How to counsel tomorrow? Volume – CD 5.Germany

Oliver Baiocco, Francesca Giordano, Peter de Groot, Arthur Janas, Andrea Stein (Editors)
How to counsel tomorrow?
Aspects of future vocational counselling in the media sector
Volume – CD
5.Germany
ANFORDERUNGEN AN DIE BERUFSBERATUNG
IM WANDEL:
DIE MEDIENBRANCHE
ALS MOTOR UND PROBLEMFALL
1. Regionale Expertenkonferenz
am 5. November 2002 in Köln
Veranstalter
AIM KoordinationsCentrum für Ausbildung in Medienberufen
in Kooperation mit dem
Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen
Dokumentation
Beate Preisler
im Auftrag der Bezirksregierung Köln
This project was financed with the support of the European Union. The content of this project does not
necessarily reflect the opinion of the European Union and European Union is not legally liable for this at all.
In dem zweijährigen EU-Pilotprojekt MediaCoach (Leonardo da Vinci II Programm) hat sich das
KoordinationsCentrum für Ausbildung in Medienberufen aus Köln (AIM) mit europäischen Kooperationpartnern aus Polen, Italien und den Niederlanden die Aufgabe gestellt, die Berufsberatung
in der Medienbranche weiterzuentwickeln, um dem tiefgreifenden Wandel besonders in dieser
Branche gerecht zu werden.
Zu Beginn wurde in nationalen Situationsanalysen der Status Quo der Berufsberatung in der Medienbranche herausgearbeitet, um daraus gemeinsame Elemente für eine transnationale Weiterentwicklung zu identifizieren.
Einen zentralen Aspekt für eine praxisrelevante Verbesserung der Berufsberatung nimmt die medienbranchen-spezifische Weiterbildung der Berater ein. Speziell für diesen Bereich wurden fachübergreifend mit Spezialisten aus der Medienwirtschaft, Beratung und Didaktik unterschiedliche
Curricula für eine Qualifizierung von BeraterInnen entwickelt.
Die Qualifizierung richtet sich hauptsächlich an erfahrene und langjährige BeraterInnen aus öffentlichen wie privatwirtschaftlichen Bereichen. Da diese Klientel zugleich in ihren jeweiligen Arbeitszusammenhängen Multiplikatorenfunktion hat, konnte die Weiterbildung einerseits auf hohem
Niveau angesetzt und andererseits ein Know how-Transfer in die unterschiedlichen Institutionen
gewährleistet werden.
Die vorliegende Dokumentation spiegelt die oben dargestellte Arbeit in zweifacher Hinsicht wieder:
Zum einen wurden während der Konferenz mit den Modulen I-IV vier vorhandene CurriculaKonzepte in Form eines Pilottrainings exemplarisch durchgeführt.
Die Multiplikatoren-Trainingsmodule setzten folgende Schwerpunkte:
•
Komplexe des Wandels: Sozio-ökonomische Umbrüche und ihre möglichen
Auswirkungen auf die (berufliche Praxis)
Eine soziologische Analyse
•
Positionierung, Selbstverständnis und Selbstanspruch von BeraterInnen
Supervision: „Wie beraten, wozu beraten, wen beraten?“
•
Status Quo und Entwicklung auf den Arbeitsmärkten der Medienwirtschaft
Anforderungen – Arbeitsbedingungen - Personalstruktur
•
Instrumente und Methoden für eine branchen- und zielgruppenorientierte Beratung für die neuen Arbeitsmärkte
Die Netzwerkperspektive in der Beratung
Die praktische Durchführung dieser Trainings-Piloten sollte der MediaCoach-Projektgruppe empirische Informationen über Qualität und Zieleffektivität der erarbeiteten Konzepte und Curricula
geben. Anhand der Auswertungen wurden die Trainingskonzepte und Curricula in einem diskursiv
gestalteten Entwicklungsprozess zwischen den transnationalen Projektpartnern überarbeitet. Die
nun vorliegenden Endfassungen wurden in dem Handbuch „How to counsel tomorrow?“ veröffentlicht und sind zur Realisierung für alle Interessierten verfügbar.
Über die Durchführung der konkreten Trainingsmodule hinaus wurden parallel vier Foren in Form
von Diskussions-Plenen angeboten. Auch diese Themenbereiche wurden in der Analysephase des
Projektes als potenzielle Bildungsmodule identifiziert und stehen in einem direkten Zusammenhang
zu der Gesamtthematik des Projekts. In den Foren erläuterten Fachreferenten spezifische Aspekte
von Arbeitsmarkt und Beratung, die gemeinsam mit den Beratungs-Experten beleuchtet wurden.
Die Themenbereiche der Foren wurden so gewählt, dass sie in einem nächsten Schritt der Trainings-Weiterentwicklung in das Trainingskonzept integrierbar sind und so sukzessive das Multiplikatoren-Trainingskonzept modular erweitern.
2
Neben der dargestellten Entwicklung und Überprüfung des Multiplikatoren-Trainingskonzeptes
sollten zwei weitere Zielsetzungen durch die 1. Regionale Expertenkonferenz erreicht werden:
Langjährige Erfahrungen aus der operativen Arbeit der MediaCoach-Partner verdeutlichten immer
wieder die Mängel der Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Akteuren der Berufsberatung in der Medienbranche – dies führt zu erheblichen Friktionsverlusten innerhalb der jeweiligen
konkreten Tätigkeit. Eine von AIM durchgeführte empirische Studie über die Berufsberatung in der
Medienbranche bestätigte dies in deutlicher Weise: Die interviewten Berater wiesen explizit auf eine
unzureichende Zusammenarbeit hin.
Die Expertenkonferenz sollte deshalb zugleich als kommunikative Plattform fungieren, auf der
einige Akteure aus der Beratung teilweise erstmals mit Experten aus unterschiedlichen Bereichen
der Medienwirtschaft bzw. der medienspezifischen Beratungsservices innerhalb der Foren und
Module in direkten fachlichen Austausch treten konnten. Dieser Austausch wurde darüber hinaus
in hohem Maße durch informelle Gespräche in den Veranstaltungspausen vertieft. Die notwendige
Verknüpfung der Akteure sollte jedoch nicht nur eine einmalige, auf die Konferenz beschränkte
Aktivität sein, sondern leitete einen weiteren Projektschritt ein.
Während der Konferenz wurde die Gründung eines Beratungsnetzwerks Medienwirtschaft angekündigt, das als ein weiteres zentrales Modul des MediaCoach-Projektes bereits im Vorfeld vorbereitet worden war. Alle Konferenzteilnehmer wurden in einer schriftlichen Befragung zu ihrer Position bezüglich des konkreten Ausgestaltung von Netzwerken befragt und wurden eingeladen, an
der Realisierung teilzunehmen.
Zwei Monate nach der Expertenkonferenz folgte eine konzeptionelle Fachtagung mit Repräsentanten aus Beratung und Medienbranche, während der die Netzwerk-Gründung diskutiert und vorbereitet wurde. In der derzeit bevorstehenden Gründungsphase geht es um die konkrete Realisierung des Netzwerkes. Zu diesem Zweck wurde bereits ein detaillierter Leitfaden entwickelt, der
ebenfalls in diesem Handbuch veröffentlicht wird.
Die hiermit vorgelegte Dokumentation über die 1. Regionale Expertenkonferenz stellt einen in sich
abgeschlossenen Diskussionsbeitrag zur Weiterentwicklung von Berufsberatung in der Medienbranche und dar. Zugleich jedoch ist sie ein Element einer langen Produktkette, die innerhalb des
MediaCoach-Projekts entwickelt wurde. Zusätzliche Schritte werden in der Zukunft sicherlich noch
nötig sein - wir sind sicher, dass wir eine wichtigen Beitrag geleistet haben und werden die begonnene Arbeit weiterführen.
Exemplarisch für die >Zukunft der Arbeit< sind der
Medienbranche folgende Entwicklungen inhärent:
- Planungsunsicherheiten über immer kürzere
Zeitäume
- ein hoher Anteil ehemals ‚untypischer’
Beschäftigungsverhältnisse
- Freiberuflichkeit
- nonlineare Bildungs- und Berufsbiografien
- Erhöhung der Entscheidungs- und Wahloptionen
bei steigender Intransparenz der Arbeitsmärkte
und die
- Auflösung traditioneller beruflicher wie sozialer
Werte, Zielorientierungen und Verbindlichkeiten.
Vor diesem Hintergrund wurde zentral die Frage erörtert, welche branchenspezifischen Kenntnisse
Beratungsexperten vorhalten können und müssen und welche zusätzlichen Kompetenzen erforderlich
sind, um trotz wechselhafter Biografieverläufe qualitativ hochwertige Lösungsmöglichkeiten und
Entscheidungshilfen anzubieten.
3
INHALTSVERZEICHNIS
Anforderungen an die Berufsberatung im Wandel:
Die Medienbranche als Motor und Problemfall
1. Regionale Expertenkonferenz im Rahmen des
EU-Leonardo-Projektes „MediaCoach“ am 5. November 2002 in Köln
4-5
Wir brauchen zusätzliche Experten
Eröffnung und thematische Einführung: Andrea Stein
6-7
Das klassische Programm reicht nicht mehr
Grußwort: Peter Welters
8-9
Die Medienbranche - ein Laboratorium neuer Berufsbiografien?
Impulsreferat: Thomas Gesterkamp
10-17
Die Komplexität der Arbeitsmärkte: Wer berät die „Arbeitskraftunternehmer“?
Herausforderungen an Berufsberatung, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik
Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Bernd J. Ertelt, Peter Funken, Ulrike Metzner-Imiela,
Daniel Sonderhoff, Prof. Dr. Wolfgang Wittwer und Andrea Stein (Moderation)
18-24
Berufs- und Laufbahnberatung als eigenständige Profession:
Kompetenter Problemlöser oder postmoderner Heilsbringer?
Kompetenzen, Qualifizierung, Standards und Grenzen der Beratung
Forum 1 mit Frank Engel, Hubert Haas (Referate) und Oliver Baiocco (Leitung)
25-41
Beratungstheorien, -strategien und -methodik
Eine Übersicht über aktuelle Ansätze der Beratung
Forum 2 mit Prof. Dr. Bernd Joachim Ertelt (Referat) und Peter Funken (Leitung)
42-43
Von Ich-Ag’s und Job-Nomaden: Die Entstehung neuer Arbeitswelten
Beispiele für neue Beschäftigungsstrukturen und Arbeitsrealitäten
am Beispiel der Medienbranche
Forum 3 mit Dr. Werner Dostal, Thomas Gesterkamp (Referate) und Peter Funken (Leitung)
44-46
Information als Mythos – Beratung als Kompetenzberatung
Neue Beratung für die Arbeitswelten der Zukunft
Forum 4 mit Dr. Anke Nienkerke-Springer, Prof. Dr. Wolfgang Wittwer (Referate)
und Tessa Biermann (Leitung)
47-51
Komplexe des Wandels: Sozio-ökonomische Umbrüche und
ihre möglichen Auswirkungen auf die (berufliche Praxis)
Eine soziologische Analyse
Modul 1 mit Dr. Anil K. Jain (Referat) und Andrea Stein (Leitung)
4
52-55
Positionierung, Selbstverständnis und Selbstanspruch von BeraterInnen
Supervision: „Wie beraten, wozu beraten, wen beraten“
Modul 2 mit Brigitte Emunds und Birgit Lohmann
56-58
Status Quo und Entwicklung auf den Arbeitsmärkten der Medienwirtschaft
Anforderungen – Arbeitsbedingungen - Personalstruktur
Modul 3 mit Peter de Groot, Daniel Sonderhoff (Referate) und Andrea Stein (Leitung)
59-71
Instrumente und Methoden für eine branchen- und zielgruppenorientierte
Beratung für die neuen Arbeitsmärkte
Die Netzwerkperspektive in der Beratung
Modul 4 mit Birgitt E. Morrien, Ursel Sickendieck (Referate) und Oliver Baiocco (Leitung)
72-76
Aufbau eines Beratungsnetzwerkes
Schlusswort: Andrea Stein
77
Anhang
Referenten
78-81
Literatur
82-84
Impressum
85
5
Eröffnung und thematische Einführung: Andrea Stein
WIR BRAUCHEN ZUSÄTZLICHE EXPERTEN
Intransparente Branche
Für den Anfang möchte ich nur eine kleine thematische Einführung geben und beginne mit einem
Zitat von Karl-Heinz Geißler: „Lern- und Beratungsfähigkeit sind damit die zentralen Universalzumutungen
der Zukunft.“ 1 Er meint damit die Beratungsklienten. Wer, um nochmals mit Geißler zu reden,
sitzt „am schmerzhaften Ende der Spritze“? Ich glaube, er meint auch uns. Uns Berater, die wir
aus den unterschiedlichsten Bereichen kommen und versammelt sind. Das heißt, ihnen und uns
wollen wir heute das eine oder andere zumuten. Wir als AIM, dem KoordinationsCentrum für die
Ausbildung in Medienberufen, beraten auch. Wir beraten speziell für die Medienbranche; d.h. wir
beraten Einsteiger, wir beraten Professionelle, Mitarbeiter der Branche und wir gehen in unserer
Arbeit seit Jahren davon aus, dass wir das nicht alleine können. Wir sind zwar Experten für den
einen oder anderen Bereich, aber wir haben es von Anfang an gewusst, dass wir zusätzliche Experten brauchen. Vielleicht weniger, die mit der Medienbranche zu tun haben, die sich dafür aber
mit Beratungsinstrumenten gut auskennen und die sich mit politischen Zusammenhängen über
eine Branche hinaus auskennen. Das hat uns eigentlich immer weiter gebracht, als wenn wir uns
nur auf eine einzige Branche beschränkt hätten - besonders eine Branche wie die Medienbranche,
die so vielfältig ist, so unglaublich intransparent für viele Außenstehende. Aber auch für die, die
drin sind, ist diese Branche intransparent. Und das liegt an den Berufsbiografien und an den Beschäftigungsstrukturen, über die wir heute im Laufe des Tages noch viel reden werden.
„Umgang mit der Unsicherheit“
Wir werden ihnen so anschaulich wie es geht die Arbeitsrealitäten dieser Branche darstellen, erläutern und mit ihnen diskutieren. Denn: Auch wenn niemand mehr von Beratern heutzutage ernsthaft erwartet, dass sie soziale Sicherheit vermitteln im Rahmen der gesamten Unsicherheit und
jetzt doch von uns erwarten, dass wir, um mit Stefan Kühl zu sprechen, „über ein gewichtiges Maß an
Sicherheit im Umgang mit der Unsicherheit verfügen.“ 2 Das muss unsere Aufgabe sein und das ist die
Idee, dass man das von uns erwartet. Wir werden also versuchen, einige Sicherheiten zu liefern,
vor allen Dingen aber Anschaulichkeiten, denn ich glaube, mit reinen Begriffen ist es nicht getan.
Wandel und neue Arbeitsrealitäten
Damit komme ich zum zweiten und auch letzten Schwerpunkt dieser Tagungsveranstaltung, wenn
wir nämlich über die Begriffe reden. Über Definitionen, die zur Zeit so spannend sind, um uns den
Wandel und die neuen Arbeitsrealitäten zu beschreiben. Man kennt sie, man hört sie überall: Ob es
nun Ich-AG heißt, ob es Flexibilisierung heißt, Individualisierung, die Selbst-GmbH oder der Arbeitsmarktunternehmer: wir sehen, dass viele dieser Begriffe noch ein wenig blutarm sind. Die
Begriffe an sich sind ja nicht falsch, aber sie sind manchmal nützlich und manchmal weniger nützlich. Darüber wollen wir auch heute sprechen: Begriffe müssen raus aus der Diskussion und rein in
ihre Berufsrealität und wenn sie zu wenig taugen, dann können sie damit nicht arbeiten. Und das
ist auch mein Appell an sie heute: Bitte prüfen sie das, was wir erzählen und was die Experten erzählen, die dankenswerterweise heute zu uns gekommen sind und sagen sie uns, ob sie damit was
anfangen können. Und wenn sie damit was anfangen können, dann freut es uns.
Geißler, Frank Michael u. Orthey, Prof. Dr. Karlheinz A.: Der große Zwang zur kleinen Freiheit – Berufliche Bildung
im Modernisierungsprozess, Hirzel-Verlag, Stuttgart/Leipzig 1998.
Anm.: Das komplette Literaturverzeichnis siehe Anhang Literatur.
2 Kühl, Stefan: Das Regenmacher-Phänomen. Widersprüche und Aberglaube im Konzept der lernenden Organisation,
Campus-Verlag, Frankfurt 2000.
1
6
Eröffnung und thematische Einführung: Andrea Stein
„Ziel dieser Veranstaltung ist
die Darstellung und Vermittlung der aktuellen Arbeits- und Produktionsbedingungen in der exemplarischen
Branche der Medien- und
Kommunikationswirtschaft.“
Andrea Stein
Geschäftsführerin von
AIM, dem KoordinationsCentrum für
Ausbildung in
Medienberufen, Köln,
und verantwortlich für
das EU-Leonardo-Projekt
„MediaCoach“.
7
Grußwort: Peter Welters
DAS KLASSISCHE PROGRAMM REICHT NICHT MEHR
Eine neue Form
Dies ist eine neue Form der berufskundlichen oder berufserkundlichen Veranstaltung. Sie werden
das schon am Programm festgestellt haben. Sie werden es auch im Verlauf der Veranstaltung feststellen: Es ist eine neue Form, ein ganzes Stück innovativ, und ich finde das auch gut so. Und ich
will das auch noch einmal begründen und zwar jetzt nicht als derjenige, der begrüßt, sondern als
derjenige, der auch im Beirat zu dem Projekt „MediaCoach“ sitzt. Ich möchte das nochmals inhaltlich unterstützen, denn es reicht nicht, dass wir die traditionellen Erkundungsprogramme in der
Zukunft durchführen. Es reicht nicht, dass wir nur über die Entwicklung in einem Wirtschaftssektor informieren. Das traditionelle Programm heißt im Prinzip, dass wir etwas sagen zur Arbeitsmarkt-Entwicklung. Dass wir etwas sagen zu Arbeitsmarkt-Perspektiven in jungen Branchen wie
der Medienbranche. Dass wir über Anforderungsprofile sprechen in den Bereichen, die wir gerade
betrachten und vor uns haben. Oder Qualifizierungswege. Das ist das klassische Programm. Das
reicht nicht mehr. Wir müssen uns mit anderen Fragen beschäftigen. Das ist genau das, was wir mit
dieser Konferenz machen wollen.
Veränderte Rahmenbedingungen
Wir müssen uns - ich nehme ein paar Elemente und Module aus dem heutigen Konferenzprogramm heraus - mit den Auswirkungen des sozialen Wandels, auch Berufsbiografien und Beratungsbedarfen beschäftigen. Wir müssen uns mit Selbstverständnis und Selbstanspruch der Berater
beschäftigen. Also mit uns selber. Welche Rolle haben wir denn eigentlich als Berater - auch unter
den veränderten Rahmenbedingungen? Wir müssen uns auch mit neuen Instrumenten und Methoden der branchen- und der zielgruppenorientierten Beratung beschäftigen. Alles das will diese Konferenz natürlich komprimiert leisten. Sie wird es natürlich nur ein Stück an der Oberfläche leisten
können, denn dazu ist die Zeit zu kurz, um sich damit zufrieden zu geben.
Erhöhter Informations- und Beratungsbedarf
Wir haben gerade in den jungen Arbeitsmärkten wie Medien und Kommunikationstechnologien
nicht nur einen erhöhten Informations- und Beratungsbedarf, sondern auch einen veränderten
Informations- und Beratungsbedarf. Warum das so ist, dass werden sie sicherlich heute erörtern
und da wird das Impulsreferat das eine oder andere zu sagen haben. Das hat sicherlich auch damit
etwas zu tun, dass sich die Berufswahl ein ganzes Stück verändert hat. Dass wir Berufswahl nicht
nur betreiben können wie in der Vergangenheit, wo die Berufsbilder sozio-kulturelle Modelle hatten, an denen man sich orientieren konnte; also Väter, Bekannte und Nachbarn oder wo man eigene Erfahrungen mit Berufen hatte und wo Berufswahl im Sinne von Identifikation, Nachmachen,
Nacheifern ging. Heute haben wir eine andere Situation. Berufe haben für die Berufsbilder vielmehr
den Charakter der Erprobung. Man steckt irgendetwas hinein und irgendetwas kommt dabei herum
und wie der Zusammenhang zwischen den beiden ist, das ist für den Einzelnen möglicherweise gar
nicht mehr so nachvollziehbar, wenn er hier nicht professionelle Unterstützung bekommt.
Wirtschaftlicher und sozialer Wandel
Wir haben, das ist ein zweiter Punkt, warum sich Berufswahl ganz entscheidend aus meiner Sicht
und der vieler Experten geändert hat, einen viel tieferen und schnelleren Eingriff von Wandel in
den einzelnen Branchen: von wirtschaftlichem Wandel und sozialen Wandel - viel tiefer einwirkend
auf Berufsstrukturen als in der Vergangenheit und wir können das am Beispiel der Medienwirtschaft sehen. Vor einem Jahr hätten wir hier noch gestanden und gesagt, die Medienwirtschaft und
die Kommunikationstechnologien sind prosperierende Bereiche. Das sind Bereiche der Zukunft.
Hier kann man blind den Menschen sagen: Dir steht das Leben und das Berufsfeld offen. Heute
gehen viele hin und sagen genau das Gegenteil, nämlich der Medienbereich und auch die Kommunikationstechnologien sind ganz kritische Bereiche. Der Boom ist zu Ende. Das Risiko, dort hinein
zu gehen, ist groß. Sie sehen, wie schnell sich die Zeit ändert und wie schnell wirtschaftliche Entwicklungen, aber auch soziale Entwicklungen sozusagen auf das, was Berufswahl heißt, Einfluss
nehmen.
8
Grußwort: Peter Welters
Bündelung von Kompetenz
Wir brauchen heute andere Methoden und andere Vorgehensweisen - auch der Berufswahl-Unterstützung. Wir müssen uns einfach mit diesen Fragen beschäftigen, auch mit unserer eigenen Rolle
als Berater, und nicht nur mit branchenspezifischen Kenntnissen und Wissen, mit Arbeitsplatzperspektiven, Anforderungsprofilen und Qualifizierungswegen in den einzelnen Bereichen. Wir haben
hier in Köln eine gute Voraussetzung, um uns mit diesen Fragen zu beschäftigen. Denn Köln ist
neben Berlin, Hamburg und München wohl die profilierteste Medienstadt in der Bundesrepublik –
sowohl vom quantitativen als auch qualitativen Angebot aus. Wir haben hier eine Bündelung von
Kompetenz gerade im Bereich des KoordinationsCentrums für Ausbildung in Medienberufen, kurz
AIM genannt. Wir haben also eine Einrichtung mit AIM, die die Kompetenzen, aber auch die
transnationalen Kontakte hat, die man einfach braucht in diesem Bereich und damit eine gute Plattform ist, sich in Köln mit diesen Fragen zu beschäftigen. Das ist auch passiert und zwar in einem
Sonderprojekt des KoordinationsCentrums AIM, genannt „MediaCoach“. Das Projekt ist gefördert worden von der EU über das Programm „Leonardo da Vinci“. Und ich glaube, wir werden es
sehen, mit guten Ergebnissen, die sie weiter bringen werden. Ich freue mich, dass diese Kompetenz
heute weiter gegeben wird an sie als diejenigen, die als Multiplikatoren in diesem Bereich tätig sind.
Beratungsnetzwerke aufbauen
Denn darum geht es ja eigentlich: dass sie, die Beraterinnen und Berater, egal wo sie sind und wo
sie sich befinden, in die Lage versetzt werden, noch besser als bisher, noch kompetenter als bisher
das Thema Medien auch in der Beratung zu vertreten. Es zeigt das hohe Interesse, dass sie durch
ihr Dasein dokumentieren, dass sie sich öffnen auch in Richtung Kooperationen außerhalb Ihrer
Institutionen. Es wird in Zukunft immer wichtiger sein, dass solche Beratungsnetzwerke aufgebaut
und auch genutzt werden.
„Wir haben gerade in den
jungen Arbeitsmärkten wie
Medien und Kommunikationstechnologien nicht nur
einen erhöhten, sondern
auch einen veränderten
Informations- und Beratungsbedarf.“
Peter Welters
Direktor des
Arbeitsamtes Köln.
9
Impulsreferat: Thomas Gesterkamp
DIE MEDIENBRANCHE - EIN LABORATORIUM
NEUER BERUFSBIOGRAFIEN?
Vorreiter
Ich bin Autor und Journalist, also kein Wissenschaftler - auch wenn ich einst Soziologie studiert
habe und zur Zeit über “Arbeits- und Lebensstile in der Informationsgesellschaft” promoviere, mir
also das Grenzgebiet zwischen Forschungs- und Medienwelt durchaus vertraut ist. Ich werde mich
unserem Thema eher von der praktischen Seite nähern mit Beobachtungen aus meinem eigenem
beruflichen Umfeld, der Medienwirtschaft. Denn die Medien sind Vorreiter, eine Art Laboratorium
der neuen beruflichen Biografien, über die wir heute sprechen wollen.
Ich-AG
Sie alle haben in den letzten Monaten ein neues Wort gelernt: Ich-AG. Diesen Begriff hat die
Hartz-Kommission aufgebracht, aber eigentlich kommt er aus der Trendforschung. Es ist ein interessantes Phänomen, dass plötzlich Arbeitsmarktexperten zu zeitgeistigen Floskeln greifen - und
bestätigt zugleich meine Ausgangsthese von den Medienberufen als Trendsetter: Denn Ich-Agenten, also Selbstständige oder auch Schein-Selbstständige, gibt es in dieser Branche wahrlich genug.
Ich gehöre selbst dazu: Als freiberuflicher Autor bin ich seit fast zwei Jahrzehnten Ich-Agent, JobNomade, mein eigener Unternehmer oder wie auch immer sie es nennen wollen. Wer als Selbstständiger erfolgreich sein will, muss sich spezialisieren. Ich-Agenten brauchen exklusive Fähigkeiten, um sich gut zu verkaufen. Sie müssen investieren in ihr ‚Humankapital’, um es in der bisweilen
menschenverachtenden Sprache der Betriebswirtschaft auszudrücken, in ihre Qualifikation, in ihre
Aus- und Weiterbildung. Journalisten gelten ja traditionell als Allrounder, die zu allem etwas zu
sagen haben - was dazu führt, dass sie das beileibe nicht immer qualifiziert tun. Wenn man aber, wie
es früher in Kollegenkreisen ironisch hieß, nicht in der ‚Anstalt’ landen will - also etwa bei der
Rundfunk-Anstalt WDR oder als lebenslänglich Festangestellter bei einer Tageszeitung - wenn man
sich also auf das Abenteuer Unternehmertum einlassen will, dann braucht man ein klares Profil.
Patchwork-Biografie
Mein Profil sind Themen, die mit Arbeitswelt und Lebensstil zu tun haben. Ich habe mich viel mit
dem Thema Arbeitszeit beschäftigt. Mir ist aufgefallen, wie schwer es gerade Männern fällt, mit
Abweichungen vom sogenannten Normalarbeitsverhältnis umzugehen - also etwa Teilzeit zu arbeiten oder eine von Brüchen geprägte Patchwork-Biografie zu akzeptieren. Vor ein paar Jahren
habe ich darüber ein Buch geschrieben mit dem Titel: "Hauptsache Arbeit? - Männer zwischen Beruf und
Familie“. 3 Darin geht es um die zentrale Bedeutung der Erwerbsarbeit für die männliche Identität,
für den männlichen Lebensentwurf. Mich interessieren die Wechselbeziehungen zwischen professionellen und privaten Welten; ein Kennzeichen der neuen Biografien ist ja die Tendenz, dass sich
Arbeit und Freizeit wieder stärker vermischen. Wenn sie so wollen, erleben wir zur Zeit eine Renaissance alter handwerklicher Strukturen: Für die Ich-Agenten rücken Beruf und Privates, die die
Industriegesellschaft zwei Jahrhunderte lang strikt getrennt hat, erneut zusammen. Damit beschäftigt sich mein gerade erschienenes Buch “gutesleben.de”, Untertitel: “Die neue Balance von Arbeit und
Liebe”.4 Sie haben richtig gehört: „Arbeit und Liebe“, nicht „Arbeit und Leben”. Denn die modische Floskel von der “Work-Life-Balance” konstruiert einen falschen Gegensatz; sie verkennt, dass
auch die Arbeit Teil des Lebens ist, sogar ein sehr wichtiger. Und von “Liebe” spreche ich deshalb,
weil man eben nicht nur seinen Partner, seine Kinder oder seine Freunde, sondern auch seine Arbeit lieben kann. Und das, so mein Eindruck, tun die Protagonisten neuer Lebensstile und Berufsidentitäten in der Medienwirtschaft in besonderem Maße.
3
4
Gesterkamp, Thomas: Hauptsache Arbeit? Männer zwischen Beruf und Familie, Rowohlt, Reinbek 1996.
Gesterkamp, Thomas: gutesleben.de. Die neue Balance von Arbeit und Leben, Klett-Cotta, Stuttgart 2002.
10
Impulsreferat: Thomas Gesterkamp
„Der flexible Mensch“
Kurz nach dem Jahrtausendwechsel haben wir eine große Euphorie an den Börsen erlebt. Da war
die Rede von einer neuen Gründerzeit und die Aktienkurse schienen das zu bestätigen. Mit dem
tiefen Fall des ‚Neuen Marktes’ sind auch seine digitalen Helden abgestürzt. Und auch die große
Begeisterung über eine angeblich völlig andere Art zu arbeiten hat sich abgekühlt. Der ‚Neue Markt’
mag an der Börse wieder abgeschafft werden; das heißt aber keineswegs, dass sich nichts Wesentliches verändert. Im Einklang mit Soziologen wie Richard Sennett, Ulrich Beck oder Heiner Keupp
gehe ich davon aus, dass sich die Strukturen der Gesellschaft, der Arbeitswelt, des Zusammenlebens drastisch wandeln. Der "flexible Mensch"5 wird, nicht nur aus freien Stücken, zum Navigator
seiner Berufsbiografie und seines privaten Glücks. Nicht ist sicher, aber alles ist möglich: In Gesprächen mit Mitarbeitern der Neuen Ökonomie habe ich oft erlebt, wie junge Leute Jobhopping
und Selbstständigkeit zu ihrer Lebensphilosophie erklärten. Die Aussicht auf das zehnjährige Betriebsjubiläum ist dann kein Grund mehr zum Feiern, sondern gilt als Anzeichen für mangelnde
Risikobereitschaft, für ein langweiliges Leben. Natürlich besteht so die Gefahr, dass aus der Not
eine Tugend gemacht wird - gerade jetzt, wo die Spekulationsblase geplatzt ist und auch der große
Medienboom vorbei ist. Das Spektrum der Existenzbastler und Ich-Agenten reicht eben vom erfolgreichen Webdesigner bis zur subalternen Aushilfe im Call-Center.
„Arbeitskraftunternehmer“
Was die Trendforschung mit Begriffen wie Ich-AG, Selbst-GmbH oder Portfolio-Arbeiter umschreibt heißt in den Sozialwissenschaften jetzt “Arbeitskraftunternehmer” - eine Wortschöpfung
von Günter Voß und Hans Pongratz.6 Ein sehr missverständlicher Begriff, denn die beiden Münchner Soziologen sind weit entfernt von der platten Zeitgeist-Interpretation, dass jeder seines Glückes
Schmied ist. In der Boomphase der ‚New Economy’ ist ja der amerikanische Tellerwäschermythos
neu aufgelegt worden, vor allem in der Wirtschaftspresse. "Hot Jobs" titelte 1998 die Zeitschrift
BIZZ, eine inzwischen schon wieder eingestellte Tochter von Capital, die sich an junge Zielgruppen richtete. Das Blatt, das nur als TV-Format überlebt hat, machte damals seiner Klientel mit
folgender Schlagzeile Mut: "Die Medien-Industrie boomt - und so sind Sie dabei!" Die Kommunikationsunternehmen, so jubelte das Magazin, suchen "1 Million neue Leute". Dass nicht von neuen
Arbeitsplätzen, sondern etwas nebulös von "neuen Leuten" die Rede war, hatte seinen Grund. Die
passende Philosophie lieferte die Zeitschrift gleich mit: "Im Leben ist jeder sein eigener Unternehmer. Sie sind der Boss".
Der flexible Mensch, so scheint es, wird zum Freelancer, zum "freien Lanzenträger": So hießen im
Mittelalter jene stolzen Ritter, die ihre kriegerischen Dienste diversen Herren und Höfen anboten.
Der selbstständige Einzelkämpfer unterhält ein ständig wechselndes Netz von Geschäftsbeziehungen. Er arbeitet mal hier, mal dort, und stets nur befristet für die Dauer von Projekten. Tritt also an
die Stelle des Arbeitnehmers künftig der Auftragnehmer?
Rund 10.000 Menschen arbeiten bei der US-Firma Microsoft als "Contracted workers". Sie sind
nicht fest, sondern nur für wenige Monate engagiert, sind Freiberufler, Leiharbeiter oder Subunternehmer. Der amerikanische Ex-Arbeitsminister Robert Reich fürchtet eine "Zwanzig zu AchtzigGesellschaft": Nur noch ein privilegiertes Fünftel der Bevölkerung hat danach eine sozial abgesicherte Beschäftigung, alle anderen zählen zur Randbelegschaft. Die oberen zwanzig Prozent schuften möglichst lange und verdienen entsprechend. Der Rest betreibt “Muddling through”, wie es die
Amerikaner nennen, wurstelt sich irgendwie durch, nimmt immer wieder Phasen der Erwerbslosigkeit in Kauf, hangelt von einem Zeitvertrag zum nächsten - oder wird gleich zum Unternehmer in
eigener Sache.
Anm.: Gesterkamp bezieht sich mit diesem Zitat auf den gleichnamigen Buchtitel von Sennett, Richard: Der flexible
Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus. Die vollständige Taschenbuchausgabe erschien in Deutschland bei Siedler,
Berlin 2000.
6 Voß, Günther u. Pongratz, Hans: Der Arbeitskraftunternehmer. Eine neue Grundform der Ware Arbeitskraft, Kölner
Zeitschrift für Soziologie 1/1998.
5
11
Impulsreferat: Thomas Gesterkamp
Selbständigkeit
Für Deutschland bleibt das vorerst ein Szenario. Etwa zwei Drittel der Erwerbstätigen haben hier
nach wie vor ein festes Arbeitsverhältnis - allerdings bei abnehmender Tendenz. Gut ein Zehntel
der Erwerbstätigen arbeitet auf eigene Rechnung. Die Selbstständigkeit nimmt wieder zu, nachdem
sie seit Beginn der Industrialisierung im Verhältnis zur abhängigen Beschäftigung immer weiter
gesunken war. Vor allem die Zahl der Ein-Personen-Unternehmen steigt seit der zweiten Hälfte der
neunziger Jahre sprunghaft an. Rund 50 Prozent der Selbstständigen haben keine Angestellten
mehr. Erfolgreiche, gut bezahlte Solounternehmer sind darunter, aber auch moderne Tagelöhner,
denen nichts anderes übrig bleibt. Zwar sind diese häufig nur für einen einzigen Auftraggeber tätig,
der soziale Schutz einer geregelten Anstellung aber wird ihnen vorenthalten. Die Arbeitszeiten diktiert das Unternehmen; ist nichts zu tun, gibt es auch kein Geld.
Solche "proletaroiden" Selbstständigen, wie sie Theodor Geiger in seiner klassischen Studie zur
"sozialen Schichtung des deutschen Volkes" schon 1931 genannt hat, arbeiten heute zum Beispiel
im Einzelhandel - zur Aushilfe auf Umsatzbasis, für Vertriebsfirmen oder ganz auf eigene Faust.
Freiberuflerinnen stehen in der Kosmetikabteilung, beraten beim Kleiderkauf oder betreuen den
Heimwerkermarkt. Auch Packer, Sortierer oder Regalbeschicker fordern die Unternehmen ohne
weitere Verpflichtungen bei Bedarf an. Die Kunden merken selten, dass in den gleichen Kitteln
Kaufhausmitarbeiter, aber auch Angestellte von Fremdfirmen oder Scheinselbständige stecken
können. Im Speditionsgewerbe nötigen Unternehmen ihre Fahrer, einen Lastwagen zu kaufen und
auf eigenes Risiko weiterzumachen. Verlage und Druckereien umgeben sich mit formal unabhängigen Dienstleistern, die Aufgaben wie Anzeigenakquisition, Verwaltung oder Buchführung übernehmen. In Schlachthöfen lassen so genannte Ausbeiner auf eigene Rechnung Blut fließen; bei
Tiefkühlketten oder Kurierdiensten ist der Kleinstunternehmer mit eigenem Transportfahrzeug fast
schon der Regelfall.
Outsourcing
In ein fragwürdiges Mikrounternehmertum abgedrängt werden aber auch Mitarbeiter, die anspruchsvolle Aufgaben lösen und eine hohe Qualifikation vorweisen können. Immer mehr Betriebe
praktizieren das Outsourcing: Sie lagern Tätigkeiten aus und vergeben sie als Projekt nach draußen.
Solche Auftragsarbeit beschränkte sich früher auf Berufsgruppen mit einer langen freiberuflichen
Tradition. Ärzte, Anwälte oder Steuerberater arbeiten seit Generationen als Selbstständige. Durch
besondere Schutzsysteme wie etwa ständische Gebührenordnungen abgesichert beruht die Geschäftsgrundlage der auf hohem Niveau abgeschotteten freien Berufe auf der gezielten Vermeidung
von Wettbewerb.
Die neuen Selbstständigen hingegen konkurrieren in einem weitgehend ungeschützten Raum gegeneinander. Hier herrscht die Anarchie des Basars; die Höhe der Honorare ist nicht fest gelegt,
sondern wird individuell und je nach Marktlage vereinbart. Neuartige Personaldienstleister wie etwa
die Münchner Firma Newplan vermitteln keine Stellen mehr, sondern Aufträge. In den Computern
dieser Arbeitsmakler werden die persönliche Fähigkeiten von Freiberuflern genauestens archiviert;
umgekehrt können Unternehmen ihre Anforderungsprofile für spezielle Aufgaben erfassen lassen.
Die Agenturen stellen Teams auf Zeit zusammen und kümmern sich um Selbstständige, die auf der
Basis von Werkverträgen bezahlte Projektarbeit leisten wollen. Für klare Abmachungen über die
Konditionen und entsprechende rechtliche Vereinbarungen sorgen die Vermittler, auch eine
Schlichterrolle im Konfliktfall bieten sie an - gegen Provision, versteht sich.
Unter Künstlern und Publizisten liegt die Selbstständigenquote mit 35 Prozent weit über dem
Durchschnitt. Der Medienarbeitsmarkt ist schon immer ein Netzwerkarbeitsmarkt gewesen. Die
Nachfrage schwankt und orientiert sich an Moden; sie bevorzugt immer das Originelle, das Neuartige und das Besondere. Und viele der Anbieter haben ihren Status tatsächlich frei gewählt. Sie suchen nach Autonomie und Gestaltungsmöglichkeiten; sie wollen interessantere Aufgaben übernehmen, sich ihre Zeit einteilen und ihre Kunden aussuchen können.
12
Impulsreferat: Thomas Gesterkamp
„Selbstorganisation von Arbeit“
Für Voß und Pongratz, die die These vom “Arbeitskraftunternehmer” entwickelt haben, zeigt sich
die "Selbstorganisation von Arbeit" nicht nur in der formalen Selbstständigkeit, sondern auch
schon in normalen Beschäftigungsverhältnissen. Bisher, so die Soziologen, überwog der Typus des
"berufsbezogenen Arbeitnehmers", der "darauf ausgerichtet war, auf Anweisungen zu warten". Jetzt
tritt ein neuer Typus in den Vordergrund, der gelernt hat, sich selbstständig zu organisieren, sich
aber auch "selbstständig auszubeuten". Über den Erfolg entscheidet das soziale und kulturelle Kapital, wie es Pierre Bourdieu genannt hat: Kapital nicht nur im Sinne von Besitz, sondern auch im
Sinne von Bildung und sozialen Netzwerken. Voß spricht davon, dass die ganze Lebensführung
“verbetrieblicht” wird: Das Privatleben richtet sich "in neuer Qualität systematisch auf den Erwerb
aus”. Die Devise lautet nicht mehr "Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps", sondern: "Wir
brauchen sie voll und ganz und zu jeder Zeit - und dazu müssen sie Ihr Leben im Griff haben!"
Auch wer formal abhängig beschäftigt ist, soll also unternehmerisch denken und handeln: Tut, was
ihr wollt, aber seid profitabel! Vertrauen ersetzt Kontrolle, Befehl und Gehorsam sind abgeschafft.
Spät aufstehen, morgens einkaufen, lange Mittagspause? Kein Problem, nur das Projekt muss unbedingt bis Freitag Abend fertig sein - perfekt ausgefeilt natürlich. Kaum ist die eine Sache vom
Tisch, wartet schon die nächste; oft müssen mehrere große Aufgaben gleichzeitig bewältigt werden.
Der lange Arm der Arbeit reicht weit hinein ins einst Private. Die Gedanken schweifen ab zu einem
vergessenen Telefonat, zu einer Datei, die vorhin nicht mehr vollständig bearbeiten werden konnte.
Ob ich mich gleich noch mal eben hinsetze und in den Firmenrechner einlogge, der Heim-PC ist
schließlich online? Mancher ist zu Hause nur körperlich anwesend, geistig befindet er sich noch im
Büro. Die Zweifel, ob er die hoch gesteckten Erwartungen erfüllen kann, verfolgen ihn bis in den
Schlaf. Ein Softwareexperte hat mir erzählt, dass ihm die Geschäftsführung einen edlen Stift mit
eingebauter Taschenlampe geschenkt hat. Das praktische Utensil, so will es der Personalleiter, soll
er sich auf den Nachttisch legen - damit sich ‚betriebliche’ Einfälle auch um drei Uhr nachts gleich
schriftlich festhalten lassen.
„Indirekte Steuerung“
Die alte Wirtschaft praktizierte "Management by Kasperletheater", wie es der Berliner Arbeitszeitexperte Michael Weidinger ironisch beschreibt. "Seid ihr auch alle da?" war die entscheidende, ständig wiederholte Frage. In den Büros dominierten Zeitverbrauchskultur und pathologischer Anwesenheitsdrang. Lange Präsenz und voller Terminplaner signalisierten Fleiß, Belastbarkeit und Unentbehrlichkeit. Jetzt fragt die Geschäftsführung gar nicht mehr nach, ob auch alle da sind. Aber sie
will die Mitspieler im Theater ganz, mit Haut und Haaren, überall und jederzeit. Mit Handy und
Laptop tragen die Mitarbeiter einen Wettlauf aus, den sie nicht gewinnen können. In ihren elektronischen Kalender tragen sie ein, wo sie sich gerade befinden und wie sie erreichbar sind. Zu den
unpassendsten Zeiten treffen Anrufe oder Mails ein, auf die eine sofortige Reaktion erwartet wird.
Der Arbeitsdruck wächst, ohne dass direkter Zwang durch Vorgesetzte ausgeübt werden muss. Die
Angestellten sind Getriebene, obwohl sie keiner mehr antreibt. Sie haben ihre professionelle Leistungsorientierung tief verinnerlicht, sie tun alles scheinbar aus freien Stücken. "Indirekte Steuerung"
nennt das der Unternehmensberater und Philosoph Klaus Peters. Für ihn geht es darum, "die Menschen vor sich selbst zu schützen".7
Arbeit ist mithin keine lästige Fron, kein Mittel zum Zweck mehr. Sie wird zum inneren Bedürfnis,
zur internalisierten Verpflichtung. Das Ergebnis muss stimmen - egal, wie es zustande kommt.
Immer mehr "Ergebnisse" in immer kürzerer Zeit werden erwartet. Ohne Atempause reiht sich ein
Projekt an das andere. Extreme Zielvorgaben bürden den Teams und jedem Einzelnen ökonomische Verantwortung für das ganze Unternehmen auf. Die Selbstkontrolle funktioniert bestens: In
den Köpfen setzt sich der Gedanke fest, dass sich eigene Interessen und die Interessen der Firma
weitgehend decken - auch wenn diese keineswegs identisch sind.
Siehe auch Peters, Dr. Klaus u. Glißmann, Dr. Wilfried: Mehr Druck durch mehr Freiheit. Die neue Autonomie in der
Arbeit und ihre paradoxen Folgen, Hamburg, VSA 2001.
7
13
Impulsreferat: Thomas Gesterkamp
Auftragsarbeit
Eine eigenartige Kombination aus Effektivitätsdenken und emanzipatorischen Werten prägte die
Arbeitsbedingungen in den Gründerfirmen der ‚Neuen Ökonomie’. Die Mitarbeiter wollten sich im
Beruf selbst verwirklichen, sie verknüpften dies aber mit einer ausgeprägten Profitorientierung:
Verdient ganz nebenbei auch noch viel Geld! Werdet euer eigener Unternehmer! Seid stets bereit zu
lernen! Aus dem emanzipatorischen Ideal, sich lebenslang weiter zu entwickeln, wurde ein neoliberaler Imperativ: "Erneuere dich selbst - aber so, dass es sich lohnt!" Zum Wohle der Firma, des
Börsenkurses und der eigenen Persönlichkeit. Das gilt erst recht für die Ich-AGs, also jene Arbeitskraftunternehmer, die auch formal selbstständig arbeiten. Ein zugespitztes Beispiel dafür sind die
Arbeitskulturen rund um die privaten Fernsehstationen. Dort ist die feste Stelle längst zur Ausnahme, die Auftragsarbeit dagegen zur Regel geworden. Um die TV-Sender spannt sich ein weit
verzweigtes Netzwerk von ausgelagerten Dienstleistungsanbietern. Entwickelt sich hier ein neues
Jobber-Proletariat? Oder arbeiten die jungen Selbstständigen einfach anders?
Jobs auf Zeit
Der Start in den Beruf ist für immer mehr Menschen ein biografischen Zickzackkurs. Meist erfolgt
er in höchst ungesicherter Form - als Schnupperpraktikum oder als freie Mitarbeit zu Niedrighonoraren. Die Temporärarbeiter sind Meister des Durchhaltens und Könige des Scheiterns; auf hindernisreichen Umwegen und nach der Methode von Versuch und Irrtum nähern sie sich ihrem
Traumberuf. Rechtlicher Status und soziale Sicherung scheinen kein Thema gerade in der TV-Branche, deren Mitarbeiter stolz darauf sind, an der glamourösen Welt der Stars und Sternchen teilhaben
zu dürfen - auch wenn sie selbst nur Kabel tragen. Cooles Auftreten und elitäre Selbstdefinition
stehen bei vielen in offensichtlichem Missverhältnis zur Qualität ihrer Jobs. Eine verlässliche und
auf Dauer angelegte Beschäftigung können die wenigsten erwarten. Arbeit für ein paar Wochen,
bestenfalls für ein paar Monate: Langfristigkeit ist in der kurzlebigen Szene nicht vorgesehen. Nach
lukrativen Projekten, das haben viele Medienleute gerade in jüngster Zeit erfahren müssen, kann der
tiefe Absturz folgen: Die Sendung wird eingestellt, der Moderator gekündigt, und mit ihm steht die
ganze Crew auf der Straße. Die Medienprominenz, für ihre Auftritte fürstlich bezahlt und schon auf
dem Sprung zum nächsten Job im Rampenlicht, mag solche Rauswürfe rein finanziell gut verkraften. Ihre Probleme beschränken sich auf die Verletzung eigener Eitelkeiten, während es für das
Fußvolk ganz handfest um die Existenz geht.
RTL hier in Köln, der größte deutsche Privatsender, kommt mit 900 Festangestellten aus, hat aber
rund 4000 freie Mitarbeiter. SAT 1 bringt es auf rund 650 Stellen bei 3500 Zulieferern. Ob es um
neue Witze für die Late-Night-Show, um spannenden Stoff für die Seifenoper, um Lichttechnik,
Kulissendesign oder Studiogästesuche geht: Die meiste Arbeit machen die Subunternehmen, die
wiederum Aufträge an einzelne Selbstständige vergeben. Die TV-Konzerne sind personell ausgedünnte Betriebe, die sich auf Koordinierung und Steuerung beschränken und ansonsten Projekte
vergeben. Denn Werkverträge sind in jedem Fall billiger als extra Leute einzustellen. In der Sprache
der Absatzwirtschaft ausgedrückt: Wenn die Markteinführung eines neuen Produktes scheitert also der Film floppt, die Serie zu wenig Quote macht - wären für überflüssig gewordene Angestellte
teure Abfindungen fällig. Freiberufler dagegen verursachen außer ihrem Honorar keine Kosten und sie kennen ihr berufliches Risiko.
Dubiose Formen der Selbstständigkeit, Jobs auf Zeit und je nach Bedarf, Umgehen der Versicherungspflicht: Die Beschäftigungsformen im TV-Gewerbe lesen sich wie ein Auszug aus dem Horrorkatalog jedes gestandenen Gewerkschafters. Und dennoch trifft das Klischee vom Medienproletarier nicht zu. Denn wer beim Fernsehen ist, fühlt sich keineswegs wie ein Industriearbeiter aus
dem vergangenen Jahrhundert. Er rechnet sich eher einer unkonventionellen Boheme zu; er setzt
Biografiebaustein auf Biografiebaustein und baut sich so eine neue Wirklichkeit zusammen. Acht
Wochen Kaffeekochen im Praktikum, dann feste Dienste für eine Talkrunde, nach kurzer Pause
schließlich ein Casting-Job beim Konkurrenzsender: Dass auf diese Weise die bunte, immer wieder
unterbrochene Berufslaufbahn zur Regel wird, stört die jungen Medienarbeiter erst mal nicht. In
ihrer Traumbranche angelangt, schwanken sie zwischen Hoffnung und Ernüchterung, zwischen
freigewähltem Unternehmertum und knallharter Ausbeutung.
14
Impulsreferat: Thomas Gesterkamp
Job-Nomaden
Ich will ihnen von Marko berichten, einem jungen Medienarbeiter. Marko hilft in einer Produktionsfirma beim Recherchieren, Organisieren, Drehen und Schneiden - auf Abruf. Das reicht zum
Leben, und auch darüber hinaus. Marko hat keine Familie zu ernähren und im Winter, wenn die
Außendrehs seltener werden, ist er sowieso nicht da. Irgendwann um diese Jahreszeit, im November, schnürt er seinen Rucksack, vermietet seine Wohnung unter und jettet gen Asien. Mitte April
ist er wieder da - und arbeitet wie gehabt. Ein Medien-Proletarier? Marko hält sich für privilegiert.
Er hat das Jobhopping zur Lebenskunst gemacht; er genießt den Spielraum, den ihm seine Existenz
als Selbstständiger ermöglicht - und will gar keine feste Stelle. Vor ein paar Jahren hat ihm ein Kollege angeboten, bei einer frisch gegründeten Produktionsfirma einzusteigen - für Marko eine Perspektive mit Schattenseiten. Kreditverpflichtungen für das Startkapital, 60-Stunden-Woche das
ganze Jahr über. Er sagte dankend ab - und buchte die nächste Weltreise.
Ein Einzelfall? Der Medienboom ist nicht nur bei Leo Kirch in München, sondern auch hier in
Köln vorbei. Aber viele freie Mitarbeiter der Branche werden immer noch gut bezahlt. Hohe Honorare erhalten die wichtigen Zuarbeiter erfolgreicher Fernsehformate natürlich nur so lange, wie
die Einschaltquote stimmt. Auf gute Zeiten folgen schlechte Zeiten ohne Verdienst, Durststrecken,
doch Sicherheit im Sinne der traditionellen Sozialversorgung erwartet ohnehin niemand. Nützlich
ist die durch Staat und Verlage bezuschusste Künstlersozialkasse, die Selbstständige in publizistischen Berufen preisgünstig kranken- und rentenversichert - ein Angebot, das angesichts der rapide
steigenden Nachfrage allerdings zunehmend reglementiert und eingeschränkt wird.
Ich-Agenten sind strategisch handelnde Akteure, die ein aufwendiges Selbstmarketing betreiben
müssen - eine Qualifikation, die bei weitem nicht alle Auftragnehmer vorweisen können. Vor allem
Ältere mit privaten Verpflichtungen zahlen einen hohen Preis, wenn sie das geschützte Dasein des
Angestellten verlassen oder gar nicht erst angestrebt haben. Kein Zufall, dass die Teams im Filmgeschäft und bei den Zulieferern der Privatsender überwiegend aus jungen, ungebundenen Leuten um
die 30 bestehen: Die Bodenständigkeit eines Lebens mit Kindern und Bausparvertrag lässt sich mit
der erwarteten Flexibilität und Belastungsfähigkeit kaum vereinbaren.
Die Jobnomaden sind keine Befehlsempfänger. Sie sind zwar abhängig von den Anforderungen der
Auftraggeber, doch sie können den Grad ihrer Eingebundenheit in die Welt der Erwerbsarbeit in
einem höheren Maße steuern als bei einer festen Anstellung. Wenn Gewerkschafter in dieser Entwicklung wie einst in der Teilzeitdebatte vor allem eine schändliche Abweichung von der männlichen Norm sehen, haben sie einen schweren Stand. Medien-Proletarier aller Sender, vereinigt euch?
Der "verbetrieblichte Arbeitskraftunternehmer des Post-Fordismus", so Voß und Pongratz, sei
sozial keineswegs eindeutig zuzuordnen. Eine “echte Reproletarisierung breiter Gruppen" sei nicht
zu erwarten. Es könnte im Gegenteil geradezu "zum Kennzeichen des Arbeitskraftunternehmers
werden, dass er die Fähigkeit und Bereitschaft besitzt, sich auf variierenden Einkommens- und
Sozialniveaus einzurichten".
Freiberufler verstehen sich selten als ausgebeutete Wesen. Doch nur jene, die sich wirklich frei
entschieden haben, können Belastungen am Arbeitsplatz reduzieren oder ganz vermeiden.
Es macht einen großen Unterschied, ob ein Selbstständiger gelegentlich Zwölfstundenschichten zulässt, weil er genau weiß, dass er den folgenden Tag ruhig angehen kann – ob er ob sich ein enormer Dauerstress einstellt, weil weisungsgebundene Beschäftigte von einem Projekt zum nächsten
hetzen müssen.
Projektarbeiter betrachten standardisierte Tarifverträge und Zeitstrukturen manchmal als Hindernis.
Sie wollen aber auch keine Aushilfsjobs, sondern Arbeit auf ihrem Niveau mit angemessener Bezahlung. Gewerkschaften haben weiterhin eine wichtige Aufgabe, wo sich die Risiken der neuen
Berufsbiografien häufen. Trotz aller Individualisierung der Lebenslagen und Erwerbsverhältnisse
bleiben gemeinsame Probleme, die sich besser kollektiv lösen lassen.
15
Impulsreferat: Thomas Gesterkamp
Gewerkschaften sind einst als organisierte Gegenmacht entstanden, als Zusammenschlüsse von
Arbeitern, die ihre Lage nur durch gemeinsames Handeln verbessern konnten. Im Kern hat sich an
dieser Aufgabe nichts geändert: Nur die Edelproletarier unter den Selbstunternehmern können als
Einzelkämpfer über Arbeitszeit oder Entlohnung verhandeln. Die meisten Freiberufler sind in irgendeiner Form abhängig beschäftigt und benötigen eine Absicherung gegen Übergriffe und unbegrenzte Ausbeutung.
Beratungsangebote
Profilierte Beratungsangebote in diese Richtung hat vor allem die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di entwickelt. Mit Veranstaltungen, Seminaren und eigenen Publikationen wollte
schon die ver.di-Vorläufer-Organisation, die IG Medien, ihre Zielgruppe ansprechen. Das war
schwierig, denn viele Selbstständige sind wegen ihrer häufig wechselnden Arbeitsorte kaum erreichbar. Im ver.di-Verbund wurden die Aktivitäten für Freiberufler intensiviert. So bündelt das
Projekt connexx.av. Dienstleistungen für Mitarbeiter der privaten Film- und Fernsehwirtschaft;
Interessierte erhalten Beratung, Rechtsschutz und die Möglichkeit, sich weiterzubilden. Honorarempfehlungen oder Musterentwürfe für verbindliche Geschäftsbedingungen sollen die abhängigen
Solounternehmer unterstützen. Derartige Serviceangebote werden auch im Internet präsentiert oder
können über das virtuelle Callcenter mediafon abgerufen werden.
In der Informationsgesellschaft, so meine These, gibt es nicht weniger, sondern nur anders ausgerichtete Bedürfnisse nach Sicherheit, Kommunikation und sozialer Heimat - ein Interesse an posttraditionellen Bindungen sozusagen. Wo der einzelne überfordert ist, wo Netzwerke nicht gut
funktionieren, wächst der Beratungsbedarf. Eine unterstützende Rolle könnten dabei auch die
Arbeitsämter spielen. Das Schlagwort von der Ich-AG darf nicht nur ein Mittel sein, um die Arbeitslosenstatistik zu entlasten. Das Kernproblem liegt darin, dass die Kategorien der Arbeitsverwaltung ausschließlich zwischen beschäftigt und arbeitslos unterscheiden. Auf die neuen beruflichen Identitäten und Arbeitsbiografien der Informationswirtschaft, wie sie sich in der Medienbranche beispielhaft abzeichnen, passen die alten Begriffe, Instrumente und Regelsysteme nicht mehr.
Wer zum Beispiel Arbeitslosengeld bezieht und gleichzeitig versucht, sich selbstständig zu machen,
muss oberhalb einer geringfügigen Freigrenze sofort mit der Anrechnung seiner Honorare rechnen.
Mischformen zwischen abhängiger Beschäftigung und Unternehmertum sind bisher kaum vorgesehen. Ich verspreche mir von der Umsetzung des Hartz-Papiers, dass sich das ändert. Denn die IchAG ist eine Art Zwitterwesen, eine neue Form des Unternehmertums: Sie schafft keine Arbeitsplätze, sondern beschäftigt bestenfalls sich selbst; sie ist nicht gewinnmaximierend, sondern schlicht
existenzsichernd ausgerichtet.
Neue Balance
Ich komme zum Fazit: Eine neue Vielfalt der Arbeit löst die festen Standards ab. Die traditionell
von Männern realisierten geradlinigen Biografien verlieren an Bedeutung. Frauen, für die die Normalarbeit stets Fiktion war, profitieren deshalb besonders von einer stärker an persönlichen Fähigkeiten orientierten Berufswelt. Die neuen Identitäten bringen Bewegung auch in das Verhältnis
zwischen den Geschlechtern.
Erwerbsarbeit und Familie, Muße, persönliche Interessen und bürgerschaftliches Engagement werden je nach Lebenslage und Biografie individueller verknüpft - vorausgesetzt, es gelingt, unregelmäßige Erwerbsverläufe mit regelmäßigem Einkommen zu verbinden. Es ist sicher blauäugig, die
neuen Selbstständigen pauschal zu Pionieren eines neuen Lebensstils zu verklären. Wenn Trendforscher euphorisch über freie Agenten, Selbst-GmbH oder Portfolio-Prinzip räsonieren, ist Skepsis
angebracht. Ein großer Teil der Projektarbeit bleibt prekäre Beschäftigung; Selbstausbeutung wird
auch in der Medienbranche ideologisch verklärt. Dennoch sollte man die Chancen einer neuen
Balance zwischen Beruf und Privatem, zwischen Arbeit und Liebe, nicht aus den Augen verlieren.
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Impulsreferat: Thomas Gesterkamp
„Die Medienbranche –
ein Laboratorium neuer
Berufsbiographien?“
Thomas Gesterkamp
Journalist und Autor,
Köln.
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Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Bernd J. Ertelt, Peter Funken, Ulrike Metzner-Imiela,
Daniel Sonderhoff, Prof. Dr. Wolfgang Wittwer und Andrea Stein (Moderation)
DIE KOMPLEXITÄT DER ARBEITSMÄRKTE:
WER BERÄT DIE „ARBEITSKRAFTUNTERNEHMER“?
Herausforderungen an Berufsberatung, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik
Problemstellung
Ausgehend von der These des Impulsreferenten, dass die alten Begriffe, Instrumente und Regelsysteme auf die neuen beruflichen Identitäten und Arbeitsbiografien der Informationswirtschaft,
wie sie sich in der Medienbranche beispielhaft abzeichnen, nicht mehr passen (Thomas
Gesterkamp), diskutierten die Podiumsteilnehmer die zukünftigen gesellschaftlichen Weichen.
Diskussion
Aus Sicht der Berufsberatung wurde festgehalten, dass der Begriff Beratung nicht so definiert ist,
dass jeder das Gleiche meint, wenn er von Beratung spricht (Funken). Die Einschätzung der Wissenschaftler war eindeutig: Beratung muss sich neu definieren (Wittwer). In der neuen Ausbildung
der Berufsberater muss der Teil der Selbständigkeitsberatung und der lebenslangen Beratung ausgebaut werden (Ertelt). Für die Medienwirtschaft ist es im Moment besonders wichtig, Standards zu
entwickeln (Sonderhoff). Die Politik sieht in diesem Zusammenhang ihre Aufgabe darin, die Unternehmen bei der Formulierung realitätsnaher und umsetzbarer Stellenprofile zu unterstützen –
Stichwort Matching-Prozess (Metzner-Imiela).
Andrea Stein:
„Mission impossible“?
Wo haben wir schon Ideen und Instrumente, um mit diesen neuen Beschäftigten, mit diesen neuen
Berufsbiografien umzugehen, sie zu stärken, sie mit zu lenken und wo müssen wir an uns arbeiten?
Zum Ende des Referats wurde gesagt, es braucht neue Regelsysteme oder zumindest ein Überdenken der alten Regelsysteme in den Arbeitsämtern, es braucht neue Instrumente zur Beratung dieser
neuen Berufsbiografien. Herr Funken: Haben Sie schon solche Instrumente in der Tasche, die Sie
heute weiter geben können oder ist das aus Ihrer Sicht für die Berufsberater oder Berater in den
Arbeitsämtern erst einmal „Mission impossible“?
Peter Funken:
Stärkung der Eigenverantwortung
Mein Ziel und meine Aufgabe besteht darin, Berufsberatung auf qualitativ hohem Niveau zu ermöglichen für die Arbeitsgrundversorgung für Nordrhein-Westfalen. Ich habe keine neuen Bausteine, keinen neuen Werkzeugkoffer, den ich heute präsentieren könnte. Ich habe mich mit der
Frage beschäftigt, die als Überschrift über unser Podium steht: „Wer berät die „Arbeitskraftunternehmer“ - oder die künftigen „Arbeitskraftunternehmer“? Diese Antwort hätte ich Ihnen vor sechs
Jahren gar nicht geben können, denn da gab es die Zeit der Monopole. Da war eigentlich klar, nicht
wer beriet, sondern wer beraten durfte. Das waren die Berufsberater, die Arbeitsberater der Bundesanstalt für Arbeit. Das ist inzwischen nicht mehr so und das gilt auch für die Vermittlung. Und
damit haben wir eigentlich eine hervorragende Chance, die Möglichkeiten beraten zu werden, auch
ganz offiziell zu vervielfältigen. Ich sehe auch in dieser Veranstaltung, dass höchstens zwei Drittel
der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Bereich der Berufsberatung sind.
Welche neuen Anknüpfungspunkte ergeben sich hier? Wir haben uns in der Zeit, die nach dem
Monopol kam - wir waren ja ganz unsicher, da kommen die ganzen anderen - , oft auch damit beschäftigt, wo die Abgrenzungen sind. Ich denke, wir sind inzwischen so weit, dass wir die Kompetenzen dieser anderen, die in diesem Feld tätig sind, anerkennen, sie zur Kenntnis nehmen zum
Nutzen unserer Kunden (früher haben wir Ratsuchende gesagt). Auch entsprechend zu verweisen
auf Kompetenzen, die an anderer Stelle liegen. Auch dazu sollte eine Veranstaltung wie heute dienen, dass sich möglicherweise das Bild der Beratungsangebote über den Tellerrand hinaus vervollständigt.
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Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Bernd J. Ertelt, Peter Funken, Ulrike Metzner-Imiela,
Daniel Sonderhoff, Prof. Dr. Wolfgang Wittwer und Andrea Stein (Moderation)
Frau Stein hatte im Eingangsreferat davon gesprochen, dass wir möglichst von der reinen begrifflichen Diskussion wegkommen sollen hin zu eher praxisbezogenen Beispielen, aber es ist auch wichtig über Begriffe zu reden. Ich habe das in letzter Zeit noch häufiger wieder erfahren, dass der Begriff Beratung aus meiner Sicht nicht so definiert ist, dass jeder das Gleiche meint, wenn er von Beratung spricht. Das gilt sowohl für die Ratsuchenden als auch für Berater als auch für Verwaltungsinstitutionen, die Beratung organisieren. Ich hatte früher auch, als ich selbst Berater war, mit
der Frage zu tun: „Was würden Sie denn an meiner Stelle tun?“ Die Antwort, die ich an dieser Stelle
hätte, führt in den seltensten Fällen zu einem befriedigendem Ergebnis: Möchte jemand, dass ich
ihm Verantwortung abnehme? Auf der anderen Seite gibt es die Haltung von Beratern: „Wenn Sie
tun, was ich sage, sind Sie gut beraten“. Oder umgekehrt: „Sie sind gut beraten, wenn Sie machen,
was ich Ihnen anweise“. Beides wird ernsthaft als Beratung betrachtet. Und in unserem Sozialgesetzbuch III steht als erster Satz: „Die Abteilung gibt Auskunft und Rat.“ Und ich sage: Beratung
ist die Stärkung der Eigenverantwortung unserer Ratsuchenden, sie in die Lage zu versetzen, die
Verantwortung für ihren beruflichen Weg selbst in die Hand zu nehmen und ihnen dabei Hilfen
zur Verfügung zu stellen.
Andrea Stein:
Was muss ich für Kompetenzen einbringen?
Ich würde gern Herrn Professor Dr. Wittwer fragen - wir haben es ja am Beispiel der Medienbranche gehört, dass diese alte Beruflichkeitssystematik in vielen neuen Branchen entfällt: Was kann ich
denn dann in der beruflichen oder berufsorientierten oder berufsbiografie-orientierten Beratung als
Berater für Kompetenzen einbringen oder was muss ich für Kompetenzen einbringen?
Prof. Dr. Wolfgang Wittwer:
Beratung muss sich neu definieren
Ich habe es ja schon angedeutet: Beratung muss sich neu definieren. Und das hängt eben u.a. damit
zusammen, dass das Berufskonzept nicht mehr so tragfähig ist wie es in der Vergangenheit war.
Das Berufskonzept und damit eingeschlossen die jeweiligen Berufsbilder gaben Orientierung für die
Berufslaufbahn, für die Karrieremuster. Und der Beruf prägt ja auch die Biografie. Heute ist es
eigentlich umgekehrt. Die Biografie muss den Beruf, die Berufskarriere gestalten. Und das bedeutet,
dass ich einzelne individuelle Qualifikationsmuster zusammenstellen muss und der Leitfaden, wie
man diese zusammenstellt, sind die jeweiligen Kompetenzen und Stärken. Daran muss sich Beratung stärker orientieren. Dass ist eigentlich nicht so was Neues, denn Berufsberatung hat ja eigentlich schon immer das Ziel, den Einzelnen persönlich auch zu beraten im Sinne einer Karriere-Entwicklung, nur ist das Ziel immer mehr aus den Augen verloren worden. Das hängt damit zusammen, dass sich Berufsberatung stärker den sog. Problemgruppen am Arbeitsmarkt annehmen
musste: arbeitslosen Jugendlichen, Frauen, die wieder ins Berufsleben einsteigen wollten. Da ist die
Richtung verloren gegangen; d.h. es wurde eine neue Richtung aufgemacht mit einer stärkeren Orientierung am Arbeitsmarkt. Und, wir haben es ja eben auch gehört, der Arbeitsmarkt, kann heute
und in Zukunft keine entscheidende Orientierung mehr sein.
Beratung muss in zwei Richtungen gehen. Einmal muss Beratung weg kommen von einer einmaligen Aktion - dass Jugendliche, die jetzt einen Ausbildungsberuf ergreifen wollen, beraten werden
oder dass Arbeitslose beraten werden, um in einen Beruf zu kommen. Beratung muss als Prozess
verstanden werden, der sich durch alle Lebensphasen hinweg zieht. Zum zweiten muss sich Beratung auch stärker an Erwerbstätige - also nicht nur an diejenigen, die jetzt im Moment keine Arbeit
haben oder keinen Ausbildungsberuf haben - wenden, damit sie Orientierung zur weiteren Gestaltung ihrer Berufskarriere bekommen. Und das bedeutet auch, dass Beratung nicht nur jetzt darin
bestehen kann, Informationen aufzuarbeiten, Informationen weiter zu geben, sondern Beratung ist
auch so etwas wie Biografie-Arbeit werden; d.h. sie muss den Einzelnen unterstützen beim Herausfinden seiner individuellen Stärken und bei der Förderung seiner individuellen Stärke.
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Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Bernd J. Ertelt, Peter Funken, Ulrike Metzner-Imiela,
Daniel Sonderhoff, Prof. Dr. Wolfgang Wittwer und Andrea Stein (Moderation)
Andrea Stein:
Was kann das Ministerium tun?
Das MASQT8 ist maßgeblich im Boot, wenn es darum geht, die Empfehlungen auch der HartzKommission umzusetzen auch mit den entsprechenden Leistungsträgern, also sicherlich auch den
Arbeitsämtern. Es wird ja auch in den Papieren viel davon geredet, dass die Beratungsangebote
erweitert werden müssen. Sicherlich auch das Problem, was schon angesprochen wurde, dass es
nicht nur die Arbeitsämter sind, die das Monopol im positiven wie im negativen Sinne haben. Frau
Metzner-Imiela: Was kann oder wird Ihr Ministerium tun, um diese vorhandenen Kräfte zu stärken,
aber auch neue Dinge in die Wege zu leiten?
Ulrike Metzner-Imiela:
Vermittlungs- und Matching-Prozess aufbauen
Zunächst kann ich vielleicht einmal kurz darüber berichten, was wir schon getan haben und wo wir
Anknüpfungspunkte sehen, um den arbeitssuchenden Menschen, aber auch dem gesamten Beschäftigungssystem Impulse zu geben in Richtung einer Weiterentwicklung und den Strukturwandel. Das ist auch der Aufgabenbereich meines Referates: so zu flankieren, dass die Menschen, die
sich orientieren müssen, um einen Berufsweg, eine kontinuierliche Karriere aufzubauen, wissen, wo
sie Unterstützung bekommen und wie das gelingen kann. Wir im Arbeitsministerium haben uns
schon parallel zu dem, was in der Staatskanzlei geht, beschäftigt. Ausbildung in den Medienberufen
ist ein ganz wichtiger Schwerpunkt. Medienkompetenz ist ein wichtiger Schwerpunkt.
Wir haben uns befasst vor allen Dingen damit, dass die Berufsverbände Arbeitgeber, auch Branchenverbände Arbeitgeber vor nicht allzu langer Zeit sehr darüber geklagt haben, dass es einen
irrwitzigen Fachkräftemangel gäbe und dass wir viel zu wenig Medienspezialisten, IT-Spezialisten
ausbilden würden. Wir haben gemeinsam mit den Industrie- und Handelskammern und gemeinsam
mit den Handwerkskammern dann auch eine Aktion gestartet und gesagt, wir wollen wirklich mal
an die Unternehmen hier in Nordrhein-Westfalen heran und die genau fragen: Welche Arbeitskräfte
braucht ihr denn? Wo sind denn eure konkreten Bedarfe? Um dann in Kooperation mit den Arbeitsämtern vor Ort, in Zusammenarbeit mit den Handwerkskammern noch stärker als mit den
Industrie- und Handelskammern, zu sagen: Was können wir denn jetzt - wir haben ja auch eine
ganze Menge Arbeitslose, wir haben berufliche Weiterbildung, die wir anbieten - zukunftsorientiert
machen, damit Fachkräftemangel gedeckt wird?
Ich will ein paar Ergebnisse nennen. Nicht nur jetzt in der abflauenden Konjunktur, wenn nicht gar
Rezession ist es so, dass der Fachkräftemangel nicht so groß ist, wie er immer von den Verbänden
dargestellt wird; d.h. die Zahlen, die einmal in die Welt gesetzt wurden, es könnten sofort 15.000
Stellen für Medienfachleute, IT-Fachleute besetzt werden, die muss man mit Vorsicht betrachten.
Ich glaube auch, dass die Verbände inzwischen davon ein bisschen abgerückt sind, auch wenn sie
immer noch Fachkräftemangel reklamieren. Ich halte es auch für ein wichtiges Feld von Beratung,
in Zukunft an die Unternehmen heran zu gehen und zu sehen: Was sind die konkreten Probleme
im Betrieb und wie sind die Unternehmen überhaupt in der Lage, Bedarfe zu formulieren? Das sind
ja nun nicht alles Arbeitsmarktspezialisten und Berufsbildungsexperten, sondern die können ja nur
aus ihren konkreten Problemlagen heraus sagen, diese oder jene Fachkraft würde mir vielleicht in
Zukunft helfen, ich wäre auch bereit sie einzustellen.
Es neigen aber oft die Unternehmen dazu, die Bedarfe viel zu hoch anzulegen. Man möchte möglichst auch junge Leute haben, aber mit Berufserfahrung und dann mit ganz viel Spezialkenntnissen
und da wird einfach ein viel zu hohes oder ein viel zu qualifiziertes Bild von der Fachkraft gemalt,
die man haben möchte.
Anm.: Das Ministerium für Arbeit und Soziales, Qualifizierung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen
wurde nach dem Kabinettswechsel zum Ende des vergangenen Jahres umbenannt in Ministerium für Wirtschaft und
Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen.
8
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Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Bernd J. Ertelt, Peter Funken, Ulrike Metzner-Imiela,
Daniel Sonderhoff, Prof. Dr. Wolfgang Wittwer und Andrea Stein (Moderation)
Und dann kommen oft Einstellungen nicht zustande, weil die Arbeitssuchenden kaum in der Lage
sind, dem Bild zu entsprechen. D. h. es wird auch eine Aufgabe sein in sehr konkreten Kontakten das ist auch für die Berater in der Arbeitsverwaltung ganz wichtig - Gespräche zu führen mit den
Betrieben. E sollen ja auch Patenschaften und Kooperationen werden, die im Sinne des HartzKonzeptes dann weiter entwickelt werden. Also mit den Unternehmen im Gespräch bleiben, sie
unterstützen, sie auch dabei beraten, dass sie realitätsnahe und auch besetzbare Stellenprofile zu
formulieren imstande sind. Das wäre eine wichtige Aufgabe: Herunter kommen von allzu hohen
Anforderungen und für die Berater, die tätig sind in diesem Geschäft, ist es ganz wichtig zu wissen,
es geht nicht nur darum, auf der einen Seite die Arbeitskraftunternehmer oder neuen Berufstätigen
zu beraten, sondern es geht immer darum, auch so etwas wie einen Vermittlungs- und MatchingProzess aufzubauen zu den Unternehmen hin. Das muss meines Erachtens immer als Gesamtheit
gesehen werden. Das, was wir in Bezug auf die Sozial-Agenturen und Job-Center als CaseManagement bezeichnen, ist auch ein ganz wichtiger Begriff und eine ganz wichtige Leitlinie für die
Beratung, wenn es gelingen soll, berufliche Möglichkeiten und Stellenpotenziale - die liegen nicht
wesentlich nur in der Medienbranche - zu suchen.
Es liegen in den Bereichen, wo sehr stark auch anwendungsorientiert gearbeitet wird, berufliche
Möglichkeiten. Die müssen verfolgt werden. Denen muss man nachspüren. Das ist nicht immer
eine einfache Arbeit, sondern da bedarf es manchmal richtig detektivischer Fähigkeiten. Wenn man
mal es irgendwo läuten hört, da wäre eine Stelle frei, dann muss man da hinterher sein und muss
auch denjenigen Unternehmer/Personalchef, der sich da mal geoutet hat, dann auch wirklich sofort
betreuen und dann am Ball bleiben und dann auch ganz speziell, also deshalb Matching-Prozess,
Vorschläge machen können, welchen Menschen, und den muss man dann auch so ein bisschen
werbend begleiten. D.h. die Tätigkeit der Berater - das ist unsere Erkenntnis und auch der Bezug
zum Hartz-Konzept - ist in Zukunft eine wichtige Arbeit. Aber mit der Arbeitskapazität, die im
Moment vorhanden ist, ist das nicht zu leisten. Ob das zu leisten ist, indem man jetzt Fachleute aus
den Wirtschaftsverbänden, aus den unternehmensnahen Verbänden mit dazu holt? Es wäre eine
Möglichkeit, aber die muss sehr gut entwickelt werden und es muss sozusagen auch ein neues professionelles Bild der Arbeitsmarkt- und Berufsberatung geben.
Andrea Stein:
Würden die Unternehmen das mitmachen?
Wenn ich das mal herunter breche, gibt es eine Offenheit dafür, auch in kleineren Einheiten zu
denken. Es muss nicht eine große zuständige monopolistische Institution sein. Man sieht, dass es
beim Matching, um das Wort aufzugreifen, darauf ankommt, sehr individualisiert heran zu gehen
und nicht gleich zu sagen, dass muss für ganz Nordrhein-Westfalen oder ganz Deutschland für die
nächsten 30 Jahre gelten. Einen geöffneten Dialog würde auch die Landesregierung gut finden.
Wenn jetzt jemand vom Arbeitsamt Köln, weil wir jetzt hier in Köln sind, mit der Stabsstelle Medienwirtschaft und mit Ihnen, Herr Daniel Sonderhoff als VFFV Media, dem Verband der Fernseh-, Film-, Multimedia- und Videowirtschaft e.V., Köln, kooperiert und Sie dahin gehen und sich
drei Berufsberater schnappen aus dem Arbeitsamt Köln und Brühl und Dortmund und sagen, die
kommen jetzt mal zu mir in den Betrieb für vier Wochen. Dann lernen die das mal kennen, wie das
bei uns ist und dann wissen die auch besser, was ist in Köln und Brühl und sonst wo los. Gleichzeitig stellen wir uns aber als Unternehmen zur Verfügung und tun unseren Input rein und lügen
auch nicht rum und sagen nicht, wir brauchen ganz viel Leute, wenn das gar nicht stimmt, aber wir
sagen, welche Leute wir genau brauchen. Würden wir das zusammen machen, würden die Unternehmen das mitmachen? Und dann gehen wir zu Frau Metzner-Imiela und dann flankieren wir den
Strukturwandel.
Daniel Sonderhoff:
Standards zu entwickeln ist das A und O
Im Grunde genommen wäre das etwas, was uns auch helfen würde. Auf der anderen Seite ist es
sehr schwierig, wenn ich an die Situation der Berater denke, wir wissen ja selber teilweise gar nicht,
was sollen wir jetzt sagen, wen wir wollen? Ich spreche jetzt mal für die Fernsehproduzenten.
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Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Bernd J. Ertelt, Peter Funken, Ulrike Metzner-Imiela,
Daniel Sonderhoff, Prof. Dr. Wolfgang Wittwer und Andrea Stein (Moderation)
Da hat ein Aufnahmeleiter verschiedene Tätigkeiten, was vielleicht in einem anderen Produktionsbetrieb anders verteilt wird. Ich habe andere Anforderungen. Da suchen wir selber Standards. Ich
speziell im VFFV Media habe die Ausbildung auf meine Fahne geschrieben; d.h. ich versuche auch
in unserem Verband die Produzenten zusammen zu tun, dass sie Standards mit entwickeln, Gott sei
Dank haben wir AIM und arbeiten mit AIM parallel zusammen, dass wir uns austauschen, denn das
ist quasi das Schwierigste für uns: Standards zu finden. Es ist auch ganz schwierig von uns aus Ihnen jetzt schon Standards zu sagen von einzelnen Produktionsfirmen. Da müssten wir uns dann
wirklich zusammen setzen und das auszuarbeiten. Ich finde es aber sehr wichtig, dass wir das tun
und ich finde eine solche Veranstaltung auch sehr wichtig und begrüße das sehr.
Mit Beratung bei uns in den eigenen Firmen: Wir haben das Geschäft. Wir haben, das hat ja Herr
Gesterkamp auch sehr schön in seinem Impulsreferat gesagt, dass wir von einem Projekt ins andere
gehen. Die Zeit zieht uns immer und da müssen wir also auch selber mehr tun. Dass wir uns überlegen: Was gebe ich einem Auszubildenden eigentlich mit? Der Auszubildende bekommt sehr stark
mit, was wir brauchen. Geht er dann aber in einen anderen Betrieb, muss er umdenken. Da hat er
bei uns was anderes gelernt; d.h. das ist, glaube ich, ganz wichtig und da sind wir ja auch alle dran,
Standards zu entwickeln und ich denke, das ist da A und O im Moment.
Andrea Stein:
Müssen neue Inhalte in die Ausbildung hinein?
Stichwort Standards: Da kommen wir jetzt nämlich zu den Berufsbild-Standards. Auch der hier
von den Beraterinnen und Beratern und das dann möglichst gleich auf europäischer Ebene. Herr
Professor Ertelt, Sie haben das ja jetzt sich auch alles angehört und Sie machen ja nun auch schon
sehr lange viel im Ausbildungsbereich mit Berufsberatern, mit angehenden Berufsberatern, aber
eben auch mit welchen, die schon lange im Beruf sind, ich habe ja auch gesehen, dass Sie hier die
meisten kennen und jeder kennt Sie. Wenn Sie sich das anhören, was jetzt spezifisch für die Medienbranche, aber auch für Teile der neuen Arbeitsmärkte gesagt worden ist: Glauben Sie, dass da
neue Inhalte in die Ausbildung der Beraterinnen und Berater hinein müssen und auch in die Weiterbildung vor allen Dingen, über die wir noch nicht gesprochen haben, und gibt es in anderen
Ländern, die auch in den Projekten mitgestalten konnten, andere Ansätze? Wird da anders gearbeitet oder läuft es letzten Endes auf dasselbe hinaus wie bei uns?
Prof. Dr. Bernd J. Ertelt:
Selbständigkeitsberatung und lebenslange Beratung ausbauen
Die OECD-Studie, die gerade heraus gekommen ist und auf die sich wohl auch Herr Kollege
Wittwer bezogen hat, sagt uns als Schwäche der deutschen Berufsberatung den relativ geringen
Stellenwert nach, den Selbsteinschätzung und Berufslaufbahn im Vergleich zu Wissen über die
Arbeitswelt haben; insbesondere bei der Arbeitslehre und bei den Beratungsdiensten für Erwachsene der Bundesanstalt für Arbeit. Wir bilden in Mannheim am einzigen akademischen Ausbildungsgang in Deutschland für Berufsberater seit 30 Jahren Berufsberater aus und die Frage von
Frau Stein war: Was haben wir denn drin, was dafür spräche, jemanden beraten zu können, der
sich z.B. selbständig machen möchte? Nun möchte ich gerne den Hartz-Vorschlag im wesentlichen
trennen von dem, was sich in den Medienberufen abspielt. Herr Gesterkamp hat das in Nähe gerückt, aber es gab immer in den Medienberufen einen höheren Grad an Selbständigkeit als in anderen Berufen. Und wenn jemand in den Beruf hinein will, dann stehen wir als Berufsberater natürlich
bereit, aber der muss ja auch erst mal kommen. In meinen empirischen Untersuchungen habe ich
nachweisen können, dass Leute sich gerade dann schnell entscheiden für einen Modeberuf, wenn
sie keine Informationen darüber haben. Das ist wie bei uns auf dem Dorf, wo ich herkomme, da
haben die Leute oft früher geheiratet, weil sie keine Alternativen sahen. Ich würde das trennen
wollen. Die Hartz-Vorschläge sozusagen der Selbständigkeit haben prinzipiell nichts zu tun mit
Medienberufen. Man muss auch Medienberufe in dem diffusen Etwas ein bisschen analytischer
sehen. Wenn wir von Informationsberufen sprechen, dann sind Medienberufe vielleicht ein Teil
davon und da gibt es sehr wohl auch differenzierte Betrachtungen.
22
Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Bernd J. Ertelt, Peter Funken, Ulrike Metzner-Imiela,
Daniel Sonderhoff, Prof. Dr. Wolfgang Wittwer und Andrea Stein (Moderation)
Unsere Berater und Beraterinnen, die wir ausbilden in Mannheim, lernen natürlich ArbeitsmarktAnalysen, auch Sektoren-Analysen. Sie lernen aber vor allem auch vom Menschen her zu denken,
von seinen Stärken und Schwächen. Und wenn sie jetzt z.B. einen typischen Medienmenschen sehen und den Ansatz von John Holland9, der heute vielleicht der berühmteste ist, und sagen: Wie
liegt künstlerisches Tun - und viele Medienleute betrachten sich als verkappte Künstler, auch wenn
sie, wie Herr Gesterkamp sagt, natürlich Kaffee kochen - neben Unternehmertum in dem System
von John Holland? Und da werden sie sehen, dass es Unterschiede gibt. Unsere Berater werden
sich immer zuerst ausrichten: Was will der Mensch? Was sind seine Stärken und Schwächen? Und
natürlich werden wir jetzt in der neuen Ausbildung, die wir vorhaben, natürlich auch den Teil der
Selbständigkeitsberatung und natürlich den Teil der lebenslangen Beratung ausbauen müssen. Die
Bundesanstalt hat sich - und das ist tatsächlich in der Vergangenheit aus der Not geboren - vor
allem konzentriert in der Berufsberatung auf die erste Schwelle, die Transmission von der Schule in
die Berufsausbildung und vielleicht noch ein bisschen auf die zweite Schwelle, Übergang ins Erwerbsleben. Sie hat sich dann aber im Bereich der Erwachsenen, der Erwerbstätigen mehr auf die
Arbeitslosen konzentrieren müssen und das hält man uns auch international im Vergleich vor: Wir
machen zu wenig wie die Franzosen etwa in den Kompetenz-Bilanzzentren für die Potenzialanalyse
von Erwerbstätigen.
Was die Medienberufe anbelangt, da werden wir sicherlich in der Ausbildung verstärken müssen.
Und in den Medienberufen ist aber auch ein eigenartiges Anderes. Vielleicht: Sie sind schneller dem
Verfall ausgeliefert. Das ist auch eine Sache, warum man bestimmte berufskundliche Inhalte immer
sehr schnell ändern muss und das ist eben in der täglichen Arbeit doch sehr schwierig. Und vielleicht noch ein letztes Wort:. Wir gehen immer von dem amerikanischen Ausdruck PatchworkKarriere aus. Was heute oftmals als Patchwork bezeichnet wird, ist ganz einfach die in jedem Berufsleben vorkommende Änderungsnotwendigkeit. Die Berufspersönlichkeit als stabilisierender
Faktor ändert sich erstaunlich wenig und die Notwendigkeit, gerade mit neuen Medien arbeiten zu
müssen, das ist einfach Aufgabe in dem Beruf. Und deshalb ist es Unsinn, dass Bild des Patchwork
als Grundlage für eine Beratung zu machen. Das ist Unsinn, sondern wir gucken auf die Konstanten Persönlichkeitsmerkmale und die Entwicklungspotenziale im Beruf. Und daran richtet sich
unsere Berufsberatung aus.
Andrea Stein
Ist die Ausbildung der Arbeitsamtsberater modern?
Ich bin allerdings nicht Ihrer Meinung, was die Patchwork-Biografie betrifft. Ich finde, das bietet
eine Menge Diskussionsstoff: Ob das nicht doch was anderes ist eine Laufbahn heutzutage von
Leuten, die eben mal sich selbständig machen und dann mal wieder angestellt sind und dann mal
wieder arbeitslos sind. Ich meine das nicht nur auf die Medienbranche bezogen, in der Medienbranche sieht man es am häufigsten, aber ich denke, es wird in anderen Branchen auch kommen. Und
da ist die eine Frage selbstverständlich die des Feldwissens, also wie finde ich die Berufsberatung,
aber die andere Frage ist halt die des Kompetenzwissens. Und Sie sagen ja, im Prinzip ist es das,
was den Berufsberatern vermittelt wird, also die Kompetenz auf den Menschen gerichtet, dessen
Stärken und dessen Kompetenzen zu erkennen und auch zu fördern. Also ist im Prinzip die Ausbildung der Arbeitsamtsberater in diesem Sinne modern und da muss auch nichts dran geändert
werden aus Ihrer Sicht, obwohl so ein bisschen im Raum mit schwang, dass das stärker individualisiert werden muss?
Anm.: In der Berufsberatung wird auf das populäre Modell des Amerikaners oft zurück gegriffen. Seine Hauptannahme:
Die meisten Menschen lassen sich einem von sechs Persönlichkeitstypen zuordnen: realistisch, forschend, künstlerisch,
sozial, unternehmerisch oder konventionell. Jeder Mensch sucht sich eine Umwelt, die es ihm ermöglicht, seine
Fähigkeiten anzuwenden, die seinem Typ entsprechen. Siehe auch: Holland, John: Exploring careers with typology: What
we have learned and some new directions, in: American Psychologist, April 1996, S. 397-406.
9
23
Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Bernd J. Ertelt, Peter Funken, Ulrike Metzner-Imiela,
Daniel Sonderhoff, Prof. Dr. Wolfgang Wittwer und Andrea Stein (Moderation)
Prof. Dr. Bernd J. Ertelt
Ändern muss sich ganz bestimmt was
Ändern muss man ganz bestimmt was schon aus sozusagen, wie einer es formulierte, beim Ausgang
der Berufsberaterschaft aus der babylonischen Gefangenschaft der Bundesanstalt für Arbeit. Also
da muss schon Einiges geändert werden, aber: Wie hat meine berühmte Chefin an der Universität,
Elfriede Höhn, immer gesagt: „Beiße nie in die Hand, die den Scheck unterschreibt. „Also insofern
halten wir schon noch zur Stange.
„Die Komplexität der Arbeitsmärkte: Wer berät die ‚Arbeitskraft-Unternehmer’?
Herausforderungen an Berufsberatung, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik.“
Podiumsdiskussion (von links) mit
Peter Funken
Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf
Prof. Dr. Bernd J. Ertelt
Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Mannheim
Andrea Stein
AIM, dem KoordinationsCentrum für Ausbildung in Medienberufen, Köln
Ulrike Metzner-Imiela
Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen,
Düsseldorf
Daniel Sonderhoff
Verband der Fernseh-, Film-, Multimedia- und Videowirtschaft e.V., Köln
Prof. Dr. Wolfgang Wittwer
Universität Bielefeld
24
Forum 1 mit Frank Engel, Hubert Haas (Referate) und Oliver Baiocco (Leitung)
BERUFS- UND LAUFBAHNBERATUNG ALS EIGENSTÄNDIGE
PROFESSION: KOMPETENTER PROBLEMLÖSER
ODER POSTMODERNER HEILSBRINGER?
Kompetenzen, Qualifizierung, Standards und Grenzen der Beratung
Problemstellung
Der Begriff der Beratung ist in Deutschland nicht geschützt. Das macht es für die Berufsberater
schwierig, sich im Sinne eines eindeutig definierten Rollenverständnisses zu positionieren.
Hauptthesen
Beratung benötigt erweiterte Modelle, um der gesellschaftlichen und kulturellen Komplexität gerecht zu werden. Beratung ist vor diesem Hintergrund nur noch disziplinenübergreifend denkbar
(Engel). Die Beratung und Vermittlung sind zwei Dinge, die sich gegenseitig berühren und ergänzen können, aber auf gar keinen Fall zusammen kommen dürfen (Haas).
Diskussion
In der Beratungspraxis ist bereits spürbar, dass sich die geänderten Lebens- und Arbeitsverhältnisse
auf die Lebensentwürfe und Arbeitsbiografien der Ratsuchenden/Kunden/Klienten ausgewirkt
haben. Die Realität von Patchwork-Identitäten wird mittlerweile übereinstimmend akzeptiert und
versucht in der Beratung zu berücksichtigen. Das Problem: Die Umsetzung von entsprechenden
wissenschaftlichen Ansätzen im Arbeitsalltag der staatlichen Berufsberatung. Die Konfliktpotenziale: Unternehmen gehen bei der Suche und Auswahl von Mitarbeitern oft noch konservativ vor. In
den Arbeitsämtern herrscht ein Spannungsverhältnis zwischen Arbeitsvermittlung und Arbeitsberatung. Eine prozessorientierte Beratung mit möglicherweise mehreren Stunden ist in den Strukturen der Bundesanstalt für Arbeit nicht vorgesehen.
Fazit
Die Lobby der Berater muss gestärkt werden. Der im öffentlichen und zuweilen auch im Selbstbild
erzeugte Druck, ein kompetenter Problemlöser oder ein postmoderner Heilsbringer zu sein, muss
von den Beratern genommen werden. Die Verantwortung liegt beim Klienten. Die Funktion des
Beraters sollte es sein, den Prozess zu ermöglichen, zu einer Lösung zu kommen. Dafür müssen
neue Strukturen geschaffen werden, die die einzelnen Berater in die Lage versetzen, zeitlich ausreichend und flexibel zu agieren und gemäß ihres Status Aufgaben auch delegieren zu können.
Frank Engel10:
Beratungstheoretische Statements zur Entwicklung von Beratung –
oder ein Blick aus der Vogelperspektive
Wir haben es im Impulsreferat gehört: Wie kommen wir zu diesen neuen oder zu anderen Methoden? Denn: Beraten, das brauche ich ihnen nicht zu sagen, wird konkret im Handeln und man muss
letztendlich konkret handeln können. Aber: Um diese Methoden zu entwickeln bedarf es natürlich
auch bestimmter Reflexionen, bestimmter Überlegungen: Welche sind richtig und welche falsch?
Mein Zugang und meine Aufgabe ist es, den Rahmen zu definieren, aus dem vielleicht diese Methoden entstehen. Und da bin ich sicherlich ganz anderer Meinung, was den Begriff des Patchwork,
Patchworking, der Patchwork-Identität angeht, als es vorhin von Herrn Ertelt11 gesagt worden ist.
Ich glaube schon, dass sich sehr viel verändert hat und dass der Patchwork-Begriff, der Begriff von
Brüchen, von Nicht-mehr-Linearität in vielem etwas ist, was die Gegenwart bestimmt und was sich
natürlich auch in der Bratung widerspiegelt und worauf Berater und Beraterinnen reagieren müssen.
10
11
Anm.: Die ausführliche Vita dieses und der folgenden Referenten siehe Anhang Referenten.
Anm.: Siehe Podiumsdiskussion.
25
Forum 1 mit Frank Engel, Hubert Haas (Referate) und Oliver Baiocco (Leitung)
Der aktuelle Beratungsdiskurs
Es gibt zwei große Modelle, woraus sich dieser Begriff Beratung immer wieder gespeist hat. Einmal
so etwas wie ein klinisch-kuratives Modell. Das kennen sicherlich viele von ihnen, zumindest über
sog. Menschenbilder, also Menschenbilder aus der humanistischen Psychologie. Behavourismus
sind Stichworte, psychoanalytisches oder tiefenpsychologisches Denken. Aus diesen Modellen, die
in der Therapie verortet sind, sind immer kleine Beratungsableger geworden; d.h. Beratung war
immer defizitär definiert als das Weniger. Klientenzentrierte Gesprächsführung und klientenzentrierte Therapie sind die Markierungspunkte, die dieses Oben-und-Unten-Modell beschrieben haben.
Dieses Modell bestimmt immer noch die Praxis in den Köpfen der Berater und die Praxis in den
Beratungsstellen und existiert auch in den Vorstellungen der Abgrenzung von Therapie und Beratung.
Ein anderes Modell ist das sozialwissenschaftliche Modell, das aus ganz anderen Denkbezügen
kommt, bestimmte Elemente dieses vielleicht klinischen Modells aufnimmt, aber sagt: Viel zentraler
und viel wichtiger sind Begriffe wie Lebenswelt, sind Begriffe wie Kultur, unsere Veränderungen,
sind Begriffe wie Biografie, Biografie-Entwicklung. Ich muss sehr sensibel dafür sein, auch für Veränderungen, um daraus ein Modell, eine Idee von Beratung, Praxis von Beratung, zu entwickeln.
Ich mache gar keinen Hehl daraus: Wir verorten uns in einem solchen Modell12 und schreiben über
ein solches Modell und versuchen, dieser Position in den Debatten stärker Raum zu geben, um
damit Beratung auch deutlicher aus einer solchen Perspektive fassen zu können.
Fazit: Diese beiden Modelle stellen gegenwärtig in der Literatur die beiden Bereiche dar, wie wohl
man sagen muss, dass es sehr wenig Austausch zwischen diesen Bereichen gibt. Sie kennen vielleicht einiges über Berufsberatung, wissen etwas über Berufsberatung, wissen aber gar nicht, was
ihre Kollegen in anderen Feldern machen; d.h. einen übergreifenden Diskurs über Beratung gibt es
nur lokal initiiert, aber nicht in der Breite in den Wissenschaften. Dann kommt noch dazu, und das
haben wir heute morgen gehört, dass diese Vorstellung in der Öffentlichkeit da ist: Beraten kann
jeder, Beratung kann jeder machen, Beratung ist etwas, was man so nebenher macht.
Das Problem: Ein so öffentliches und ein sozialwissenschaftliches Modell von Beratung oder ein
professionelles Modell, könnte man sagen, klaffen manchmal auseinander; d.h. auch in der Perspektive der Ratsuchenden, die schnelle Lösungen erwarten. Wenn ich von Gefahr, Rückfall, Gegenmoderne geschrieben habe, dann will ich damit sagen: Würde man dem zu sehr nachgeben,
diesem Bedürfnis nach Geschwindigkeit, nach schneller Lösung, dann liegt auch eine Gefahr der
Vereinfachung darin. Wenn sie z.B. die Beratungsliteratur auch mit Blick auf den Bereich des Berufs sich angucken, dann finden sie z.B. Titel wie „Wie werde ich erfolgreich?“ Das sind Begriffe,
die ich als schlicht bezeichnen würde, die eher ein Rückschritt sein können als ein Fortschritt. Aber
die bestimmen unsere Bilder. Ich habe es selber erlebt, dass ich bei einer Veranstaltung gefragt
wurde: Machst Du denn auch so etwas wie Motivationstrainer? Solche Sachen sind Moden, die
erfahren eine ungemeine Aufmerksamkeit, schwappen dann wieder weg. Beratung aber ist aus meiner Perspektive eine sehr ruhige Disziplin. Die hat nicht, auch gerade mit Blick auf die Medienpräsenz, diese Aufmerksamkeit.
Aktuelle Gegenwartsbeschreibungen
Ich habe aktuelle Gegenwartsbeschreibungen aufgelistet, die immer mit bestimmten Namen, mit
bestimmten Soziologen, Sozialwissenschaftlern verbunden sind, die immer aus bestimmten Positionen heraus Akzente setzen, die mehr oder weniger zutreffen.
12
Anm.: Gemeint ist u.a. Ursel Sickendieck, Referentin Modul 4.
26
Forum 1 mit Frank Engel, Hubert Haas (Referate) und Oliver Baiocco (Leitung)
Die man aber in ihrer Gesamtheit sicherlich so fassen kann, dass man sagen kann, es ist schon ein
Bewusstsein dafür da, dass sich in vielen Bereichen etwas ändert, vielleicht etwas reflexiver
geworden ist, mehr Brüche zu beobachten sind:
• Risikogesellschaft
• Erlebnisgesellschaft
• Multioptionsgesellschaft, Informationsgesellschaft
• Netzwerkgesellschaft
• Flexibilisierte Gesellschaft ohne Respekt
• Postmoderne
• Reflexive Modernisierung; Zweite Moderne.
Fazit:
•
•
•
•
•
•
•
Akzeptanz von Ambivalenz, Widersprüchlichkeit; Abkehr von einfacher Linearität
Pluralisierung verschiedener Lebensbereiche erzeugt Brüche, Unverständnis sowie Unübersichtlichkeit und Orientierungsbedarf
Biographien werden zu riskanten Chancen
Identität und Selbst müssen aktiv gestaltet werden
Glokalisierung als Spannungsverhältnis von Globalem und Lokalem
Leben „Just in Time“; situative Adhoc-Entscheidungen statt langfristiger Planung
Sicherheitsverlust, Flexibilisierung
Zunahme medial vermittelter Wirklichkeiten, „Distanzkulturen“, Entbettungen (Neue Medien)
Richard Sennett, der das Buch geschrieben hat über die flexibilisierte Gesellschaft13 und wo der
Preis für die Flexibilisierung im Arbeitsbereich zu zahlen ist. Wo es darum geht: Wie wirkt sich so
etwas auf Werte, auf Ethik aus? Wird das auch flexibel? Was bleibt letztendlich übrig? Oder in dem
neuen Buch von Richard Sennett, das gerade auf dem Markt erschienen ist, wo es um den Aspekt
geht: Respekt!14 Er macht das immer deutlich an der US-amerikanischen Gesellschaft: Wie geht
eine Gesellschaft mit Respekt um? Explizit: Wie geht eine Gesellschaft mit Respekt um, wenn es
um die Personen geht, die am unteren Rand der Gesellschaft sind? Wo wird denen Respekt
entgegen gebracht?
Beratung hat für mich auch diese Funktion und Aufgabe. Gerade, wenn ich daran denke, dass man
in der Beratung auch Stärken unterstützen will, die jemand hat. Was heißt das für die konkrete Praxis? Wie gehe ich selber damit um? Ich könnte auch sagen: Beratung – selbst, wenn ich das hier
jetzt theoretisch mache und was deutlich werden soll – ist etwas, was mit einer Einstellung zu tun
hat. Eine Einstellung, die ein Berater hat. Ich weiß, dass Berater auch Aufträge haben, gesellschaftliche, institutionelle Aufträge, und in einem Kräftefeld stehen, was auch ganz unterschiedlich wirken kann, aber es hat eine Menge mit einer Einstellung zu tun und auch mit solch grundsätzlichen
Fragen ethischer Art.
Herausforderungen an Beratung allgemein
Beratung benötigt vielerorts, und was schon beobachtbar ist, eine ‚Neue Offenheit’. Wir haben
gegenwärtig eine Situation in der Beratungspraxis, die so veränderungsoffen ist wie sie eigentlich
noch nie war:
• Veränderte Angebotskontexte: privatwirtschaftlich – öffentlich
• Veränderte Fragestellungen: einfache Informierung – Prozessberatung
• Verändertes Professionsverständnis: reflektierte Expertenrolle
• Flexibilität und Vielfalt im Beratungshandeln (plurales Angebot)
13
14
Sennett, Richard: Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus, Siedler, Berlin 2000.
Sennett, Richard: Respekt im Zeitalter der Ungleichheit, Berlin Verlag, Berlin 2002.
27
Forum 1 mit Frank Engel, Hubert Haas (Referate) und Oliver Baiocco (Leitung)
Was sich verändert? Wir werden in Zukunft sehr viele Mischformen erleben in sehr vielen Beratungen - nicht nur im Bereich der Berufsberatung. Wir werden sicherlich auf der einen Seite noch die
Einfachheit der Informierung haben, das kann ja immer noch passieren, wie wohl ich glaube, dass
sich das zukünftig in andere Medien, sprich neue Informationsmedien verlagern wird. Und dass
dann die Prozessberatung relevant wird. Beratung muss nicht nur der einmalige Kontakt sein. Beratung sollte dann etwas sein, was sich über Phasen hinzieht. Das müssten sie selber regeln. Und
einige praktizieren das sicherlich auch schon.
Herausforderung an Beratung durch neue Medien
Neue Medien werden in sämtlichen Handlungsfeldern das Verhältnis der Beratung zur Information
herausfordern und verändern:
• Aufmerksamkeitsorientierung des Internets als Gefahr für die „ruhige“ Beratung
• Vertrauen muss aktiv gestaltet werden, wenn das Vertrauen in Expertensysteme und
Informationsassistenten fraglich wird
• Entkontextualisierte Information muss in Handlungschancen transferiert werden
• Der gesellschaftliche Auftrag der Beratung muss Inklusion bleiben
• Beratungscyborgs als zukünftige Herausforderung der Beratung
Was wäre, um es positiv zu wenden, eine neue Chance für eine Beratung, die auch in solchen Technologien liegt? Die Revalidierung des face2face-Kontakts! Begegnung, Art und Weise zu kommunizieren, Respekt, Geschichten Raum zu lassen, Narration Raum zu lassen und Probleme zu einer
bestimmten Lösung gemeinsam in den Prozess zu ziehen. Das könnte auch durchaus weiterhin
wiederum absolut zentraler werden. Und es ist auch eine mögliche Frage, die sie sich auch stellen
können: Was ist in die Beratung in der Art und Weise eingebunden, was wirklich mit ihrer Person
zu tun hat?
Anforderungen an die Beratungsausbildung
•
•
•
Beratung benötigt erweiterte Modelle, um der gesellschaftlichen und kulturellen Komplexität gerecht zu werden
Beratung ist nur disziplinenübergreifend denkbar (heterogenes Modell)
Counselling-Studiengänge als zukünftiges Vorbild
Im internationalen Kontext gibt es Counselling-Studiengänge, Counselling als Beratung und das
sind wirklich Studiengänge über acht Semester. Studiengänge, die sich wirklich und ausschließlich
mit Beratung beschäftigen und Spezialisierungen zulassen – das kennen wir nicht hierzulande, noch
nicht, weil im Zuge gegenwärtiger Veränderungen in diesem Feld - Stichwort Master-Studiengänge
- so etwas entsteht und wir als Institut auch an solchen Projekten beteiligt sind, wo in Zukunft Beratung zu einem Studiengang wird - angefangen von theoretischen Fragestellungen bis hin zum
Erwerb der Handlungskompetenz. Transfer von oben bis unten: dass jemand a) weiß, wie man
Beratungskonzepte einschätzen kann, b) weiß, wie man sie in der Praxis implementiert und c) auch
mit Kontexten umgehen und beraten kann.
Berater/Beraterin als kompetenter Problemlöser oder postmoderner Heilsbringer?
Ich würde etwas provokant sagen: Der Berater ist eigentlich gar nichts von beidem. Das Kompetenzprofil einer Beratung, die mit der ‚Neuen Offenheit’ umgehen kann, sollte enthalten:
• Kulturelle und kontextuelle und situative Kompetenz
• Dialogische Kompetenz
• Kompetenz im Umgang mit Nichtwissen – damit nicht Lebens- und Problemgeschichten
der Expertenperspektive zum Opfer fallen
• Emergenzkompetenz – damit Neues im Prozess der Beratung entstehen kann (1+1=3)
• Informationskompetenz – als Integrations- und Informationsarbeit
• Prozesskompetenz – damit Lösungen erreicht werden können
• Respekt
28
Forum 1 mit Frank Engel, Hubert Haas (Referate) und Oliver Baiocco (Leitung)
Oliver Baiocco:
Wie sind die Thesen angekommen?
Wie sind die Thesen, die hier aus dem Blickwinkel des sozialwissenschaftlichen Beratungsansatzes
formuliert sind, bei ihnen angekommen? Ist alles richtig so oder gibt es da Punkte, wo sie vom
Gefühl, aber auch von der Arbeitsrealität her sagen würden: Was kann ich damit anfangen? Was
kann ich davon mitnehmen für meine konkrete Beratungsarbeit?
Teilnehmer:
Wie können Berater ihre eigene Position finden?
Sie sagen, zum Kompetenzprofil der Beratung gehört die kulturelle und kontextuelle und situative
und die dialogische Kompetenz. In der Beraterausbildung innerhalb der Bundesanstalt für Arbeit,
aber vielleicht auch außerhalb, sind der dialogischen Kompetenz bestimmte Übungen, aber Schwächen nicht zugewiesen worden in der Vergangenheit. Wir haben sehr viel Übungen bekommen. Wir
haben ja auch alle diese Ausbildung bekommen. Und die kulturelle und kontextuelle Kompetenz
korreliert ja hoch mit dem, was Sie vorher beschrieben haben, mit der aktuellen Gegenwartsbeschreibung. Wie kann die eingeholt werden? Wie schätzen Sie ein, nachdem unsere große Welt
Entwürfe nicht mehr so klar liefert, wie Berater ihre eigene Position finden können, um das als
Kompetenz, nämlich kulturelle und kontextuelle Kompetenz, zu erwerben? Was müsste hier für
eine Ausbildungssituation vorhanden sein, um dieses im Beratungsbereich als Kompetenz zu erwerben und auch dann zuzulassen mit diesen Lebensentwürfen?
Frank Engel:
Eine Kompetenz, die anfängt bei der eigenen Reflexivität und den Methoden
Die dialogische Kompetenz, also Kommunikationsübungen sind sehr methodisierte Bereiche herunter dekliniert bis in kleinste Übungen. Dieser andere Bereich zweifelsohne nicht. Es ist ein Bereich, in dem es - und ein Begriff ist da sehr zentral, der Begriff der Selbstreflexivität - um das Vermitteln von Reflexivität mit Blick auf viele Felder geht. Reflexivität heißt in dem Zusammenhang:
infrage stellen können, sich selber reflektieren können, seine Methoden reflektieren können, die
kulturelle Verortung des Ganzen zu sehen, die Möglichkeiten zu antizipieren, dass da Brüche sind,
wenn ich mit jemandem rede, der einfach eine andere Biografie hat. Das konkrete Hereinholen
nachher in einer bestimmten Fragestellung, in einer bestimmten Art und Weise, auch aus der Perspektive des Nichtwissens dem anderen Raum zu geben. Dafür sensibel zu sein. Nicht von vornherein zu meinen, das ist ja genau diese Wissensfigur: Ich verstehe das schon. Auch mit Blick auf
bestimmte Konzepte und Theorien, was ich in den Modellen vertreten würde, immer spiegelt es
sich, immer ist es zusammengesetzt aus Verschiedenem, aus Widersprüchlichkeiten, aus alldem, was
sich aneinander reibt - nicht die glatte Form des Experten. Darüber, könnte ich mir vorstellen, kann
so etwas wie eine Kompetenz in dieser Richtung entstehen. Eine Kompetenz, die anfängt bei der
eigenen Reflexivität und den Methoden, die ihnen bewusst sind, aber in einer Art und Weise damit
umgehen, die einen Dialog nicht oktroyiert, sondern gleichberechtigt zulässt. Und bei den Stellen,
wo der Berater gefordert ist, bitte verstehen sie das nicht falsch, müssen uns Fakten und Wissen,
das Fachwissen auch immer wieder einfallen. Diese kulturelle Kompetenz und kontextuelle Kompetenz ist etwas, was über die Einstellung kommt und es ist etwas, was man über das Wissen, in
welchem Kontext man sich befindet, kommt.
Teilnehmer:
Steht bei Ihnen ein bestimmtes Menschenbild dahinter?
Frank Engel:
Ein Menschenbild des Respekts
Sicherlich nicht ein Menschenbild der Beliebigkeit. Es ist ein Menschenbild des Respekts. Es ist ein
Menschenbild, was nicht von Voreinnahmen in dieser Form ausgeht, das von Großbeschreibungen
über Menschenbilder ausgeht wie bei der Psychoanalyse, sondern ein Menschenbild, was kulturell
unterfüttert ist.
29
Forum 1 mit Frank Engel, Hubert Haas (Referate) und Oliver Baiocco (Leitung)
Thomas Gesterkamp:
Patchwork-Begrifflichkeit
Ich würde gern noch einmal den Respekt aufgreifen. Sie haben ja Richard Sennett erwähnt: „Respekt in Zeiten der Ungleichheit.“ Ich bin bei der Podiumsdiskussion über die Bemerkung von
Herrn Ertelt gestolpert, dass er diese ganze Patchwork-Begrifflichkeit, und er hat ja auch das, was
dahinter steht, als Unsinn erklärt.15 Wenn ich das richtig verstanden habe, ist er an einer Institution,
die die Berater ausbildet. Und wenn Berater sozusagen mit der Einstellung in ein Beratungsgespräch gehen, dass das, was meine Klientel als Problem formuliert, überhaupt nicht existiert, dann
finde ich das sehr fragwürdig. Mich würde gern ihre Meinung dazu interessieren. Denn das ist für
mich eher das Gegenteil von Respekt.
Frank Engel:
Es ist nicht immer alles so linear, wie sich das viele wünschen
Es gibt diese Biografien. Einige werden das sicherlich aus ihrem Berufsalltag kennen. Es gibt dieses
Leben in verschiedenen Professionsbereichen, mit Brüchen, mit Reibungen. Und ich glaube, dass
viele dies auch in ihrem Alltag erfahren. Es ist nicht immer alles so linear, wie sich das viele wünschen. Es ist immer mehr dieses Zusammensuchen-Müssen, dieses Balancieren-Müssen. Und dazu
ist auch der Begriff der Patchwork-Identität, der die Gegenwart nicht für alle, aber doch für viele
beschreibt und absolut Sinn macht.
Teilnehmer:
Patchwork kann man nicht leugnen
Ich habe mich auch ein bisschen gewundert über die Aussage von Herrn Ertelt und ich kann mir
auch nur vorstellen, dass es sich hier um ein Missverständnis handelt. Wenn sie Veröffentlichungen
sehen, da ist die Patchwork-Biografie durchaus ein Thema und es ist natürlich klar, dass sich die
Lebens- und Arbeitsverhältnisse geändert haben. Ich fand es auch ein bisschen überraschend, mit
welcher Krassheit er diese Position vertreten hat. Es ist nicht mehr zu leugnen, dass es diese durchgängig geradlinigen Lebensentwürfe oder Arbeitsbiografien nur noch zum Teil gibt. Korrigiert
muss man sagen: Wenn wir als Berufsberater mit Ratsuchenden, mit unseren Klienten sprechen,
dann machen wir uns sozusagen erst einmal von der Persönlichkeit und der Eignung des Gegenübers ein Bild und wenn überhaupt einen Lebensentwurf für die erste Phase. Man kann ja keinen
Patchwork-Entwurf machen. Das ist ja dann im Prinzip Leben und Biografie, wie es sich durch
Zufälle, durch Umbrüche im Arbeitsmarkt usw. ergibt. Insofern gehen wir von der Persönlichkeit
des Klienten aus und versuchen, dessen ersten optimalen Berufseinstieg zu initiieren. Dass aus
einem Lehrer wie bei mir ein Berufsberater wird, aus einem Chemiker möglicherweise hinterher ein
Medienmensch - das kann man einfach nicht planen. Wir leugnen das aber auch in der Bratung
nicht. Wir sagen: Du musst dich darauf einstellen, wenn Du zunächst einmal dieses Studium oder
diesen Beruf ergreifst, dass Du hinterher ganz woanders arbeitest. Also: Das Patchwork kann man
nicht leugnen. Man kann es aber auch nicht planen.
Frank Engel:
Grundlage ist die Persönlichkeit
Sie haben einen Begriff gesagt, der Grundlage für Ihre Entscheidung ist und das ist die Persönlichkeit. Und da mache ich einen ganz entscheidenden Punkt. Wie kommen Sie da hin zu dieser Einschätzung der Persönlichkeit? Wenn ich mir die Bundesanstalt für Arbeit angucke, psychologischer
Dienst, dann bin ich im Intelligenztest und so was, also einem Bild von Persönlichkeit, vielleicht
Abbild, das bestenfalls eine Einschätzung in bestimmten Kontexten ergänzen kann, aber keinesfalls
ersetzen.
15
Anm.: Siehe Podiumsdiskussion.
30
Forum 1 mit Frank Engel, Hubert Haas (Referate) und Oliver Baiocco (Leitung)
Teilnehmer:
Das biografische Beratungsmodell
Da gebe ich Ihnen wieder Recht. Das Beratungsmodell, das Sie skizziert haben, das praktizieren
wir, nämlich das biografische oder narrative. Wir hören den Leuten zu. Wir setzen Impulse und
sagen: Erzähle von Dir, erzähle von Deinem Leben, erzähle von Deinen Erwartungen, erzähle von
Deinen Träumen. Und wenn das in der Öffentlichkeit so dargestellt wird - also Arbeitsamt.de, psychologischer Dienst, Eignungsuntersuchung – , skizziert das sicherlich auch viele Erwartungen von
älteren Ratsuchenden, die zu uns kommen und zu uns sagen: Könnt ihr nicht mal diese Testmaschine rein und hinterher kommt das Ergebnis raus. Wie soll ich das werten? Das praktizieren wir
aber nicht. Das muss man ganz klar korrigieren. Also in einstündigen Gesprächen oder in mehreren
Gesprächen wird also in seltensten Fällen das Testinstrument ‚psychologischer Test’ eingesetzt.
Teilnehmer:
Eigentlich brauchen wir wieder einen Ausübungsschub
Das möchte ich noch einmal unterstreichen. Es gibt zwei Seiten, die man erlebt hat in jeder Bundesanstalt für Arbeit. Das eine, was man tut in der praktischen Arbeit und eigentlich brauchen wir
wieder einen Ausübungsschub, einerseits also das, was die Bundesanstalt nach außen hin propagiert
und darstellt, was auch vielfach den Erwartungen nach außen hin entspricht; andererseits aber
brauchen wir gewisse Professionalisierungen nach Innen hin, wo wir gemerkt haben: Das Zuhören,
was auch nicht leicht war am Anfang, wie wir auch das Thema Supervision schon vor vielen Jahren
angestochen haben, was auch weiterhin stattfindet, wenn auch auf freiwilliger Basis, was ich ein
bisschen bedauere. Aber auch dieses Thema gehört zu dem, wo es darum geht, zu versuchen mit
dem Ratsuchenden auf eine Partnerebene zu kommen. Also was ist Berater hier und was ist Ratsuchender hier? Auch diese Ebenen werden in der Ausbildung bearbeitet und von daher ist es ein
Unterschied, wie sich die Bundesanstalt für Arbeit präsentiert und wie es im Innenverhältnis läuft.
Prof. Dr. Wolfgang Wittwer:
Beratung darf kein punktueller Prozess sein
Wenn Zwangsmaßnahmen durchlaufen werden, die sich gar nicht mehr an den Kompetenzen der
Einzelnen orientieren, sondern das sind die Maßnahmen, die auch im Programm stehen und
durchlaufen werden, dann hat das mit Beratung wenig zu tun. Beratung darf eben kein punktueller
Prozess sein, sondern muss durchs ganze Leben gehen und er muss gekoppelt sein mit anderen
Maßnahmen. Aus der Beratung heraus müssen dann Maßnahmen kommen.
Teilnehmer:
Es ist eine neue Situation
Wir sind Berater, die jetzt gesprochen haben, die Schüler vor einer Berufswahlentscheidung
betreuen, d.h. sie stehen am Anfang einer Wahl. Wo ich den Bruch auch bei uns im Haus seit Jahren empfinde ist, dass wir Kollegen haben, die Berufserfahrene oder die, die gerade in der Patchwork-Phase sind, betreuen und wo vielleicht diese Kompetenz dann - Wie kriege ich es hin, diese
Patchwork-Teile vorzubereiten? - nicht so da ist wie es wünschenswert wäre oder vielleicht an dem
Punkt auch noch Schulungsbedarf gegeben ist. Es ist eine neue Situation, nicht nur arbeitsmarktlich
jemanden unterzubringen, sondern auch aus dem Blickwinkel der Person zu gucken.
Oliver Baiocco:
Was ist heutzutage Beratung?
Wir sind gerade dabei in diesem Workshop zu überlegen: Was ist heutzutage eigentlich Beratung?
Also diese theoretische Frage, rhetorische Frage: Ist der Berater Problemlöser? Nein. Heilsbringer
ist er auch nicht mehr. Was ist er dann und ist das, was Frank Engel hier beschrieben hat, nicht
eigentlich eine Überforderung? Dass die Beschreibung der Gesellschaft, dass der Status Quo dieser
Gesellschaft, die Probleme und die Anforderungen, die sich daraus ergeben, dann postwendend
weiter geschickt werden und damit müssen die Berater dann umgehen. Und jetzt ist da noch die
These: Das ist jetzt auch noch meine eigene Profession. Am besten mache ich es noch schnell und
billig.
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Forum 1 mit Frank Engel, Hubert Haas (Referate) und Oliver Baiocco (Leitung)
Frank Engel:
Über einen längeren Zeitraum beraten
Und ergänzend löse ich dann sämtliche Probleme, die die Gesellschaft hat. Nein, um das noch
einmal ganz klar deutlich zu machen: Es geht um Respekt. Es geht darum einmal diesen Raum zu
schaffen, wo jemand seine Geschichte erzählen kann, wo sich jemand auch zu seinen Stärken und
Schwächen verorten kann, wo jemand Entwürfe entwickeln kann, wo dann in einem weiteren
Schritt etwas entstanden ist, etwas Neues, etwas Anderes, wo diese Person mit umgehen kann und
wo sie, wenn sie es denn braucht, auch möglicherweise eine kontinuierlichere Betreuung braucht.
Weil es ja auch wieder scheitern kann, weil das Scheitern quasi mitgedacht werden muss in solchen
Entwürfen. Und wo sich dann ein Prozess ergibt. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass zukünftige
Berufsberater irgendwann über einen längeren Zeitraum beraten, eine ganz andere Kontinuität
entsteht. Ich brauche mehr an Verständnis – auch da beginnt eine Neuentwicklung.
Teilnehmer:
Da werden unsere Kostenrechner immer skeptisch
Kompetenter Berater als postmoderner Heilsbringer? In dem Begriff des Problemlösers kann ich
noch ein Selbstverständnis des Beraters erkennen, aber diese andere Form habe ich nicht verstanden. Welche Funktion oder Rolle könnte das denn sein? In der Bundesanstalt für Arbeit ist viel
diskutiert worden, was wir tun sollen. Ein kleiner Exkurs ins Hartz-Papier: Welche arbeitsmarktliche Lücke ist da und wo habe ich dann das Humanpotenzial sozusagen, um diese Lücke zu schließen und andererseits den Arbeitsmarkt zu entlasten? Das ist es, wenn überhaupt, was da drin steht.
Das ist der Tenor dieses ganzen Arbeitspapiers. Da taucht Beratung gar nicht mehr auf. Bei uns war
und es ist immer auch von der Bundesanstalt abgelehnt worden dieses erste Modell, das klinischkurative Modell. Wenn wir sagen und auch überhaupt noch angedeutet haben, dann gibt es so einen
Begriff wie Folgeberatung und es gibt bei uns natürlich ausgefeilte Statistiken, wo genau festgestellt
wird, wie oft wir jemanden beraten. Beratung dauert bei uns erst einmal eine Stunde. Wenn wir
dann zwei- dreimal beraten, kann man das über die Statistiken feststellen. Da werden unsere Kostenrechner sozusagen immer skeptisch, wenn sie hören, er berät jeden Arbeitssuchenden zweimal
zwei Stunden. Das soll möglicherweise nicht sein. Das wird nicht gewollt. Und das kommt in der
Schulung auch gar nicht vor, auch in Mannheim nicht. Dieses klinisch-kurative Modell, d.h. wenn
jemand mit Problemen zu uns kommt, dann müssen wir eigentlich unsere Schotten dicht machen
und sagen: Er ist lebensgestört, er ist möglicherweise krank. Auch wenn wir jetzt Psychologen bei
uns im Arbeitsamt haben, die haben nicht die Funktion, psychisch Kranke oder Leute aufzufangen.
Dann müssen wir wirklich sagen: Das ist nicht unser Fall. Das ist schwierig zu handhaben, dann zu
sagen: Geh’ mal lieber zum Arzt. Doch bei uns werden psychische Probleme nicht ausgesprochen.
Das ist nicht unsere Aufgabe. So sind wir nie geschult worden. Wenn überhaupt, dann im Bereich
des sozialwissenschaftlichen Modells.
Aber dieser andere Begriff, den Sie ausführen: postmoderner Heilsbringer. Ich möchte es ja gerne
sein. Bei der Beratung könnte ich Ihnen sagen, was sie machen sollen und die Sache wäre in Ordnung. Um Ihnen mal ein Schlaglicht zu geben von der augenblicklichen Situation: Jüngere Leute,
16- bis 20jährige, die die Kollegen hier beraten, die haben eine ziemlich starke Orientierung an den
Arbeitsmarkt, respektive: Ich möchte etwas lernen, was ich hinterher auch anwenden, ausüben
kann. Ganz konkret gesagt von unseren Jugendlichen: Ich möchte den sicheren Job haben. Wie
können wir solche Patchwork-Modelle, die im Prinzip das eigene Selbstverständnis und die Selbstsicherheit als Jugendlicher gar nicht mal nehmen, wenn man denen sagt: Du nimmst den Beruf des
Mediengestalters, musst aber möglicherweise hinterher als Reiseverkehrskaufmann arbeiten. Da
würden bei ihnen dann allergrößte Zweifel bestehen müssen. Das ist noch nicht mal so schlimm.
Aber nehmen wir mal die ganzen Mediengestalter, was schon schwer genug ist, und du wirst vom
Arbeitsamt umgeschult zum IT-Systemanalytiker oder zum Friseur, also Patchwork – können die
gar nicht mit leben. Meine Frage noch einmal: Was soll das heißen: postmoderner Heilsbringer?
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Forum 1 mit Frank Engel, Hubert Haas (Referate) und Oliver Baiocco (Leitung)
Oliver Baiocco:
Eine riesengroße Erwartungshaltung von Ratsuchenden
Das ist provokativ. Das ist natürlich keine Aussage, dass wir das wollen oder dass sie es sind. Um
mal zu verorten was auch erwartet wird von Beratung in einer Situation der Ambivalenz, der Unsicherheit: Ich bin in einer Beratung nicht um mir sagen zu lassen, dass ich in einer ambivalenten
Situation bin, sondern hier erwarte ich Hilfe und Unterstützung. Und wenn ich berate, dann ist das
noch nicht einmal Hilfe und Unterstützung, sondern die Leute wollen einen Arbeitsplatz bzw. einen Ausbildungsplatz im Medienbereich haben oder haben ihren Ausbildungsplatz verloren und
müssen wechseln. Das sind ganz konkrete Sachen und deswegen sind sie da. Sie haben das Elternhaus nicht mehr oder das Elternhaus weiß schon gar nicht mehr, was Computer sind oder schon
gar nicht mehr, was der Medienkaufmann ist und haben aufgehört, die Welt der Jugendlichen zu
verstehen und die Gleichaltrigen sind genau in derselben Situation. Deshalb die provokative These,
dass sich in einer Situation der Orientierungslosigkeit Menschen ein neues System oder Personen
suchen, wo Probleme gelöst werden. Das war früher, in der Vormoderne, die Kirche, wo man nicht
großartig nachdenken musste, was mir Heil bringt, das war mir schon gegeben. In der Moderne war
das mein Milieu oder meine Klasse, da brauchte ich auch nicht großartig zu überlegen. Jetzt ist
keiner mehr hier, der sagt oder auch mir persönlich sagt oder den Jugendlichen sagt, was richtig sei.
Ich gehe in die Beratung - und das ist meine Grundthese - mit der Hoffnung, nicht über mein Leben, meinen Lebensweg zu diskutieren - narrativ oder kommunikativ - , sondern, und das ist eine
riesengroße Erwartungshaltung von Ratsuchenden, dass eigentlich Probleme gelöst werden.
Hubert-Josef Haas:
Die Verantwortung bleibt beim Klienten
Wer trägt denn eigentlich die Verantwortung für das, was dabei heraus kommt? Was mich an den
Titeln, an beiden Extremen – dieser postmoderne Heilsbringer ebenso wie der Problemlöser stört, ist: Beides sind Rollenverständnisse, die sagen, der Berater ist verantwortlich für die Problemlösung und das Ergebnis der Beratung. Da will ich sofort widersprechen: Nein: Die Verantwortung bleibt beim Klienten. Als Berater habe ich die Verantwortung, diesen Prozess für ihn zu
ermöglichen, zu einer Problemlösung zu kommen, aber ich will kein Problem lösen. Ich glaube
auch nicht, dass ich jemanden berate, sondern dass sich jemand in meiner Anwesenheit berät.
Man könnte sich auch vorstellen, wie es Frank Engel sagt, dass die Berufsberater im Arbeitsamt in
Zukunft die Leute fünf- bis zehnmal über eine längere Zeit begleiten. Es geht jetzt ein zynisches
Raunen durch den Raum, weil sich keiner vorstellen kann, dass das in der Bundesanstalt für Arbeit
denkbar sind könnte. Aber wenn ich mir vorstelle meine These sei: Das Entscheidende passiert
nicht mehr in der Beratung, sondern zwischen den Beratungsabschnitten. Ich als Berater nicht
mehr sage: Überlegen Sie um Gotteswillen nicht weiter bis zu unserem nächsten Termin, wir machen es dann gemeinsam. Aber kennen wir nicht alle Kollegen, die das so drauf haben zu sagen:
„Machen Sie nichts, gehen Sie erst zum Eignungstest und dann sage ich Ihnen, welche Umschulung
die richtige ist.“
Vielleicht passiert das Entscheidende zwischen den Beratungen und es kann deswegen passieren,
weil ich einen Akzent gesetzt habe als Berater. Und dann reichen möglicherweise auch, so verpönt
das sein mag, zehn Kontakte von zehn Minuten, um etwas in Gang zu setzen, eine Handlungsorientierung anzustoßen, die vielleicht, das wird sich beim nächsten Gespräch heraus stellen, in eine
ganz andere Richtung gegangen ist als ich beim ersten Gespräch noch vermutete. E ist auch nicht
mein Job zu verstehen was dahinter steckt, wenn mir jemand seine Geschichte erzählt. Es ist mein
Job jemanden einzuladen seine Geschichte laut auszusprechen und sich dabei Dinge bewusst zu
machen, die ihm das Verstehen ermöglichen. Vielleicht kennt das jeder Berater? Ich verstehe ganz
oft was nicht, was die Leute mir erzählen insbesondere dann, wenn es um lernbehinderte Jugendliche geht. Die Art und Weise wie sich manche meiner Klienten Wirklichkeit konstruieren ist mir
relativ fremd. Ich kann es manchmal nicht nachvollziehen. Aber es kommt zu Beratungsergebnissen, die für diese Menschen stimmig sind, die funktionieren und die sie umsetzen. Kein Schimmer,
warum das so gelaufen ist. Für diesen Menschen habe ich aber meinen Job gemacht. Wie geht es
ihnen, wenn sie so etwas hören?
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Forum 1 mit Frank Engel, Hubert Haas (Referate) und Oliver Baiocco (Leitung)
Teilnehmer:
Die Anzahl der Kontakte ist hilfreich
Die Anzahl der Kontakte halte ich persönlich für sinnvoll. Es müssen nicht zehn sein, wenn es
verschiedene sind. Über die Dauer wäre ich mir nicht so ganz im klaren. Ich denke jeder Jugendliche braucht unterschiedlich viel Zeit, um selbst vielleicht seine Geschichte erzählen zu können.
Aber es ist schon erstaunlich - ich selbst kümmere mich um Jugendliche ab Klasse 8/9, die sind
dann meistens 14 bis 16 Jahre - , welche Entwicklung sie in zwei Schuljahren durchlaufen, wie sich
ihre Wünsche und Vorstellungen ändern, manchmal ganz schnell ändern. Und wir sehen sie auch
nur punktuell. Ich denke, dass wir auf Grund dessen, weil wir sie oft nur punktuell sehen und nicht
immer zum einstündigen Gespräch, auch mal im Unterricht oder in der Schule vielleicht schon
bestimmte Anstöße geben können. Letztendlich ist es so, dass die Entscheidung durch Freunde,
Bekannte oder Eltern getroffen wird. Eben mit dem Jugendlichen, weil wenn sie noch keine 18 sind
und daher auch an die Entscheidung der Eltern gebunden sind. Es ist vielleicht etwas anderes,
wenn jemand eine Ausbildung abgebrochen hat und dann 18, 19 oder 22 Jahre ist. Wenn vielleicht
eine Familie hinzu gekommen ist, eine eigene Wohnung, der Führerschein. Da denke ich, lassen
sich auch manchmal noch ganz andere Perspektiven gemeinsam besprechen, wenn dem Jugendlichen etwas klarer ist, was er möchte, was er kann. Und er ist auch etwas mobiler. Viele Dinge sind
auch dadurch eingeschränkt. Ich kann nicht mit einem Jugendlichen alles Mögliche besprechen und
muss ihm dann zum Schluss sagen: Theoretisch ist das möglich, aber praktisch geht das alles gar
nicht. Das finde ich total frustrierend. So stelle ich mir meine Arbeit nicht vor. Aber ich stimme
Ihnen zu, die Anzahl der Kontakte ist schon ganz hilfreich über einen bestimmten Zeitraum. Und
nur ein Gespräch über eine Stunde – da weiß ich nicht, ob ich da so viel Impulse setzen könnte.
Das ist schon eine Langzeitaufnahme.
Teilnehmerin:
Manchmal reicht eine Stunde
Ich bin Berufsberaterin für Abiturienten und da sind Leute, die schon vorüberlegt haben und sehr
viel Wissen mitbringen und dann reicht manchmal eine Stunde, um das vielleicht zu ordnen, Anstöße zu geben, problemorientiert vielleicht noch einmal einen Sachverhalt anders darzustellen, eine
Gegenposition zu beziehen, um wieder eine Selbstreflexion anzuregen. Das kann bei dieser Klientel
dann reichen.
Thomas Gesterkamp:
Widerspruch zwischen Beratung und Realität in der Vermittlung
Ich wollte noch einmal auf den Widerspruch hinweisen zwischen der Beratung und der Realität in
der Vermittlung von Unternehmen. Sie haben ja eben zu Recht die Sehnsüchte von Jugendlichen
beschrieben und sicherlich auch von Leuten, die Patchwork arbeiten. Ich habe ein Problem mit
dem Begriff Patchwork in dem Sinne, dass es auf Deutsch Flickwerk heißt; nämlich was Negatives
ist. Und wenn man sich jetzt vorstellt, die Aufgabe des Beraters könnte es sein, dass positiv zu
wenden, also nicht von Flickwerk zu reden, also von bunten farbigen Biografien, dann ist das ja gut
und schön, nur wenn dann die Unternehmen weiterhin lückenlose Tätigkeiten nachgewiesen haben
wollen, und das wirklich genau kontrolliert, dann ist das ja das genaue Gegenteil.
Teilnehmer:
Patchwork ist sehr wohl ein Thema
Ich komme direkt aus Mannheim und Patchwork ist da sehr wohl ein Thema, auch wenn Herr
Ertelt das vielleicht nicht so propagiert. Ich frage mich genau das: Zum einen sage ich ihnen, sie
müssen flexibel sein, wenn ich dann aber sehe, was zum einen die Firmen verlangen und auch was
die Jugendlichen selber für Ansprüche ans Leben haben. Der Großteil der Firmen ist auch nicht
unbedingt gut auf diese Patchwork-Sache zu sprechen. Wie kann ich dann in meiner Beratung den
jungen Leuten klar machen, Patchwork ist o.k., Patchwork ist nicht schlimm, aber die Leute dann in
ihrem Kopf das nicht so sehen und die Unternehmen auch nicht. Das habe ich schon immer überlegt: Machen das wirklich die meisten Leute und finden die das gut oder ist das etwas, was von
außen auf uns einwirkt und wir gut heißen müssen?
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Forum 1 mit Frank Engel, Hubert Haas (Referate) und Oliver Baiocco (Leitung)
Teilnehmer:
Die Firmen sind eher konservativ
Ich komme vom Arbeitsamt Düren, das ist eher ländlich geprägt, und ich schicke dies auch bewusst
voraus, weil ich mir denke, dass das auch einen Einfluss auf die Firmenkultur hat. Mein Eindruck,
der sicherlich auch nicht die Realität ist, aber ein Eindruck von mir ist, dass die Firmen, was die
Fähigkeiten und Bereitschaften der Mitarbeiter angeht, schon gerne Mitarbeiter haben. Wenn es
aber um die Kriterien geht, nach denen diese Mitarbeiter ausgewählt werden, sind die Firmen eher
konservativ. Das ging so in die Richtung, dass der Lebenslauf möglich lückenlos sein soll, dass ich
keinen zu bunten Mitarbeiter habe, weil der mir vielleicht rechts oder links ausscheren würde. Das
sind aber auch Momentaufnahmen von mir, aber es geht im Grunde in die Richtung, dass die Anforderungen zum Teil sehr zwitterhaft sind, dass Leute auch nicht wissen - Stichwort PatchworkBiografie - , was denn jetzt richtig ist. Ist das was Gutes, ist das was Schlechtes? Aber der Maßstab,
für das, was gut oder schlecht ist, dann wiederum der Arbeitsmarkt ist und da sehr ambivalente
Nachrichten kommen. Ich weiß nicht, wie es bei anderen Kollegen ist. Aber dass Firmen auch immer wieder darüber klagen, dass die Schulen angeblich sehr schlecht vorbereiten für das Arbeitsleben, dass man den Noten sowieso nicht mehr trauen kann. Also das ganze Feld ist sehr zwiespältig.
Teilnehmerin:
Man wird beäugt
Vielleicht noch dazu, wenn wir auf unser eigenes Unternehmen sehen. Ich habe selber eine Patchwork-Biografie und bin dann irgendwann Berufsberaterin geworden, aber sicherlich wird man auch
beäugt. Was hat man denn vorher gemacht? Gerne möchte man einerseits zwar Leute haben, die
von außen etwas anderes erfahren haben und begrüßt sie auch, aber man steht ihnen distanziert
oder auch mit einer gewissen Beobachtung gegenüber.
Hubert-Josef Haas:
Welche Kompetenzen brauchen Berufsberater?
Wenn ich den Punkt aufgreife, den wir zuletzt hatten. Vielleicht ist dies auch meine Antwort zu der
Frage, welche Kompetenzen brauchen Berufsberater? Die wird nämlich im Großen und Ganzen
lauten: Kommt darauf an! Ich will versuchen, dies am Beispiel eines Modells deutlich zu machen.
Das Kontinuum der BeratungsWelten
Die Sache, die ich Ihnen hier vorstelle, stammt aus Polen.16 Polen ist nicht etwa das Entwicklungsland der Berufsberatung. Nein, weit gefehlt. Da sind die uns ein Stückchen voraus. Das hängt damit
zusammen, dass man dort vor vier Jahren ungefähr auf die Idee gekommen ist, eine eigene staatliche Berufsberatung aufzubauen und das gleich richtig zu machen. Und dazu eine Wissenschaftlerin
und ihren Stab von der Universität Breslau beauftragt hat, in der ganzen Welt herum zu fahren, um
zu gucken, wie Berufsberatung gemacht wird und sich überall das Beste zu klauen, um daraus die
polnische Berufsberatung zu basteln inkl. der Ausbildung der Berufsberater.
Ein Abfallprodukt dessen, was Frau Professor Dr. Bozena Wojtasik da gemacht hat ist, dass sie
jetzt auch sagen kann: Berufsberatung stellt sich weltweit auf einem Kontinuum, auf einem Spektrum dar. Das alles gibt es und das alles macht im jeweiligen Kontext auch Sinn. Ein erstes Kriterium, das Frau Wojtasik ausführt, ist das Berufsbild der Berater. Wie sehen Berater/Beraterinnen
sich eigentlich selbst? Welche Rolle weisen sie sich zu? Und das ist ein Kontinuum aufgespannt
zwischen dem Experten, der sagt, wo es lang geht, der vielleicht der Heilsbringer ist, über den, der
Informationen gibt und sich als eine wandelnde Enzyklopädie in Beschäftigungsmöglichkeiten
versteht und darüber Auskunft gibt. Da ist der Berater, der Konsulent, der sagt, ich bin eigentlich
der Experte, aber ich lasse den mal reden und gebe ihm paar sinnvolle Tipps, die er hoffentlich in
seine Planungen integriert, hin am anderen Streckpunkt zu Beratern, die sich eher in einer Weise
verstehen, in der auch Frank Engel und ich uns gerade geoutet haben: den Rahmen zu schaffen,
einen Prozess zu ermöglichen, damit etwas entstehen kann, entwickelt wird.
16
Anm.: Auf der Basis eines Modells von Prof. Dr. Bozena Wojtasik, Universität Wroclaw/Polen.
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Forum 1 mit Frank Engel, Hubert Haas (Referate) und Oliver Baiocco (Leitung)
Je nachdem welches Berufsbild die Berater für sich selbst definieren erreicht man natürlich auch
zwingend eine bestimmte Art und Weise der Kommunikation. Ein Experte wird anweisen, was zu
geschehen hat. Ein Experte zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wird anweisen, in welche Maßnahme jemand zu gehen hat. Ein Begleiter und ein Entwickler werden eine andere Kommunikationsform wählen. Von dem Berufsbild hängt auch zwingend ab, wer die Lösung weiß. Die Berufswahlmodelle und Berufswahltheorien, die sich in diesem Bereich des Spektrums bewegen, senden
Kernsätze ab wie z.B. „Der Klient ist der Experte“. Das wäre für Berufsberaterinnen und Berufsberater relativ schlecht, weil ihnen da ein Teppich unter den Füßen weg gezogen wird, der ihnen systematisch bei der Bundesanstalt für Arbeit beigebracht worden ist.
Je nachdem welches Berufsbild ich als Berater habe ergibt sich daraus auch die Antwort auf die
Frage: Wer trägt denn die Verantwortung für das Ergebnis des Prozesses, der da abläuft? Liegt die
Verantwortung beim Berater oder liegt die Verantwortung beim Klienten? Man kann diese Berufsbilder der Berater und Beraterinnen natürlich auch in einen Zusammenhang bringen - und Frank
Engel hat das ja vorhin schon mal getan mit dem Menschenbild -, das dahinter steht, was geprägt
ist von einer bestimmten Sichtweise, die aus eher dieser klinisch-kurativen Ecke kommt. Behavouristen werden das anders sehen als humanistische Philologen. Was ich entscheidend finde ist das,
was ganz unten steht: Das Berufsbild und der Prozess der Beratung hängt auch ganz entscheidend
davon ab, was mein Berufswahl-Konzept ist.
Wenn ich in der Hartz-Kommission sitze und den Job habe, Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, bekämpfe ich die punktuelle Arbeitslosigkeit des Menschen X zum Zeitpunkt Y. Dann muss ich
zwangsläufig sagen, dass es eine einmalige Handlung ist. Wenn es eine einmalige Handlung ist, dann
komme ich auch zu Verhaltensweisen und Berufsbildern, die dieser Linie entspreche. Wenn ich
aber sage, Berufswahl, Gestaltung von Biografien ist ein lebenslanger Prozess, dann komme ich
eher auf die Idee zu sagen, in der Beratung auch eine Lernsituation zu schaffen, aus der dieser
Mensch etwas lernt, was er im späteren Lebenssituationen vielleicht wieder anwenden kann und
dann meine Hilfe nicht mehr braucht oder nicht in dem Umfang. Wir haben als Berufsberaterinnen
und Berufsberater in der Bundesanstalt für Arbeit außer der Tatsache, dass wir mit Menschen Gespräche führen, ein ganz breites Spektrum abzuarbeiten.
Es gab letztens noch mal so eine Untersuchung, wie viel ein Berufsberater im Arbeitsamt eigentlich
berät. Mit Mühe kommt man auf 30 Prozent. Die andere Zeit ist Administration, Anträge ausgeben,
Stellen anschreiben. Bei vielen dieser anderen Aufgaben wird von uns, und das ist notwendig, eine
Position gefordert, in der wir ganz klare Entscheidungen treffen, eine Sperrzeit reinhauen oder
nicht. Da gibt es nichts mit kooperativem Gesprächsstil, wenn es um Leistungsrecht geht. Aber ich
finde es ganz wichtig, dass wir das als Berater trennen. Wenn ich in der Beratungssituation bin,
dann habe ich da ein Spektrum, auf dem ich mir überlegen kann: Wo möchte ich mich jetzt in diesem Moment hinstellen, was ist meine Position? Die haben sie im übrigen eingefordert. Ich muss
aber auch genau so gut gucken: Was ist das, was dieser Klient von mir fordert? Was empfindet der
als hilfreich?
Mit diesem Modell ist keinerlei Wertung verbunden. Kontextabhängig und klientenabhängig - das
wäre die Botschaft aus dieser Darstellung: dass ich mir als Berater klar mache, wo ich im Augenblick auf diesem Kontinuum stehe und welche Methoden dazu gehören. Welche sind zielführend
und welche weniger? Und damit ist nicht verbunden, das eine ist ein guter Berater und das andere
ist ein schlechter Berater. Meine persönlichen Vorlieben könnten allerdings dazu führen, dass ich
vielleicht bei der Berufsberatung für Jugendliche - je nachdem, was ich am besten kann, am liebsten
mache - ein bisschen besser aufgehoben bin als in der Arbeitsberatung für Langzeitarbeitslose. Weil
da möglicherweise ein anderes Methoden-Repertoire effizienter ist. Das als großer Überblick dessen, wie sich Berufsberatung aus Sicht des Verbandes, zumindest weltweit und hoffentlich auch in
Deutschland darstellt.
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Forum 1 mit Frank Engel, Hubert Haas (Referate) und Oliver Baiocco (Leitung)
Oliver Baiocco:
Gibt es überhaupt noch Grenzen von Beratung?
Ob das Modell, das Herr Haas gerade vorgestellt hat und in Polen entwickelt worden ist, ihnen und
uns jetzt als Berater für die konkrete Tätigkeit vor Ort gewisse Orientierungsmöglichkeiten gibt,
wäre meine erste Frage und meine zweite Frage wäre vielleicht auch an den Verband gerichtet. Wir
sprechen von Kompetenzen, von Standards und von Grenzen der Beratung. Wenn ich mir dieses
Modell anschaue scheint es möglich zu sein, jegliche Art von Beratungsanforderung da hinein zu
packen; d.h. gibt es auf der anderen Seite überhaupt noch Grenzen von Beratung? Ich möchte die
Diskussion, die eben geführt worden ist im Auge behalten, wenn ich frage: Muss ich eigentlich als
Berater dieses Konzept nur rezipieren, es internalisieren oder eine andere Frage: Kann ich es mir als
Berater leisten, auch kritisch zu hinterfragen? Ist es etwas, was ich mit meinem Menschenbild vertreten kann? Weiterführend eine politische Frage: Bin ich als Berater bereit dafür, ganz gewisse
Tendenzen auch noch mit zu tragen? Weil das, was ja passiert, innerhalb der gesellschaftlichen
Entwicklung, nicht etwas ist, was von oben herunter fällt, sondern im Kräftemechanismus der gesellschaftlichen Entwicklung forciert oder nicht forciert wird.
Teilnehmer:
Ist das noch Beratungstätigkeit?
Mich würde anhand des Modells der Begriff des Experten interessieren. Der Anweisende mit der
einmaligen Beratung - wäre der für Sie noch ein Berater? Oder ist jemand, der aus finanziellen Interessen, z.B. jemand im Reisebüro, in der Versicherung oder in der Bank arbeitet - ist das für Sie
noch eine Beratungstätigkeit? Wo sind da die Grenzen?
Frank Engel:
Der Begriff Beratung ist nicht geschützt
Natürlich wird der Begriff Beratung für alles Mögliche genommen. Eine Verkaufsberatung ist im
Sinne des Modells sicherlich keine Beratung. Aber wenn ich auf dieses Modell gucke dann denke
ich schon, auch diese einmalige Information ist etwas und wenn jemand nicht mehr möchte, dann
ist es auch o.k. Aber, und das ist der entscheidende Punkt, alles, was nach rechts auf diesem Modell
geht, diese Prozesshaftigkeit, scheint etwas zu sein, was hier nicht wirklich da ist. Und: Der Begriff
Beratung ist nicht geschützt. Der Begriff ist und bleibt im deutschsprachigen Raum ein Problem,
weil alles Mögliche darunter fällt.
Teilnehmer:
Ist das noch Beratung?
Wir beraten ja auch oder sollen auch Leute beraten, die zu uns kommen, weil sie arbeitslos geworden sind, die aber möglicherweise gar nicht freiwillig kommen, die also einfach kommen, weil sie
Anspruch auf Arbeitslosengeld haben und sie müssen halt in irgendeiner Weise auch wieder Verpflichtungen eingehen. Die Frage ist für mich: Ist das noch Beratung oder ist das keine? Solche
Fragen stellen wir uns natürlich auch.
Hubert-Josef Haas:
Kriterien anlegen
Ich finde es in diesem Zusammenhang ganz hilfreich die Frage zu stellen: Wer ist der Auftraggeber
für die Beratung und wer profitiert davon zumindest am meisten? Wenn ich diese beiden Kriterien
an den von Ihnen geschilderten Fall anlege, dann komme ich zu dem Ergebnis: Das ist keine Beratung. Weil dieser Arbeitslose nicht der Auftraggeber ist, sondern allenfalls die Versichertengemeinschaft oder ein Vorgesetzter oder sonst irgend jemand, aber nicht der Mensch, der mir gegenüber
sitzt. Der will nicht. Die Frage ist, ob ich mich selber als Berufsberater auch noch massakriere,
wenn ich solche Leute einlade, die gar nicht beraten werden wollen - im Sinne meines Beratungsverständnisses. Und die Frage, wer davon profitiert, führt mich zu dem gleichen Ergebnis. Dieser
Mensch profitiert wahrscheinlich nicht davon, wenn ich ihm aufnötige, bei Androhung einer Sperrzeit eine bestimmte von ihm nicht gewünschte Maßnahme zu besuchen.
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Forum 1 mit Frank Engel, Hubert Haas (Referate) und Oliver Baiocco (Leitung)
Teilnehmer:
Arbeitsberatung oder Arbeitsvermittlung?
Ich frage mich dann in der Verwendung, ob es überhaupt sinnvoll ist, dass wir von Arbeitsberatung
sprechen oder nicht von Arbeitsvermittlung und Vermittlung in Arbeit, was einen eigenen Wert
haben kann, aber gar nicht mit dem Begriff der Beratung belastet werden sollte? Das ist ja hier Realität. Wir sind mit manchen Kollegen gehalten, ihn in Arbeit zu bringen.
Teilnehmer:
Jeder versteht etwas anderes darunter
Dieser Beratungsbegriff innerhalb der Bundesanstalt - da versteht jeder etwas anderes darunter.
Wenn Sie ihn Arbeit wieder unterbringen wollen, hat er einen Beratungsbedarf.
Hubert-Josef Haas:
Beratung und Vermittlung sind nicht dasselbe
Nun bin ich hier ja als Vertreter des Verbandes für Berufsberatung und eine unserer ewigen Predigten ist: Beratung und Vermittlung sind nicht dasselbe. Das sind zwei Dinge, die sich gegenseitig
berühren und ergänzen können, aber auf gar keinen Fall zusammen kommen dürfen. Die nach den
berufsethischen Normen des Verbandes für Berufsberatung auf gar keinen Fall vom gleichen Menschen gemacht werden darf. Die Berufsethiker unter den Berufsberatern sind sich völlig einig darüber, dass es absolut undenkbar ist, dass eine Person gleichzeitig Beratung und Vermittlung macht.
Und das SGB III in Deutschland spricht das ja allen, die nicht Arbeitsamt heißen, auch kategorisch
ab. Wenn Sie Beratung und Vermittlung machen, dürfen sie nur für die Vermittlung Geld nehmen.
Um zu verhindern, dass jemand beides macht. Diese beiden Dienstleistungen halte ich für sehr
unterschiedliche und ich denke, die müssen sehr klar abgegrenzt werden. Die haben auch ganz
andere Methoden, die haben andere Auftraggeber, die haben andere Vorgehensweisen.
Hubert-Josef Haas:
Beratung und Vermittlung berühren sich
Vermittlung schließt sich ja an die Beratung an. Wenn es um die Realisierung dessen geht, was als
Beratungsergebnis erarbeitet worden ist, dann stellt sich die Frage: Wie kriege ich das hin, was ich
mir da gerade ausgedacht habe? Kann das dieser Klient selber? Hat er die Ressourcen dazu? Hat er
die Phantasie, hat er die Kontakte, so etwas hin zu kriegen oder braucht er dazu Unterstützung?
Wenn er eine Unterstützung braucht: Wie weit muss die gehen? Reicht es, wenn ich ihm das
Selbstbedienungssystem in der Computer-Datenbank angebe, wo die freien Stellen drin sind?
Braucht er ein Coaching? Muss er erst noch jemanden finden, der mit ihm die Bewerbungsunterlagen frisiert? Muss ich das sein? Kann ich was ausgliedern an eine andere Stelle? Oder braucht er
tatsächlich noch mal eine personengebundene 1:1-Dienstleistung: Vermittlung inkl. Mitgehen zum
Betrieb oder so etwas. Macht dann das wieder Arbeitsamt oder schicke ich ihn dazu in eine Trainingsmaßnahme? Beratung und Vermittlung berühren sich an der Stelle, wo es um die Realisierung
geht. Beratung hat schon so ein Element der Handlungsorientierung. Was machst Du jetzt, um es
hinzukriegen? Aber die konkrete Assistenz bei der Realisierung ist nicht mehr Beratung.
Frank Engel:
Beratung muss immer ergebnisoffen sein
Noch einmal ergänzend. Deutlich geworden ist: Beratung muss immer ergebnisoffen sein. Das
Ergebnis ist nie vorher da, eine Fragestellung verändert sich etc. Das ist eine ganz andere Art und
Weise des Handelns.
Teilnehmer:
Die Beratung ist den Bach heruntergegangen
Aber man muss doch mal kritisch sagen, dass im Bereich der Bundesanstalt eine Entwicklung, ich
weiß nicht wann, vor zehn oder zwölf Jahren stattgefunden hat, wo die Funktionen und Aufgaben
des Beraters und Vermittlers, des ehemaligen Berufsberaters und des Vermittlers immer getrennt
waren, die saßen in getrennten Büros.
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Forum 1 mit Frank Engel, Hubert Haas (Referate) und Oliver Baiocco (Leitung)
Sie hatten eine ganz andere Ausbildung, sie hatten einen ganz anderen methodischen Zugang. Und
dann ist, ich weiß nicht wer, auf die glorreiche Idee gekommen und hat gesagt: Man kann bei beiden entweder Ressourcen sparen oder man kann etwas viel effizienter und produktiver machen,
wenn der Berater gleichzeitig, nachdem er sein ergebnisoffenes Gespräch beendet hat, an den
Schrank geht und sagt, jetzt habe ich noch die passende Stelle. Ich weiß nicht, wie es der Verband
gesehen hat, aber es war meines Erachtens wirklich der Eindruck, wo man sagen kann: Da ist Beratung den Bach heruntergegangen! Seitdem wir in einer Stunde beraten und vermitteln müssen,
Protokolle schreiben müssen und Vermittlungsvorschläge ausdrucken können, da ist die ergebnisoffene Beratung nicht mehr möglich. Wenn jemand zu mir sagt, ich möchte was im Bereich Medien
machen, hat man sofort den Auslösungsmechanismus im Hinterkopf: Wenn er keine Studienberechtigung hat, dann muss ich gleich den Ausbildungsmarkt berücksichtigen und sage: Nein. Medienberufe gibt es nicht. Ich bin also von vornherein blockiert in der Beratung. Der Vermittler bei
der Getrenntberatung kann auch nicht helfen. Aber es war zumindest eine Trennung in der Person.
Oder auch zum Begriff Beratung, wie die Bundesanstalt die Begriffe aufweicht über die Verkaufsberatung oder Berufsberatung, Arbeitsberatung – da geht es hier schon in den Bereich hinein:
Sperrzeiten verhängen, direktive Maßnahmen über den Klienten verhängen. Was haben wir jetzt
neuerdings? Wir haben einen Leistungsberater. Leistungsberater, das muss man sich vorstellen, der
kann doch nur jemanden informieren, dass er Anspruch auf Arbeitslosengeld hat oder dem Arbeitgeber sagen, dass er Anspruch auf Einarbeitungszuschüsse oder ähnliches hat. Das wird auch schon
unter den Begriff Beratung gefasst. Da muss man sagen: Lass’ mal stecken.
Der Begriff Beratung ist bei uns ganz schön den Bach herunter gegangen. Wenn man diese wissenschaftliche Betrachtung von Beratung, die Ansprüche, die daran gestellt werden und dann die Realität des Berufsberaters betrachtet, wenn die Menschen mal unseren Arbeitsplatz betrachten würden. Auf der einen Seite ist ein Beratungstisch, da liegt nichts drauf, in der Mitte liegen Informationsschriften und rechts ist der Computer. Soviel über den ergebnisoffenen Beginn eines Beratungsgespräches. Dann kommt die Informationsphase. Ich habe nicht viel Zeit. Da sind die Schriften. Und dann ist noch innerhalb dieser Stunde die Realisierung. Ich gucke nach, was ich dem an
Ausbildungs- oder Schulungsmöglichkeiten offerieren kann. Das widerspricht absolut Beratungsmodellen, wie sie die Wissenschaften entwickelt haben. Wir versuchen, das Beste daraus zu machen, ich denke wir schaffen es auch, aber das soll mich nicht hindern zu fragen: Warum dürfen sie
sich überhaupt noch Berater nennen?
Hubert-Josef Haas:
Wir gehen inflationär mit dem Begriff von Beratung um
Ich denke, wir gehen inflationär mit dem Begriff von Beratung um. Wir als Berater beschäftigte
Mitarbeiter der Bundesanstalt für Arbeit haben auch so eine Neigung, den Begriff inflationär zu
betrachten oder unternehmen zu wenig, wenn Kollegen das tun. Wenn mein Abteilungsleiter die
Arbeitsberichte der Berufsberatung auflegt und da steht drin, die Berufsberater hätten 8.600 Beratungsgespräche mit 9.000 Jugendlichen geführt, dann fühle ich mich verpflichtet ihm zu sagen: Das
sind Kontakte, aber keine Beratungsgespräche. Aber das sind politische Ebenen, die über diese
amtsinternen Kleinigkeiten hinaus gehen, wo wir als Berater in der Pflicht sind, Dinge weiter zu
tragen. Und wenn wir unsere Arbeit erledigen, dann müssen wir Fürsprecher unserer Klienten sein,
um was am Rädchen ein bisschen weiter zu drehen, damit es erträglich wird, eine Patchwork-Biografie zu haben.
Teilnehmer:
Die eigene Position klar definieren
Die Diskussion hat jetzt ein Problem. Wir benutzen jetzt Beratung schon, als sei etwas klar definiert. Wir haben aber eben dargestellt, dass es nicht klar definiert ist, sondern dass es dieses Spannungsfeld, um es im Bild zu sagen, zwischen links und rechts gibt. Und deswegen: Wenn ein Berufsberater sagt, ich habe heute so und so viel Leute beraten, dann hat er möglicherweise ein anderes Bild als Sie, Herr Haas. Das ist das Problem, dass es einen einheitlichen Begriff im Sinne auch
eines geschützten Begriffes gar nicht gibt.
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Forum 1 mit Frank Engel, Hubert Haas (Referate) und Oliver Baiocco (Leitung)
Ich würde mich schwer tun, den auch zu definieren. Weil er eben dieses Spannungsfeld besitzt.
Und in dem müssen wir uns bewegen. Ich persönlich gehe damit um, dass ich mir sage, Du kannst
nicht dieses ganze Spannungsfeld bedienen, das könnte ich auch allein von meiner Person her, von
meinen Fähigkeiten her nicht, ich habe bestimmte Stärken, aber auch eher diese Grauzonen und
Seiten, die ich nicht so gut beherrsche, also werde ich mich automatisch mehr oder weniger an einer
bestimmten Stelle wieder finden. Aber diese Stelle, auf der ich stehe, ist wahrscheinlich nicht die
Stelle meiner Kollegen. Auch nicht im eigenen Amt. Und es ist halt schwer das zu greifen, weil wir
alle mit einem Bild von Beratung leben müssen, auch was unterschiedlich ist von Mann zu Frau,
von Mann zu Mann.
Was ich nur wichtig finde in dem Zusammenhang ist, es möglichst offen zu sagen, wo ich selber
stehe, was manchmal nicht gerade leicht ist; also die eigene Position klar zu definieren und das eben
auch möglichst transparent nach außen zu machen. Wenn ein Kunde kommt, ein Klient, ein Ratsuchender, dann auch zu sagen: So gut ich das kann. Das zum Stichwort Respekt. Ich habe eben auch
das Zugeständnis machen zu müssen: Wenn Sie zwei Türen weiter gehen oder drei, im weiteren
Verfahren, und das meine ich wirklich nicht wertend, dann wird der Kollege/die Kollegin, auf den
Sie treffen, möglicherweise und wahrscheinlich sogar mit großer Sicherheit, an einem anderen Platz
stehen.
Oliver Baiocco:
Klarheit über die eigene Tätigkeit entwickeln
Wir sollten eine Zusammenfassung machen des Versuches, nicht der Lösung des Problems, sondern einer Positionierung, einer Definition der nächsten Schritte, die notwendig wären, um vielleicht doch ein bisschen Klarheit über die eigene Tätigkeit zu entwickeln. Die nächsten Schritte, die
notwendig wären in der Beratungsdiskussion, um morgen oder übermorgen eine Beratung zu definieren, wo wir selbst zufriedener sind, was unsere Anforderungen sind.
Frank Engel:
Es gibt einen großen Umstrukturierungsprozess
Es ist für einige eher möglich, der Vorstellung von Beratung zu entsprechen im Praxisbereich, für
andere weniger. Und das hat damit zu tun, dass die Bundesanstalt für Arbeit, später auch der Arbeitgeber, ein bestimmtes Bild von Beratung hat, bestimmte Vorstellungen von Beratung, bestimmte Vorstellungen auch von dem, was sich rechnet im Endeffekt. Das ist ja eine Frage: Was
sich vielleicht wiederum intern rechnet. Aber was habe ich davon? Was Herr Haas auch gesagt hat,
Beratung hat auch diese Bildungschance, eine alte pädagogische Sache, Beratung also eigentlich
auch ein Stück Bildung. Kann ich die realisieren? Und wenn ich es realisieren kann, ist das vielleicht
etwas, was sich langfristig auch möglicherweise ‚bezahlt’ macht?
Summa summarum mit Blick auf die Zukunft gibt es im Moment einen großen Umstrukturierungsprozess. Wenn sie darauf hinwirken können, dass Beratung - so wie sie Ihre Erfahrung gemacht
haben möglicherweise, was geht und was nicht geht - umstrukturiert wird, dann sollte man das
versuchen und das weitestgehend in diese Diskussion einzubringen. Die Aufgabe von Wissenschaft
und Experten ist es aber genau so gut, das hoch zu halten und ich glaube an die Möglichkeit mehrerer verschiedener Formen und Angebotsformen von Beratung, wie sie sich auf dieser Abbildung
bewegen können - je nach Nachfrage, aber nicht, wie es heute ist, einen ganzen Bereich ausschließen. Das wäre doch eine Perspektive.
Hubert-Josef Haas:
Die Beratung in der Bundesanstalt ist keinesfalls abgehakt und tot
Es passiert da ja schon ein bisschen was. Eine Erklärung zur Beratung war ein Aufruf, den Frank
Engel auch mitgestaltet hat, wo es um die Frage geht: Was kann Beratung zukunftsfähig machen?
Es ist in dem Zusammenhang eine Arbeitsgemeinschaft von mittlerweile 36 Beratungsverbänden
aller möglichen Fachrichtungen entstanden, die sich jetzt in drei Wochen wieder treffen werden,
um ein gemeinsames Papier zu verabschieden, was Beratung ist.
40
Forum 1 mit Frank Engel, Hubert Haas (Referate) und Oliver Baiocco (Leitung)
Das hat eine ganze Weile gedauert, ehe sich 36 Beratungsverbände auch nur annähernd darauf
verständigen konnten, was denn Beratung sei. Aber es kommt so langsam in die Gänge.
Was ich für uns in der Bundesanstalt und für jeden von uns wichtig finde: Die Hartz-Kommission
hatte den Auftrag, sich um die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu kümmern. Da ist Beratung nicht
unbedingt die Methode der Wahl. Über Beratung und die anderen Dienstleistungen der Bundesanstalt hat die Hartz-Kommission nichts gesagt; d.h. nicht, dass die Hartz-Kommission sagt, Bundesanstalt mach’ nur noch Vermittlung, vergiss’ die Beratung. Es steckt allerdings die große Gefahr
darin, und wir kennen ja diese Methoden des voraus eilenden Gehorsams, der in der Bundesanstalt
hervorragend funktioniert, dass man sich jetzt so begeistert auf diese Hartz-Papiere stürzt in der
Vermittlung, dass man ganz vergisst, es gibt auch noch andere Dinge. Aber es sei daran erinnert:
Viele von uns haben das Glück, in einem Arbeitsamt 2000 zu wirken, wo sie wesentlich mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten haben als im traditionellen Arbeitsamt. Sie müssten sich dazu mit ihren
Kollegen aufraffen, wie die Arbeitsabläufe in ihren Teams gestaltet werden, wer bei wem Termine
kriegt und wie oft. Das zu gestalten kostet eine Menge Zeit und eine Menge Energie, aber es könnte
sich lohnen. Ich habe die Hoffnung, dass sich die Bundesanstalt durchaus auch für die Geschäftsfelder interessiert, die in den Hartz-Papieren nicht vorkommen. Das sind nämlich die Geschäftsfelder, wo man noch eigene Gestaltungsspielräume hat.
Die Beratung in der Bundesanstalt ist aus meiner Sicht keinesfalls abgehakt und tot, aber sie lebt
davon, dass sie, die sie die Energie hatten, hier zu einer solchen Tagung zu kommen, hier soviel
Kraft mitnehmen, dass sie Ihre Kollegen mit dem Gedanken infizieren, dass sei etwas Wichtiges
und etwas Gutes und sie könnten das richtig gut und diese Gedanken weiter zu transportieren.
Wenn wir nicht unsere eigene Lobby sind, wer denn dann sonst?
„Berufs- und Laufbahnberatung als eigenständige Profession: Kompetenter Problemlöser oder postmoderner Heilsbringer?“
Im Forum 1
diskutierten die Teilnehmer mit Referent
Frank Engel vom Institut für Beratungsforschung und Weiterbildung
e.V., Bielefeld, Moderator Oliver Baiocco, dem Leiter des EULeonardo-Projektes „Media Coach“ bei AIM, dem
KoordinationsCentrum für Ausbildung in Medienberufen, Köln, und
Referent Hubert Haas vom Deutschen Verband für Berufsberatung,
Roxheim (von links). Im Hintergrund: Prof. Dr. Wolfgang Wittwer
von der Universität Bielefeld.
41
Forum 2 mit Prof. Dr. Bernd Joachim Ertelt (Referat) und Peter Funken (Leitung)
BERATUNGSTHEORIEN, -STRATEGIEN UND -METHODIK
Eine Übersicht über aktuelle Ansätze in der Beratung
Problemstellung
Die Berater selbst haben erheblichen Beratungsbedarf. Sie wissen, dass eine Vielzahl neuer Anforderungen auf sie zukommen werden und suchen nach neuen Methoden, diesen Anforderungen
auch gerecht zu werden.
Hauptthesen
Lebenslange Beratung wird erforderlich (Ertelt).
Diskussion
Die Teilnehmer waren sich einig über die Vorteile einer lösungsoffenen, heuristischen Beratung.
Trotz allem blieben Fragen nach der praktischen Umsetzung.
Fazit
Auch die Berater haben erheblichen Beratungsbedarf.
Prof. Dr. Bernd Joachim Ertelt:
Lebenslange Beratung wird erforderlich
Im ersten Teil stand die Methodik im Vordergrund. Die in der Beratungspraxis übliche rationale
Methode wurde der von Professor Ertelt favorisierten heuristischen Methode gegenüber gestellt.
Die Themen:
• Lebenslange Beratung wird erforderlich - begleitend zum „Life-long-learning“.
• Berufswahl wird immer nach heuristischen Kriterien getroffen - im Gegensatz zur rationalen Entscheidung.
• Der Berater ist immer auch der Advokat des Individuums.
Im zweiten Teil stellte Professor Ertelt die unterschiedlichen Beratungstheorien vor und erläuterte
abschließend die momentan praktizierte lösungsorientierte Kurzberatung.
Teilnehmer:
Praktikabilität der heuristischen Methode?
Die Fragen bezogen sich vor allem auf die Praktikabilität der heuristischen Methode:
• Wenn die heuristische Methode so erfolgversprechend ist, warum wird sie dann nicht in die
Praxis umgesetzt?
• Gibt es einen Kosten-Nutzen-Vergleich der beiden Methoden?
• Wird in der Praxis an einer Optimierung des rationalen Modells gearbeitet?
Peter Funken:
Kaum gesicherte Daten über den Wert von Beratung
Es gibt kaum gesicherte Daten über den Wert der Beratung gibt. Könnte man den Beratungserfolg
quantifizieren so wäre dies ein erheblicher Vorteil in der Verhandlung mit öffentlichen Geldgebern.
Die Ausbildung der Berater kann im Moment nicht alles erfassen, was außerhalb des rationalen
Ansatzes, der einfacher zu handhaben ist, liegt. Eine Kernforderung an Wissenschaft und Forschung, die auch von den meisten Teilnehmern mitgetragen wurde: Herausgabe eines Modells, das
in der Fortbildung an die Berater weitergeben kann.
Follow-up-Programme
Ferner war die sogenannte Nachentscheidungs-Phase - Stichwort: Follow-up-Programme - von
Interesse. Es wurde bemängelt, dass nach einer erfolgreichen Vermittlung kaum Erkenntnisse darüber vorliegen, wie sich Arbeitnehmer im neuen Job führen und ob es vielleicht sogar zum Abbruch kommt. Daraus könnten dann Schlüsse für zukünftige Beratungen und Vermittlungen gezogen werden.
42
Forum 2 mit Prof. Dr. Bernd Joachim Ertelt (Referat) und Peter Funken (Leitung)
Professor Ertelt wies darauf hin, dass in seinem Institut an einer Untersuchung zur Prävention von
Abbrüchen gearbeitet wird. Für das Landesarbeitsamt erklärte Peter Funken, dass es derartige Programme nur im Bereich der Benachteiligten-Förderung gibt.
Fazit: Auch die Berater haben erheblichen Beratungsbedarf. Sie wissen, dass eine Vielzahl neuer
Anforderungen auf sie zukommen werden und suchen nach neuen Methoden, diesen Anforderungen auch gerecht zu werden. So lässt sich auch das große Interesse an dem methodischen Themenblock erklären - wie überhaupt dieses Forum die höchste Teilnehmerzahl aufwies.
Auf besonderen Wunsch einiger Teilnehmer gab Professor Ertelt eine Literaturliste an:
• Bamberger, Günter G. : Lösungsorientierte Beratung
• Ertelt, Joachim B./. Schulz, William E. :Handbuch Beratungskompetenz
• Ertelt, Joachim B./. Schulz, William E. : Beratung in Bildung und Beruf
„Beratungstheorien, -strategien und -methodik“
Das Forum 2
war besonders gut besucht (Foto links), denn unter der Leitung
von Peter Funken vom Landesarbeitsamt NordrheinWestfalen, Düsseldorf (links) gab es eine Übersicht über
aktuelle Ansätze der Beratung. Dem Referatsleiter Beratung
stand als Referent Prof. Dr. Bernd Ertelt aus dem Fachbereich
Arbeitsverwaltung der Fachhochschule des Bundes für
öffentliche Verwaltung, Mainz, zur Seite, bei dem viele
Teilnehmer einen Teil ihrer Ausbildung absolviert hatten.
43
Forum 3 mit Dr. Werner Dostal, Thomas Gesterkamp (Referate) und Peter Funken (Leitung)
VON ICH-AG’S UND JOB-NOMADEN:
DIE ENTSTEHUNG NEUER ARBEITSWELTEN
Beispiele für neue Beschäftigungsstrukturen und Arbeitsrealitäten
am Beispiel der Medienbranche
Problemstellung
Durch die Auflösung traditioneller Arbeitsstrukturen gibt es besonders in der Medien- und Kommunikationsbranche viele Freiberufler und weniger Festangestellte.
Hauptthesen
Die Beratung muss sich auf den neuen Typus des Freelancers einstellen (Dostal). Mitarbeiter fühlen
sich als Privilegierte, nicht als Medienproletarier (Gesterkamp).
Diskussion
Es gibt kaum Branchen, über die man so wenig Arbeitsmarkt-Daten hat wie über die Medienbranche.
Fazit
Die Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität ist gerade in der Medien- und Kommunikationsbranche besonders stark. Damit verbunden gestaltet sich auch die Position des Beraters als ausgesprochen schwierig.
Dr. Werner Dostal:
Auflösung traditioneller Arbeitsstrukturen
Die Ist-Analyse der aktuellen Situation auf dem Arbeitmarkt in Deutschland mit Erhebungsdaten
zu Form und Dauer der Arbeitsplätze und zur Mobilität der Mitarbeiter belegt, dass der Wandel im
Medienbereich bereits begonnen hat und die Beratung sich auf den neuen Typus des Freelancers
einstellen muss. Festgehalten werden kann:
• Traditionelle Arbeitsstrukturen lösen sich auf.
• Die Zahl der Freiberufler im Verhältnis zu Festangestellten nimmt zu.
• Daraus ergeben sich neue Anforderungen an das Profil von Mitarbeitern, die in befristeten
und wechselnden Arbeitsverhältnissen tätig sind.
Thomas Gesterkamp:
Drei Fallbeispiele von jungen Medienschaffenden
1. Marko, 29 Jahre: Er ist Mitarbeiter einer Produktionsfirma (Sub-Unternehmen von RTL).
Er ist ‚Mädchen für alles’, arbeitet auf Abruf und verdient gut. Im Sommer arbeitet er an
verschiedenen Projekten, im Winter flieht er in wärmere Länder (Bali), wo er von seinem
Geld ganz gut leben kann.
2. Niko: Er hat einen Magister-Abschluss, wollte ein Volontariat machen, bekam aber keins.
Er hat sich so „durchgewurstelt“, bei Filmteams als Assi gearbeitet und kennt die Branche.
Darauf will er aufbauen. Er nennt sich „freier Producing-Redakteur“ und ist bei der
Künstler-Sozialkasse versichert. Sein Traum: Irgendwann will er hinter der Kamera stehen.
3. Monika, Mitte 30: Sie ist Dossier-Schreiberin bei einer Talkshow. Während der Produktionen arbeitet sie von 8 bis 22 Uhr. Sie verdient gut, empfindet sich als wohlhabend. Sie will
Karriere machen, denkt aber auch über Kinder nach. Sie weiß, dass ihr Job in dieser Form
nicht mit einer Familie zu vereinbaren ist.
Alle drei fühlen sich als Gewinner, als Privilegierte – und nicht als moderne Medienproletarier. Sie
wissen, dass die Branche ihnen nicht die Sicherheit eines Beamten-Jobs gibt, bauen aber auf die
Netzwerke innerhalb der Medienbranche.
44
Forum 3 mit Dr. Werner Dostal, Thomas Gesterkamp (Referate) und Peter Funken (Leitung)
Teilnehmerin:
Falsches Bild von der Medienbranche
Die Produktionsleiterin schilderte ausgiebig ihren Werdegang und ihre berufliche Praxis. Ihr ging es
dabei vor allem um das falsche Bild, das die meisten Leute von der Medienbranche haben. Ihrer
Meinung nach ist Selbstverwirklichung dort nicht möglich. Vielmehr handelt es sich um Knochenjobs. Familie und Karriere sind nahezu unvereinbar.
Teilnehmer:
Unsicherheit über die sich verändernden Arbeitsstrukturen
Es herrscht eine große Unsicherheit über die sich verändernden Arbeitsstrukturen. Gerade die Medienbranche wird in diesem Zusammenhang als besonders unberechenbar gefürchtet. Es besteht
zudem die Sorge, dass auch weitere Branchen dem Beispiel folgen werden:
• Befristete oder nur projektbezogene Verträge
• Kaum Ausbildungsplätze
• Wenig sichere Arbeitsplätze
Für die Berater ergibt sich folgendes Dilemma: Wie sollen sie jungen Leuten, die Medienjobs als
äußerst attraktiv empfinden, die harte Realität der ‚Hire-and-Fire-Jobs’ in den Medien klar machen?
Diskussionsbeispiele:
• Die jungen Leute haben ein falsches Bild von Medienberufen, aber wie soll ich das zurecht
rücken?
• Auch wir Berater bekommen keine branchenkritischen Informationen. Das wäre vielleicht
eine Anregung für AIM, die den Beratern ein paar Argumente an die Hand geben könnten.
• Viele junge Leute finden es toll, diese Freiheit zu haben. Das, was Sie Unsicherheit nennen,
ist für sie Freiheit, Flexibilität. Das gehört zum Sex-Appeal der Branche (Thomas
Gesterkamp).
• Die Unbedarftheit bei den jungen Leuten ist schon stark. Gut, dass AIM sie ab und zu auf
den Boden der Tatsachen holt. Das sind nämlich harte Jobs. Wer in die Branche will, muss
sich das vorher anschauen (Konrad Peschen).17
• Es gibt kaum Branchen, über die man so wenig Arbeitsmarkt-Daten hat wie die
Medienbranche.
• In anderen Bereichen (Jura, Lehramt, Informatik) reagieren die Leute sofort auf derartige
Strömungen. In den Medien nicht. Dort besteht eine hohe Bereitschaft, sich auch auf unsichere Jobs einzulassen.
• Die Zahl der Ausbildungsstellen in den Medien sind kaum messbar bis lächerlich. Der Weg
zur Professionalisierung ist Lichtjahre entfernt.
• Auch diese Branche wird Normalität erleben. Sie kann sich nicht ewig von der
konjunkturellen Entwicklung loslösen.
• Unser Problem ist doch, dass die jungen Leute oft sehr desorientiert sind. Von uns Beratern wollen sie sichere Anleitungen für ihren beruflichen Weg. Aber was können wir über
die Branche in zehn oder 20 Jahren sagen?
• Zugegeben: Es gibt wenig Berufsbilder und Berufsdefinitionen. Aber ist das so schlimm?
Das ist doch gerade ein Charakteristikum der Medienbranche. Diese Unsicherheit wird
auch bleiben und ist wahrscheinlich ein Hinweis auf zukünftige Strukturen auch in anderen
Branchen (Peter Funken).
• Auf zwei Stellen gibt es 100 Bewerber. Da muss der Berater über Job-Alternativen
informieren können.
• Es gibt da plötzlich einen Boom von Ausbildungsangeboten an den Unis. Man weiß gar
nicht, ob der Markt das alles braucht.
17
Anm.: Geschäftsführer des Verbandes der Fernseh-, Film-, Multimedia- und Videowirtschaft e.V. (VFFV), Köln.
45
Forum 3 mit Dr. Werner Dostal, Thomas Gesterkamp (Referate) und Peter Funken (Leitung)
Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität
Man war sich allgemein einig, dass die Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität gerade in der
Medienbranche besonders stark ist. Damit verbunden gestaltet sich auch die Position des Beraters
als ausgesprochen schwierig. Denn gerade junge Leute, die an dem Bild der spannenden Medienjobs festhalten, sind nur schwer für andere Branchen zu begeistern.
Es gab keine einheitlichen Lösungsvorschläge, eher unterschiedliche Forderungen:
• Mehr Ausbildungsplätzen in der Medienbranche
• Mehr Praktika
• Mehr branchenkritische Informationen
• Mehr Rückmeldungen aus den Medienunternehmen, welche Berufsbilder zukünftig gebraucht werden
46
Forum 4 mit Dr. Anke Nienkerke-Springer, Prof. Dr. Wolfgang Wittwer (Referate)
und Tessa Biermann (Leitung)
INFORMATION ALS MYTHOS –
BERATUNG ALS KOMPETENZBERATUNG
Neue Beratung für die Arbeitswelten der Zukunft
Problemstellung
Bei den Beratern aus den Arbeitsämtern besteht ein großer Bedarf, ihre Arbeit, ihr Methoden- und
Rollenverständnis zu hinterfragen. Dem positiven Anspruch, die Kunden „freiwillig“ und „frühzeitig“ zu erreichen, steht die als negativ empfundene Realität der Zwangsberatung in den Arbeitsämtern gegenüber.
Hauptthesen
Beratung ist eine für die Zukunft entscheidende Schlüsselqualifikation, die sich als Kompetenzberatung und Kompetenzentwicklung auszeichnet und charakterisiert (Nienkerke-Springer). Bildungsund Berufsberatung muss sich in Richtung einer biografieorientierten Kompetenzberatung entwickeln (Wittwer).
Diskussion
Zentrale Fragen, die in Arbeitsgemeinschaften besprochen wurden: Geht ‚Zwangsberatung’? - Wie
motiviere ich zu rechtzeitiger Beratung? - Wie kann man Beratung vermarkten? - Gibt es branchenspezifische Berufsberatung?
Fazit
Votum für ein Modell, das als Basiskonzept für die Beratung dient und aus einer Sockelqualifikation
plus variablen Aufbauqualifikationen besteht.
Dr. Anke Nienkerke-Springer:
Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft
Derzeitige Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft sind geprägt durch folgende Einflüsse:
• Wettbewerb/Innovationstempo
• Entwicklung
• neue Wirtschaftsbereiche
• Wertewandel
• neue Grenzen
• neue Erwerbsorientierungen
Neue Identitäten
Wichtig ist weniger, was jemand einmal gelernt hat oder welchen Beruf er bisher hat. Wichtig sind
vielmehr seine Talente, Fertigkeiten und sein Wissen. Neue Identitäten entstehen, die zunehmend
gekennzeichnet sind durch:
• Selbstbestimmung
• Selbstorganisation
• Reflexivität
• Eigenverantwortung
• Autonomie
Erkenntnisse für Beratungssituationen
Meiner Erfahrung nach bedeutet das, dass wir Menschen nicht in eine bestimmte Richtung verändern können. Die Entscheidung, sich in einer bestimmten Art zu verhalten oder nicht zu verhalten,
bleibt ganz allein beim Einzelnen. Wir müssen damit rechnen, dass es stets unendliche viele, nicht
vorhersehbare Möglichkeiten gibt, wie Menschen reagieren können.
47
Forum 4 mit Dr. Anke Nienkerke-Springer, Prof. Dr. Wolfgang Wittwer (Referate)
und Tessa Biermann (Leitung)
Jedes Handeln unsererseits ist daher ein Handeln ins Dunkle. Beratung muss sich verstärkt
orientieren an:
• Kompetenzen der Individuen
• Lebens- und Prozessberatung
• Optionen
Lösungsmöglichkeiten beziehen sich auf:
• den Mut etwas zu Bewahren
• den Mut zur Veränderung
• den Mut zu ganz Neuem
Beratung bezieht sich darauf, Ratsuchende darin zu unterstützen, sich in der Wahrnehmung ihrer
Kompetenz ihr Ergebnis selbst zu suchen. Beratung ersetzt nicht das konkrete Handeln des Einzelnen.
Beraten in einer neuen Kultur erschöpft sich nicht in einer additiven Aneinanderreihung von Qualifikationen. Sie zielt vielmehr ab auf Kompetenzen, die dem Menschen befähigen über die konkrete
Einzelsituation hinaus unterschiedliche Situationen und Handlungsfelder zu erschließen und zu
gestalten.
Komplexität von Kompetenzen
Die Komplexität von Veränderungen erfordert eine Komplexität von Kompetenzen, die man zusammen auch unter dem Begriff Aktivitäts- und Handlungskompetenzen fassen kann:
• Selbstkompetenz (Kenntnisse und Fähigkeiten sich mit neuen Situationen auseinander zu
setzen)
• Sozialkompetenz (Kenntnisse und Fähigkeiten, Beziehungen zwischen Menschen unter
Einbeziehung der eigenen Person herzustellen)
• Sachkompetenz (Kenntnisse und Fähigkeiten, sich einen Zugriff auf Wissensbereiche zu
erschließen)
• Methodenkompetenz (Kenntnisse und Fähigkeiten im Blick auf die Gestaltung von Handlungsabläufen und Strukturen)
• Technologiekompetenz (Kenntnisse und Fähigkeiten zur Nutzung und Gestaltung von
Technologien und Informationsmedien)
• Navigationskompetenz (Kenntnisse und Fähigkeiten im Blick auf das Zusammenwirken
von Einzelnen und Systemen und die eigene Durchsetzungsfähigkeit)
• Kulturkompetenz (Kenntnisse und Fähigkeiten in der Wahrnehmung des eigenen kulturellen Kontextes in Wechselwirkung mit der eigenen Person und Offenheit für Andersartigkeit)
• Wertekompetenz (Kenntnisse und Fähigkeiten im Blick auf Werte und Prinzipien des Handelns, an denen sich das eigene Leben und Handeln unter Einbeziehung des Lebensumfeldes ausrichtet)
Kompetenzen stehen darüber hinaus mit Werten und Idealen in einem für die Arbeits- und Lebensbewältigung immer wichtiger werdenden Zusammenhang.
Nur im Zusammenhang unterschiedlicher Disziplinen wird es möglich sein zukunftsweisende Lösungen zu erarbeiten und umzusetzen. Wir werden in Zukunft nur in einem Netzwerk funktionierender Teams erfolgreich sein - sowohl innerhalb als auch außerhalb von Organisationen. So stehen
wir zunehmend in einem Prozess der Auseinandersetzung und der Sinnklärung, in dem wir nach
neuen Motivations-, Steuerungs- und Kontroll-Systemen oder anderen Lösungsmöglichkeiten suchen müssen.
48
Forum 4 mit Dr. Anke Nienkerke-Springer, Prof. Dr. Wolfgang Wittwer (Referate)
und Tessa Biermann (Leitung)
Prof. Dr. Wolfgang Witwer:
Kompetenzorientierte Beratung
These 1:
Gesellschaftliche Entwicklungen finden heute unter Bedingungen einer zieloffenen
Transformation statt
Gegenwärtige gesellschaftliche Entwicklungsprozesse:
• Wachsendes Tempo der wissenschaftlich-technischen Entwicklung
• Wirtschaftlicher Strukturwandel
• Auflösung bzw. Änderung tradierter gesellschaftlicher (Berufs-) Strukturen und Ordnungen
• Veränderte normative Orientierungen der Gesellschaft bzw. der Individuen und Gruppen
Auswirkungen:
• Ausübung einer Berufstätigkeit auf Zeit
• Wechsel von Arbeitsplatz, Betrieb, Beruf
• Veränderung der Arbeitsinhalte
• Lebensbegleitende Weiterbildung
• Verlust an (beruflicher) Orientierung
• Treffen von eigenverantwortlichen Berufsentscheidungen unter Unsicherheiten
Wir können zwar nach vorne blicken, in die Zukunft blicken, aber wir wissen nicht, ob wir das Ziel
schon vor Augen haben, das wir uns eigentlich vorstellen. Was können wir alles mit Qualifikationen
machen? Wie lange gelten diese Qualifikationen? Resultieren aus der einen Qualifikation wieder
ganz neue Qualifikationen? Sie müssen deshalb praktisch auch einen permanenten Selbstreflexionsprozess anstellen, um immer wieder zu überprüfen: Was bringt die Qualifikation? Was bringt das
Arbeitsverhältnis? In welche Richtung muss ich hier weiter gehen? Wie reagiert die Berufsberatung
auf diese neue Situation?
These 2:
Die Bildungs- und Berufsberatung hat auf diese Veränderungen bisher noch nicht reagiert.
Sie geht nach wie vor von einer Defizit- und nicht von einer Stärken-Analyse aus
Bildungsberatung und Berufsberatung setzt bei uns punktuell an, wenn z.B. die erste Schwelle ansteht (Wechsel Schule – Ausbildung; Wechsel Ausbildung – Berufstätigkeit; Wechsel Arbeitslosigkeit Suche nach Beruf). Es ist also kein kontinuierlicher Prozess. Eigentlich haben wir bei uns in der
Berufsberatung auch die Zielsetzung der Personenberatung, also die einzelnen Personen auch persönlich zu beraten. Davon ist man aus unterschiedlichen Gründen weggegangen. Jetzt findet man
den Weg wieder zurück. Es gibt die Zielsetzung der Bundesanstalt für Arbeit, die jetzt von einem
maßgeschneiderten Qualifizierungspaket für jeden aus geht. Das kann ja nur in einer sehr individuellen persönlichen Beratung liegen. Die Frage ist allerdings, inwieweit sich das in dieser Form schon
durchgesetzt hat. Wichtig ist, dass diese Beratung auch einsetzt bei den Berufstätigen: nicht nur bei
den Berufseinsteigern und Arbeitslosen, sondern bei denen, die sich in einem Arbeitsverhältnis
befinden, damit sie Informationen bekommen über Weiterbildung und Informationen bekommen
über mögliche berufliche Optionen für ihre Arbeit. Das geht nur, wenn in der Beratung ein Paradigmenwechsel stattfindet, nämlich weg von der Defizit- und hin zu einer Stärken-Analyse. Stichwort der Motivation! Das ist die Antwort auch auf unser Schulsystem.
These 3:
Bildungs- und Berufsberatung muss sich in Richtung einer biografieorientierten
Kompetenzberatung entwickeln
Ein Beispiel: Verkaufen ist Beratung - im Ausbildungsberuf beispielsweise Verkäufer. Sie lernen es
aber immer bezogen auf den jeweiligen Beruf. Sie lernen es aber nicht und erfahren es nicht als eine
Kompetenz, die zu ihrer Person gehört, die möglicherweise auch ihre Stärke darstellt.
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Forum 4 mit Dr. Anke Nienkerke-Springer, Prof. Dr. Wolfgang Wittwer (Referate)
und Tessa Biermann (Leitung)
Und das meine ich, wäre wichtig zu vermitteln: das Verkaufen, Beraten eine ganz individuelle
Kompetenz sein kann, die man in unterschiedlichen Situationen auch anwenden kann. Ich muss
mir allerdings auch immer wieder neues Fachwissen aneignen. Aber das, was mich stark macht, ist
die Beratung oder neutraler ausgedrückt die Kommunikationsfähigkeit.
Drei Funktionen von Kernkompetenz:
• Ermöglichung von Orientierung
• Herstellung von Kontinuität
• Begründung von fachlicher Qualifikation
Beratung soll auf diesen Prozess eingehen. Sie soll kompetenz-orientiert erfolgen. Sie passiert system- und institutionsbezogen und passiert personenbezogen. Und ich denke, der Personen-bezogene Teil soll gestärkt werden. Denn darüber können die individuellen Kompetenzen der Ratsuchenden gefasst werden. Wie könnte nun Beratung kompetenz-orientiert erfolgen? Sie könnte in
Richtung Biografie-Arbeit gehen. Biografie-Arbeit in diesem Falle verstanden als Profil-Coaching.
In dieser Form der Beratung geht es also darum, zusammen mit dem zu Beratenden zunächst einmal so etwas wie Visionen zu entwickeln.
Biografiearbeit: Profilcoaching
1. Entwicklung von Visionen vor der Hintergrund der aktuellen beruflichen Situation
2. Benennung der individuellen Stärken/Kompetenzen; Reihung dieser Kompetenzen nach
dem Grad ihrer Ausprägung und Relevanz im Hinblick auf die Vision
3. Abgrenzung von Tätigkeitsfeldern als berufliche Entwicklungsfelder – optional/alternativ
und/oder schrittweise durchlaufend
4. Auswahl positiver Leitbilder und Ressourcen zur Unterstützung des Entwicklungsprozesses
5. Identifikation von Hemmnissen und Entwicklung von Strategien zu deren Überwindung
6. Formulierung von Zielen auf dem Weg zur Vision
Forum:
Wie kann ich deutlich machen, dass Beratung etwas Positives ist?
Beratung krankt daran, dass es oft Zwangsberatung ist. Wie kann ich deutlich machen, dass Beratung etwas Positives ist? Wie kann ich dies marketingmäßig an die Kunden heran bringen – interessant und rechtzeitig?
Arbeitsgemeinschaft 1:
Wie kann man Beratung vermarkten?
•
•
•
•
•
•
•
Andere bzw. neue Begrifflichkeiten für Beratung finden, z.B. Begleitung, Ermutigung, Stärkung, Vorsorge, Findungsprozess.
Wie steht es um ein online-gestütztes Beratungsportal, wo die Berater eine Themensammlung abrufen können?
Bedürfnisse wecken
Beispiele bringen
Nutzen heraus stellen
Beratung als Input und Hilfestellung („Gerne tut es Mensch nicht, weil ist ehrenrührig
ist.“)
Einladungen aussprechen („Sie haben Kompetenzen. Lassen Sie die Lösung von heute
nicht das Problem von morgen sein.“)
50
Forum 4 mit Dr. Anke Nienkerke-Springer, Prof. Dr. Wolfgang Wittwer (Referate)
und Tessa Biermann (Leitung)
Arbeitsgemeinschaft 2:
Geht Zwangsberatung?
•
•
•
Zwei Arten: externe Gründe (Arbeitslosigkeit) und interne Gründe (Anliegen des Beraters/Sinn-Vermittlung: Lernen macht Spaß).
Zwangsberatung ist keine Beratung, da keine Freiwilligkeit. Beratung als Angebot ist etwas
anderes.
Wenn die Aktivität vom Berater ausgeht könnte man die Situation noch umwandeln in eine
Freiwilligkeit. Hier zeigt sich dann die Methodenkompetenz des Beraters.
Arbeitsgemeinschaft 3:
Wie motiviere ich zu rechtzeitiger Beratung?
•
•
•
•
•
•
Es gehört zu unserer Professionalität, dass wir einen anderen Anspruch haben als der
Kunde.
Berater gehen in Schulen und an Hochschulen, gestalten Veranstaltungen. Hier wäre eine
große Möglichkeit zu zeigen, was wir, die Berater, können.
Bemühen um Partnerschaften mit Bildungsträgern und Betrieben
Sich authentisch und kompetent für eine potenzielle Kundschaft vorstellen. Stichworte:
kontinuierliche Präsenz, Kompetenz, Vertrauen, Zugewandtheit.
Berufliche Beratung auch schon, wenn die Leute noch in Arbeit sind.
Neuralgischer Punkt: Motivation und Rechtzeitigkeit sind nicht deckungsgleich.
Arbeitsgemeinschaft 4:
Gibt es branchenspezifische Berufsberatung?
•
•
•
•
•
Notwendigkeit von Insider-Kenntnissen vs. Notwendigkeit von großem Überblick.
Beratungskompetenz – Feldkompetenz; d.h. Notwendigkeit, sich auf Branchenkultur
einzustellen.
Modell: Sockelqualifikation plus Aufbauqualifikationen
Berater, Ratsuchender und Praktiker (aus Unternehmen) arbeiten zusammen, so dass das
Arbeitsamt durch Ressourcen-Nutzung der Praktiker für Kernaufgaben geschont wird; d.h.
ein Delegationsmodell: Ich weiß, an wen ich verweisen kann.
Wichtig: Wo ist die Beratung verortet und wo ist meine Heimat?
51
Modul 1 mit Dr. Anil K. Jain (Referat) und Andrea Stein (Leitung)
KOMPLEXE DES WANDELS: SOZIO-ÖKONOMISCHE
UMBRÜCHE UND IHRE MÖGLICHEN AUSWIRKUNGEN
AUF (BERUFLICHE) PRAXIS
Eine soziologische Analyse
Problemstellung
Was bedeutet es für zukünftige Generationen, wenn z.B. formalisierte Ausbildungswege wegfallen –
sowohl für den Klienten als auch für den Berater? Fest steht, dass die Komplexität der Thematik
die Fähigkeit zur Interpretation für die Beratung erschwert. Schon jetzt ist bei der Beratung ein
Verlust an Orientierung zu registrieren.
Hauptthese
Folgende zentrale Wandlungsprozesse haben u.a. Auswirkungen die berufliche Praxis und den Arbeitsmarkt: Globalisierung, informationstechnologischer Wandel und gentechnologische Revolution (Jain).
Diskussion
Ein sozialer Wandel bedingt eine Neudefinition von Beruflichkeit. Anerkennung einer neuen Realität vor dem Hintergrund der Frage: Können alle in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden?
Finanzierung zur Schaffung neu angepasster Strukturen in der globalisierten Arbeitsmarktpolitik
erfordert eine Umverteilung von Reichtum.
Fazit
Die Kommunikation zwischen Wirtschaft und Beratung in der Medienbranche muss verbessert
werden. Finanzierung von Praktika und Förderung von Weiterbildung als Chance für möglichen
Branchenwechsel. Kreierung beispielhafter Szenarien, um Zugang zum Klienten zu bekommen.
Neudefinition des Klienten vor dem Hintergrund der zunehmenden Orientierungslosigkeit erforderlich. Forderung nach einem „klärenden Moment“ (Was will der Klient?), um eine Vermittlung
und Sensibilisierung für die neue Realität zu gewährleisten und Prozesse in der Beratung zu initialisieren (Hilfe, den „eigenen Kompass“ auszurichten).
Dr. Anil Jain:
Im Angesicht einer >anderen< Moderne. Individualisierung und posttraditionale
Ligaturen
Im folgenden erhielten die Teilnehmer einige Auszüge aus seiner (o.g.) Publikation.18
1 . Die Ängste, die uns treiben: Wandel oder Anomie?
De gewohnten Strukturen, die Sicherheit und Halt versprachen, lösen sich auf und diese Auflösung
erscheint bedrohlich. Ist es also verwunderlich, dass wir angesichts der ungeheuren Beschleunigung,
die der soziale Wandel heute erfährt, nicht nur hoffnungsvoll und optimistisch in die Zukunft blicken? Ist es verwunderlich, dass der ‚dromologische’ Geschwindigkeitsrausch der Modernisierung,
den wir aktuell erleben, und die Modernisierungsrisiken, die so immer stärker ins Bewusstsein treten, uns in Angst versetzen?
2 . Die aktuelle Transformation der Gesellschaft
Es lassen sich drei zentrale Momente des Wandels ausmachen:
• Globalisierung
• informationstechnologischer Wandel
• gentechnologische Revolution
18 Jain, K. Anil (u.a.): Im Angesicht einer >anderen<Moderne. Individualisierung und posttraditionale Ligaturen, [online],
30 Seiten, verfügbar unter: http://www.power-xs.net/jain/pub/imangesicht.pdf, 2002.
52
Modul 1 mit Dr. Anil K. Jain (Referat) und Andrea Stein (Leitung)
A) Die Globalisierung von Politik, Ökonomie und Kultur
Die Globalisierung verläuft auf drei Hauptebenen:
• Politik
- Ebene der internationalen Staaten-Organisationen (UNO, EU etc.)
- Ebene der nicht-staatlichen Akteure (NGOs)
• Wirtschaft
- keine kontinuierliche Entwicklung, aber seit Mitte der 80er Jahre: Beschleunigung
- neben Rohstoffen und Warenhandel und Finanzsystem zunehmend
Dienstleistungen/ Informationen/ kulturelle Produktion
• Kultur
- eigenständige Sphäre
- kulturelle Hegemonie vs. Lokalisierung
B) Informationstechnologischer Wandel
Computerisierung, digitale Vernetzung und neue interaktive Medien verändern das Gesicht unserer
Gesellschaft auf lokaler wie auf globaler Ebene.
C) Gentechnologische Revolution
Gentechnik kann je nach Einsatzfeld und Blickwinkel unterschiedlich gelesen werden: Gentherapie
könnte der Schlüssel zur Behandlung vieler Krankheiten sein, genetisches >Screening< und pränatale Diagnostik öffnen dagegen die Pforten zu einer neuen Eugenik. Die Biotechnologie eröffnet
also ganz neue ethisch-rechtliche Problemfelder und weitreichende technologische Einflussmöglichkeiten auf die Umwelt, weshalb es gerechtfertigt ist, hier von einer wirklichen Revolution zu
sprechen.
3. <Komplexe< der Transformation: Auswirkungen auf das Subjekt und die Gemeinschaft
a) Globalisierung der Ungleichheit und die Unterhöhlung des nationalen Wohlfahrtsstaats
Das solidarische Band, das die westlichen Wohlfahrtsstaaten zusammenhielt und –hält,
droht zu zerreißen. Die Individuen werden aus ihrer Verankerung im sozialen Raum herausgelöst und treffen doch zugleich auf immer neue (Raum-)Grenzen. Auch die Flucht in
die virtuellen Welten des >Cyberspace< scheint dafür keine wirkliche Lösung zu sein.
b) Die Fragmentierung der Öffentlichkeit und die Fraktalisierung des Subjekt in der neuen Informations- und Mediengesellschaft
Durch den allgemein höheren Informations-Level und die neuen technischen Möglichkeiten, individuelle Vorlieben zu verwirklichen, kommt es zwangsläufig zu einer Individualisierung der Informationsmuster und Medienkonsumstile, was wiederum eine Diffusion
und Fragmentarisierung der Öffentlichkeit bewirkt.
c) Gentechnologische >Verdoppelungen< und ihre Spiegelung
In der DNA ist die Information, durch die paarweise Koppelung der Basen, immer (zumindest) doppelt vorhanden. Das macht genetische Information auch so gut >verdoppelungsfähig<, reproduzierbar, vermehrbar. Gentechnologie ermöglicht aber auch Fremdreproduktion – durch Klonierung. Gentechnik eröffnet neuartige umfassende Möglichkeiten
der (biologischen) Kontrolle: Menschliche Eigenschaften werden, sofern sie biologisch
determiniert sind, erfasst und sogar manipulierbar.
d) Kritisches Zwischen-Resümee: Konvergente Entbettungsprozesse und negative
Individualisierung
So verstärken sich beispielsweise nicht nur Globalisierung und informationstechnologischer Wandel gegenseitig in der Generierung umfassender und doch ausschließlicher globaler Netzwerke. Auch virtuelle Vernetzung und gentechnische >Programmierung< bewirken, zusammen genommen, einen noch wesentlich weiter reichenden Wandlungsimpuls, als je für sich – denn sie erzeugen in Kombination radikal neue und umfassende
Möglichkeiten der Kontrolle, der Manipulation und des Selbstentwurfs.
53
Modul 1 mit Dr. Anil K. Jain (Referat) und Andrea Stein (Leitung)
4. Neue Formen der Einbettung? - >Die Stärke schwacher Bindungen<
und posttraditionale Ligaturen
Wie wichtig Verankerungen, aber nicht nur für Widerstand und utopisches Denken sind, sondern
ganz allgemein für den Bestand des >sozialen Bandes>, darauf hat Ralf Dahrendorf19 mit seinem
Konzept der >Lebenschancen< verwiesen. In seiner Sicht stellt die liberale Demokratie dem Individuum eine Fülle von Optionen bereit. Alle Optionen sind aber sinnlos, sinnentleert, wenn sie
nicht mit >Ligaturen< verknüpft werden: gesicherte Bezüge, Verankerungen, (Ein-)Bindungen.
Aber es müssen aus unserer Sicht nicht unbedingt traditionale Ligaturen sein. Es ist auch denkbar,
dass es zur Herausbildung posttraditionaler Ligaturen kommt, die in anderer Weise ähnliche Verankerungen bereit stellen, um den Optionen ihren Sinn zu geben, aber zu einem großen Teil (inter)aktiv (selbst)geschaffen sind und am Leben erhalten werden. Die aktuellen sozialen Wandlungsprozesse – so kritisch diese zu betrachten sind – führen nicht alleine zur Auflösung sozialer Bindungen, sondern es gibt ermutigende Anzeichen für die Ausbildung posttraditionaler Ligaturen:
soziale Ver-bindungen, die Differenz, Vielfalt und das Streben nach Selbstverwirklichung bestehen
lassen können.
Teilnehmer:
Komplexität der Thematik erschwert die Fähigkeit zur Interpretation für die
Beratung
Ausgehend vom Fragenkomplex – Wie sozial möchte die Gesellschaft sein? Wie ist der Wandel
legitimiert? Wer sind die Akteure eines (sozialen) Wandels? Sind wir dagegen machtlos? - bleibt
festzuhalten, dass Regulierungsversuche oftmals von der Wirtschaft abgeblockt werden. Zusätzliches Konfliktpotenzial: Die Vielfalt der Wirtschaftssektoren schafft sehr unterschiedliche Interessen. Vor dem Hintergrund der Informationsflut wurde bemängelt, dass die heute unter 20Jährigen
keine Orientierung mehr haben. Die Komplexität der Thematik erschwert die Fähigkeit zur Interpretation für die Beratung. Fragen, die sich daraus ergeben:
• Wo ist die Eigeninitiative?
• Inwieweit spielt der kulturelle Background eine entscheidende Rolle?
• Was heißt „keine formalisierten Ausbildungswege“ für diese Generation?
Ausgehend von der Frage „Was bedeutet Globalisierung für die Gesellschaft, das Individuum und
die Beratung?“ gingen die meisten Teilnehmer mit der Idee konform, zur Darstellung von Chancen
und Risiken der neuen Realität beispielhaft Szenarien zu kreieren, nicht zuletzt um einen Zugang
zum Klienten zu bekommen. Für einige Teilnehmer stand die Förderung der Weiterbildung als
Chance zur Flexibilität (Branchenwechsel, aber auch: „mehrere Standbeine schaffen“) im Vordergrund. Ausgehend von der „mangelnden Kompetenz des Individuums“, oft gesteuert durch die
Orientierungslosigkeit aufgrund des Dialogs „Wandel oder Kontinuität“, scheint neben der klassischen Analyse der Beratungsanlässe eine Neudefinition des „Ratsuchenden“ erforderlich. Daraus
resultiert die Forderung nach einem ‚klärenden Moment’ (Was will der Klient?), um eine Vermittlung und Sensibilisierung für die neue Realität zu gewährleisten und Prozesse in der Beratung zu
initialisieren (Hilfe, den ‚eigenen Kompass’ auszurichten).
Festgehalten wurde:
• Ein sozialer Wandel bedingt eine Neudefinition von ‚Beruflichkeit’
• Anerkennung einer neuen Realität vor dem Hintergrund der Frage, ob alle in den ersten
Arbeitsmarkt integriert werden können?
• Finanzierung zur Schaffung neu angepasster Strukturen in der (globalisierten)
Arbeitsmarktpolitik erfordert eine Umverteilung von Reichtum
• Kapitalumverteilung bzw. Egalisierung (der Wechselwirkung) des Arm-Reich-Gefälles bildet Basis einer neuen Realität
19
Dahrendorf, Ralf: Lebenschancen. Anlaufe zur sozialen und politischen Theorie, Suhrkamp , Frankfurt am Main 1979.
54
Modul 1 mit Dr. Anil K. Jain (Referat) und Andrea Stein (Leitung)
Ruf nach einer konzertierten Aktion
Alle Teilnehmer sahen die Beratung bezüglich der Thematik in der Defensive und damit die Notwendigkeit, Bedarfe zu definieren und der „wenig reaktiven“ Wirtschaft ihre eigenen Bedarfe zu
vermitteln. Die Wechselwirkung zwischen Zeitfaktor und (verzögerter) Entwicklung (z.B. in der
Computerbranche) zeigt, dass Trends (eines Wandels) erkannt werden, aber die Reaktion zur Umsetzung in der Beratung fehlt. Beratung beinhaltet dann keine Konzepte, nur Hypothesen bzw.
Einschätzungen. Um die Informationen allseitig zu vermitteln, wurde für die Medienbranche der
Ruf nach einer konzertierten Aktion (Arbeitsamt, privatwirtschaftliche Beratung, Coaches, ver.di,
IHK, Branchenvertreter etc.) unter Berücksichtigung der Branchenbreite (Sind die Bereiche faktisch
geregelt?) laut.
„Komplexe des Wandels: Sozioökonomische Umbrüche und ihre
möglichen Auswirkungen auf
(berufliche) Praxis“
Im Modul 1
ging der Münchener Soziologe Dr. Anil K. Jain
(Foto rechts) auf den informationstechnischen
Wandel und die Globalisierung ein und diskutierte mit
den gut vorbereiteten und
hoch motivierten Teilnehmern die möglichen Auswirkungen auf die Berufspraxis und den Arbeitsmarkt.
55
Modul 2 mit Brigitte Emunds und Birgit Lohmann
POSITIONIERUNG, SELBSTVERSTÄNDNIS
UND SELBSTANSPRUCH VON BERATER/INNEN
Supervision: „Wie beraten, wozu beraten, wen beraten“
Problemstellung
Schreibgespräch zum „Selbstanspruch“ und der erlebten „Wirklichkeit“. Austausch in
Kleingruppen. Diskussion zu Wünschen, Zielen, Absichten, Sachzwängen und persönlichen
Fragestellungen der Teilnehmer (Emunds/Lohmann).
Diskussion
„Selbstanspruch“ u.a. angegeben mit: Helfen oder zur Selbsthilfe befähigen; Ratsuchenden keine
falschen Infos vermitteln; Keine Info-Überfrachtung; Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Aktualität.
„Wirklichkeit“ (u.a.): Selbstwahrnehmung vs. Fremdwahrnehmung; „Realitäten“ des Arbeitsamtes;
„Konsumverhalten“ der Ratsuchenden; Zeitmangel; mangelnder Überblick.
Fazit
Vom Austausch mit Kollegen mit ähnlichen Aufgabenstellungen profitiert.
Protokoll der Supervisorinnen:
Inhaltlich geplant
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Begrüßung der Leitung, Einführung ins Thema
Vorstellung der Teilnehmer und der Erwartungen an diese Gruppe
Schreibgespräch zum Selbstanspruch und der erlebten Wirklichkeit
Austausch in 3er-Gruppen dazu, was dazwischen liegt
Zusammentragen im Plenum, wie jeweils damit umgegangen wird
Diskussion zu Wünschen, Zielen, Absichten, Sachzwängen, persönlichen Fragestellungen
der Teilnehmer, Sammlung
Abschließende Runde zum persönlichen Erkenntnisgewinn der Arbeit
Blick auf Eingangserwartungen, Benennen der offenen Themen, Aufzeigen einer
möglichen Weiterführung
Erlebt aus unserer Sicht
•
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•
•
•
Sehr gemischte Gruppe aus verschiedenen Feldern mit unterschiedlicher Ausbildung,
Berufserfahrung, viele ‚Anfänger’ im Beratungsbereich
Offene gute Arbeitsatmosphäre; die Gruppe ließ sich ohne Anlaufschwierigkeiten auf das
Angebot an; relativ gleichgewichtige Beteiligung aller
Nebeneffekt: viel Lernen, was die Teilnehmer im jeweiligen Feld tun, obwohl
gleicher/ähnlicher ‚Kundenkreis’; zum Teil viel Unkenntnis über die jeweilige Arbeit
Zulassen eigener Unsicherheit dem unsicheren Ratsuchenden gegenüber im derzeitigen
schnellen Wandel; Arbeit an diesem Teil der eigenen Beraterrolle sinnvoll, nötig,
entlastend, stärkend
Thema in diesem Rahmen ‚nur’, aber immerhin ‚angekratzt’; Weiterverfolgen empfohlen;
Pflöcke dazu gesetzt.
Resümee
•
•
•
Zufrieden mit Ablauf und Ergebnis für die Teilnehmer
Größerer Zeitrahmen wäre sinnvoll gewesen, um ‚runder’ den verschiedenen
Diskussionsansätzen nachgehen zu können
Reibungslose Zusammenarbeit zwischen beiden Supervisorinnen
56
Modul 2 mit Brigitte Emunds und Birgit Lohmann
Zum gesamten Tag
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•
Bereichernd, an anderen Teilen selbst teilnehmen zu können
Interessantes Zusammentreffen und Kennenlernen der ‚Experten’
Inhaltlich z.T. überfrachtet im Rahmen der gesetzten Zeit; dadurch zu wenig Möglichkeit,
im Diskutieren zu verarbeiten; Aspekte intensiver zu verfolgen
Anders herum: Abbildung der Wirklichkeit, in der jeder sich bewegen und für sich
bewältigen muss
Aber: resultierend keine Zusammenführung zum Abschluss mehr möglich
Podiumsdiskussion zu kurz und Teilnehmer ‚ihren’ Themen zu breit gestreut, als dass
tatsächlich eine Diskussion untereinander hätte stattfinden können, geschweige denn mit
dem Publikum
Vorschlag: bei folgenden Konferenzen Konzentration auf begrenzte Aspekte und ggf.
entsprechendem Adressatenkreis
Protokoll eines Teilnehmers:
Ablauf
Keine inhaltliche Einführung ins Thema durch die Supervisorinnen. Aufforderung an die
Teilnehmerrunde, in einer Vorstellungsrunde die Erwartungen mitzuteilen, mit denen die Leute
gerade in diese Veranstaltung gegangen sind. Die Runde folgt der Aufforderung. Vorstellung der
Arbeitstechnik „Stumme Diskussion“. Zwei große Papierbögen werden von den Teilnehmern
beschriftet zu „Selbstanspruch“ und „Wirklichkeit“ der Beratertätigkeit.
„Selbstanspruch“
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Kompetent sein
Beratungsmethoden anwenden
Hilfe zur Entscheidung
Unrealisierbare Vorhaben deutlich machen
Die Person, die beraten wird, zu eigenen Entscheidungen bringen
Stärken erkennen und erkennen lassen
Meine Erfahrungen einbringen
Helfen oder zur Selbsthilfe befähigen
Ein gutes Gewissen, das Richtige zu tun
Ich möchte den Ratsuchenden keine falschen Infos vermitteln
Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Aktualität
Keine Info-Überfrachtung
„Wirklichkeit“
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In der Berater-Wirklichkeit bin ich aufgefordert eine Wirklichkeit zu konstruieren, die oft
schlecht untermauert ist
Selbstwahrnehmung vs. Fremdwahrnehmung
„Realitäten“ des Arbeitsamtes
„Konsumverhalten“ der Ratsuchenden
Zeitmangel
Mangelnder Überblick
Ein weites Spektrum an Beratungsqualität
Vorstellung über Tätigkeit vs. Fähigkeiten
Scheinbares Desinteresse Jugendlicher an der Berufswahl bzw. den
Berufswahlmöglichkeiten
Mangelnde Bereitschaft sich außerhalb der Arbeitszeit weiterzubilden
Nicht immer habe ich ein offenes Ohr für die Probleme anderer - Programm abspulen
Wie lässt sich Kontrast verringern? - Neigung contra Arbeitsmarkt
57
Modul 2 mit Brigitte Emunds und Birgit Lohmann
Danach Aufteilung der gesamten Gruppe in Dreier-Gruppen unter Beachtung einer
Mischvorschrift; d.h. in jeder Gruppe sollten erfahrenere und unerfahrenere sowie Teilnehmer
außerhalb und innerhalb der Bundesanstalt für Arbeit vertreten sein. In der Kleingruppe
wechselseitige Interviews zum Thema „Ziele“ bzw. „Merkmale einer befriedigenden
Beratungsarbeit“. Auswertung der Kleingruppen- Ergebnisse in der Großrunde. Zum Abschluss
formulierte jeder Teilnehmer in kurzen Statements seine persönlichen Ergebnisse.
Bewertung
Diese Veranstaltung konnte meinen persönlichen Anspruch, vom Austausch mit Kollegen mit
ähnlichen Aufgabenstellungen zu profitieren, gut erfüllen. Die Supervisorinnen gaben sich nicht als
allwissende Problemlöserinnen, sondern verstanden sich mehr als Moderatorinnen, die die
Lösungskompetenz der anwesenden Berater mit einfachen technischen Anweisungen fördern
konnten. Auf Grund der knappen Zeit konnte nur in den Kleingruppen intensiver auf die
Probleme, Anliegen und Fragestellungen der einzelnen Teilnehmer eingegangen werden. In der
Gesamtrunde konnte das meiste der aufgeworfenen Fragen nur mit einigen Auslassungen gestreift
werden.
„Positionierung, Selbstverständnis
und Selbstanspruch von Berater/innen.“
Im Modul 2
hinterfragten die Teilnehmer
ihre Rolle zwischen „Selbstanspruch“ und Wirklichkeit“
(Foto rechts). Auf dem Foto
unten diskutiert eine Teilnehmerin mit den Supervisorinnen
Birgit Lohmann, Arbeitsamt
Dortmund (links), und Brigitte
Emunds, Alfter (rechts).
58
Modul 3 mit Peter de Groot, Daniel Sonderhoff (Referate) und Andrea Stein (Leitung)
STATUS QUO UND ENTWICKLUNG AUF DEN
ARBEITSMÄRKTEN DER MEDIENWIRTSCHAFT
Anforderungen – Arbeitsbedingungen – Personalstruktur
Problemstellung
Das Vertrauen in die Medienwirtschaft ist erschüttert. Branchenkonvergenz und Konzentrationsbewegungen haben Konsequenzen. Konkurrenzkampf und mangelnde Solidarität sind die Folge.
Erschwerend kommt die Selbstromantisierung der Branche hinzu.
Hauptthesen
Situation der holländischen Medienwirtschaft heute: Viele Aktivitäten sind privatisiert worden; das
traditionelle Arbeitsamt existiert nicht mehr. In naher Zukunft: Neue Produktionsweisen sind erwünscht; permanente Bildung und Entwicklung; private und öffentliche Zusammenarbeit wird
zunehmend wichtig. Gefragt sein werden u.a. Spezialisten in Zeitarbeit, Mobilität, Outplacement,
Guidance, Training und Bildung (de Groot). Situation der deutschen Medienwirtschaft: Problematik der Berufsdefinitionen; mehr Transparenz; Abhängigkeit von der Auftragssituation; begrenzter
Markt (Sonderhoff).
Diskussion
Problem Weiterbildungsanbieter: Es gibt kein Schwarzbuch. Prognostiziert wird eine Verlagerung
der beruflichen Qualifizierung in die Weiterbildung: Stichwort „Lebenslanges Lernen“.
Fazit
Interdisziplinäre Ansätze in fast jedem Berufsbild. Qualifizierte Kräfte haben eine größere Chance.
Für eine Zertifizierung müssen Kriterien formuliert werden.
Andrea Stein:
Branchenkonvergenz
Ich möchte aus unserer Beratungs- und Gesprächserfahrung einige wesentliche Problemfelder der
Arbeitsmärkte der Medienbranche aufführen. Zunächst einmal würde ich gerne mit diesem großen
Schlagwort der Konvergenz beginnen. Die Branchenkonvergenz ist das, was sehr viele Leute als das
Zukunftsthema sowohl der Unternehmensentwicklungen als auch der Anforderungsprofile benennen. Erst einmal beschreibt Konvergenz ganz banal, dass zukünftig durch die technische Entwicklung früher getrennte Produkte und Produktentwicklungen zusammen fließen können; d.h. die
Trennung reiner audiovisueller Produktion, Multimedia-Produktion und Internet nach und nach
aufgehoben wird. Was sicherlich wichtige Folgen hat auf die Geschäftsfelder, die Unternehmen.
Viele Unternehmen beginnen auch, sich in bisher fremden Geschäftsfeldern zu profilieren. Beispiel:
Wenn sie bisher in einer Multimedia-Agentur gearbeitet haben und ihr Kunde will im Prinzip alles
haben; d.h. er möchte die Broschüre im Print-Bereich, er möchte das Ganze in einer Online- und
einer Offline-Version auf einer Messe präsentieren, er möchte Film-Sequenzen dabei haben für eine
aufwendigere Kundenpräsentation, dann wird er von ihnen als Unternehmer erwarten, dass sie das
zumindest beratend aufzeigen können, was bei ihnen möglich und was nicht möglich ist, was Sinn
macht und was nicht Sinn macht; d.h. zumindest die Entscheidungs- und Beratungskompetenz
brauchen sie. Für Unternehmen bedeutet dies natürlich auch, dass sie in der Regel anfangen müssen, über ihren Tellerrand hinaus zu schauen. Eine reine Druckerei zu führen - das ist ein großes
Thema in den vergangenen Jahren gewesen – reicht nicht mehr aus. Das hat natürlich in vielen
Fällen dazu geführt, dass sich mehrere Kleinunternehmen zusammen getan und in benachbarten
Feldern gesucht haben. Wenn also eine Multimedia-Agentur mit einem ihr vertrauten Print-Unternehmen arbeitet und gegebenenfalls auch gute zuverlässige Partnerfirmen aus dem audiovisuellen
Bereich hat, dann kann man die Kunden schon mal durchreichen und man kann auch an ganz neue
Geschäftsfelder heran oder an Kunden heran kommen.
59
Modul 3 mit Peter de Groot, Daniel Sonderhoff (Referate) und Andrea Stein (Leitung)
Konzentrationsbewegung
Was allerdings wichtig ist, dass es nicht so richtig geklappt hat in den vergangenen Jahren. Da
kommen wir nämlich zum nächsten Punkt, der sog. Konzentrationsbewegung. Viele der kleineren
und mittleren Unternehmen haben - sicherlich auch durch Arbeitsüberlastung und weil man beschäftigt war und weil man dann zu tun hatte, seine eigenen Leute und seine eigenen Geschäftsfelder abzusichern - nicht so sehr strategische Allianzen mit benachbarten Unternehmern, also eine
horizontale Konzentrationsbewegung, angestrebt und haben dann häufig spät oder zu spät gemerkt, dass die wichtigsten kleineren oder auch sehr spezialisierten Unternehmen plötzlich von
größeren Konzernen aufgekauft waren. Diese Entwicklung hat man in der Multimedia-Branche
auch schon bereits gehabt und sie sehen auch, wenn sie die einschlägige Fachpresse lesen, dass
große Konzerne wie Bertelsmann und Springer an jedem Ende der Verwertungskette sitzen. Auch
wenn ein kleines Unternehmen immer noch so heißt wie es heißt, heißt das nicht, dass es immer
noch das Unternehmen ist, sondern es gehört inzwischen zu einer größeren Familie.
Das bedeutet sicherlich auch, dass die Folgen von Konzernentscheidungen auf die Region massiv
sind, ohne dass Sie es rechtzeitig mitbekommen. Das ist die übliche Problematik. Da sitzt ein Unternehmen im Prinzip in Berlin und hier in Köln werden einige Serien oder Soaps produziert, aber
wenn ein Sender entscheidet, diese Formate umzuändern oder die Konzernebene entscheidet in
Berlin, dass das jetzt alles ganz anders gemacht werden soll - bei „Big Brother“ haben wir es mitgekriegt - , dann sind die letzten, die es betrifft, aber gleich sofort, die Produktions-Crews vor Ort und
die sitzen dann bei ihnen. Relativ überraschend und teilweise erfahren sie es selber auch erst eine
Woche vorher. Denn die ihnen sicherlich auch schon bekannten Strukturen der projektbezogenen
Mitarbeit in vielen Fällen, besonders bei den produktionsintensiven Gewerken wie Drehbuch, Organisation, Kamera und Licht sind eben häufig pro Projekt gebucht. Das kann auch mal ein Jahr
sein, dass man gebucht ist, aber es ist zumindest immer temporär.
Konsequenzen
Diese Konsequenzen betreffen natürlich besonders die, die in Mittelbaupositionen arbeiten. Ein
hochspezialisiertes Unternehmen wird sicherlich immer noch weniger von diesen Konzentrationsbewegungen betroffen sein als die Brot-und-Butter-Arbeit, die ja auch meisten Leute ernäht. Für
die Brot-und-Butter-Arbeit – ob das jetzt eine Serie ist oder eine Show, ein Entertainment-Format
oder eine virtuelle Weinbau-Anzeige im Internet - brauche ich keine hoch spezialisierten Leute. Das
mache ich mit meinen Leuten und die müssen eben auch mal umdenken können und benachbarte
Gewerke stärker mit in die Kooperation hinein nehmen; d.h. in den Unternehmen selbst wird es
nötig sein, dass ein Mensch, der in einem Print-Unternehmen oder in einem AV-Unternehmen
gelernt hat und dort auch arbeitet, zusehends in die Rolle kommen wird, mit einem Kollegen aus
benachbarten Branchen-Segmenten kommunizieren können muss; d.h. er muss natürlich mit jemandem, der aus einer Agentur kommt, die Multimedia als Spezialität hat, auch reden können.
Interdisziplinäre Ansätze in fast jedem Berufsbild
Für die Berufsbild-Entwicklung bedeutet das jetzt schon wieder, nachdem man die neuen Ausbildungsberufe im Dualen System lieb gewonnen hat, dass an die Berater, an die Berufskollegs und an
die Arbeitgeber schon wieder ganz neue Fragen heran kommen, denn man hat heute interdisziplinäre Ansätze in fast jedem Berufsbild zu berücksichtigen. Nicht nur aus sozialer Verantwortung
heraus, weil man den jungen Menschen Möglichkeiten geben muss, auch nach der Ausbildung
Chancen zu haben und zwar nicht nur immer in dem einen Segment, in dem man ist, sondern auch
in anderen, sondern auch, weil das auch für die Unternehmen ein wichtiger Aspekt ist, mit anderen
Produkten auch noch Geld zu verdienen. Faktisch bedeutet das, dass die Unternehmern, die ausbilden, verstärkt darüber nachdenken, ob die Ausbildungsberufe, die ja eigentlich jung sind, nicht
schon längst wieder geändert werden müssen. Und ob es Sinn macht, diese allgemeinen, rein auf
AV gerichteten Mediengestalterberufe nicht mit Schwerpunkten zu versehen, sondern sich spezialisiert, oder wo man übergeordnete Zusatzqualifikationen wie z.B. IT-Qualifikationen verbirgt. Das
wird immer häufiger gefordert, dass man IT-Berufe nicht gesondert sieht und IT-Konsequenzen in
den klassischen Medienbranchen vernachlässigt, weil man dann schon wieder die nächste Lücke
hat.
60
Modul 3 mit Peter de Groot, Daniel Sonderhoff (Referate) und Andrea Stein (Leitung)
Konkurrenzkampf
Die nächste Problematik, die viel diskutiert wird, ist natürlich die der Qualifikation der Ausbilder
und der Möglichkeiten, wie man die anstehende Auflösung der Unterschiede zwischen Ausbildung
auf der einen Seite und Weiterbildung auf der anderen Seite gestalten kann. Sie sehen ja vielleicht
selbst in ihren Beratungen, dass die Klientel derjenigen, die in Medienberufen Auszubildende sind,
überwiegend aus Abiturienten besteht. Das ist oft schade. In manchen Fällen finde ich es auch
nicht wirklich realistisch. Das gilt sogar für solche teilhandwerklichen Berufe wie die Fachkraft für
Veranstaltungstechnik. Auch da finden sie sehr hohe Anteile an Abiturienten. Sie finden auch Auszubildende, die fangen erst mit 22 Jahren die Ausbildung an. Das sind zum Teil Studienabbrecher.
Die Konkurrenz, in die sich diese Menschen hinterher bewegen, ist die Konkurrenz zu Hochschulabsolventen. Und daher ist es sehr wichtig, sich Gedanken darüber zu machen, wie man für die
Absolventen dieser Ausbildungsberufe Aufstiegsmöglichkeiten findet, damit nicht plötzlich Hochschulabsolventen kommen und ihnen die Führungspositionen wieder streitig machen. Je mehr einschlägige Studienmöglichkeiten es im Medienbereich gibt desto stärker die Mitkonkurrenten. Das
sagen die Experten im übrigen auch jetzt schon warnend über die IT-Branche, dass es einen scharfen Konkurrenzkampf geben wird zwischen den zukünftigen Hochschulabsolventen und den Absolventen der jetzt so viel gelobten und glücklich gepriesenen Ausbildungsberufe. Heißt, dass eine
große Diskussion noch zu führen ist über die Frage, wer eigentlich in die Ausbildung und Weiterbildung involviert werden muss und wie eine größere Durchlässigkeit erreicht werden kann. Wie
kann man z.B. einen Mediengestalter Digital und Print mit dem Schwerpunkt Design oder Gestaltung die Möglichkeit geben, hochklassige Design-Elemente an einer Fachhochschule für Design zu
erlernen? Warum muss er das im Berufskolleg lernen?
Mangelnde Solidarität
Das zweite große Thema, das sie sicherlich auch immer wieder hart trifft, ist die Akzeptanz, die in
der Branche für Absolventen von Weiterbildungen und Umschulungen herrscht. Es gibt sicherlich,
auch durch die wirtschaftlichen Krisen bedingt, ohnehin einen Konkurrenzkampf zwischen denen,
die als Quereinsteiger herein gekommen sind und zwischen denen, die eine duale Ausbildung absolviert haben oder gar in den ersten einschlägigen Studiengängen gelernt haben. Und diese Leute
sind im Moment alle nicht besonders gut aufeinander zu sprechen. Das ist sehr bedauerlich, hat
aber viel mit der mangelnden Solidarität innerhalb der Medienbranche zu tun. Im Moment hacken
die quereingestiegenen 35jährigen auf den Absolventen der dualen Ausbildungsberufe herum. Wir
haben immer noch Anteile von Praktikanten, ganz klar, die keinen dualen Ausbildungsplatz hatten,
die immer noch über Praktika quer einsteigen. Und dann haben sie viele dieser quer eingestiegenen,
sagen wir mal Endzwanziger/Mittdreißiger, die jetzt ein letztes Mal versuchen sich nachzuqualifizieren. All diese Dinge sind jetzt nur bedingt förderfähig aus ihren Häusern. Gleichzeitig werden
aber völlig branchenfremde Leute zum Teil in den Umschulungen produziert und dann auch noch
auf diesen Arbeitsmarkt geworfen. Das ist, glaube ich, eine der härtesten Kritiken aus der Branche
an die Arbeitsämter. So heißt es dann immer: Die Arbeitsämter fördern so etwas und ich als Kameraassistent, der ich seit zwölf Jahren im Beruf bin, ich muss einen Vorbereitungskurs auf die Externenprüfung machen. Kostet auch Geld, aber kostet gar nicht soviel wie eine Umschulung. Die
kriege ich aber nicht gefördert und dann kommen umgeschulte Mediengestalter Bild und Ton, die
vorher was ganz anderes gemacht haben. Umschulung ist immer ein Thema, aber in diesem Fall
wird es besonders relevant.
Selbstromantisierung der Branche
Wir haben nach wie vor auf der Entscheiderseite, also sprich auf der Arbeitgeberseite, haufenweise
Autodidakten. Und Autodidakten tendieren dazu zu finden, dass man das nicht lernen kann – außer
so wie sie es gelernt haben. Und sie tendieren auch dazu, die eigene Biografie ein bisschen zu romantisieren: So muss man es machen, weil ich es so gemacht habe. Das macht es immer sehr
schwierig, wenn man sie gebeten hat zu erzählen, was denn Anwärter wirklich können müssen bei
ihnen. Da wird dann geäußert, dass könne man nicht lernen. Das könne man so nicht beschreiben.
Das ist so ein bisschen eine Geheimwissenschaft. Da müssen sie mal manchen Aufnahmeleiter
hören, wie der seinen Job beschreibt. Und wenn sie den fragen, „was würdest Du denn sagen, wie
man Aufnahmeleiter wird?“, dann hört sich das an, als müsste man dafür zaubern können.
61
Modul 3 mit Peter de Groot, Daniel Sonderhoff (Referate) und Andrea Stein (Leitung)
Das ist natürlich auch Selbstschutz. Man will ja nicht zu vielen Leuten verraten, wie man selber
werden soll, um einen dann abzusägen. Manchmal ist es auch eine Selbstromantisierung der
Branche, die immer noch diesen Nimbus hat, offen aber zugleich rätselhaft zu sein. Muss man
dabei gewesen sein, sonst kann man das nicht verstehen.
Das Vertrauen ist erschüttert
Ich finde es sehr angenehm, dass immer weniger der jungen Leute darauf hereinfallen. Und das
muss ich hier auch mal sagen: Das ist nicht mehr die Branche, mit der sie automatisch 400 Gymnasiasten aus der Oberstufe in einen Raum locken. Als wir mit AIM angefangen haben und es ging
um Medienberufe, da hatten sie den Saal voll. Das ist besser geworden im Sinne von schlechter,
also im Sinne von realistischer. Und das hat sicherlich auch etwas damit zu tun, dass das Vertrauen
in die Medienbranche ein bisschen erschüttert ist. Dass viele Menschen auch mediensatt geworden
sind, weil man zu lange nichts Neues mehr an Inhalten gehört hat außer wer jetzt wieder mit wem
koaliert hat und wer an die Börse gegangen ist. Und es sind neue Branchensegmente entstanden.
Da ist sicherlich die IT-Branche interessanter. Auch die ersten Multimedia-Entwicklungen waren
für echte technische, gestalterische oder auch konzeptionelle Talente plötzlich interessanter, als am
Set herum zu stehen, während man in den Agenturen wirklich erst einmal gebraucht wurde.
Wir haben besonders in Nordrhein-Westfalen recht gute und über die Jahre sukzessiv gestiegene
Ausbildungsplatz-Zahlen. Und wir haben auch natürlich wieder Absolventen, die in der Branche
arbeiten. Manche haben sich selbständig gemacht. Viele gehen dann auch an die Hochschulen. Und
fehlen dadurch natürlich wieder den Unternehmen. Das kann wieder dazu führen, dass die Unternehmen sagen: Jetzt habe ich den ausgebildet, jetzt geht er wieder. Hätte ich mal einen Realschulabsolventen genommen. Dann wäre der vielleicht auch gerne geblieben. Aber man hat ja gemeint, für
Life-Dreharbeiten mit dem Ü–Wagen braucht man Leute, die potenziell Philosophie studiert haben.
Es war natürlich schmeichelhaft, wenn sich lauter Potentials bewerben und dann lockt man auch
gerne, man wäre der richtig Ort für Potentials. Aber man sieht das einfach nicht, dass da ganz normal gearbeitet wird, getragen und geschleppt, bis es fertig ist. Das kann auch Spaß machen. Nur
dafür braucht man nicht unbedingt ein Jahr in Amerika gewesen zu sein und ein Einser-Abi zu
haben.
Wir haben eine Krise. Trotzdem kann man davon ausgehen, dass die Medien- und Kommunikationsbranche, um das große Wort zu benutzen, nicht zu den aussterbenden Branchen gehören wird.
Die Kompetenzen, die Medienmacher in ihren Unternehmen lernen können, können sie auch
durchaus in anderen Branchen einsetzen. Viele Unternehmen außerhalb der Medienbranche sind
durchaus interessante und interessierte zukünftige Arbeitgeber für die in der Medienbranche ausgebildeten Leute. Das ist eine Tendenz, die ich immer wieder feststelle. Und da werden wir die Tellerränder demnächst verlassen können. Und da werden wir auch nicht mehr so trennen müssen, ob
die Medienbranche sozusagen die letzte Station ist, in der man dann auch geblieben sein muss, wo
es doch andere interessante Felder gibt, in der man als konventionell gut ausgebildeter, redaktionell
gut ausgebildeter, technisch oder gestalterisch gut ausgebildeter Mensch arbeiten kann. Die Romantisierung der Branche ist natürlich so, dass sich ganz viele, die dort arbeiten, gar nicht vorstellen
können, woanders hin zu gehen. Und es ehrenrührig finden oder absolut als Niederlage, wenn sie
z.B. sagen, ich bin jetzt bei der Allianz. Dann brüllt der Kabelträger, mit dem ich bis vor kurzem
noch gearbeitet habe vor Lachen und denkt, er wäre was Besseres als ich, weil ich bei einer Versicherung und nicht mehr in der Medienbranche bin. Das ist eine ganz wichtige Sperre im Kopf ganz
vieler Medienbeschäftigten, die jetzt gerade keine Jobs haben: Auch mal woanders hin zu gehen
und zu gucken, wie sie mit ihren angeblichen oder wirklichen Kompetenzen dort Platz finden und
dann, wenn es wieder besser läuft, zurück zu kommen.
Problem Weiterbildungsanbieter
Ein ganz großes Problem stellt sich natürlich jetzt für die Weiterbildungsanbieter. Die Weiterbildungsanbieter, ganz spezifisch die guten oder auf die Branche spezialisierten Kleinen, die sind ja
letztlich die Auftragnehmer auch der Branche oder ihrer Beschäftigten. Denen geht es jetzt natürlich auch an den Kragen.
62
Modul 3 mit Peter de Groot, Daniel Sonderhoff (Referate) und Andrea Stein (Leitung)
Da muss man auch ein bisschen - und das können sie bestimmt auch in ihren Häusern mit den
Kollegen - gegensteuern. Sonst haben wir am Ende einige wenige monopolistische
Weiterbildungsträger, die heute dies und morgen das machen. Und wenn es dann wieder weiter
geht und sie wieder Leute darüber beraten müssen, welche Weiterbildung wo Sinn macht, dann
haben sie plötzlich immer noch einige Angebote bei sehr großen und Weiterbildungsanbietern, in
die sie die Leute schicken können, aber dann wissen sie nicht, ob da die richtigen Dozenten sitzen.
Teilnehmer:
Es gibt kein Schwarzbuch
Es gibt ja im Medienbereich sehr viele Anbieter, wo wir uns fragen, wie angesehen sind die eigentlich bei den Arbeitgebern? Man kann ja eh eine betriebliche Ausbildung machen als Mediengestalter
Bild und Ton und muss dann vielleicht noch Praktika machen, muss also eine echte Qualifikation
vorweisen. Es gibt aber auch Anbieter, eben keine Betriebe, sondern private Bildungseinrichtungen.
Da brauch’ ich das alles nicht. An und für sich brauch’ ich nur kommen und dann bin ich das nach
einem Jahr und wenn das so ein Jahr dauert, dann kann man auch schon dran fühlen, dass das wohl
eine sehr zweifelhafte Sache ist. Ich habe immer ein sehr ungutes Gefühl in diesen Beratungen, den
jungen Leuten zu sagen, das ist eine gute Sache. Es gibt ja kein Schwarzbuch, wo ich nachgucken
kann, ob das integre Anbieter von schulischen Berufsausbildungen in dem Bereich sind oder welche, von denen man besser die Finger lässt.
Andrea Stein:
Verlagerung der beruflichen Qualifizierung in die Weiterbildung
Die Diskussion läuft ja schon lange - zuletzt mit der Stiftung Bildungstest. Das eine, wo wir auch
ein bisschen umdenken müssen, ist dieses Diktum von früher: Ausbildung ist Sache des Staates und
der regulierenden Behörden, also Ausbildung inklusive Universität und Hochschule und Weiterbildung – das regelt der Markt. Das kann nicht mehr stimmen. Das geht nicht mehr, weil es eine massive Verlagerung der gesamten beruflichen Qualifizierung in die Weiterbildung gibt - und eine massive Veränderung des Stellenwerts der Ausbildung. Die Erstausbildung ist nur noch ein erster Teil
und ist auch immer entkoppelter von dem, was ich hinterher beruflich mache. Also werden Weiterbildungen ein unabdingbarer Teil werden. Das Wichtige dabei sind die Soft-Skills, das Wichtige sind
die interdisziplinären Qualifikationen, die sonstigen über den Tellerrand, über die jeweilige aktuelle
betriebliche Realität hinaus gehenden Qualifikationen. Die auch mal länger dauern, die auch mal
berufsbegleitend sein müssen.
Fazit: Das lebenslange Lernen sollen wir wohl betreiben, aber wer bezahlen soll, wissen wir nicht.
Mit dem platten Satz „Das regelt dann der Markt“ ist das nicht getan. Das heißt nicht, dass wir
verschweigen sollten, dass sicherlich die individuellen Bildungskunden zukünftig auch privat mehr
beteiligt sein werden. Ich denke, dass ist nichts, was man verschweigen darf. Zugleich bin ich aber
der Überzeugung, dass man auch die staatliche Seite, die öffentliche Hand, entlasten kann oder
entlassen kann aus der Pflicht, sich darüber Gedanken zu machen, wie man Bildung finanziert, kofinanziert, wie man über Bildungsfonds nachdenken muss, wie man das organisieren kann. Da sind
ja andere Länder zum Teil wesentlich weiter als Deutschland. Um eben, unterschiedlich gestaffelt,
Leuten die Chance zu geben, ihre Weiterbildung auch zu finanzieren - mit Bezuschussung, mit
hohem Eigenanteil oder mit niedrigerem Eigenanteil. Sonst bleibt es eine Luxusabteilung.
Zertifizierung
Es fehlt definitiv eine wie auch immer zusammen gestellte Zertifizierung und zwar unter enger
Einbeziehung der Branchen. Das ist natürlich eine Diskussion im Moment. Der VFFV diskutiert
das, der dmmv diskutiert das nicht mehr. Der Deutsche Multimedia Verband hat ein Zertifizierungspaket entwickelt. Es kann ihnen natürlich auch passieren, dass jeder Branchenverband zukünftig und zwar ausschließlich auf Arbeitgeberseite Zertifizierungen vornimmt und Gütesiegel
vergibt. Ob ihnen das dann jetzt in ihrer Beratung weiter helfen wird, ob das didaktisch sinnvoll ist
und ob das neutral ist, das ist die zweite Frage. Und deshalb ist die Diskussion auch eine bundesweite Diskussion: Wie kriegen wir andere Zertifizierungssysteme hin natürlich unter Einbeziehung
der Branche, aber bitte nicht Branchenlösungen in kleinstem und noch kleinerem Segment.
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Modul 3 mit Peter de Groot, Daniel Sonderhoff (Referate) und Andrea Stein (Leitung)
Und sie wissen selbst, in welche Not dann so ein Weiterbildungsmensch kommt, auch die guten
und die redlichen, um sich dann ein solches Zertifikat zu kaufen. Der dmmv verkauft das. Da zahlt
ein Träger 12.000 Mark, damit er ein Gütesiegel erhält. Das kann man sicherlich anders, wenn auch
anstrengender anstreben. In Deutschland geht das nicht so einfach. Qualitätssicherung, das wissen
sie, welche Angelegenheit das ist, das sind die Kammern. Aber die kann man ja auch mit einbeziehen. Das ist auch ein überfälliges Thema. Es wird dauernd darüber geredet und irgendwie kriegt
man es doch nicht hin.
Teilnehmer:
Wie kann ich heraus finden, ob ich bei einer guten oder schlechten
Bildungseinrichtung lande?
Andrea Stein:
Kriterien formulieren
Das ist auch ein bisschen die Bringschuld des Einzelnen zu gucken: Was will ich überhaupt hinterher damit machen, welche Voraussetzungen bringe ich mit, wie heißen die Dozenten? In jedem
Fitnessstudio beginnt man mit einer kostenlosen Probstunde und für die Urlaubsplanung nimmt
sich ja auch Zeit. Und dann muss ich das auch von einem - egal ob ko-finanziert oder privat - Teilnehmer einer solchen Weiterbildung auch verlangen. Da sind wir in Deutschland noch ein bisschen
hinterher mit unserem Kundenbewusstsein: dass ich Kunde bin und eine bestimmte Qualität verlangen kann, weil es sonst eine Fehlinvestition war. Dafür muss ich aber auch meine eigenen Kriterien formulieren.
Peter de Groot:
Wie sieht die Medienlandschaft in Holland aus?
Wir unterscheiden zwischen öffentlichem Rundfunk, kommerziellem Rundfunk und Pay-TV.
Hinzu kommen unabhängige Produzenten und Media Facility Suppliers, das sind technische Firmen wie z.B. NOB. Unsere Landschaft ist ziemlich komplex. Mehr als 30 Gesellschaften operieren
über drei Fernsehkanäle. In Holland haben wir wenig Digital-Satellitenschüsseln, denn bei uns beträgt die Verkabelung ungefähr 97 Prozent. Das öffentliche Fernsehen wird bezahlt zu Dreiviertel
aus Steuern und zu einem Viertel aus Werbeeinnahmen. Unser öffentliches Fernsehen sieht ganz
anders aus als in Deutschland, denn bei uns gibt es Werbefernsehen bei den öffentlichen Rundfunkanstalten den ganzen Tag hindurch, also immer. Man diskutiert aber politisch darüber, denn
die Öffentlichen sagen: Wir brauchen das Werbegeld, um gute Programme zu machen und die
Privaten sagen: Wir spielen im selben Spielfeld, aber die Spielregeln sind unterschiedlich und wir
möchten eigentlich auch öffentliches Geld haben für gute Programme.
Vor 14 Jahren:
• Öffentlicher Rundfunk verliert Monopol
• Kommerzieller Rundfunk fängt an
• Technische Hilfsmittel werden privatisiert
•
Was änderte sich?
• Mehr Nachfrage nach flexiblen Arbeitskräften
• Zunahme der Anzahl der unabhängigen Produzenten und Rundfunksender
• Die Position von freien Mitarbeitern und kleinen Unternehmen
Vor sieben Jahren:
• Stiftung von Audiovisueel Branche Centrum (ABC) durch audiovisuelle Produzenten, die
Gewerkschaften, Repräsentanten des öffentlichen Rundfunks, unabhängige Produzenten
und das Arbeitsamt.
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Modul 3 mit Peter de Groot, Daniel Sonderhoff (Referate) und Andrea Stein (Leitung)
Aufgaben:
• Die Entwicklung hochwertiger Programme für die Berufsbildung in der Medienwirtschaft
• Die Entwicklung von ‚Entrepreneurship’
• Das Stimulieren des Arbeitsmarktes in der Medienwirtschaft
Warum braucht die Medienwirtschaft ABC?
• Zu wenig Personal gab mit den richtigen Qualifikationen
• Wissen und Können sind durch Zeit beschränkt
• Berufsbildung steht vor immer neuen Anforderungen
• Die Akteure auf dem Arbeitsmarkt brauchen aktuelle und richtige Informationen
ABC ist notwendig für:
• Berufs- und Qualifikationsentwicklung
• Erneuerung von Berufs- und Ausbildungsprofilen?
• Verbesserung der Berufsbildung in Übereinstimmung mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern
• Investitionen und Subventionen für (permanente) Bildung und Untersuchungen
Situation heute:
• Viele Aktivitäten sind privatisiert worden
• Das traditionelle Arbeitsamt existiert nicht mehr
• ABC hat keine strukturelle Finanzierung
Situation in naher Zukunft
• Neue Produktionsweisen erwünscht
• Permanente Bildung und Entwicklung
• Private und öffentliche Zusammenarbeit werden zunehmend wichtig
Was wird gefragt sein?
• Database management
• Spezialisten in Zeitarbeit
• Pay roll
• Detachieren
• Pool management
• Mobilität
• Outplacement
• Guidance
• Training und Bildung
Was ich bei uns momentan sehe ist, dass sich alles verändert. Reorganisationen fingen bei uns zuerst an bei den öffentlichen Rundfunkanstalten und erst jetzt bei den Privaten. Wenn man nur in
Termen vom Marktdenken denkt, dann würde man erwarten, dass die Privaten schneller reagieren
würden, aber das ist eben bei uns nicht so. Ich sehe, dass Endemol jetzt ein bisschen kleiner wird,
in der Zukunft vielleicht wieder ein bisschen größer. Aber dafür gibt es wieder Möglichkeiten für
kleine Firmen zu wachsen - alles sehr stark zyklisch. Ich glaube, dass man mit einem Kern von
festen Arbeitnehmern arbeiten wird, aber die Schale von flexiblen Arbeitnehmern wird immer größer bei uns.
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Modul 3 mit Peter de Groot, Daniel Sonderhoff (Referate) und Andrea Stein (Leitung)
Daniel Sonderhoff :
Ein typischer Medienmensch
Ich bin eigentlich ein typischer Medienmensch. Ich kann mir gut vorstellen, wenn ich jetzt zu Ihnen
käme und sie müssten mich vermitteln, hätten sie ein Riesenproblem. Ich bin das, was heute bereits
am Vormittag als Begriff gefallen ist, ein Quereinsteiger; d.h. ich bin irgendwie in die Branche reingerutscht zu einem glücklichen Zeitpunkt. Ich glaube, jeder Quereinsteiger hatte mal seinen glücklichen Zeitpunkt, weil man es sonst nicht schafft. Reingekommen sozusagen vom klassischen Filmschnitt, umgewechselt auf Elektronik, auf Video. Da haben sich die klassischen Cutter, das ist die
Berufsbezeichnung für die Filmschneider erst einmal geweigert. Das war im Grunde meine Chance,
da ich keine Berührungsängste hatte mit der modernen Technik, damals. Heute ist sie veraltet und
wird auch gar nicht mehr benutzt. So habe ich meinen Einstieg bekommen. Ich habe dann nachträglich eine Qualifizierung zum Cutter gemacht. Im Grunde genommen hatte ich schon meine
ersten Projekte und das als Freier für den Westdeutschen Rundfunk, der ja eigentlich nur mit Qualifizierten arbeitet. Da habe ich schon komplette Sendereihen geschnitten, obwohl ich gar keine Papierqualifikationen hatte. Das ging über eine Auftragsproduktion. Da fragt der Sender, der hochqualifiziertes Personal hat, dann nicht, wie die Qualifikation der Leute ist, die dieses Produkt erstellen, sondern die sagen einfach, ihr seid eine Produktionsfirma. Wir gucken uns das Produkt an. Das
kann man technisch kontrollieren und der Redakteur kontrolliert es inhaltlich, aber es fragt keiner,
wer das eigentlich gemacht hat, wie das technische Personal ausgebildet ist und wer den Inhalt zu
verantworten hat. Von daher kann ein Produzent anbieten, was er will. Es zählt immer nur das
Filmische. Das Ergebnis zählt. Ich habe mich dann sicherheitshalber weiter qualifiziert, auch noch
im 16mm-Bereich, also im Filmschnitt, obwohl ich gar nicht wusste, ob ich das jemals gebrauchen
würde - habe ich auch nicht gebraucht. Aber ich habe es damals gemacht aus Angst vor der Zukunft und ich wollte eine gewisse Absicherung, falls mal jemand vom WDR fragen sollte. Irgendwann kam dann der Zeitpunkt, wo ich festgestellt habe, dass ich anfange, den Leuten, denen ich die
Filme schneide, rein zu reden. Also habe ich angefangen, selber Filme zu machen. Durch den Filmschnitt - und das ist so etwas Typisches - macht man Kontakte. Man bekommt auch Kontakte,
wenn man z.B. ein Praktikum macht. Kontakte sind einfach das A und O. Am einfachsten ist es
anzufragen, dass ich mich interessiere und mal für drei Wochen reinschnuppern möchte. Ich habe
dann meine Kontakte gemacht und ich habe dann gelernt, welche Leute sind denn jetzt für mich
wichtig und habe dann diesen Leuten Filminhalte angeboten und so bin ich auf einmal, damals
nannten wir uns Filmemacher, Filmemacher geworden. Und dann fing es an, dass es auf einmal
Produktionsfirmen gab. Als freier Autor, als freier Filmermacher kann ich mein Geld nicht beim
WDR verdienen, denn da gibt es eine sogenannte Prognose; d. h. ich darf nur eine bestimmte Anzahl von Tagen dort arbeiten. Also muss ich wieder einen Trick suchen, also werde ich Produzent.
Ich war vorher Cutter, dann war ich Autor, auf einmal bin ich Produzent. Ich produziere meine
Filme; d.h. ganz plötzlich bin ich verantwortlich. Ich muss Geld vorstrecken. Ich muss mir ein
Team suchen. Dabei muss ich mir irgendwie einen ganzen Apparat zusammen stellen, den ich
brauche. Da stand ich vor der Wahl. Und ich hatte Glück, es hat geklappt; d.h. ich wurde Produzent, obwohl ich überhaupt gar keine Produktionsräume hatte.
Das ist eine ganz typische Geschichte für die Leute, die das zu meiner Zeit so gemacht haben. Ich
habe mir das notwendige Personal über Telefonate in der Branche geholt. Ich habe aber nie jemanden gefragt, wo er seine Ausbildung gemacht, wo er das gelernt hat. Ich habe nie irgend jemanden
gefragt. Mittlerweile bin ich professioneller geworden. Mittlerweile bin ich sehr erfolgreich. Ich
habe als Produzent „Vermisst“ ins Leben gerufen; eine Fernsehreihe, die viereinhalb Jahre im
Westdeutschen Rundfunk lief. Das ist schon ein wahnsinniger Aufwand, ein großer Apparat. Ich
habe das mit einem Partner zusammen gemacht, mit dem ich heute auch die Firma habe. Wir sind
immer noch eine kleine Firma, eine Kopffirma, d.h. wir haben einen Auszubildenden aus dem Bereich Kaufmann für audiovisuelle Medien. Das ist aber auch schon alles. Wir können nicht wissen,
was in fünf Jahren ist und wie das alles weiter zu finanzieren ist, also halten wir alles klein und beschränken uns auf Kopfarbeit und bedienen uns dann der anderen, der Zulieferfirmen, die eben die
Geräte anbieten. Ich denke, dass ist, wenn es gut funktionieren würde, ein gesundes Verhältnis,
denn wenn wir uns auch noch Geräte kaufen würden, dann wäre das für den Dienstleister ein Abnehmer weniger. Und das ist am Markt keine gute Geschichte.
66
Modul 3 mit Peter de Groot, Daniel Sonderhoff (Referate) und Andrea Stein (Leitung)
Problematik der Berufsdefinitionen
Zur Problematik der Berufsdefinitionen: Im Grunde sprechen wir über zwei Gruppen. Da sind
einmal die Kreativen und dann ist da das Organisatorische, wo die Finanzen dazu gehören. Hier
haben wir die Regisseure, die Kameraleute, die Autoren; dort auf der anderen Seite die Herstellungsleitung, Produktionsleitung, Aufnahmeleitung und da gibt es noch ein paar ganz spezielle, das
ist dann der Producer und der Filmgeschäftsführer. Die technischen Berufe lasse ich jetzt hier einmal weg. Mit diesem Beispiel will ich sagen, womit sie vielleicht in der Definition Probleme haben.
Die Leute, die zu ihnen kommen, womit wir auch Probleme hatten, sind nämlich die aus der Herstellungsleitung, Produktionsleitung und Aufnahmeleitung. Eine Firma, die Geld hat, große Projekte, viele Projekte, hat das alles besetzt. Aber wenn ein Projekt ausfällt, ist Personal teuer, dann
wird es entlassen. Irgendwo muss gespart werden. Dann wird irgendwo irgendeine Sache gestrichen
und ich verschiebe dann die Aufgabenbereiche; d.h. schon hat der einen anderen Aufgabenbereich.
Schwieriger oder wilder wird es noch beim Producer. Wenn sie zu Brainpool gehen und fragen, was
macht ihr Producer? Dann bekommen sie das Tätigkeitsfeld beschrieben. Gehen sie zum WDR
bekommen sie ein vollkommen anderes Tätigkeitsfeld beschrieben. Und schon kann man da gar
nicht mehr klar sagen, was macht denn nun der Producer eigentlich? Deswegen ist es auch schwierig für Leute, die sich für unsere Branche interessieren, zu schauen: Wo soll ich eigentlich hin? Was
ist eigentlich mein Feld? Ganz grob kann man eigentlich nur fragen: Ist es im kreativen Bereich,
organisatorischen oder technischen Bereich? Der technische Bereich ist noch relativ klar, da gibt es
die technischen Schulen und Ausbildungsmöglichkeiten. Beim kreativen Bereich, ganz klar, würde
ich aus meiner Erfahrung empfehlen, auch ein Studium zu absolvieren. Ich selber gehe zusätzlich
seit zwei Jahren dreimal im Monat in eine Klasse und gebe praktischen Unterricht für Umschüler
im Bereich Kaufleute für audiovisuelle Medien. Ich denke, das ist etwas, was für unsere Branche
sehr sinnvoll ist. Wir haben also den Beruf, wir bilden Medienkaufleute aus, aber viele Firmen wissen gar nicht, was der Auszubildende macht. Wenn ich denen einen Rahmenplan zeige, dann gucken sie sich diese Liste an und sagen: Das soll der alles in zweieinhalb Jahren lernen? Eine Überraschung. Nun kann ja dieser Medienkaufmensch auf Grund seiner umfassenden Ausbildung in verschiedene Bereiche hinein immer in der Form, dass er assistiert und dann, nach einer Einarbeitungszeit, in diese Position selber rutscht und er hat also, wenn er das gut macht und wenn ihn das
interessiert, gute Aufstiegschancen. Ich selber habe einen der ersten hier in der Firma gehabt und
der ist heute sog. Producer.
Abhängig von der Auftragssituation
Ich kann keinem was garantieren für die Zukunft, das ist klar. Das hängt auch viel mit Engagement
zusammen, dass man das will, dass man Spaß an dieser Branche hat. Ich denke, dass ist Bedingung.
Das ist eine sehr hektische Branche. Das ist so. Wir sind immer alle abhängig von der Auftragssituation und von unserem Auftraggeber. Wir sind abhängig von dem Geld, das zur Verfügung steht.
Die Kommerziellen finanzieren sich in Deutschland nur aus Werbeeinnahmen. Da weiß man nie,
wie das die Agenturen, die diese Werbegelder für ihre Kunden verwalten, organisieren. Da weiß
man nie, wie viel geht jetzt an RTL oder ProSieben. Da steckt man in einem Projekt drin und hat
mit einem Unterhaltungschef von ProSieben zu tun und plant eine große Reihe, ein großes Projekt,
und auf einmal bricht etwas zusammen. Im Sender selber weiß keiner so recht, wie er sich verhalten
soll. Man kriegt keine direkte Absage; d.h. wir planen und berechnen etwas, müssen vorab eine
Zusage machen in dem Sinne, dass wir auch das Personal zur Verfügung stellen und dann heißt es
nachher, das Projekt kann nicht stattfinden. Das sind Dinge, mit denen wir zu leben haben, wo es
auch für uns schwierig ist und was auch der Grund dafür ist, warum wir wenig festes Personal einstellen.
Teilnehmer:
Ist das denn möglich - weil es ja viele gibt, auch ältere, die diese Berufskarrieren in
der Medienbranche hinter sich haben - jetzt noch Produzent zu werden?
67
Modul 3 mit Peter de Groot, Daniel Sonderhoff (Referate) und Andrea Stein (Leitung)
Daniel Sonderhoff:
Produzent ist eine Funktion
Produzent ist gar kein Beruf. Produzent ist eine Funktion. Als Produzent bin ich eigentlich Unternehmer. Ich bekomme dafür, dass ich Produzent bin, nirgendwo ein Gehalt. In Deutschland und
Europa gibt es die Filmförderung, und da gibt es dann Positionen, wie wir Filme kalkulieren können und da gibt es Positionen, die wir benennen dürfen. Aber ein Produzent bekommt kein Gehalt.
Es gibt Ausnahmen, aber in der Regel ist es nicht so; d.h. ich kann nur von dem Gewinn leben, den
ich aus meiner Produktion heraus ziehe. Ein Toningenieur kann jetzt sagen, ich werde jetzt Produzent. Was macht er? Er holt sich einen Autor, einen Kameramann usw., der ihm seinen Film macht.
Teilnehmer:
Aber gewisses organisatorisches Talent braucht man da doch auch?
Daniel Sonderhoff:
Das ist der Mut zum Risiko. Man muss handeln können.
Teilnehmer:
Ist es schwierig, wenn ich jetzt vom kreativen in den organisatorischen Bereich
wechseln möchte?
Daniel Sonderhoff:
Der Markt ist begrenzt
Ja. Das hier ist immer die Schnittstelle. Es gibt die Kreativen, die Probleme mit Geld haben, die
können auch nicht selbständig arbeiten, also selbständig in dem Sinne, dass sie eine eigene Struktur
aufbauen können. Die werden immer andere Produzenten fragen. Wenn man aber eine Idee hat
und möchte, dass es voran geht, dann überlegt man, wie mache ich das und dann sagt man sich, das
produziere ich selbst. Heute ist es schwierig. Ich würde heute nicht mehr empfehlen, Produzent zu
werden, denn wie das auch in Holland ist: Der Markt ist begrenzt und im Grunde genommen ist
eigentlich alles ausgeschöpft. Man muss eigentlich mehr Geld mitbringen, um da noch rein zu
kommen oder aber das Glück haben, dass man eine wahnsinnige Idee hat. RTL oder Sat1 haben ja
auch Tochterfirmen und dann kriegen die eher die Aufträge zugeschustert. Wenn man als Produzent zu ProSieben geht mit einer guten Idee, dann kriegt man einen Co-Produzenten nahe gelegt.
Da fragt man sich, wieso soll das nötig sein? Das ist dann eine Tochtergesellschaft.
Teilnehmer:
Branche lebt auch sehr stark von Nichtqualifizierten
Haben Sie einen Eindruck, wie viele Nichtqualifizierte oder Praktikanten in diesen Unternehmen,
die ja auch nicht ganz überschaubar sind, tätig sind? Mein Eindruck ist, dass diese Branche auch
sehr stark von Nichtqualifizierten lebt oder von denen, die sich immer daraus erhoffen, dass sie mal
ans Ziel zu kommen.
Daniel Sonderhoff:
So etwas rechnet sich langfristig nicht
Ich bin nicht in der Lage, Ihnen Zahlen zu nennen. Es wird ein großer Prozentsatz sein. Es gibt bei
uns Fernsehanstalten, wo man sagt, die arbeiten mit sehr viel Praktikanten, die anderen nicht. Bei
der einen Seite ist es sogar so, dass die Praktikanten sogar schon Funktionen von Redakteuren ausführen. Aber darunter leidet auch die Qualität. So etwas rechnet sich langfristig nicht. NOB zum
Beispiel. Die würden nie sagen, wir machen jetzt das Studio mit Praktikanten. Die würden immer
sagen, der Praktikant geht in seiner Funktion bis hier hin und weiter nicht. Der Praktikant geht
nicht für die Produktion an die Kamera, der Praktikant macht jetzt nicht die Aufnahmeleitung. Das
würde eine solche Firma nicht zulassen, denn da steckt zu viel Geld in einer Produktion und zu
groß ist dann die Gefahr, dass irgendein Fehler passiert und die das Geld nicht bekommen. Bei
professionellen Produktionen sind die Praktikanten nur bis zu einer gewissen Grenze und nicht
mehr wirklich an Produktionsabläufen direkt beteiligt.
68
Modul 3 mit Peter de Groot, Daniel Sonderhoff (Referate) und Andrea Stein (Leitung)
Firmen fahren zweigleisig
Ich will noch einmal kurz auf die Problematik von Quereinsteigern und qualifiziertem Personal
eingehen. Ich hätte bis vor kurzem noch gesagt, dass das qualifizierte Personal im Bereich Postproduktion Zukunft hat. Ich habe aber selber fest gestellt, dass auch Firmen wie NOB trotzdem noch
zweigleisig fahren. Sie generieren sozusagen aus ihren eigenen Praktikanten die Talente und fördern
dann innerhalb ihres Hauses diese Talente, d.h. sie haben den Quereinsteiger und der kennt dann
genau die Wege im Haus und kennt auch genau die Geräte, während z.B. der ausgebildete Mediengestalter Bild und Ton, der zu OB kommt, dort andere Geräte vorfindet, die er gar nicht kennt und
jetzt erst einmal bei NOB eingewiesen werden muss. Deswegen fahren die Firmen zweigleisig. Sie
haben sowohl noch den eigenen, den sie sich also selber hochgezogen haben, und den ausgebildeten, also den Mediengestalter Bild und Ton.
Teilnehmer:
Was sind die Anforderungen?
Was würden Sie denn sagen, was die Anforderungen in Bezug auf die sog. Soft Skills an junge Leute
sind, die sich für diesen Beruf interessieren? Was müssen die mitbringen vor der Ausbildung, bevor
sie anfangen? Was ist das absolute A und O? Was muss jemand haben an Eigenschaften, Fähigkeiten, Persönlichkeitsstruktur, um so einen Beruf ergreifen zu können und sich auf diesem Arbeitsmarkt halten zu können?
Daniel Sonderhoff:
Belastbarkeit und Selbstbewusstsein
Ich würde sagen: Belastbarkeit, Teamfähigkeit und dann natürlich, das ist jetzt keine Eigenschaft,
aber dass man Interesse mitbringt. Belastbarkeit deswegen, weil bei uns alles sehr schnell passiert
und es in der Produktionsphase sehr hektisch zugeht. Die Leute sind während der Produktionsphase sehr angespannt und da ist der Umgang miteinander während der Produktion ist nicht gerade
sehr freundlich, aber auch nicht aggressiv, aber da fällt schon mal ein Wort, das darf man nicht
persönlich nehmen. Wer das dann persönlich nimmt, also wer nicht belastbar ist, hat dann ein
Problem. Ich finde es auch wichtig, dass die Leute auch ein gewisses Selbstbewusstsein haben. Dieses permanente Lernen hat so etwas wie: „Ach, Du bist noch nicht fertig? Dann zahle ich Dir mal
weniger!“ Ich denke, es muss auch irgendwann mal eine Phase geben, wo man sagt, das kann ich,
das sind meine Qualifikationen. Alles, was ich mir noch hole, hat einfach nur damit zu tun, dass ich
persönlich für mich noch mehr will. Aber man muss aufpassen, dass man nicht sagt, ich bin noch
nicht fertig. Man muss irgendwo auch dann sagen können: Das ist meine Position, auch wenn man
diese Position zu dieser Zeit selber noch nicht hat. Was auch wichtig ist, dass man für sich selber
Grenzen setzt und sagt, bis dahin will ich das Ziel erreicht haben. Ich würde keinem empfehlen,
zwei Jahre lang Praktika zu machen. Wenn ich es bis dahin nicht geschafft habe, dann sollte ich die
Branche wechseln.
Grundkenntnisse und Selbsteinschätzung
Ein anderer Punkt: Man sollte sich auf jeden Fall, das ist ganz wichtig, Grundkenntnisse und Informationen selber schon mal aneignen. Man sollte sich damit beschäftigen, was heißt das eigentlich, Fernsehen? Das ist ja heute gar nicht mehr schwer. Es ist ja gar kein Geheimnis mehr. Früher
haben die Leute das eingeschaltet und dann war das eine Zauberwelt. Heute gibt es ja für alles ein
Making-Of. Heute wissen die 14jährigen wie die Computertricks gemacht werden. Wichtig ist auch
die Selbsteinschätzung: Was bin ich, was kann ich und was traue ich mir zu? Wie trete ich auf, was
möchte ich? Denn wir können schwer jemanden einschätzen. Wir haben es vielleicht immer gemacht und sind oft auf die Nase gefallen. Manche Insolvenzen im Medienbereich haben bestimmt
auch damit zu tun, dass vielleicht auch die falschen Leute an den falschen Entscheidungsstellen
saßen. Dass zu hoch bezahlt worden ist, dass man aus welchen Gründen auch immer mal jemand
genommen, von dem man geglaubt hat, der könnte das packen. Wir sind mit unseren Gedanken oft
schon bei der nächsten Produktion. Wenn wir eine Vorstellung haben denken wir schon an den
nächsten Termin. Darum ist es wichtig, wie derjenige auftritt, was er für einen Eindruck hinterlässt.
69
Modul 3 mit Peter de Groot, Daniel Sonderhoff (Referate) und Andrea Stein (Leitung)
Qualifizierte Kräfte haben eine größere Chance
Es ist ganz schwierig zu sagen, wo es hin geht. Wir merken, dass eine gewisse kleine Auftragslage
kommt, dass wir auf einmal Nachfrage haben Sachen zu produzieren. Wir haben also das Modell,
das ich aufgezeichnet habe, mit Dienstleister, Sender und Produktionsfirmen. Die Dienstleister
merken es schneller, dass jetzt wieder produziert wird, weil Kameras angemietet werden. Bei Produzenten geht das ein bisschen langsamer, aber wir merken es auch, dass langsam was zu tun ist.
Wir waren in einem Gespräch mit dem Fernsehdirektor des Westdeutschen Rundfunks, der sagte,
dass es für 2003 keine Einschneidungen im Budget gibt, aber für 2004. Der Markt bereinigt sich.
Das ist gut so. Es ist zuviel Geld ausgegeben worden. Es sind bestimmte Funktionen vor der Kamera viel zu teuer bezahlt worden. Das hat auf jeden Fall auch den Vorteil, dass qualifizierte Kräfte
dann eine größere Chance haben, weil man Angst hat, Experimente einzugehen. Man ist nicht sicher, wen nehme ich und dann ist es leichter bei der Auswahl, wenn ich jemanden habe, der eine
Qualifikation hat.
Transparenz bekommen
Das andere Thema: Es gibt eine Vielzahl an Weiterbildungsmaßnahmen und an Ausbildungsstätten,
da sind wir auch vollkommen überfragt. Das ist auch für uns ein nicht überschaubares Feld, wo wir
jetzt ein bisschen gucken, wer eigentlich was macht. Da ist dann auch wichtig eine Zusammenarbeit. Wir haben ein Vorgespräch gehabt mit der Industrie- und Handelskammer, wo man dann
gemeinsam überlegt, wie wir vom VFFV und der IHK selber eine Transparenz bekommen. Da
muss man einfach ins Gespräch kommen und im Austausch bleiben. Das biete ich gerne an: Wenn
sie Informationen brauchen, dass sie sich dann gerne an den VFFW wenden und wir versuchen
ihnen zu helfen.
Teilnehmer:
Praktikum als Tür in die Medienbranche?
Praktikum als Tür in die Medienbranche? Ich habe oftmals ein gemischtes Gefühl im Magen, wenn
ich Ratsuchenden sage, mach’ doch mal ein längeres Praktikum, ein halbes bis ein Jahr oder so, wo
man oft doch viel Zweifelhaftes hört über die Qualität von Praktika. Wir hängen im hohen Maße
davon ab, dass jemand da ist, der erstens Zeit hat, einem etwas beizubringen und zweitens, dass die
Firma überhaupt das Interesse hat, einen Praktikanten als Praktikanten und nicht als Arbeitskraft zu
nutzen. Was kann man da tun, wenn der sich für ein halbes Jahr verpflichtet hat und dann merkt er
nach sechs Wochen, dass er überhaupt nicht profitiert davon?
Daniel Sonderhoff:
Man sieht die verschiedenen Funktionen
Ich empfehle, in den Sommerferien sechs Wochen bei einer Firma rein zu riechen, weil man da
schon viel mitkriegt. Man erfährt, wie sich das anfühlt. Ist das was für mich? Ist mir das zu hektisch? Man sieht die verschiedenen Funktionen, die da ablaufen. Wenn man dann älter ist und man
möchte da rein, dann würde ich erst mal gucken, weiß derjenige schon, wohin es geht? Möchte er in
den technischen Bereich, möchte er in den organisatorischen Bereich oder möchte er kreativ tätig
sein? Nehmen wir mal an, jemand möchte Kameramann werden, dafür muss er sich auch mit der
Materie auskennen, wie so ein Ding aufgebaut ist und wie es funktioniert. Da würde dann ein halbes Jahr oder drei Monate Praktikum bei einem Dienstleister Sinn machen. Wenn man noch nicht
wirklich weiß, ob man das will, da ist dann auch die Größe des Unternehmens ein Garant dafür,
dass er auch was mit bekommt. Wenn man sich für Produktionsabläufe in einer Sendung interessiert, muss man sich größere Firmen heraus suchen und schauen, ob Produktionen laufen oder in
Planung sind. Riskanter wird es bei kleinen Firmen, da weiß ich nicht, was sie machen und wie viel
sie von der Produktion selber machen. Nehmen sie uns, die Firma, für die ich tätig bin. Wenn jetzt
ein Praktikant zu uns kommt, bekommt der gar nicht so viel mit, weil wir die Konzeptionsarbeit
gemacht haben und dann Redaktion. Es wäre nur für denjenigen interessant, der wissen will, wie
das mit der Recherche geht, wie man zu einer Idee kommt und wie das nachher in der Postproduktion läuft.
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Modul 3 mit Peter de Groot, Daniel Sonderhoff (Referate) und Andrea Stein (Leitung)
Andrea Stein:
Ein gangbarer Weg
Bei den meisten Praktika - und die Branche arbeitet ja massiv mit Praktikanten - handelt es sich
nicht wirklich um klassische Praktika, um das mal ganz deutlich zu sagen. Das sind oft schon Leute,
die ungefähr wissen oder ziemlich genau wissen, wohin es mit ihnen gehen soll. Es ist aber ein
gangbarer und gängiger Weg, von dem wir jetzt nicht 100prozentig abraten können, nur weil man
gerade hier oft Praktikanten in gehobenem Alter vorfindet, die vielleicht keine Ausbildung machen
wollen, sondern die studieren und sich nebenbei weiter entwickeln wollen in der Praxis, die sich
auch wirklich nur für Kamera interessieren oder nur für Schnitt. Und dann macht es Sinn und dann
macht es auch Sinn, ein mehrmonatiges oder im besten Fall vielleicht sogar ein ganzes Jahr Praktikum zu machen, weil man dann die Chance hat, eine Sache von Anfang bis Ende mit bekommen
zu haben. Eigentlich ist es schon eine Arbeit, sie ist nur schlechter bezahlt und sie ist nicht gedacht,
um auf eine Festanstellung hin zu führen. Andererseits gibt es viele Unternehmen, die ein Praktikum vorschalten, bevor sie einen Ausbildungsplatz vergeben. Viele Firmen machen das zur Regel.
Nach einem halben Jahr sollte man gucken, ob es in einen Ausbildungsplatz mündet und dann
vielleicht noch ein halbes Jahr weiter machen, aber dann ist auch mal Schluss. Wichtig: Wenn ich
nicht verhandele und nicht wenigstens denjenigen zwinge, mit dem ich da arbeite, mich ernst zu
nehmen als Person in meinem Potenzial, dann werden die hinter meinem Rücken schlecht über
mich reden, aber sie werden mich natürlich noch weiter beschäftigen, weil ich so preiswert bin.
Grundsätzlich: Wenn es qualifizierte Praktika sind, rate ich immer davon ab, es gratis zu machen.
Daniel Sonderhoff:
Umschulungen machen Sinn
Ich möchte noch eine kurze Sache sagen zu Umschulungen. Es gibt bestimmte im organisatorischen oder technischen Bereich, wo das durchaus Sinn machen kann. Ich habe das bei den Mitgliedern bei uns mal abgefragt. Da gibt es eine Tendenz, weil diese Menschen schon Erfahrung mit
bringen, also einen Beruf hinter sich haben
„Status Quo und Entwicklung auf den Arbeitsmärkten der Medienwirtschaft"
Ein Blick zum Nachbarn im Modul 3:
Peter de Groot, Berater bei abc stichtung
audiovisueel branche
centrum, Hilversum,
informierte über
Anforderungen,
Arbeitsbedingungen
und Personalstruktur in
Holland.
71
Modul 4 mit Birgitt E. Morrien, Ursel Sickendieck (Referate) und Oliver Baiocco (Leitung)
INSTRUMENTE UND METHODEN FÜR EINE
BRANCHEN- UND ZIELGRUPPENORIENTIERTE BERATUNG
FÜR DIE NEUEN ARBEITSMÄRKTE
Die Netzwerkperspektive in der Beratung
Problemstellung
Vom Einsatz und Nutzen eines Netzwerks sind die Teilnehmer überzeugt. In der Praxis hat ein Teil
der Berater aber bislang keinen Zugang zu solchen Systemen.
Hauptthesen
In informellen, alltäglichen Beziehungen wird weitaus mehr Unterstützung und Hilfe geleistet als
von öffentlich-staatlichen und professionellen Einrichtungen (Sickendieck). Die Akzeptanz von
Coaching sowohl in der Beratung als auch seitens der Medienvertreter steigt (Morrien).
Diskussion
Netzwerkbildung bzw. -förderung sollte mit einer Balance von Geben und Nehmen einhergehen,
um Unterstützungsbeziehungen dauerhaft aufrecht zu erhalten. Die Netzwerkbildung stagniert im
professionellen Bereich Beratung.
Fazit
Die Teilnehmer begrüßten die Möglichkeit, das vorgestellte Netzwerkkonzept zur Entwicklung und
Förderung neuer bzw. bestehender Unterstützungsbeziehungen elementar in die Beratung einfließen zu lassen. U.a. wurde die Forderung nach (besserer) Kooperation bzw. Interaktion zwischen
privatwirtschaftlichen und staatlich-öffentlichen Akteuren der Beratung in der Medienbranche gestellt.
Ursel Sickendieck:
Netzwerkansätze in der beruflichen Beratung
Sozialwissenschaftler gehen davon aus, dass sich das Individuum in unserer heutigen Gesellschaft
einem Beziehungsgeflecht von etwa 200 Personen – mehr oder minder stark ausgeprägt – gegenüber sieht.
Berücksichtigt man die möglichen Kontakte zu Personen der zweiten Ebene erweitert sich das
(potenzielle) Netzwerk des Individuums drastisch (200² = 4.000). Darauf basierende Studien belegen jedoch, dass etwa 50 bis 75 Prozent dieser Kontakte gar nicht oder nur unzureichend genutzt
werden.
Definitionen
Networking im Sinne einer Karrierestrategie mit der Zielvorgabe ein möglichst umfangreiches Netz
aufzubauen beinhaltet folgende Attribute:
• Eingehen auf andere Personen
• Beziehungen aufbauen
• ‚Experte sein’
Soziales Netzwerk: Metapher für die miteinander verwobenen Beziehungen von Menschen.
Soziale Unterstützung: Unterstützung, Hilfe und Rückhalt als Leistungen informeller Beziehungspartner/innen
In informellen, alltäglichen Beziehungen wird weitaus mehr Unterstützung und Hilfe geleistet als
von öffentlich-staatlichen und professionellen Einrichtungen. Untersuchungsdimensionen sozialer
Netzwerke:
• strukturelle Eigenschaften (z.B. Größe, Dichte)
• inhaltlich-qualitative Charakteristika (z.B. Familie oder wertend wie „zufriedenstellend“)
• normative Eigenschaften (z.B. frei gewählt, aufgezwungen, ‚hineingeboren’ etc.)
• funktionale Eigenschaften (siehe nächster Punkt)
72
Modul 4 mit Birgitt E. Morrien, Ursel Sickendieck (Referate) und Oliver Baiocco (Leitung)
Untersuchungsschwerpunkte zu sozialer Unterstützung:
• direkte Effekte oder Haupteffekte (Bezug: Integration, Gemeinschaft, Unterstützung,
Selbstwertgefühl ⇒ Identität)
• Puffereffekte (Bezug: Krisen-, Belastungssituationen)
Die wissenschaftliche Bedeutung des Netzwerkkonzepts liegt vor allem in der Erweiterung des
Blicks auf die soziale Einbindung von Handeln, Alltagspraxis, Lebenslagen, Problembewältigung etc. (⇒ Sozial- u. Erziehungswissenschaften: Gesamtbetrachtung Individuum und Netzwerk). Mit dem Netzwerkkonzept werden
1. Klienten in ihren Beziehungssystemen und
2. die Beziehungssysteme selbst Gegenstand der Beratung.
Netzwerkorientierte sozialpädagogische Arbeit
• Verbesserung bestehender Unterstützungsbeziehungen
• Entwicklung und Förderung neuer Unterstützungsbeziehungen
• Förderung einer stärkeren NW-Orientierung in übergreifenden Kontexten
• Stärkung der NW-Orientierung professioneller Versorgungssysteme und ‚linkage’
• Auseinandersetzung mit im weitesten Sinne ‚sozialökologischen’ Bedingungen von
Netzwerken und Unterstützungsbeziehungen
• Unterstützung der Unterstützer/innen
Netzwerkperspektive im Rahmen beruflicher Beratung
• bei Arbeitsplatzsuche, Stellensuche von Erwerbslosen, Erwerbstätigen
• bei beruflicher Orientierung von Jugendlichen, Erwachsenen
• bei beruflichen Problemen, Problemen am Arbeitsplatz (Überlastung, Konflikte, Mobbing
etc.)
• bei Organisationsberatung, -entwicklung
Instrumente in der netzwerkbezogenen Beratung dienen
• der systematischen Erfassung der Netzwerke von Klienten (Diagnose)
• der gemeinsamen Bewertung von Pluspunkten und Defiziten
• als Ausgangspunkt für netzwerkbezogene Aktivitäten
• zur Überlegung über die Vermittlung in ein künstliches Netzwerk
Sie können in Einzelberatungen und in Gruppensituationen eingesetzt werden sowie zur Vorbereitung und Strukturierung von Netzwerkkonferenzen dienen.
Übungseinheit Netzwerkkarte
Alle Teilnehmer hatten die Gelegenheit, mittels der individuum-zentrierten Netzwerkkarte (in Anlehnung an EGONET von Strauß & Höfer, 1998) beispielhaft ihre persönlichen Netzwerkstrukturen darzustellen und zu analysieren. Im Mittelpunkt dieser Methodik steht das Individuum mit Bezug auf seine familiären, verwandtschaftlichen, freundschaftlichen und arbeitskollegialen Beziehungsstrukturen sowie ihre positive/ negative Ausprägung (zentrierend positioniert), auch verstorbene Personen betreffend (z.B.: „Was hätte mein Vater dazu gesagt?“). Überschneidungen der vier
Teilbereiche sind legitim (z.B.: „Meine Mutter ist auch meine beste Freundin.“) und werden auf den
entsprechenden Trennlinien der Teilbereiche positioniert. Um ihre Verflechtung untereinander –
falls gegeben – zu konkretisieren, werden auch die Bezugspersonen grafisch miteinander verbunden.
73
Modul 4 mit Birgitt E. Morrien, Ursel Sickendieck (Referate) und Oliver Baiocco (Leitung)
Netzwerkkarte (Grafik)
Netzwerkkarte (in Anlehnung an EGONET von Straus & Höfer 1998)
Ο Frau
——— bestehender Kontakt
Mann
—//— unterbrochener Kontakt
† Zusatz für Verstorbene
+ Zusatz für positive Beziehung
- Zusatz für negative Beziehung
Familie
Verwandte
Individuum
FreundInnen
Bekannte
ArbeitskollegInnen
Lehrstuhl Beratung und Rehabilitation, Institut Sozialpädagogik,
TU Dresden
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Modul 4 mit Birgitt E. Morrien, Ursel Sickendieck (Referate) und Oliver Baiocco (Leitung)
Auswertung der Netzwerkkarte im Beratungsgespräch
(beispielhafte Fragen)
Allgemein
• Welche Personen haben besonders wichtige Funktionen in Ihrem Netzwerk?
• Hätten Sie gern zu mehr Personen engere oder bessere Beziehungen oder sind sie mit der
Beziehungsqualität im Großen und Ganzen zufrieden?
• Ist Ihr Netzwerk stark integriert (viele Beziehungen untereinander) oder eher segmentiert
(wenig Beziehungen untereinander oder nur in einzelnen Clustern)?
• Ist Ihr Netzwerk heterogen (Partner/innen in allen vier Feldern) oder fehlen Personen in
einzelnen Feldern?
Zur Frage der Unterstützung bei beruflichen Problemen und Belastungen
• Welche Personen leisten Ihnen Unterstützung, wenn Sie berufliche Probleme haben (z.B.
privaten emotionalen Rückhalt, hilfreiche und konstruktive Kritik von Arbeitskollegen,
wichtige Tipps und Informationen aus dem Bekanntenkreis etc.)?
• Von welchen Personen fühlen Sie sich eher belastet im Hinblick auf Ihre berufliche Situation?
• Erhalten Sie quantitativ ausreichend Unterstützung im Hinblick auf berufliche Probleme?
• Bekommen Sie von den Unterstützer/innen bei beruflichen Problemen diejenige Hilfe, die
Sie sich wünschen?
• Gibt es Personen, die Ihnen berufliche Unterstützung geben könnten, dieses aber nicht
tun? Wenn ja, weshalb nicht?
• Gibt es berufliche Problemstellungen, bei denen Sie eher Unterstützung von formellen,
professionellen Berater/innen oder aus einer ‚künstlichen’ Gruppe in Anspruch nehmen
würden? Wenn ja, warum?
• Wenn Sie Ihr ‚berufliches Unterstützungssystem’ betrachten: Sind Sie insgesamt damit
zufrieden? Wenn nicht, womit nicht?
Birgitt E. Morrien:
Netzwerkbildung am Beispiel des Kreises Kölner Mediencoaches
Der Kreis Kölner Mediencoaches (KKM) besteht aus drei Mitgliedern (neben Birgitt E. Morrien
Renate Hermann, Coach und Supervisorin, und Uwe Walter, Regie-Coach und Perspektivenentwickler). Die Idee zu einem Zusammenschluss entstand bei Generation M Professionals, der 1.
Fachtagung zur Personalentwicklung in der Medien- und Kommunikationswirtschaft, die AIM im
Auftrag des damaligen Arbeitsministeriums für Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technik des
Landes Nordrhein-Westfalen am 15. November 2001 in Köln veranstaltet hatte. Die Gründung
erfolgte im Januar 2002. KKM nahm erstmals im Juni 2002 mit einem eigenen Stand und Veranstaltungen bei Generation M, dem Qualifizierungsforum Medien und Kommunikation, teil - eine in
Art und Umfang bundesweit einzigartige Kongress-, Ausstellungs- und Aktionsfläche in der
KölnMesse als Teil des medienforum.nrw, ebenfalls veranstaltet von AIM.
•
•
•
•
Die Aufgaben:
redaktionelles Coaching, Management-Coaching, Training und Moderation
Die Kommunikation:
extern: Public Relations und Öffentlichkeitsarbeit
intern: copetition – Energiefeld, Austausch – Fachlichkeit, Intervision – Entwicklung,
Networking - Beziehungen
Die Perspektiven:
Konsolidierung, Erweiterung, Aufgabenverteilung, Programm
Fragen für Networker/ -innen
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Modul 4 mit Birgitt E. Morrien, Ursel Sickendieck (Referate) und Oliver Baiocco (Leitung)
Fragen für Networker/innen:
•
•
•
•
Meine Motivation?
Warum will ich dabei sein? Was bin ich bereit einzubringen?
Meine Erwartungen?
Was verspreche ich mir davon? Stimmen meine Erwartungen im Wesentlichen mit denen
der anderen Networker/innen überein?
Meine Kompetenzen?
Was kann ich einbringen? Über welche Kenntnisse und Erfahrungen verfüge ich?
Meine Kommunikation?
Wie kommuniziere ich? Bin ich bereit, mich kollegialer Kritik zu stellen?
Nach der Übungseinheit mit der Netzwerkkarte (Teilnehmer: „Ist dies ein probates Beratungswerkzeug?“) und dem Vortrag über KKM schloss sich jeweils eine Diskussion über die Grenzen zwischen Beratung bzw. Coaching und therapeutischen Ansätzen an:
• Netzwerkbildung bzw. -förderung sollte mit einer Balance von ‚Geben und Nehmen’
einhergehen, um Unterstützungsbeziehungen dauerhaft aufrecht zu erhalten.
• Die Netzwerkbildung stagniert im professionellen Bereich der Beratung.
• Frauen mit bereits ausgeprägtem Netzwerk haben vielfach moralische, aber unbegründete
Bedenken; Männer sind eher bereit, Netzwerkstrukturen für sich zu nutzen.
• Veränderungen der Lebensverhältnisse des Individuums und dem möglicherweise damit
einhergehenden Verlust von Netzwerken bedingt einen Neuaufbau.
Teilnehmer:
Netzwerkkonzept in die Beratung einfließen lassen
Obwohl einige Teilnehmer noch nicht umfassend mit der Thematik vertraut waren, bestätigten fast
alle Beteiligten in ihren Diskussionsbeiträgen die Möglichkeit, das Netzwerkkonzept zur Entwicklung und Förderung neuer bzw. bestehender Unterstützungsbeziehungen elementar in die Beratung
einfließen zu lassen. Auf Grund seiner Erfahrungen stellte Uwe Walter (KKM) die Forderung nach
einer besseren Kooperation bzw. Interaktion zwischen privatwirtschaftlichen und staatlich-öffentlichen Akteuren der Beratung in der Medienbranche auf.
76
Schlusswort: Andrea Stein
AUFBAU EINES BERATUNGSNETZWERKES
Experten aus ganz unterschiedlichen Bereichen
Das war eine Expertenkonferenz. Das war auch so gemeint, denn sie sind alle Experten - aus ganz
unterschiedlichen Bereichen. Wir hatten gehofft, dass sie das interessiert und dass sie sich hier zahlreich anmelden, aber wir haben nicht wirklich zu hoffen gewagt, dass so viele von ihnen und auch
so viele Interessiere auch schon im Vorfeld gekommen sind. Dass so viele Leute, die nicht kommen
konnten, sich trotzdem gemeldet und gesagt haben: „Finde ich eine tolle Idee. Wenn ihr das noch
einmal macht: Bitte meldet euch bei uns!“
Keine einmalige Veranstaltung
Was uns sehr wichtig ist und von Anfang an sehr wichtig war ist, dass das keine einmalige Veranstaltung sein soll. Wir haben in vielen der Diskussionen gesehen, dass wir nicht in zwei Stunden
durchgekommen sind und dass wir eigentlich auch vier Stunden hätten machen können oder dass
wir zu bestimmten Schwerpunktthemen, die heute hier angefallen sind, auch ruhig einen ganzen
Tag thematisch hätten machen können. Das möchten wir auch gerne anbieten. Das wollen wir auch
entwickeln als AIM.
Keiner kann alles alleine
Wir möchten vor allen Dingen sie gerne aufrufen, wenn es sie interessiert, sich mit uns gemeinsam
am Aufbau eines Beratungsnetzwerkes zu engagieren. Das Wichtigste oder eines der wichtigsten
Dinge, die sich hier in der Zusammensetzung widergespiegelt haben, war: Keiner kann das mehr
alles alleine verstehen und man kann es auch in zwei Stunden nicht mehr erklären, aber es gibt unheimlich viele, sehr engagierte Leute. Ich habe das ja auch heute wieder erlebt. Gerade die Beraterinnen und Beratern sind kommunikative, faire und rundum kompetente und gebildete Leute sind,
mit denen man sowohl über Soziologie reden kann als auch über Praktika.
Krisenfälle weiterleiten
Ich glaube, dass wir hier eine ganz gute Gruppe zusammen haben, um mal zu schauen, ob wir nicht
ein wirklich installiertes Beratungsnetzwerk aufbauen, wo jeder von ihnen immer weiß: Da gibt es
doch einen Experten, den habe ich doch schon mal getroffen oder den habe ich doch schon mal
gehört für dieses Thema. Wie kann ich den erreichen? Und wir werden uns als AIM bemühen,
erstens so etwas dann auch zu pflegen und vielleicht zu vergrößern, zweitens es auch technisch zu
betreuen, wenn es denn geht, und drittens, sie auch dann noch mal einzuladen. Das hat dann eben
nicht unbedingt nur etwas mit diesem Projekt und mit dieser Projektlaufzeit zu tun, sondern dass
wir es darüber hinaus vielleicht schaffen, dass man sich kennt und dass man weiß, an wen man
seine Krisenfälle oder seine Ratlosigkeiten auch mal weiterleiten kann. Das wäre uns ein ganz großes Anliegen, wenn sie den Eindruck haben, dass die Leute, mit denen sie hier gesessen haben, es
auch wert sind, Leute an sie weiter zu leiten.
Zum Abschluss der 1. Regionalen
Expertenkonferenz ein konkretes Ziel:
Andrea Stein (links), Geschäftsführerin von AIM KoordinationsCentrum für Ausbildung in Medienberufen, möchte in Zusammenarbeit
mit Ulrike Timmler, Geschäftsführerin [kapete] OHG, Köln, ein Beratungsnetzwerk in Medienberufen
NRW aufbauen.
77
Anhang
REFERENTEN
Oliver Baiocco
Studium der Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft und Italianistik an der Universität
Duisburg und Bologna (Italien). Beraterausbildung am Kurt-Lewin Institut der Fern-Universität
Hagen. Seit 1999 als Projektleiter und Berufsberater beim Verein zur Förderung der Aus- und
Weiterbildung in der Medienwirtschaft e.V / AIM KoordinationsCentrum für Ausbildung in
Medienberufen. Freiberufliche Tätigkeiten: Dozent der Erwachsenenbildung (Multimedia,
Projektmanagement, Kommunikation- und Präsentation).
Kontakt: baiocco@aim-mia.de; oliver_baiocco@web.de
Dr. Werner Dostal
Leiter des Arbeitsbereiches Berufs- und Qualifikationsforschung des Instituts für Arbeitsmarktund Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit Nürnberg. 1961 - 1966 Studium des Maschinenbaus an der TH Darmstadt, Diplom-Ingenieur. 1973 - 1978 Studium der Philosophie und der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Erlangen/Nürnberg (berufsbegleitend ohne Abschluss).
1981 Promotion an der TU Berlin im Fach Bildungsökonomie (berufsbegleitend): Dr. phil. 1966 1972 Tätigkeit in der Industrie, Kommerzielle Datenverarbeitung im Fertigungsbereich, Unternehmensberatung in verschiedenen Bereichen, Prozessautomatisierung (Systemsoftware- und Anwendungssoftwareentwicklung sowie Beratung). 1973 - 1995 wissenschaftlicher Mitarbeiter (seit 1983
wissenschaftlicher Direktor) im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt
für Arbeit im Arbeitsbereich Technologie und Betriebswirtschaft. 1995 - 1997 Leiter des Arbeitsbereiches Informationsverarbeitung und Systementwicklung (Leitender Wissenschaftlicher Direktor).
Seit 1996 Leiter des Bereiches Berufs- und Qualifikationsforschung. Arbeitsgebiete: Berufs- und
Qualifikationsforschung im Arbeitsmarktbezug; Analysen in den Bereichen Innovationsforschung,
Informations- und Computerberufe, Technischer Wandel und Beschäftigung, Zukunft der Arbeit.
Kontakt: werner.dostal@iab.de ; www.iab.de
Brigitte Emunds
Jahrgang 1949, verheiratet, ein Kind. Studium der Sozialpsychologie. Therapeutische Zusatzausbildungen, Supervision und Organisationsberatung. Supervisorin (DGSv), Coach, Trainerin. Berufliche Stationen: elf Jahre Leiterin mehrer ambulanter Beratungsdienste, drei Jahre Leiterin einer stationären Einrichtung einer international tätigen Krankenhausgesellschaft. Seit 1994 freiberuflich
tätig. Schwerpunkte: Supervision von Teams und Einzelpersonen, Training und Coaching für Führungskräfte, Organisationsberatung, Personalentwicklung.
Kontakt: brigitte.emunds@t-online.de
Frank Engel
Wissenschaftlicher Geschäftsführer der ibfw-beratung, ist Diplom-Pädagoge und seit 1981 in Beratung, Beratungsausbildung und Beratungsforschung tätig. Er war viele Jahre wissenschaftlicher
Mitarbeiter in der AG Diagnose und Beratung der Fakultät für Pädagogik der Universität Bielefeld
und hat eine Vielzahl von Lehrveranstaltungen sowie mehrere Forschungs- und Praxisprojekte zur
Beratung in unterschiedlichen Arbeitsfeldern durchgeführt. Seit 1998 ist Frank Engel in der Weiterbildung und Projektberatung tätig, übt Lehraufträge an der TU Dresden aus und ist Mitglied des
Forums Beratung in der DGVT. Sein theoretischer Schwerpunkt ist die gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung von Beratung. Frank Engel arbeit auch als Maler, Bildhauer und Designer, entwirft Buchcover, Plakate und führt Ausstellungen durch.
Kontakt: mail@ibfw-beratung.de ; www.ibfw-beratung.de
78
Anhang
Peter Funken
Leiter des Referates Beratung, Berufsorientierung und Selbstinformationseinrichtungen
beim Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen. 1969 - 1976 Studium der Anglistik,
Philosophie und Pädagogik in Aachen und London, dazwischen ein Jahr Deutschlehrer in
Großbritannien. 1976 - 1979 Assistent an der Universität (Gesamthochschule)
Paderborn, 1980 - 1987 Berufsberater für Abiturienten und Hochschüler in Rheine, 1987
- 1994 Abschnittsleiter der Berufsberatung in Aachen, seit 1994 Referatsleiter im
Landesarbeitsamt NRW. Schwerpunkte: Qualitätssicherung in der Beratung und
Berufsorientierung, Einsatz neuer Medien, grenzüberschreitende Beratung und
Vermittlung, Berufs- und Wirtschaftskunde.
Peter.Funken@arbeitsamt.de
Prof. Dr. Bernd-Joachim Ertelt
Nach Studium der Wirtschaftswissenschaften und Wirtschaftspädagogik (Abschluss: Diplom-Handelslehrer) an der Universität Mannheim und betrieblicher Tätigkeit, wissenschaftlicher Assistent an
der Universität Mannheim (Fakultät Philosophie, Psychologie, Erziehungswissenschaft); postgraduales Studium in Päd. Psychologie und Organisationswissenschaften. Seit 1976 an der FH-BA
Mannheim (Leiter des Studienbereichs Erziehungswissenschaft, ab 1979 Professor und Leiter der
Zentralen Einheit Medien, Curriculare Fragen, Auslandsbeziehungen). Lehrbeauftragter an der
Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Mannheim. Gastprofessur für Beratungswissenschaft an der Päd. Hochschule Czestochowa/Polen, Honorarprofessor an der Universität
Szeged/Ungarn (juristische Fakultät). Expertentätigkeit in verschiedenen Ländern und im Rahmen
von EU-Programmen auf den Gebieten Qualifizierung von Beratungskräften sowie Methodik und
Organisation der Berufsberatung.
Forschungen und Publikationen zu multikultureller und transnationaler beruflicher Beratung,
Informationsmanagement und -marketing, Evaluation von Medien der BA, Theorien und Methodik
der beruflichen Beratung.
Kontakt: bernd-joachim.Ertelt@arbeitsamt.de
Thomas Gesterkamp
Geboren 1957, Journalist und Buchautor, lebt in Köln und ist Vater einer Tochter. Studium der
Soziologie, Pädagogik und Publizistik in Hamburg und Münster. Zwei Jahre Redakteur, dann Mitbegründer eines Kölner Journalistenbüros. Beiträge im Hörfunk, in Zeitungen und Zeitschriften,
daneben Tätigkeit als Referent, Hochschullehrer, Moderator und in der Weiterbildung. Z.Zt. Promotion an der Universität Köln über "Männliche Lebensstile in der Informationsgesellschaft". Gerade erschienen ist sein Buch "gutesleben.de - Die neue Balance von Arbeit und Liebe" Klett-Cotta
Kontakt: thomas.gesterkamp@t-online.de
Peter de Groot
abc stichting audiovisueel branche centrum Hilversum
Hubert-Josef Haas
Jahrgang 1956, ist Vorsitzender des Deutschen Verbandes für Berufsberatung e.V. – dvb -, dem
Fachverband für Berufliche Beratung in Deutschland. Nach dem Studium der Berufs- und Arbeitsberatung arbeitete er als Berufsberater für Jugendliche in einem Arbeitsamt, entwickelte in den 80er
Jahren mit einem Projektteam des Kultusministeriums den schulartübergreifenden Berufswahlunterricht in Rheinland-Pfalz, und ist seit vielen Jahren wieder als Berufsberater tätig, heute für Menschen mit Behinderungen. Im dvb gestaltete er viele Fachtagungen und wirkte mit Vorträgen und
Workshops mit bei nationalen und internationalen Konferenzen, insbesondere in Kanada. Dort
entwickelte Beratungskonzepte und –methoden prägen seinen Stil nachhaltig.
Kontakt: Bergstr. 9, 55595 Roxheim, 0671/45592, dvb1.haas@t-online.de
79
Anhang
Dr. Anil K. Jain
Geb. am 04.09.1969 in München. Magister-Studium der Politikwissenschaft, Psychologie und Soziologie. Promotion im Fach Soziologie (bei Ulrich Beck) über das Thema »Politik in der PostModerne«. 1999 - 2002 Arbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschungsprojekt B2
»Individualisierung und posttraditionale Ligaturen (Leitung: Prof. Dr. Heiner Keupp) im Rahmen
des SFB 536 (»Reflexive Modernisierung«) sowie am Institut für Praxisforschung und
Projektberatung«.
Kontakt: jain@power-xs.net ; www.power-xs.de/jain/index.html
Birgit Lohmann
Arbeitsamt Dormund, Supervisorin und Berufsberaterin
Kontakt: Birgit.Lohmann@arbeitsamt.de
Ulrike Metzner-Imiela
Referatsleiterin im Ministerium für Arbeit und Soziales, Qualifizierung und Technologie NRW.
Referat „Flankierung des Strukturwandels“
Kontakt: ulrike.metzner-imiela@masqt.nrw.de
Birgitt E.Morrien
Arbeitet in eigener Kölner Beratungspraxis COP - Coaching, Organisation und PR. Studium der
mass communications an der Boston University studiert (Master of Science). Ihr Handwerk der
persönlichen Medienberatung und des Presse-Journalismus erlernte sie jedoch im Rheinland. Die
Autorin des Coaching-Handbuches "Dream Guidance" zählt führende Unternehmen, Akademien
und Schulen der Kommunikations- und Medienbranche zu ihren Auftraggebern. Morrien ist Mitglied des Kreises Kölner Mediencoaches.
Kontakt: contact@cop-morrien.de ; www.cop-morrien.de
Dr. phil. Anke Nienkerke-Springer,
Nienkerke-Springer Training Beratung Coaching, Bergisch Gladbach. Selbstständige Managementtrainerin und Beraterin mit den Schwerpunkten: Supervision, Coaching, Konfliktmanagement, Prozessberatung und Projektmanagement, für Menschen in der Industrie, Wissenschaft, Verwaltung
und Medienbranche. Lehraufträge an verschiedenen Fachhochschulen und Universitäten im Bereich: Vermittlung von Schlüsselqualifikationen, Führungs- und Managementmethoden. Eines ihrer
Hauptziele im Coaching ist die Verwendung von unterschiedlichen Strategien und Methoden, um
eingefahrene Wahrnehmungsmuster und Handlungsabläufe zu unterbrechen sowie kreative Potenziale und Ressourcen zu wecken damit die Vielfalt der Möglichkeiten wieder sichtbar und nutzbar
wird.
Kontakt: anke@nienkerke-springer.de ; www.nienkerke-springer.de
Ursel Sickendiek
Diplom-Pädagogin 1989 bis 1993 wissenschaftliche Mitarbeiterin Universität Bielefeld. Seit 1994
wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Technischen Universität Dresden mit Lehre im Studienschwerpunkt "Beratung und psychosoziale Arbeit im Sozial- und Gesundheitswesen" im grundständigen Diplomstudiengang und im berufsbegleitenden Aufbaustudiengang. Lehraufträge zur
Beratung an den Universitäten Bielefeld, Graz, Zürich und Leipzig. Seit 1995 zahlreiche Projektberatungen und außeruniversitäre Fortbildungen für BeraterInnen.
Kontakt: urselsickendieck@t-online.de
80
Anhang
Daniel Sonderhoff
Film- und Fernsehproduzent, Vorstand Verband der Fernseh-, Film- und Videowirtschaft NRW
Kontakt: sonderhoff@t-online ; dibs-film@t-online.de
Andrea Stein
Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau im Verlagswesen. Studium der Allgemeinen und
Vergleichenden Literaturwissenschaft, Anglistik und Kommunikationswissenschaft in Essen,
Düsseldorf und North Wales
Assistenz der Geschäftsleitung West-Film Film- und Fernsehproduktionsgesellschaft mbH,
Düsseldorf
Assistentin des Prokuristen / Referentin Aus- und Weiterbildung, Laufbahnberaterin Film und
Fernsehbranche Filmstiftung Nordrhein-Westfalen GmbH
Seit April 1996: Geschäftsführerin Verein zur Förderung der Aus- und Weiterbildung in der
Medienwirtschaft e.V / AIM KoordinationsCentrum für Ausbildung in Medienberufen
Kontakt: stein@aim-mia.de
Prof. Dr. Wolfgang Wittwer
Studium der Soziologie an den Universitäten München und Bochum mit dem Schwerpunkt: Industrie- und Betriebssoziologie. Berufsbegleitend: Studium der Erwachsenenpädagogik an der Hochschule für Philosophie München und Promotionsstudium in Pädagogik an der LudwigMaximilians-Universität München. Thema der Dissertation: "Die Legitimation von Zielen in der
betrieblichen Weiterbildung". Habilitation an der Universität Bremen zum Thema "Situationsorientierte betriebliche Weiterbildung - ein Konzept zur Weiterbildung von betrieblichen Ausbildern".
Venia legendi für das Fachgebiet "Weiterbildung". Nach dem Studium mehrjährige Tätigkeit als
Weiterbildungsreferent in einem Industrieunternehmen. Danach Wechsel an die Universität der
Bundeswehr München in Neubiberg als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Pädagogik. Vertretung des Lehrstuhls für Berufs- und Wirtschaftspädagogik/Theorie der beruflichen Bildung an der Universität Oldenburg. Seit 1992 Professur für Pädagogik mit dem Schwerpunkt Berufsbildung insbesondere betriebliches Bildungswesen an der Universität Bielefeld. Trainer und
Berater für Wirtschaftsunternehmen und Bildungseinrichtungen.
Kontakt: wolfgang.wittwer@uni-bielefeld.de
81
Anhang
LITERATUR
Bamberger, Günter G. : Lösungsorientierte Beratung. Praxishandbuch, Beltz Psychologie Verlags
Union, Weinheim 2001.
Baumann, Zygmunt: Moderne und Ambivalenz. Das Ende der Eindeutigkeit, Fischer Taschenbuch
Verlag, Frankfurt am Main 1995.
Beck, Ulrich/Giddens, Anthony/Lash, Scott: Reflexive Modernisierung. Eine Kontroverse
Suhrkamp, Frankfurt am Main1996.
Beck, Ulrich: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Suhrkamp, Frankfurt am
Main 1986.
Bell, Daniel: Die nachindustrielle Gesellschaft, Campus, Frankfurt am Main 1985.
Bolles, Richard N.: Durchstarten zum Traumjob. Das Handbuch für Ein-, Um- und Aufsteiger,
Campus, Frankfurt am Main 2002.
Bourdieu, Pierre (u.a.): Das Elend der Welt. Zeugnisse und Diagnosen des alltäglichen Leidens an
der Gesellschaft, Universitätsverlag Konstanz 1997.
Dahrendorf, Ralf: Lebenschancen. Anlaufe zur sozialen und politischen Theorie, Suhrkamp,
Frankfurt am Main 1979.
Englert, Sylvia: Brasilianische Eiertänze. Wälzen Unternehmen ihr Risiko zunehmend auf die Freiberufler ab? [online], verfügbar unter:
http://www.sueddeutsche.de/index.php?url=/karriere/erfolggeld/13580&datei=index.php,
18.06.2001.
Ertelt, Joachim B./. Schulz, William E. :Handbuch Beratungskompetenz, Rosenberger Fachverlag,
Leonberg 2002.
Ertelt, Joachim B./. Schulz, William E. : Beratung in Bildung und Beruf. Ein anwendungsorientiertes Lehrbuch, Rosenberger Fachverlag, Leonberg 1997.
Film- und Fernsehwirtschaft in Deutschland 2000/2001. Beschäftigte, Wirtschaftliche Lage und
Struktur der Produktionsunternehmen, Schriftenreihe der Landesmedienanstalten, Bd. 26, VISTAS
Verlag, Berlin 2002.
Geißler, Karlheinz A./Orthey, Frank Michael: Der große Zwang zur kleinen Freiheit. Berufliche
Bildung im Modernisierungsprozess, Hirzel-Verlag, Suttgart/Leipzig 1998.
Geißler, Karlheinz A.: Vom Beten und Lernen – und wieder zurück?, in: Der berufliche Bildungsweg, Heft 12/2001, S. 12-17.
Gesterkamp, Thomas: gutesleben.de. Die neue Balance von Arbeit und Liebe, Klett-Cotta, Stuttgart
2002.
Gesterkamp, Thomas: Hauptsache Arbeit? Männer zwischen Beruf und Familie, Rowohlt, Reinbek
1996.
Hesse, Jürgen/Schrader, Hans Christian: Networking als Bewerbungs- und Karrierestrategie. Beziehungen aufbauen, pflegen und nutzen, Eichborn, Frankfurt am Main 1999.
82
Anhang
Holland, John: Exploring careers with typology: What we have learned and some new directions, in:
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Jain, K. Anil (u.a.): Im Angesicht einer >anderen<Moderne. Individualisierung und posttraditionale
Ligaturen, [online], 30 Seiten, verfügbar unter: http://www.powerxs.net/jain/pub/imangesicht.pdf, 2002.
Jain K., Anil: Jenseits der Gesellschaft? Soziologische Konzepte für das neue Jahrtausend, in: Gegenwartkunde: Gesellschaft – Wirtschaft – Politik, Vol. 51, Heft 1/2002, S. 35-49.
Keupp, Heiner (u.a.): Identitätskonstruktionen. Das Patchwork der Identitäten in der Spätmoderne,
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Keupp, Heiner/ Röhrle, Bernd; (Hrsg.): Soziale Netzwerke, Campus, Frankfurt am Main 1987.
Kühl, Stefan: Das Regenmacher-Phänomen. Widersprüche und Aberglaube im Konzept der lernenden Organisation, Campus, Frankfurt 2000, S.73.
Lyotard, Jean-Francois: Das postmoderne Wissen. Ein Bericht, Passagen Verlag, Wien, 1994.
Molitor, Andreas: Heute hier, morgen fort, in: Die ZEIT, Nr.33, 10.08. 2000.
Nestmann, Frank: Beratung, soziale Netzwerke und soziale Unterstützung, in: Beck, M./Brückner,
G./Thiel, H.-U. (Hrsg.): Psychosoziale Beratung, dgvt-Verlag, Tübingen 1991.
Nestmann, Frank: Förderung sozialer Netzwerke - eine Perspektive pädagogischer Handlungskompetenz?, in: Neue Praxis, Heft 2, 19. Jg., 1989, S. 107.123.
Nestmann, Frank: Netzwerkintervention und soziale Unterstützungsförderung – konzeptioneller
Stand und Anforderungen an die Praxis, in: Gruppendynamik und Organisationsberatung, Heft 3,
31. Jg., 2000, S. 259-276.
Nestmann, Frank: Ressourcenförderung in der Studien- und Studentenberatung. Das Dresdener
Netzwerk Studienbegleitender Hilfen, in: Nestmann, Frank/ Engel, Frank: Die Zukunft der Beratung, dgvt-Verlag, Tübingen 2002, S. 297 – 323.
Pearson, Richard E.: Beratung und soziale Netzwerke, Beltz Psychologie Verlags Union, Weinheim
1997.
Peters, Klaus/Glißmann, Wilfried: Mehr Druck durch mehr Freiheit. Die neue Autonomie in der
Arbeit und ihre paradoxen Folgen, Hamburg, VSA 2001.
Röhrle, Bernd/ Sommer, Gert/ Nestmann, Frank: Netzwerkinterventionen, dgvt-Verlag Tübingen
1998.
Schönert, Matthias/Werner Willms: Medienwirtschaft in deutschen Großstädten. Entwicklungstendenzen und Beschäftigungspotenziale, Institut für Wirtschaftsforschung, BAW Monatsbericht, Heft
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Sennett, Richard: Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus, Siedler, 6. Auflage,
Siedler, Berlin 2000.
Sennett, Richard: Respekt im Zeitalter der Ungleichheit, Berlin Verlag, Berlin 2002.
83
Anhang
Strauss, Florian: Netzwerkarbeit. Die Netzwerkperspektive in der Praxis, in: Textor, M.(Hrsg.):
Hilfen für Familien. Ein Handbuch für psychosoziale Berufe, Fischer, Frankfurt am Main 1992.
Voß, Günther/Pongratz, Hans: Der Arbeitskraftunternehmer. Eine neue Grundform der Ware
Arbeitskraft, Kölner Zeitschrift für Soziologie 1/1998.
Willke, Gerhard: Die Zukunft unserer Arbeit, Landeszentrale für politische Bildung, Saarbrücken
1998.
84
Anhang
IMPRESSUM
Die Expertenkonferenz fand im Rahmen des Projekts „MediaCoach“ statt.
Dieses Projekt wurde mit Unterstützung der Europäischen Gemeinschaft finanziert. Der Inhalt
dieses Projekts gibt nicht notwendigerweise die Meinung der Europäischen Gemeinschaft wieder,
und die Europäische Gemeinschaft übernimmt dafür keinerlei Haftung.
Veranstalter:
AIM KoordinationsCentrum
für Ausbildung in Medienberufen
Werderstraße 1 · 50672 Köln
Tel.:
0221-650 08-50
Fax:
0221-650 08-55
E-Mail: aiminfo@aim-mia.de
Internet: www.aim-mia.de
Ansprechpartner:
Oliver Baiocco
(Projektleitung MediaCoach)
Dokumentation/
Redaktion:
Beate Preisler
(Referentin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit)
Mit besonderem Dank an:
Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen
Thematische Mitwirkung,
inhaltliche Kooperation und
organisatorische Unterstützung
Arbeitsamt Köln
Fachliche Kooperation
und Gastfreundschaft
Nationale Agentur Bildung für Europa
beim Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)
Förderung und Betreuung des Gesamtprojekts
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