Antonín Dvořák - Oratorienchor St. Gallen

ORATORIENCHOR
ST.GALLEN
158. Palmsonntagskonzert
St.Laurenzenkirche St.Gallen
Antonín Dvořák
Stabat
Mater
samstag | 28.03.2015 | 19.30 uhr
sonntag | 29.03.2015 | 17.30 uhr
Wir danken folgenden Institutionen, Firmen und Personen für ihre
Unterstützung:
Arnold Billwiller Stiftung
Gemeinde Speicher
Genossenschaft Migros Ostschweiz, Stiftung Kulturprozent
Kanton Appenzell Ausserrhoden, Kulturförderung
Kanton St. Gallen, Kulturförderung
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sowie allen weiteren Gönnerinnen und Gönnern und Inserenten.
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158. Palmsonntagskonzert
St. Laurenzenkirche St. Gallen
Antonín Dvořák
Stabat
Mater
SOPRAN Christina
Daletska │ ALT Margarete Joswig
Süss │ BASS Rudolf Rosen
Oratorienchor St. Gallen │ Sinfonieorchester St. Gallen
LEITUNG Uwe Münch
TENOR Carsten
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Ausführende
Christina Daletska
Sopran
Christina Daletska wurde in der Ukraine geboren
und lebt heute in der Schweiz. Ihr Bühnendebüt gab
sie als Rosina in Rossinis Il barbiere di Siviglia am
Teatro Real Madrid. Jüngste Erfolge und künftige
Projekte umfassen u. a. Nonos Prometeo mit dem
SWR Sinfonieorchester, Bachs Johannespassion mit
dem Münchener Bach-Chor, Berlioz‘ L’ enfance du
Christ mit dem MDR Leipzig, Honeggers Le Roi
David mit dem Bach-Chor St. Gallen sowie Dvořáks
Stabat Mater mit dem Orchestre de Chambre de
Lausanne. Ihr herausragendes musikalisches Können
konnte die Sängerin auch in sechs Uraufführungen des späten 20. und des 21.
Jahrhunderts beweisen. Christina Daletska ist offizielle Botschafterin für Amnesty International Schweiz.
Margarete Joswig
Alt
Margarete Joswig studierte an der Staatlichen
Hochschule für Musik und Darstellende Kunst
Frankfurt am Main. Eine Liedklasse und Meister­
kurse rundeten ihre vokale Ausbildung ab. Ihr Debüt
als Opernsängerin gab sie 1994 als Hänsel am Staatstheater in Saarbrücken. Nach einigen Jahren an der
Staatsoper Stuttgart arbeitet Margarete Joswig seit
2003 freischaffend und hat sich mit Auftritten in
führenden deutschen Konzerthäusern und bei
Festivals einen Namen als Konzert- und Liedsängerin
gemacht. Ihr Repertoire umfasst u. a. die grossen
Oratorien von Bach, die Requien von Mozart und Verdi, Mendelssohns Elias,
Mahlers Zweite und Achte Sinfonie, das Lied von der Erde und die Wunderhornlieder sowie das klassische Liedrepertoire.
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Carsten Süss
Tenor
Carsten Süss wurde in Mainz geboren und
studierte bei seinem Vater Gesang. Sein erstes Engagement führte ihn an die Semperoper Dresden. Seit
2001 gastiert er an vielen deutschen und internationalen Opernhäusern. Er erhielt Einladungen zu
Konzerten und Operngastspielen u.a. nach Tel Aviv,
Jerusalem, Budapest, Mailand, Wien, Hongkong
und Tokio und war Gast verschiedener internationaler Festivals. Seit mehreren Jahren ist er auch als
Lied- und Konzertinterpret im Einsatz und seit 2006
regelmässig Gast der Schubertiaden von Hohenems
und Schwarzenberg. 2008 nahm Carsten Süss für den Bayrischen Rundfunk das
Oratorium Joram von Paul Ben-Haim anlässlich des 70. Gedenktages der
Reichspogromnacht auf. Mit diesem Werk gastierte er auch in Tel Aviv.
Rudolf Rosen
Bass
Die Tätigkeit als Konzert- und Liedsänger führte
den Schweizer Rudolf Rosen in viele Konzertsäle
Europas, so z. B. in die Liederhalle Stuttgart, das
Gewand­haus Leipzig, den Herkulessaal in München,
die Tonhalle Zürich, die Viktoria Hall Genf oder den
Concertgebouw Amsterdam. Er sang unter Dirigenten wie Frieder Bernius, Herbert Blomstedt, Riccardo
Chailly, René Jacobs, Helmuth Rilling usw. Im Opernfach debütierte er in Stuttgart als Titelheld in Mozarts
Don Giovanni. Weitere Mozartpartien und andere
Rollen folgten. Seit 2004 ist Rudolf Rosen frei gastierender Sänger. So war er u.a. in Brahms' Deutschem Requiem und Vier ernsten
Gesängen, Haydns Schöpfung, Schuberts Winterreise und Schwanengesang zu
hören. Mehrere zeitgenössische Komponisten haben Werke für ihn komponiert.
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Claire Pasquier
Organistin / Korrepetition / Probenassistenz
Die gebürtige Engländerin studierte am Royal
College of Music Klavier und Geige. An der Uni­
versity of Melbourne und in Italien vervollständigte
sie ihre Ausbildung und erlangte das Solisten­diplom
mit Auszeichnung. Engagements führten sie an die
Victoria State Opera Melbourne, die Scala
Milano, das English National Opera Studio, das
Royal Opera House in London usw. Nach langjähriger Tätigkeit beim Israeli Vocal Arts Institute wurde
sie als Solorepetitorin ans Theater St. Gallen und bei
den Bregenzer Festspielen verpflichtet. Heute arbeitet Claire Pasquier als freischaffende Pianistin und Begleiterin, neuerdings auch
als Organistin. Ihr Orgelstudium wird sie diesen Frühling mit dem Diplom abschliessen. Mit dem Oratorienchor St. Gallen ist sie seit vielen Jahren verbunden.
Uwe Münch
Dirigent
Uwe Münch war nach seinem Kompositionsund Kapellmeisterstudium, das er mit Auszeichnung
abschloss, zunächst als Korrepetitor, danach als Kapellmeister und Chordirektor am Opernhaus in Hagen (D) engagiert. Dort erhielt er 2006 den Theaterförderpreis für herausragende künstlerische Leistungen.
Uwe Münch war Stipendiat der Richard-WagnerGesellschaft und arbeitete mit zahlreichen Orchestern und Chören aus den Bereichen Theater, Konzert
und Rundfunk. Seit mehr als zehn Jahren ist er zudem als Hochschullehrer tätig, nach Jahren an der
Musikhochschule Köln zuletzt an den Musikhochschulen Trossingen und
Stuttgart sowie an der Berufsfachschule für Musik Mittelfranken. Seit 2009 ist
Uwe Münch auch musikalischer Leiter des Oratorienchors St. Gallen.
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Sinfonieorchester St. Gallen
Das Sinfonieorchester St. Gallen, gegründet 1877, zählt zu den ältesten Berufsorchestern der Schweiz. Es wurde während fast drei Jahrzehnten (19171944) vom bedeutenden Schweizer Komponisten Othmar Schoeck geleitet.
Nach Schoeck waren es so renommierte Dirigenten wie Carl Schuricht, Paul
Kletzki oder André Cluytens, die eng mit dem St. Galler Orchester verbunden
waren und das Musikleben der Gallusstadt prägten. Sie alle arbeiteten mit einem recht kleinen (mit zumeist doppelt so vielen Zuzügern ergänzten) Orchester. Mit der Eröffnung des neuen Stadttheaters im Jahre 1968 – das Sinfonieorchester spielt seit jeher auch in den Musiktheater-Aufführungen des Theaters
St. Gallen – konnte der Klangkörper vergrössert werden. Heute wirken in den
Sinfoniekonzerten je nach Programm 60 bis 80 Musiker mit. Chefdirigent ist
seit der Saison 2012 / 2013 Otto Tausk.
Oratorienchor St. Gallen
Der Oratorienchor – vielen noch bekannt unter früheren Namen wie Frohsinn oder Stadtsängerverein – kann seine Geschichte bis in die Anfänge des 17.
Jahrhunderts zurückverfolgen. Im Laufe der Zeit entwickelten sich aus anfänglicher Haus- und Gelegenheitsmusik nach und nach professionelle Konzerte bis
hin zu den heutigen viel beachteten Aufführungen. Sein Repertoire reicht von
barocker bis zu zeitgenössischer Musik, darunter etliche St. Galler und Schweizer Erstaufführungen. Seit 1859 in ununterbrochener Tradition bringt der Chor
gemeinsam mit dem Sinfonieorchester St. Gallen und bedeutenden Solisten die
Palmsonntagskonzerte in der St. Laurenzenkirche zur Aufführung. Hierin liegt
die Hauptaufgabe des Chores, der damit einen wesentlichen Beitrag zur Kultur
in unserer Region leistet. Neuerdings veranstaltet er zusätzlich projektartig einstudierte Konzerte. Der Chor wird seit 2009 von Uwe Münch geleitet, unterstützt durch die Korrepetitorin Claire Pasquier.
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Einführung
Hans Schmidt
Hans Schmidt wurde am Niederrhein geboren und
studierte nach der Matura Theologie, Germanistik
und Psychotherapie. Er lebt seit vielen Jahren in der
Ostschweiz, unterrichtet als Religions- und Ethiklehrer an der Kantonsschule Sargans und arbeitet
auch als Therapeut. Seit jeher fasziniert von der
Sprache, sucht er «… noch immer nach Worten,
Sätzen, grammatikalisch unverbauten Konstruktionen, nach Bildern, Metaphern und Übersetzungsmöglichkeiten, mit denen ich … das Unausgedachte
und Unaussprechbare denk- und sagbar machen
könnte.» Seit frühen Schülerjahren singt er in verschiedenen Chören und ist
noch immer neugierig auf die Höhen und Tiefen der geistlichen Musik, «in der
sich Musik und Sprache schon seit Jahrhunderten zur grossen Meditation der
menschlichen Seele begegnen».
Eine Stunde vor Konzertbeginn wird Hans Schmidt zu Wort und Musik
von Dvořáks Stabat Mater sprechen.
Samstag, 28. März 2015, 18.30 Uhr
Sonntag, 29. März 2015, 16.30 Uhr
Schutzengelkapelle, Klosterhof 2, freier Eintritt
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Zum Werk
«... damit ich mit dir trauern kann»
Am letzten Palmsonntag gedachte der Oratorienchor mit seinem Konzert
«Memento» der Schrecken des Zweiten Weltkrieges und des Todes des jüdischtschechischen Komponisten Hans Krása in Auschwitz. Am 8. Mai 2015, dem
70. Jahrestag des Kriegsendes, wird der Chor dasselbe Konzert im tschechischen
Terezín, dem früheren Theresienstadt, «Vorzeigeghetto» und Ort unaussprechlichen Leids, nochmals aufführen.
Dazwischen nun, am Palmsonntag 2015, erklingt Antonín Dvořáks Stabat
Mater, und wieder möchten wir gedenken, erinnern, wach halten… Der Anblick
ihres Sohnes Jesus am Kreuz, dem schmerz- und qualvollsten Tode ausgeliefert,
durchfährt Marias Herz wie ein Dolchstoss (Cuius animam … pertransivit
gladius). Der Unschuldige, der Gute, erleidet Strafen bis zum Tode (nati poenas
incliti). – Ja, dieser Schmerz der Mutter ist nur zu gut nachzuvollziehen.
Der Beter des Stabat Mater, der auf Marias Seelenschmerz blickt, bittet
Maria, ihren Schmerz mit ihm zu teilen. Er will mitleiden. Er hält es nicht aus,
ausserhalb dieses Schmerzes zu stehen; er will ihn sich zu eigen machen, wie
Jesus sich unsere Schuld zu eigen gemacht hat … um der Liebe Jesu willen.
Die innige, tief empfundene Stabat Mater-Vertonung Dvořáks möge Sie,
liebe Konzertbesucher, an diesem Palmsonntag anrühren. Dvořáks Musik will
unser Auge und Herz öffnen für das Leiden in dieser Welt, für das Leiden jedes
einzelnen Menschen, der Opfer wird von Gewalt und Verbrechen, der trauert
um einen geliebten Menschen, der Leid erfährt auf welche Weise auch immer.
Viel zu viel Leid bleibt ungeteilt … (di)
Zur Geschichte
Der mittelalterliche Text des Stabat Mater erfreute sich von alters her
höchster Beliebtheit. Er gehört zur Gruppe der Marienklagen und ist ein Reimgebet in 10 Strophen. Meist dem Franziskaner Jacopone da Todi (ca. 12301274) zugeschrieben, war das von frommem Mitempfinden zeugende Stabat
Mater ursprünglich ein ganz persönliches Gebet. Seit dem frühen 14. Jahrhundert findet man es bereits in Gebetbüchern, Anfang des 17. Jahrhunderts wird
es offiziell in das Missale, das Messbuch der katholischen Kirche, aufgenommen
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und dient noch heute als Sequenz am Fest der Sieben Schmerzen Mariens.
Trotz des einheitlichen, man könnte fast sagen gleichförmigen Duktus des
Stabat Mater-Textes machten sich Komponisten immer wieder an dessen
Vertonung.
Dvořáks Stabat Mater ist wohl sein bekanntestes geistliches Werk. Anders als die Messe D-Dur,
das Requiem und das Te Deum war das Stabat
Mater kein Auftragswerk, sondern ein Werk, das
der Prager Komponist ganz aus eigenem Antrieb
und wohl auch aus Gründen seiner persönlichen
Lebensumstände komponierte. So fällt der Zeitpunkt der ersten Skizzen in die Monate nach dem
Tod seiner Tochter Josefa, die zwei Tage nach ihrer
Geburt im August 1875 starb. Die Fertigstellung
des Werks 1877 geschieht unmittelbar nach dem Tod zweier weiterer Kinder.
Im Jahre 1876 müssen jedoch noch andere Faktoren mitgewirkt haben, die
zur Weiterarbeit am Stabat Mater führten. So etwa, dass Dvořák seit Februar
1874 das Organistenamt an der Prager St. Adalbert-Kirche innehatte, einer Kirche mit der «anerkannt schönsten und erhabensten Kirchenmusik aller Kirchen
Prags». Er kam dabei tagtäglich mit einer neuen, von Reformbestrebungen
gekennzeichneten Kirchenmusik in Berührung, die ohne prunkvolle Orchesterbegleitung, stattdessen mit schlichter Orgelbegleitung oder gar a capella daherkam. Diesen Bestrebungen stand Dvořák fremd gegenüber, und er könnte sich
gerade dadurch zu einem eigenen kompositorischen Credo herausgefordert gefühlt haben.
Nach der Erstniederschrift blieb das Werk eine Zeitlang liegen: Dvořák
hatte die particellartige Erstniederschrift des Stabat Mater im Juli 1876 seinem
Antrag an das Wiener k.u.k. Ministerium für Kultus und Unterricht auf
Gewährung eines Künstlerstipendiums beigelegt; so verstrich mehr als ein Jahr.
Dass Dvořák sich dann im Oktober 1877 dem Stabat Mater ganz plötzlich
wieder zuwandte und es innerhalb weniger Wochen zu Ende führte und instrumentierte, hatte seine Ursachen zweifelsohne in den familiären Schicksalsschlägen des Spätsommers 1877. Wie bereits angedeutet, starb im August 1877
die gerade einjährige Tochter Růžena, nachdem sie aus einer Flasche Phosphorlösung getrunken hatte, die man damals in jedem Haushalt zur Herstellung von
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Streichhölzern aufbewahrte. Im September 1877, nicht ganz einen Monat
später und genau am 36. Geburtstag des Prager Komponisten, wurde der
dreijährige Sohn Otakar ein Opfer der Pocken. Bei Gott und im musikalischen
Schaffen suchte der tiefgläubige Katholik Antonín Dvořák unmittelbar Trost
und Kraft für die Bewältigung dieser tragischen Ereignisse.
Die Komposition
Dvořák hat seine Komposition in zehn in sich geschlossenen Sätzen
gestaltet; Eingangs- und Schlusssatz sind thematisch verklammert und runden
das Werk in einem grossen Bogen ab. Der musikalische Weg, der im Verlauf des
Werks deutlich erkennbar wird, ist eng mit einem inneren und sehr persönlichen
Heilsgedanken Dvořáks verbunden.
Der Text beginnt als Erzählung in der dritten Person und wechselt dann in
die erste Person, indem der Erzähler, überwältigt von der Würde in Marias Haltung beim Kreuz, nicht nur mit Maria in ihrem Schmerz, sondern auch mit
Christus im Paradies vereint sein möchte. Dvořák nutzt diesen erzählerischen
Wechsel als Punkt der Verschmelzung, an dem sein Schmerz sich läutert zu
Kraft spendendem Glauben. Mit lebhaften kompositorischen Mitteln beschreibt er einen Weg aus der Dunkelheit ans Licht, von der Angst zum Frieden,
einen Weg des Glaubens, der auch im tiefsten Leid nicht die Hoffnung verliert,
dass dieses Leid heilbringend ist.
Zu Beginn führt eine Serie ruhig wiederholter, aufsteigender Oktaven unser
Auge gleichsam aufwärts zur Figur Christi am Kreuz. Dazu gesellt sich ein
Gefühl unendlicher Leere, selbst dann noch, wenn die Oktave durch eine
absteigende chromatische Linie ausgefüllt wird. Nach und nach beherrscht eine
einem Klagegesang ähnliche Figur diesen Satz, ebenso den zweiten und in veränderter Form auch den dritten.
Im dritten Satz wechselt nun der Erzähler vom nach aussen, auf die
Beobachtung gerichteten Blick zum Ich und wendet sich so dem Innern seiner
Seele zu. Maria wird erstmals persönlich angesprochen (Eja mater, fons amoris,
me sentire vim doloris fac, ut tecum lugeam – Ach Mutter, Quell der Liebe, lass mich
spüren die Gewalt deines Schmerzes, damit ich mit dir trauern kann). Von diesem
Punkt an scheint Dvořák ganz zu sich zu kommen. Von nun an dominieren
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Dur-Tonarten, und die Stimmung verändert sich hin zu hoffnungsvoller Bitte.
Dabei steht jeder Satz durch eine überaus subtile Verarbeitung von verwandten
melodischen und harmonischen Ideen direkt mit seinen Nachbarsätzen in Verbindung.
Im letzten Satz, der mit einer verkürzten Fassung des Eingangssatzes
beginnt, strahlen die aufsteigenden Oktaven nun Ruhe aus und werden hin­
geführt zum einzigen schnellen Abschnitt des Werkes, in dem die gleiche
abfallende Figur, in der man im ersten Satz ein Bild fallender Tränen zu
erblicken glaubte, nun überwältigende Freude ausdrückt. Wenn die Musik nach
und nach erstirbt, setzt sich diese Figur ein letztes Mal in Form eines Chorals
durch: gross, warm, lebensbejahend. Still und heiter beschliesst Dvořák seine
Suche nach Heil und Frieden.
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Antonín Dvořák
Stabat Mater
I Stabat Mater
Quartett und Chor
Stabat mater dolorosa
Iuxta crucem lacrimosa,
Dum pendebat filius;
Cuius animam gementem,
Contristatam et dolentem
Pertransivit gladius.
Es stand die Mutter voller Schmerz
beim Kreuze, tränenreich,
als dort hing ihr Sohn;
ihre Seele, seufzend,
betrübt und trauernd,
durchstösst ein Schwert.
O quam tristis et afflicta
Fuit illa benedicta
Mater unigeniti!
Quae maerebat et dolebat,
Et tremebat, dum videbat
Nati poenas incliti.
O wie traurig und gepeinigt
ist jene hochgelobte
Mutter des Eingeborenen!
Sie klagte und litt
und bebte, als sie sah
die Martern ihres ruhmreichen Sohnes.
II Quis est homo
Quartett
Quis est homo qui non fleret,
Matrem Christi si videret
In tanto supplicio?
Quis non posset contristari,
Christi matrem contemplari
Dolentem cum filio?
Welcher Mensch weinte nicht,
sähe er die Mutter Christi
in so grosser Qual?
Wer vermöchte sich nicht zu betrüben,
blickte er auf Christi Mutter,
wie sie leidet mit dem Sohn?
Pro peccatis suae gentis
Vidit Iesum in tormentis
Et flagellis subditum.
Vidit suum dulcem natum
Moriendo desolatum
Dum emisit spiritum.
Für die Sünden seines Volkes
sieht sie Jesus Folter
und Geissel ausgeliefert;
sieht sie ihren lieben Sohn
im Sterben verlassen,
als er von sich gibt seinen Geist.
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III Eja mater
Chor
Eja mater, fons amoris,
Me sentire vim doloris
Fac, ut tecum lugeam.
Ach Mutter, Quell der Liebe,
lass mich spüren die Gewalt des Schmerzes,
damit ich mit dir trauern kann.
IV Fac, ut ardeat cor meum
Bass-Solo und Chor
Fac, ut ardeat cor meum
In amando Christum Deum,
Ut sibi complaceam.
Mach, dass brenne mein Herz
in Liebe zu Christus, meinem Gott,
dass es ihm wohlgefällt.
Sancta mater, istud agas,
Crucifixi fige plagas
Cordi meo valide.
Heilige Mutter, tue dies,
präge des Gekreuzigten Wunden
fest ein in mein Herz.
V Tui nati vulnerati
Chor
Tui nati vulnerati
Tam dignati pro me pati,
Poenas mecum divide.
Deines geschlagenen Sohnes,
so sehr würdig, für mich zu leiden,
seine Pein lass mich teilen.
VI Fac me vere tecum flere
Tenor-Solo und Chor
Fac me vere tecum flere,
Crucifixo condolere,
Donec ego vixero;
Iuxta crucem tecum stare
Te libenter sociare
In planctu desidero.
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Mach, dass ich wahrhaft mit dir weine,
um den Gekreuzigten mitleide,
solange ich lebe;
unterm Kreuz mit dir zu stehen,
gerne bei dir zu sein
in deiner Verzweiflung, begehre ich.
VII Virgo virginum praeclara
Chor
Virgo virginum praeclara,
Mihi iam non sis amara,
Fac me tecum plangere.
Jungfrau, der Jungfrauen strahlendste,
sei mir wohlgesonnen,
lass mich mit dir klagen.
VIII Fac ut portem Christi mortem
Duo
Fac ut portem Christi mortem,
Passionis fac consortem
Et plagas recolere.
Fac me plagis vulnerari,
Cruce hac inebriari
Ob amorem filii.
Mach, dass ich mittrage Christi Tod,
dass ich teilhabe an seinem Leiden
und seine Wunden bedenke.
Mach, dass mich seine Wunden schmerzen,
vom Kreuz ich trunken werde
um der Liebe des Sohnes willen.
IX Inflammatus et accensus
Alt-Solo
Inflammatus et accensus
Per te, virgo, sim defensus
In die iudicii.
Fac me cruce custodiri,
Morte Christi praemuniri,
Confoveri gratia.
Entflammt und entbrannt
durch dich,Jungfrau,möge ich verteidigt sein
am Tage des Gerichts.
Mach, dass mich das Kreuz bewahrt,
Christi Tod mich schützt,
deine Gnade hilft.
X Quando corpus morietur
Quartett und Chor
Quando corpus morietur,
Fac ut animae donetur
Paradisi gloria.
Wenn der Leib sterben wird,
mach, dass der Seele geschenkt werde
des Paradieses Herrlichkeit.
Amen
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