- Presse

12. MAI BIS
26. OKTOBER 2015
EIN ÄGYPTISCHES PUZZLE
DIE RESTAURIERUNG DES SARGDECKELS DER BUT-HAR-CHONSU
Knapp 3000 Jahre nach seiner Entstehung steht der Sargdeckel
der Priesterin But-har-chonsu nun im Zentrum einer kleinen
Sonderausstellung. Im Jänner 1891 wurde der Sargdeckel in
einem Felsgrab in Theben-West entdeckt und kam als Geschenk
der ägyptischen Regierung nach Wien in die ÄgyptischOrientalische Sammlung des Kunsthistorischen Museums.
Aufgrund seines schlechten Erhaltungszustandes konnte der
Sargdeckel jedoch nicht ausgestellt werden.
Im Rahmen einer Kooperation mit dem Institut für
Konservierung-Restaurierung der Akademie der bildenden Künste
Wien wurde der Sargdeckel zwischen 2011 und 2014 aufwendig
restauriert. Diesen spannenden Prozess, insbesondere die
innovativen Lösungsansätze für die Restaurierung sowie deren
Umsetzung, dokumentiert die Ausstellung, die zugleich Einblick
in die Arbeit der RestauratorInnen gibt.
„Es ist ein besonderes Anliegen des Kunsthistorischen Museums,
die wissenschaftliche Forschung in seinen Sammlungen und
Restaurierwerkstätten sowie die vielfältigen Forschungs-
kooperationen sichtbar zu machen, so Generaldirektorin Sabine
Haag. Das Interesse des Publikums gilt häufig gerade den
zahlreichen Tätigkeiten hinter den Kulissen. Eine Möglichkeit,
Forschung
im
Museum
sichtbar
zu
machen,
sind
Ausstellungsprojekte,
die
sich
umfassend
mit
einem
wissenschaftlichen Thema auseinandersetzen oder auch nur einen
ganz speziellen Aspekt der Forschung in den Mittelpunkt rücken.
Hier ist es die Restaurierung eines ägyptischen Sargdeckels, die
sich wahrlich als „Puzzle“ herausgestellt hat.“
ZUR
FUNDGESCHICHTE
Im Jänner 1891 führte die ägyptische Antikenverwaltung im
Bereich des Hatschepsut-Tempels in Deir el-Bahari in Theben
Ausgrabungen durch. Dabei erhielt der Direktor der
Antikenverwaltung von einem Dorfbewohner einen Hinweis, dass
sich in der Nähe der Tempelmauer der Eingang zu einem bislang
unbekannten Felsgrab befinden würde. Dieser Hinweis kam von
einem Mitglied jener legendären Familie, die bereits zwanzig
Jahre zuvor die sogenannte Cachette Royale in Theben gefunden
hatte – ein Felsgrab, in dem die Priester der 21. Dynastie (um 1000
v. Chr.) die Särge, Mumien und Grabausstattungsgegenstände der
bedeutendsten Pharaonen des Neuen Reiches (18.-20. Dynastie,
ca. 1569-1081 v. Chr.) zum Schutz vor Grabräubern versteckt
hatten.
Das neu entdeckte Felsgrab in Deir el-Bahari entpuppte sich
ebenfalls als Cachette – also als Massengrab, in dem eine große
Anzahl von Bestattungen vor Grabräubern in Sicherheit gebracht
worden war. Allerdings waren die Bestattungen dieser
sogenannten 2. Cachette nicht königlicher Natur, sondern
stammten von den Priestern der 21. Dynastie und ihren
Angehörigen.
Diese zweite Cachette, die den Namen Bab el-Gasus („Tor der
Priester“) erhielt, bestand aus einem 11 Meter tiefen Grabschacht,
der zu einem 93 Meter langen Korridor führte. An dessen Ende
befanden sich zwei Kammern sowie eine Treppe, welche zu einem
weiteren Korridor von 54 Metern Länge führte. Entlang der
Wände der Korridore sowie in den beiden Kammern waren
zahlreiche Särge übereinandergestapelt. Insgesamt enthielt dieses
Felsgrab 153 Bestattungen (davon waren 101 Doppelsärge, d. h.
sie bestanden aus Innen- und Außensarg), weiters eine Fülle an
Grabausstattungsgegenständen.
Aufgrund der großen Anzahl der Funde entschloss sich die
ägyptische
Regierung,
einen
Teil
der
Särge
und
Grabausstattungsgegenstände an verschiedene Staaten, darunter
auch Österreich, zu verschenken. Das Kunsthistorische Museum
erhielt unter anderem mehrere Sargensembles, bestehend aus
Außensarg, Innensarg und sogenanntem Mumienbrett, darunter
auch den Deckel des Außensarges der Priesterin But-har-chonsu;
der Verbleib des dazugehörigen Sargunterteils ist bis heute
ungewiss. Auch scheint es beim Verpacken der Funde in Ägypten
zu einigen Verwechslungen gekommen zu sein, denn der ebenfalls
der Priesterin But-har-chonsu gehörende Innensarg gelangte in
die Schweiz.
Im Rahmen der internationalen Forschungskooperation „The
Gate of the Priests Project“, welche 2014 von der Universität von
Coimbra/Portugal initiiert wurde, sollen die umfangreichen
Funde aus dem Bab el-Gasus neu aufgearbeitet werden.
ZUR RESTAURIERUNG
Die aufwendige, sich über drei Jahre erstreckende Untersuchung
und Restaurierung des Sargdeckels wurde am Institut für
Konservierung-Restaurierung der Akademie der bildenden Künste
Wien durchgeführt. Die Arbeiten fanden im Rahmen einer
Diplomarbeit sowie eines Projektes dreier Studierender statt.
In einem ersten Schritt wurde der Deckel des Außensargs und die
mit ihm im Depot zusammen gelagerten Fragmente der Fußpartie
und der farbigen Fassung einer Bestandsaufnahme unterzogen.
Um die Herstellungstechniken und den Zustand beurteilen zu
können, wurden die Materialien des Sargdeckels – wie Pigmente,
Bindemittel
und
Füllstoffe
–
naturwissenschaftlichen
Untersuchungen unterzogen. Aufbauend auf den gewonnenen
Erkenntnissen konnte dann eine Konservierungsstrategie sowie
das Arbeitskonzept für die darauf folgenden, konkreten
Maßnahmen entwickelt werden.
Es galt, mehrere Problemkreise zu bewältigen: Zum einen musste
in mühevoller Kleinarbeit versucht werden, den ursprünglichen
Ort der abgefallenen Fragmente zu lokalisieren und sie wieder
einzupassen, unter Berücksichtigung der verschiedenen Ebenen
der aus Nilschlamm bestehenden Ausgleichsschicht. Letztere
musste vorher stabilisiert oder auch hinterfüllt werden und
Fehlstellen in kritischen Bereichen sowie Fugen verkittet werden.
An einigen Stellen wurde die durch den Befall von Nagekäfern
(Anobien) stark geschwächte Holzsubstanz wieder stabilisiert.
Um am Korpus des Sargdeckels selber überhaupt Arbeiten
vornehmen zu können, wurde eine flexible Stützkonstruktion
entwickelt und angefertigt, welche den Zugang und die
Bearbeitung von allen Seiten ermöglichte.
Nach einer Reinigung der Oberfläche, auch der bemalten
Bereiche, wurde der aus einzelnen Brettern zusammengefügte
Sargdeckel in seinen ursprünglichen Zustand gebracht. Die
Verbindung der einzelnen Bretter hatte sich schon früher vielfach
gelöst und war falsch verleimt und verdübelt worden.
Die Entfernung der Kunstharzverleimung der alten Restaurierung
sowie die Rückführung und neuerliche Stabilisierung unter
Einbeziehen der antiken Dübel stellte eine besondere
Herausforderung dar, da die Bretter teilweise um mehrere
Zentimeter versetzt fixiert worden waren. Es kamen speziell
angefertigte Carbonfaserdübel zum Einsatz, die im Gegensatz zur
vorherigen Stabilisierungslösung ohne Beschädigung der
Originalsubstanz ihre Funktion erfüllen, gleichzeitig aber auch bei
Bedarf wieder entfernt werden können, ohne Spuren zu
hinterlassen.
Nach erfolgter Rückführung des Sargdeckels in seine
ursprüngliche Form passte auch der abgetrennte Fußteil wieder.
Die Ausstellung wurde kuratiert von:
Dr. Regina Hölzl, Direktorin der Ägyptisch-Orientalischen
Sammlung
Mag. Irene Engelhardt, Restauratorin der ÄgyptischOrientalischen Sammlung
Kunsthistorischen Museum Wien
Univ.-Prof. DI Mag. Wolfgang Baatz, Leiter des Instituts für
Konservierung-Restaurierung
Dr. Anke Schäning, Institut für Konservierung-Restaurierung
Dr. Nanke C. Schellmann, Institut für KonservierungRestaurierung
Akademie der bildenden Künste Wien
PRESSEFOTOS
Pressefotos zur aktuellen Berichterstattung stehen zum Download auf
unserer Website press.khm.at bereit.
Deckel des Außensarges der But-har-chonsu
Dritte Zwischenzeit, späte 21./frühe 22. Dynastie (1081–910 v. Chr.)
Deir el-Bahari, Bab el-Gasus
Holz, Ausgleichsschicht, Textil, Pastiglia, Polychromie, Firnis
Länge (mit Fußteil): 203,5 cm, Breite: 68 cm, Tiefe: 45,5 cm
© KHM-Museumsverband
Deckel des Außensarges der But-har-chonsu
Dritte Zwischenzeit, späte 21./frühe 22. Dynastie (1081–910 v. Chr.)
Deir el-Bahari, Bab el-Gasus
Holz, Ausgleichsschicht, Textil, Pastiglia, Polychromie, Firnis
Länge (mit Fußteil): 203,5 cm, Breite: 68 cm, Tiefe: 45,5 cm
© KHM-Museumsverband
Deckel des Außensarges der But-har-chonsu (Detail)
Dritte Zwischenzeit, späte 21./frühe 22. Dynastie (1081–910 v. Chr.)
Deir el-Bahari, Bab el-Gasus
Holz, Ausgleichsschicht, Textil, Pastiglia, Polychromie, Firnis
Länge (mit Fußteil): 203,5 cm, Breite: 68 cm, Tiefe: 45,5 cm
© KHM-Museumsverband
Zustand des Sargdeckels vor der Restaurierung
unvollständig zusammengesetzter Korpus (links),
in Einzelteile zerlegtes Fußteil (Mitte) und
gelöste Fassungsfragmente (rechts)
© Akademie der bildenden Künste Wien
Verleimung des komplexen Ristteils
am Fußende des Sargdeckels
© Akademie der bildenden Künste Wien
Konstruktionszeichnung und Ausführung der flexiblen Stützkonstruktion
zur Demontage und Repositionierung einzelner Konstruktionselemente des
Sargdeckels, die das Arbeiten von allen Seiten ermöglicht
© Akademie der bildenden Künste Wien
Ansicht von Deir el-Bahari mit dem Hatschepsut-Tempel
Eingang ins Bab el-Gasus-Grab durch x markiert
Foto: Christian Hölzl (2005)
Abtransport der Särge
Zeichnung nach M. Émile Bayard
ÖNB/Wien, 510.497-D.49.1891,1, 4. April 1891, Titelblatt
© ÖNB/Wien
RAHMENPROGRAMM
VORTRAG*
DO 18.6., 18 UHR
Die Restaurierung des Sargdeckels der But-har-chonsu
Sylvia Karner, Julia Mitterbauer, Ana Maly und
Marco Rican, Akademie der bildenden Künste Wien
Ort: KHM-Vortragssaal, 2. Stock
Dauer ca. 60 min.
KURATORENFÜHRUNGEN*
DO 28.5., 16 UHR
DI 20.10., 16 UHR
Mit Regina Hölzl, Direktorin der Ägyptisch-Orientalischen Sammlung,
und Wolfgang Baatz, Leiter des Instituts für KonservierungRestaurierung, Akademie der bildenden Künste Wien
Dauer ca. 60 min.
ÜBERBLICKSFÜHRUNGEN
4.6., 2.7., 6.8., 3.9. und 1.10.2015
Jeden ersten Donnerstag im Monat um 17 Uhr
Teilnahme € 3
Dauer ca. 60 min.
*Teilnahme frei mit gültigem Museumsticket,
keine Anmeldung erforderlich.
ÖFFNUNGSZEITEN UND
EINTRITTSPREISE
Kunsthistorisches Museum
Maria Theresien-Platz
1010 Wien
Di – So, 10 – 18 Uhr
Do bis 21 Uhr
Erwachsene
Ermäßigt
Wien-Karte
Gruppen ab 10 Personen
Jugendliche unter 19
Jahreskarte
Juni, Juli und August täglich geöffnet!
€ 14,€ 11,€ 13,€ 10,frei
€ 34,-
PUBLIKATION
Ein Katalog, der vertiefend auf das Objekt selbst, seine Fundumstände und vor
allem seine Restaurierung eingeht, ergänzt die Sonderausstellung.
Ein ägyptisches Puzzle
Die Restaurierung des Sargdeckels der But-har-chonsu
Hg. Sabine Haag und Regina Hölzl
Deutsch mit englischer Zusammenfassung
64 Seiten
Preis: 9,95€
ISBN 978-3-99020-092-6
RÜCKFRAGEN
Nina Auinger-Sutterlüty, MAS
Leitung Presse & Öffentlichkeitsarbeit
KHM-Museumsverband
Wissenschaftliche Anstalt öffentlichen Rechts
1010 Wien, Burgring 5
T +43 1 525 24 - 4021
F +43 1 525 24 - 4098
nina.auinger@khm.at
www.khm.at