Nr. 13 / März 2015 Entlastungsdienst Aargau Für Angehörige von Menschen mit einer Behinderung, chronischer Krankheit oder Demenz Info ch Beatrice Fischer mit Sina. Persönlich Inhalt Liebe Leserinnen und Leser Der Entlastungsdienst bietet mir die Möglichkeit abzuschalten 2 Welche Möglichkeiten haben Sonderschulabsolventen? 3 Es ist uns ein Anliegen, Ihnen immer wieder neue Seiten unserer Arbeit zeigen zu können und dabei die Menschen, die darin vorkommen, in den Vordergrund zu rücken. Im vorliegenden Info Nr. 13 schreibt die Vermittlerin Marianne Werner über Familie F., die ihr Leben mit ihrer behinderten Tochter Sina meistert. Nebst den täglichen Herausforderungen sind die Eltern zurzeit mit einer Frage beschäftigt: wie wird es weitergehen, wenn Sina in 2 Jahren ihre Schulzeit beenden wird und nicht mehr in die Heilpädagogische Sonderschule gehen kann? Die Vermittlerin Ingrid Byland ist der oben gestellten Frage nachgegangen. Sie hat auf verschiedenen Ebenen recherchiert um einen guten Überblick zu erhalten und Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, auch konkretere Antworten liefern zu können. Der Bericht auf Seite 3, «Welche Möglichkeiten haben Sonderschulabsolventen», kann den Anspruch auf Vollständigkeit jedoch nicht erheben. Denn immer ist die konkrete Situation einer Familie, Wohnort und finanzielle Möglichkeiten auschlaggebend und es spielt Behinderungsart und -grad eine Rolle. Es muss in jedem Fall eine individuelle Lösung gesucht werden. Im Blickpunkt: unsere Vermittlerin im Bezirk Baden Hinweis auf die Mitgliederversammlung 2015 Impressum, Adressen 4 Das vorliegende Info Nr. 13 wird das Letzte in dieser Aufmachung sein. Sie erinnern sich: im 2014 haben die Entlastungsdienste der Kantone Aargau, Bern, Zürich und der Stadt St. Gallen einen Dachverein gegründet. Dies hat ein neues, gemeinsames Erscheinungsbild zur Folge. Freuen Sie sich auf das nächste Info Nr. 14 (Erscheinung im Herbst 2015) im neuen Kleid und lassen Sie sich überraschen. Nun wünsche ich Ihnen viel Vergnügen beim Lesen und einen schönen und sonnigen Frühling. Sonja Graber, Geschäftsleiterin ed_info_13_201503_V2.indd 5 26.03.15 15:13 Der Entlastungsdienst bietet mir die Möglichkeit abzuschalten Beatrice Fischer berichtet über ihr Leben mit Sina, ihren Alltag und warum es nicht immer einfach ist, Entlastung entgegen zu nehmen. An einem sonnigen Februar Morgen habe ich mit der Familie Fischer einen Termin vereinbart. Ich treffe Beatrice Fischer mit ihrer 18 jährigen Tochter Sina und ihrer Hündin Kyma zu Hause. Bei einer Tasse Kaffee erzählt mir Beatrice aus ihrem Leben mit einer behinderten Tochter. Sina ist ein Zwillingskind, dem im Bauch ihrer Mutter Beatrice nichts zu fehlen schien. Bei den Untersuchungen stellte man aber fest, dass die zwei Hirninfarkt. Nayla hatte zu wenig Blut und kämpfte mit einer Anämie, war aber dennoch relativ stabil. Durch die epileptischen Anfälle von Sina waren die ersten 2 Lebenswochen sehr kritisch. Nach gut 2 Monaten durften die zwei Mädchen nach Hause, was den damals 2 jährigen Bruder Lukas sehr freute. In den nächsten Tagen musste Beatrice viel allein meistern. Als Pilot war Beatrice‘s Mann oft unterwegs. Der ganze Alltag änderte sich, denn Sina musste rund um die Uhr überwacht werden. Sie mussten viel ins Kinderspital Basel fahren, ebenso nach Rheinfelden in die Reha wo bereits mit der Physio therapie begonnen wurde. Seit dem ersten Tag ist Sina eine Kämpferin. Beatrice kannte damals noch keinen Entlastungsdienst. Sie war auf sich selbst gestellt, musste 3 Kinder betreuen und hatte keine Zeit, sich um Hilfe von aussen zu kümmern. Die einzige Hilfe, die sie bekam war von ihrer Mutter, die extra ihren Job aufgab und für jeweils 3 Tage pro Woche aus Bern ins Fricktal kam. Das erste was Beatrice damals als Hilfe von aussen kennen lernte war die Spitex, die nun einmal in der Woche zu ihr putzen kam. Für Beatrice war es nicht einfach zu zusehen, wie eine andere Frau den Haushalt verrichtete. Für sie war es in dieser Zeit schwer, Hilfe entgegen zu nehmen. Kleinen das Transfusionssyndrom* haben und somit den gleichen Blutkreislauf teilen. Man musste den Blutkreislauf der Kinder stationär beobachten. In der 32. Schwangerschaftswoche kam es zu einem Zwischenfall und die Kinder mussten per Notfallkaiserschnitt entbunden werden. Sina wurde zuerst geboren, 2 Minuten später kam Nayla zur Welt. Beide wurden sofort auf die Intensivstation gebracht, wo sie bis zur 42. Schwangerschaftswoche betreut wurden. Durch das Transfusionssyndrom hatte Sina zu viel Blut und erlitt einen ed_info_13_201503_V2.indd 2 Beatrice berichtet, im Laufe der Zeit sei sie durch Zufall auf den Entlastungsdienst gestossen, dem sie heute sehr dankbar ist. Sina ist inzwischen 18 Jahre alt. 2-mal pro Woche geht Sina zu einer Betreuerin und einmal in der Woche kommt eine Betreuerin zu ihnen nach Hause. Für Beatrice war es anfangs schwer, Sina fremd betreuen zu lassen. Wenn Sina heute aber 2-mal in der Woche zu einer Betreuerin fährt, kann Beatrice abschalten und ihre Seele baumeln lassen. Die beiden anderen Kinder sind inzwischen in der Lehre und dadurch auch nur noch am Abend zu Hause. Ihre Tätigkeit in der Kinderkleider Börse, das Reiten und ihre Hündin Kyma ist für sie ihr Ausgleich. Sina ist rund um die Uhr auf Hilfe angewiesen. Der Zeitaufwand mit den diversen Therapien, den vielen Arztbesuchen und den Anpassungen der Hilfsmittel ist gross. Ausser dem Entlastungsdienst macht Familie Fischer von der Stiftung Hiki Gebrauch, die es der Familie ermöglicht 15 Tage pro Jahr in die Ferien zu gehen. Von der CP Stiftung erhält Sina div. Pflegeprodukte und verschiedene Informationen. Auch Pro Infirmis hilft in gewissen Situationen. Weitere Unterstützung kam von der Stiftung Sternschnuppe, die bei der Finanzierung der Delfintherapie geholfen hat. Seit dem 7. Lebensjahr geht Sina in die HPS in Frick und kann dort bis zu ihrem 20. Geburtstag bleiben. Eine passende Anschlusslösung zu finden ist nicht einfach. Natürlich möchte man das Beste für sein Kind. Doch was ist das Beste? Die Eltern von Sina wünschten sich eine Institution, in welcher Sina ein paar Tage, im Wechsel mit zu Hause, stationär betreut und beschäftigt wird. In nächster Zeit werden sie gemeinsam eine Institution besichtigen. Marianne Werner Links zu den erwähnten Stiftungen: Hiki: www.hiki.ch CP Stiftung: www.cerebral.ch Sternschnuppe:www.sternschnuppe.ch/ herzenswuensche *) Das Fetofetale Transfusionssyndrom (abgekürzt FFTS, Synonym Zwillings-Syndrom; englisch twin-to-twin transfusion syndrome, abgekürzt TTTS) ist eine vergleichsweise seltene, aber in ihren Auswirkungen in der Regel sehr schwerwiegende Durchblutungs- und Ernährungsstörung von eineiigen Zwillingen. Sie tritt speziell bei Schwangerschaften mit eineiigen Zwillingen auf, die sich einen Mutterkuchen (Plazenta) teilen (monochoriale Zwillingsschwangerschaft) Grundlage für dieses Syndrom sind Verbindungen der kindlichen Blutkreisläufe über Gefäßverbindungen auf der Plazenta (siehe Anastomosen), durch die es zu einem Ungleichgewicht des Blutaustausches zwischen den ungeborenen Kindern kommt. Quelle: Wikipedia 26.03.15 15:13 Welche Möglichkeiten haben Sonderschulabsolventen? Einstieg ins Berufsleben? Im zweitletzten Schuljahr setzen sich Jugendliche, Eltern und Schule mit der Berufswahl auseinander. Fragen wie: «Welche Tätigkeiten interessieren mich? Wo sind meine Stärken? Welche Möglichkeiten habe ich? …» In der Heilpädagogischen Sonderschule (HPS) ist das nicht anders. Schulleitung, Lehrer, Eltern und Heranwachsende setzen sich mit der IV-Berufsberatung an einen Tisch. Ist der Schüler schon bereit für eine Ausbildung oder braucht es zur Berufsvorbereitung 1–2 Jahre Werkstufe*? Nach ersten Abklärungen schnuppern die angehenden Lehrlinge in verschiedenen Betrieben um das für sie Passende zu finden. Der 17jährige Jugendliche absolviert eine seinen Fähigkeiten entsprechende 1jährige IV-Anlehre oder eine praktische Ausbildung nach INSOS (Nationaler Branchenverband der Institutionen für Menschen mit Behinderung) – beides wird mittels «Verfügung für berufliche Massnahmen» von der IV finanziell unterstützt. Erkennt man beim Lehrling im 1. Lehrjahr weiteres Potential für den freien Arbeitsmarkt, bewilligt die IV ein weiteres Lehrjahr. Nach erfolgreichem Abschluss der Lehre haben die jungen Arbeitnehmer eine grosse und wichtige Herausforderung geschafft. Wie alle Jugendlichen möchten sie auf eigenen Beinen stehen. In einer 2–3jährigen Wohnschule lernt der junge Erwachsene ein seinen Möglichkeiten entsprechendes, selbstständiges und selbstbestimmtes Leben zu führen. Jeder Schulabgänger soll einen seinen Fähigkeiten entsprechenden Arbeitsplatz haben. Reicht es aufgrund der Behinderung nicht für eine Lehrstelle im freien Arbeitsmarkt, findet der 18-Jährige in einer geschützten Werkstatt eine passende Tätigkeit. Diese wird nicht von der IV-Berufsberatung vermittelt oder finanziell unterstützt. Die Jugendlichen und ihre Familie besprechen mit der Schulleitung und der Pro Infirmis zusammen, welche Tätigkeit aus den vielfältigen Arbeitsgebieten Freude bereitet und geeignet ist. Für seine Arbeit erhält der junge Erwachsene einen Lohn. Braucht der zukünftige Schulabgänger mehr Betreuung aufgrund seiner kognitiven und physischen Beeinträchtigung, ermöglicht ein Tagesplatz im Werk-/ Kreativ-Atelier mit seinem breitgefächerten Angebot eine befriedigende und sinnvolle Tätigkeit. Eine geregelte Tagesstruktur, etwas herstellen zu können, das verkauft wird, nützlich sein – fördert das Selbstbewusstsein, bringt Wertschätzung und Anerkennung. Die Schulleitung und Pro Infirmis unterstützen die Jugendlichen und Eltern bei der Wahl der geeigneten Institution. Zu diesem komplexen Thema, das sich im Wandel befindet, versuchte ich das Wichtigste kurz und verständlich aufzuschreiben. Ich empfehle allen Jugendlichen und Angehörigen sich aktiv und offen für Neues, an alle ihnen zur Verfügung stehenden Institutionen zu wenden. Nur so kann individuell die beste Lösung für den jungen Erwachsenen erarbeitet werden. 2–3 Jahre Wohnschule 1. Lehrjahr Heilpädagogische Sonderschule (HPS) 2. Lehrjahr 1–2 Jahre Werkstufe Geschützte Werkstatt Werk-/Kreativatelier Mit der bevorstehenden Volljährigkeit kommt es zu weiteren Veränderungen. •Anmeldung für eine IV-Rente. •Braucht es einen Beistand und in welcher Form? •Teilbetreutes oder betreutes Wohnen? Weiterhin bei der Familie? •Wie sieht die finanzielle und sozialversicherungsrechtliche Situation aus? Diese und andere Themen müssen frühzeitig (mit 17 Jahren) besprochen und in die Wege geleitet werden. Pro Infirmis ist mit ihrer langjährigen Erfahrung gerne behilflich. *Neu ab August 2015: Heilpädagogisches Zentrum für Werkstufe und Berufsvorbereitung – HZWB in Othmarsingen Allen Schulabgängern und ihren Familien wünsche ich Mut, Neugierde und Freude zu einer selbstbestimmten Zukunft. Herzlichen Dank für die freundliche Unterstützung an Frau Bärtschi, HPS, Wettingen, an Herrn Steggerda und Herrn Portale, Pro Infirmis, Aarau. Einige weiterführende Links: •www.proinfirmis.ch •insieme.ch/leben-im-alltag/berufsbildung •www.ag.ch f Departement Bildung, Kultur und Sport f Sonderschulen & Behindertenbetreuung f Einrichtungen f Einrichtungen mit Anerkennung Die Auflistung ist nicht vollständig. Ingrid Byland ed_info_13_201503_V2.indd 3 26.03.15 15:13 Im Blickpunkt: Unsere Vermittlerinnen Unsere Vermittlerin im Bezirk Baden: Irene Hespelt Bezirke Aarau, Lenzburg Annina Clemen-Keller, 062 534 63 92 Seit wann arbeitest Du für den ED und wie bist Du dazu gekommen? Im Jahre 2003 nahm ich den Erstkontakt mit dem Entlastungsdienst Aargau auf. Pro Infirmis machte mich auf diesen Verein aufmerksam. Ich begann als Betreuerin und durfte schon bald ein Baby mit Down Syndrom annehmen, das ich über 10 Jahre hinweg bei mir zu Hause in meiner Familie betreute. Was macht Dir dabei besonders Freude? Seit 2004 arbeite ich als Vermittlerin. Dabei habe ich täglich Kontakt mit den verschiedensten Personen, Familien, Sozialstellen und meinen Betreuer/innen, was mir grosse Freude bereitet. Die Herausforderungen und die Vielseitigkeit verschafft mir, auch mit über 10 Jahren Berufserfahrung, immer noch viel Zufriedenheit. Was hast Du bis jetzt bei Deiner Arbeit als Vermittlerin gelernt? Ich hätte in keiner Ausbildung so viel gelernt wie in meiner Tätigkeit als Vermittlerin. Es ist die beste Lebensschule. Oft begegne ich schwierigen und komplexen Situationen, für die individuelle Lösungen gefunden werden müssen. Verständnis, Einfühlungsvermögen und eine klare Kommunikation zu besitzen ist für die Aufgabe der Vermittlerin sehr wichtig. Die Erlebnisse, die ich als Vermittlerin gemacht habe, sind so vielseitig und manchmal ungewöhnlich, dass ich gerne ein Buch darüber schreiben würde. Gibt es auch Schattenseiten? Ich befasse mich vorallem mit den Sonnenseiten. Natürlich gibt es auch Schattenseiten, aber darauf möchte ich nicht allzu gross eingehen. Kurz erwähnen möchte ich die enorme persönliche Präsenz und den grossen Einsatz – diese können manchmal Schattenseiten sein. Was hilft Dir, wieder Energie zu tanken? Durch die täglichen Spaziergänge mit meinen (rumänischen) Hunden in der Natur kann ich herunterfahren, viel Ener gie tanken und die seelische Balance finden. Oft finde ich Lösungen auf diesen Spaziergängen z.B welche Betreuungsperson zu welcher Familie passen könnte. Wie sieht die Vernetzung und die Zusammenarbeit mit anderen Diensten/ Institutionen in Deinem Bezirk aus? Vor meiner Zeit als Vermittlerin war ich im Bezirk Baden durch meine Arbeit bereits schon vernetzt. In den letzten Jahren konnte ich die Vernetzung mit den Sozialdiensten und Institutionen weiter aufbauen. Die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Personen ist sehr gut und der Entlastungsdienst wird sehr geschätzt. Mitgliederversammlung 2015 Bezirk Baden Irene Hespelt, 056 470 25 41 Bezirke Bremgarten, Muri Christine Meier, 056 610 60 40 Bezirk Brugg Ingrid Byland, 056 443 26 33 Bezirke Laufenburg, Rheinfelden, Zurzach Marianne Werner, 062 871 36 76 Bezirke Kulm, Zofingen Nelly Neuschwander, 062 721 30 71 E-Mail-Adressen der Vermittlerinnen: vorname.nachname@entlastungsdienst-ag.ch Ihr Beitrag Mit Ihrem Mitgliederbeitrag oder Ihrer Spende helfen Sie mit, dass Entlastung für betreuende Angehörige weiterhin möglich sein wird. Herzlichen Dank! Spenden-Konto: PC 50- 16983-6 Impressum Texte Marianne Werner Ingrid Byland Irene Hespelt Sonja Graber Redaktion Marianne Werner Ingrid Byland Sonja Graber Gestaltung PW-Grafics, Oberentfelden Fotos Marianne Werner Sonja Graber Der Vorstand hat die Mitgliederversammlung wie folgt festgelegt: Mittwoch, 27. Mai 2015 in der Stiftung für Behinderte Oberentfelden Alte Luzernstrasse 3, 5036 Oberentfelden 18.00–18.15 Uhr 18.15–19.00 Uhr 19.00–19.30 Uhr 19.30–20.30 Uhr ed_info_13_201503_V2.indd 4 Conrad Lüthi, Geschäftsführer der Stiftung für Behinderte, stellt seine Institution vor Mitgliederversammlung Vortrag «Alterspolitik im Kanton Aargau – der Entlastungsdienst Aargau gestaltet sie mit» von Diana Müller-Schramek, lic.phil. Leiterin Fachstelle Alter, Kanton Aargau, Departement Gesundheit und Soziales Apéro und Ehrung der Jubilarinnen Druck Brogle Druck AG, Gipf-Oberfrick Entlastungsdienst Aargau Rain 6 5001 Aarau Telefon 062 837 50 20 www.entlastungsdienst-ag.ch 26.03.15 15:13
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