Stellna_Interessensvertretung_Pflege_ARG[...]

Frau
Ministerialdirektorin
Ruth Nowak
Bayerisches Staatsministerium für
Gesundheit und Pflege
Haidenauplatz 1
81667 München
Vorsitzende
Edith Dürr
Generaloberin
Tel.:
Fax:
Email:
U.Z.:
089 1303-1002
089 1303-1005
info@swmbrk.de
ED/phk
München, 23.03.2015
Stellungnahme zum Modell einer Interessensvertretung der Pflegekräfte des
Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege
Sehr geehrter Frau Ministerialdirektorin,
wir bedanken uns für die Möglichkeit zur oben aufgeführten Stellungnahme.
Zu den Kernpunkten und Aufgaben:
Körperschaft des öffentlichen Rechts
Übertragung von staatlichen Aufgaben zur eigenständigen Erledigung
Eine Interessensvertretung im Sinne einer Selbstverwaltung und Regelung der berufseigenen
Angelegenheiten benötigt eine eindeutige, vorgegebene Struktur, wie zum Beispiel eine
Berufskammer in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit staatliche
übertragenen, hoheitlichen Aufgaben.
Die eigenverantwortliche Ausgestaltung des Berufsfeldes ist nach einem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE33, 125 ff) zulässig: „…Durch die Übertragung hoheitlicher
Funktionen auf die Kammer soll erreicht werden …. Gesellschaftlichen Gruppen die Regelungen
solcher Angelegenheiten, die sie selbst betreffen und die sie in überschaubaren Bereichen am
sachkundigsten beurteilen können, eigenverantwortlich zu überlassen…“.
Einzelne Zuständigkeiten, wie beispielsweise nach der Ausführungsverordnung des
PfleWoqG, können staatlich übertragen werden.
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Augenhöhe mit anderen Heilberufekammern
Selbstverwaltung
Interessensvertretung aller Pflegenden und ihrer Verbände gegenüber Politik und
Gesellschaft
Das Profil einer „Interessensvertretung für Pflegende“ bedarf aus unserer Sicht einer
Konkretisierung und Präzisierung.
Die Interessen der Berufsgruppe vertreten durch die Pflegenden und die Pflegeberufsverbände
schließen per se Trägerverbände, Arbeitgeberverbände und ähnliche privatwirtschaftliche
Interessensgruppen innerhalb einer Interessensvertretung aus. Damit soll der tiefverankerten
Fremdbestimmung der Pflegeberufe in eigenberuflichen Belangen und Interessen entgegengewirkt
und die Selbstverwaltung, sowie eine Begegnung auf Augenhöhe, konstatiert werden. Die
Vergangenheit hat gezeigt, dass die Interessen der Arbeitgeber und der betroffenen Berufsgruppe
zu sehr differieren.
Die Definition der Rahmenbedingungen muss im Heilberufe-Kammergesetz erfolgen, damit alle
Heilberufe in einem für sie zuständigen Gesetz geregelt sind. Nur so kann eine Kommunikation mit
Angehörigen der Heilberufe auf Augenhöhe stattfinden. Diese Rechtsgrundlage bestimmt die
Aufgaben der Pflegekammer, u. a. die Regelung der Berufsausübung, die Einhaltung der
Berufsordnung, die Registrierung der Berufsangehörigen u. v. m.
Freiwillige Mitgliedschaft
Eine auf Freiwilligkeit beruhende Mitgliedschaft ist aus unserer Sicht nicht zielführend. Es ist
allgemein bekannt, dass der Organisationsgrad der beruflich Pflegenden sehr niedrig ist. Die
Vergangenheit zeigt eindeutig auf, dass ohne verpflichtende Registrierung nur ein Bruchteil von
dem erreicht wird, was dringend umgesetzt werden muss. Das Ziel der Interessenvertretung für
alle beruflich Pflegenden in Bayern kann so nicht erreicht werden.
Das Fehlen einer verlässlichen Datenlage zu den wesentlichen Planzahlen der Pflegenden wie z.
B. Anzahl, Altersstruktur, Qualifikation, Tätigkeitsbereich u. v. m., hat zu einem nicht unerheblichen
Maß zur Entwicklung und Ausprägung des aktuellen Fachkräftemangels beigetragen. Ohne
verbindliche Registrierung und berufsbezogene Mitgliedschaft kann die tatsächliche
Interessensvertretung einer Berufsgruppe nicht legitimiert werden. Nur auf diesem Weg sind die
notwendigen Daten ermittelbar, die dann in die Kapazitätenplanung für die Aus-und Weiterbildung
sowie die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung einfließen. Hier könnten beispielsweise
Konzepte entwickelt werden, die Aussteiger wieder in den Beruf zurückführen und Mitarbeitern 55
plus das Verweilen im Beruf ermöglichen. Eine Berufsaufsicht ist auf dieser Basis nicht möglich.
Insgesamt ergeben sich daraus keine Vorteile gegenüber dem Status quo.
Eigenes Satzungsrecht
Vertretung durch ein ehrenamtliches Präsidium
Verwaltung durch Geschäftsstelle mit hauptamtlichen Mitarbeitern
Finanzierung durch staatliche Mittel
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Eine Teilfinanzierung über Mitgliedsbeiträge stellt eine weitgehende Unabhängigkeit dar. Die
bisherigen Ausführungen zum Ziel und Zweck einer Körperschaft des öffentlichen Rechts sind
zu unspezifisch. Die genaue Besetzung des Gremiums ist vorerst unklar. Eine Einigung auf
eine gemeinsame Satzung erscheint angesichts der aktuellen Umstände für die Zukunft
utopisch. Ziel muss sein, dass die beruflich Pflegenden selbst in Vertretung durch die
Pflegeberufsverbände, gemeinsam mit dem Ministerium die Geschäftsordnung und die
Verwaltungsstruktur festlegen (fachfremde Berufsgruppen sind hier ausgeschlossen). Die
zum Aufbau notwendigen Ressourcen müssen sich an den übertragenen Aufgaben
orientieren. Damit verbunden sind eine adäquate Personalkapazität sowie ausreichend
finanzielle Mittel, um dem Auftrag gerecht zu werden. Eine Finanzierung über
Mitgliedsbeiträge garantiert eine weitgehende Unabhängigkeit der beruflich Pflegenden
gegenüber anderen Instanzen. Die Finanzierung über öffentliche Mittel kann als
unterstützende Ressource angesehen werden z.B. als Anschubfinanzierung wie im ersten
Entwurf zur Pflegekammer in Bayern angedacht und wie in Rheinland-Pfalz umgesetzt.
Ein ausschließlich steuerfinanziertes Modell, das jährlich durch die entsprechenden Gremien
genehmigt werden muss, erscheint im Sinne einer effektiven Planung als nicht zielführend.
Einbindung der Expertise der Arbeitgeber und Einrichtungsträger
In der Organisationsstruktur einer Pflegekammer sind beratende Funktionen für Arbeitgeber,
Träger und Trägerverbände möglich. Niemand verweigert die Expertise durch bestimmte
Interessensgruppen an den Stellen, wo sie hilfreich sind. Die jeweilige Expertise kann in der
Gremienarbeit
(z.
B.
Ausschüsse)
fachgebunden
eingebracht
werden.
Die
Beteiligungsmöglichkeiten und Entscheidungshoheiten legt die Geschäftsordnung fest.
Weiterentwicklung der Qualität in der Pflege
Einbindung der Expertise der Wissenschaft
Pflegefachpersonen sind verpflichtet, auf dem aktuellen Stand pflegewissenschaftlicher
Erkenntnisse zu arbeiten (GDVG, Art. 18, Abs. 6). Maßstäbe für die Sicherung und Entwicklung
von Pflegequalität werden einerseits durch die Entwicklung und Überwachung von Standards
sowie andererseits durch die Verpflichtung zur stetigen Fort- und Weiterbildung gesetzt. Dies ist
aktuell unzureichend geregelt.
Eine Gewährleistung der ordnungsgemäßen Berufsausübung kann auf Grund fehlender
Pflichtmitgliedschaft durch das vorliegende Modell einer Interessensvertretung nicht erbracht
werden.
Förderung der Fortbildung
Regelungen zur verpflichtenden Fort- und Weiterbildung werden durch eine Berufeordnung
festgelegt und mittels verbindlicher Standards und Qualitätskriterien durch eine Kammer
umgesetzt. Die Weiterbildungsordnungen für die Pflegefachberufe werden auf Landesebene
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verfasst. In Bayern ist lediglich die Weiterbildung von Pflegefachpersonen zur Pflegedienstleitung,
Einrichtungsleitung, Praxisanleitung und Gerontopsychiatrischen Pflegefachkraft in stationären
Pflegeeinrichtungen in der Ausführungsverordnung zum Pflege- und Wohnqualitätsgesetz
geregelt. Aufgrund des stetigen medizin-technischen Fortschritts und der geringen Halbwertszeit
von medizinischem Wissen, muss das Handeln der Pflegefachpersonen nach den aktuellen
pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen ausgerichtet sein. Die Pflegekammer verfasst qualitative
Standards für die Fort- und Weiterbildung, die die laufende Kompetenzerhaltung gemäß den EURichtlinien sicherstellt. Sie integriert ihre Mitglieder in den Prozess des lebenslangen Lernens.
Dazu gehört die Vergabe von Fort- und Weiterbildungspunkten über einen festgeschriebenen
Zeitraum, um den Beruf gemäß der Qualitätssicherung für Bürger/innen weiterhin ausüben zu
dürfen.
Zusammenfassende Bewertung
Die BAY.ARGE hat den Vorschlag in intensiver Diskussion geprüft und ist mehrheitlich zu
folgendem Votum gekommen:
Der Vorschlag des Ministeriums zum Modell einer Interessensvertretung der Pflegekräfte
wird in dieser Form abgelehnt.
Begründung:
Nur dann, wenn eine Interessensvertretung der Pflegefachpersonen in Bayern die professionell
Pflegenden insgesamt repräsentiert und durch demokratische Willensbildung auszeichnet, kann
diese als Sprachrohr für die gesamte Berufsgruppe hinreichend legitimiert sein. Dies ist
automatisch mit einer Registrierung und berufsbezogenen Mitgliedschaft aller beruflich Pflegenden
verbunden. Die Einbindung fachfremder Interessensgruppen kann keine Lösung darstellen. Beim
vorgelegten Modell ist klar zu befürchten, dass die Träger und Arbeitgeber vom
Mitbestimmungsrecht Gebrauch machen und ihre eigenen Interessen durchsetzen. Das Credo
Selbstbestimmung statt Fremdbestimmung wird nicht umgesetzt. Das Ziel einer starken
Interessensvertretung der beruflich Pflegenden wird verfehlt, da oben erwähnte Kriterien nicht
umgesetzt werden.
Das Modell bietet den beruflich Pflegenden keine Unterstützung bei der Bewältigung aktueller und
zukünftiger gesellschaftlichen Herausforderungen. Wir sehen keine Möglichkeit, die Vielzahl der
aktuell notwendigen und der prognostizierten Handlungsbedarfe auf unterschiedlichsten Ebenen
mit Hilfe dieses Vorschlags auf einen guten Weg zu bringen. Eine Interessensvertretung auf
Augenhöhe mit anderen Berufsgruppen des Gesundheitswesens und der Politik ist hiermit nicht zu
erwarten. Ebenso wenig sehen wir die Umsetzung einer berufsständischen Selbstverwaltung mit
diesem Vorschlag als gegeben.
Das vorgeschlagene Alternativmodell zur Pflegekammer verkennt, dass die Berufsgruppe der
ausgebildeten Pflegekräfte diejenige und einzige Berufsgruppe ist, die über gesellschaftlich
relevantes Wissen auf ihrem Gebiet verfügt. Es existiert keine Profession, die die beruflich
Pflegenden ersetzen könnte. Die Gesellschaft ist auf dieses Wissen angewiesen. Andere
Berufsgruppen im Gesundheitswesen verfügen bereits über starke Interessens- und
Standesvertretungen, so dass es angebracht erscheint, endlich den Aspekten von Pflege mehr
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Geltung zu verschaffen. Die Berufsgruppe Pflege ist selbst in der Lage über ihren eigenen
Regelbedarf zu entscheiden. Die Politik ist aufgefordert, die dafür notwendigen Instrumente zur
Verfügung zu stellen.
Eine Durchsetzung der Interessen der Pflegefachpersonen ist mit diesem Modellgefüge nicht zu
erwarten.
Die BAY.ARGE tritt für eine Interessensvertretung aller beruflich Pflegenden in Bayern ein, deren
demokratisches Votum eindeutig die Einrichtung einer Pflegekammer in Bayern ergeben hat.
Diesem Votum sehen wir uns verpflichtet.
Für Rückfragen und den weiteren Dialog stehen wir gerne bereit.
Mit freundlichen Grüßen
Edith Dürr
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