführten eingehenden Überprüfungen nach dem Warnmechanismus-Bericht von November 2012 hervorgeht. In Slowenien bestünden wesentliche Risiken für die Stabilität des Finanzsek- tors, die sich auch auf die öffentlichen Finanzen auswirkten. http://ec.europa.eu/deutschland/pdf/eu_nachrichten/eu_n achrichten_06_2013web.pdf Jugendbegegnungen Deutsch-französisch-ukrainisches Sommercamp 20.7 bis 27.7.2013 in Blossin (DE), 120,00 € Alter: 14 bis 17 Jahre Deutsch-Polnische Tanzwerkstatt 01.7. bis 07.7.2013 in Nasutow (PL), 90,00 € Alter: 14 bis 17 Jahre Einstudierung verschiedener Stile von HipHop bis JumpStyle, Entwicklung von Choreographien. Kraft- und Ausdauertraining. www. blossin.de Europäisches Jahr der Bürgerinnen und Bürger 2013 anlässlich des 20. Jahrestages der Einführung der Unionsbürgerschaft, die alle Staatsangehörigen der EUMitgliedstaaten besitzen. An zentraler Stelle steht das Recht auf Freizügigkeit, das es Unionsbürgern ermöglicht, in einem anderen EU-Land zu leben, zu studieren oder zu arbeiten. Mit der Unionsbürgerschaft sind weitere Rechte verbunden, etwa der Zugang zu gesundheitlicher Versorgung, der Anspruch auf soziale Leistungen oder das Recht, sich an kommunalen und Europawahlen zu beteiligen. Das Europäische Jahr soll dazu genutzt werden, Teilhabemöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger bekannter zu machen und letztlich auch die Wahlbeteiligung bei den Europawahlen 2014 zu erhöhen. http://europa.eu/citizens2013/de/home Unser Partner: Newsletter des Deutschen Kulturforums östliches Europa Das Deutsche Kulturforum östliches Europa engagiert sich für eine kritische und zukunftsorientierte Auseinandersetzung mit der Geschichte jener Gebiete im östlichen Europa, in denen früher Deutsche gelebt haben bzw. heute noch leben. Im Dialog mit Partnern aus Mittel- und Osteuropa will das Kulturforum die Geschichte dieser Regionen als verbindendes Erbe der Deutschen und ihrer östlichen Nachbarn entdecken und einem breiten Publikum anschaulich vermitteln. Der Newsletter informiert Sie über neue Beiträge auf der Website des Kulturforums, insbesondere zum Arbeitsgebiet des Kulturforums www.kulturforum.info: • redaktionelle Beiträge Berichte aus Wissenschaft und Forschung, Essays, Pressestimmen, Reportagen, Rezensionen, Veranstaltungsberichte, Vortragsmanuskripte und anderes mehr • Veranstaltungen Informationen über Veranstaltungen zum Arbeitsgebiet des Kulturforums • TV/Radio-Tipps Informationen zu Fernseh- und Radiosendungen deutschsprachiger Sendeanstalten • Neuerscheinungen Neue Publikationen des Kulturforums/ Buchtipps zur Neuerscheinungen Anmeldung zum Newsletter unter: http://www.dkf-moe.de/x/FMPro?-db=dkf01.fp5&-format=formmailer.html&-view MOE APRIL/MAI 2013 SEITE 21
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