1 Hamburger Diskurs Regionalgruppe HH/S-H 44. Ausgabe: März 2015 Freihandelsabkommen ..... “Regulatorischer Mechanismus“ gefährdet unsere Demokratie! In einem Interview mit dem Hamburger Diskurs äußert sich Altbürgermeister Ortwin Runde zu den Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) und CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement”. CETA ist, wie die zuständige EU-Handelskommissarin Malmström vor einer Woche in Berlin mitteilte, „ausverhandelt“. Jetzt würde der Text rechtlich geprüft und übersetzt. Danach könne das Abkommen von den zuständigen Gremien verabschiedet werden. Diskurs: Warum schließen wir nicht mit den Entwicklungsländern, den Fortsetzung S. 2 www.forum-dl21.de Kein Kurswechsel der SPD! Dietrich Lemke S. 2 So nicht! Nachverhandeln! Beschluss der Regionalgruppe S. 5 en ISDS verfassungswidrig? Michael Seide m m S 6 S. 7 bk o Wer gewinnt, wer verliert? ta d t Verbraucherschutz ausbauen Manfred Körner............ S. 8 rs Impressum: sa Ortwin Runde: Es gibt ja eine ganze Reihe von Gutachten und Prognosen, die allerdings auch zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Orientiert man sich an dem jüngsten Gutachten der Bertelsmann-Stiftung zu TTIP, dann können wir in Deutschland auf längere Sicht mit einem geradezu zu vernachlässigendem Anstieg der Arbeitsplätze um ein halbes Prozent rechnen, die Reallöhne werden von den Gutachten auch nur mit einem Plus von 2,2 % prognostiziert. Regulatorische Mechanismen Interview mit Ortwin Runde S. 1 Ku ltu Gewinne. Nun hören wir, dass eine Veränderung der Warenströme aber auch Verlierer zurücklässt. Wer wären die Gewinner und wer die Verlierer von TTIP und CETA? Inhalt el Altbürgermeister Ortwin Runde nd Diskurs: Wer ein Handelsabkommen mit einem anderen vereinbart, er- Veränderungen anderer ökonomischer Faktoren, wie beispielsweise Währungsrelationen, haben da einen sehr viel stärkeren Stellenwert. Interessanter klingt die prognostizierte Umlenkung der Handelsströme. Die USA sollen mit einem Zuwachs der Handelsströme aus Deutschland um 98% profitieren. Der Innereuropäische Handel soll sich im Gegenzug im Schnitt um 30% veringern. Eine entsprechende innereuropäische Diskussion vermisse ich bisher. v.i.S.d.P.: Dietrich Lemke ha Ortwin Runde: Man darf nicht vergessen, dass die Mehrheiten auf der europäischen Ebene immer noch konservativ-neoliberal sind und entsprechend der Apparat. Deshalb machen die USA, Brüssel, insbesondere aber auch Bundeskanzlerin Merkel Druck, um die Abkommen schnellstmöglich unter Dach und Fach zu bringen. Wenn es Frau Malmström gelänge, den Verträgen den Status von „gemischten Abkommen“ zu verweigern, müssten nicht einmal alle 28 EU-Staaten den Abkommen zustimmen. Die Verträge könnten dann schnell durchgewunken werden, und die aufkeimende kritische Diskussion hätte ein Ende. Wenn die Rechtsprüfung aber ergeben sollte, dass es sich doch um „gemischte Abkommen“ handelt, dann gebe es erstmalig Zeit für eine transparente, breite öffentliche Diskussion. wartet für sich eine Verbesserung der Situation durch mehr Warenaustausch, mehr Wachstum, mehr Arbeitsplätze, höhere Löhne, höhere Fr ei Diskurs: Um mit einer provozierenden Frage zu beginnen: Es hat schon viele Verhandlungen über Freihandelsabkommen gegeben, die nicht zum Erfolg geführt haben. So hat das Europäische Parlament beispielsweise das Anti-Counterfeiting Trade Agreement, kurz ACTA (Anti-Produktpiraterie-Handelsabkommen) nach breiten internationalen Protesten abgelehnt. Auch das Multilaterale Abkommen über Investitionen (MAI) scheiterte insbesondere am Widerstand Frankreichs. Welche Chancen räumst du den diskutierten Abkommen TTIP und CETA noch ein? Internationales Handelsgericht BRICS-Staaten, insbesondere mit der Russischen Föderation Freihandelsabkommen? Ortwin Runde: Es gibt ja bereits mit einer ganzen Reihe von Ländern Abkommen, und auch im Rahmen der WTO gibt es seit 2012 Vereinbarungen. Aber du hast Recht: Am Ende brauchen wir faire Handelsvereinbarungen für den Welthandel, wie sie im Rahmen der WTO auch immer wieder angestrebt worden sind. Diskurs: Die Türkei hat vor ein paar Tagen gegen die transatlantischen Handelsabkommen protestiert und angedroht, die Zollunion mit der EU zu verlassen. Ist Erdogan zu aufgeregt? Ortwin Runde: Die Türkei fürchtet, dass die USA - aufgrund der Zollunion zwischen der Türkei und der EU - in der Türkei einen neuen Absatzmarkt bekommt, ohne dass die Türkei mit ihren Produkten einen entsprechenden Absatzmarkt in den USA bekommt. Die Bertelsmann-Stiftung rechnet deshalb mit einem Verlust von rund 95.000 Arbeitsplätzen in der Türkei. Dieser Umstand zeigt deutlich die Nachteile bilateraler Abkommen, die immer auch in der Gefahr sind, Dritte auszugrenzen und deren Interessen nicht mit abzuwägen. Diskurs: Die größten Bedenken bezüglich der Abkommen betreffen den so genannten Investorenschutz. Danach können Unternehmen Staaten vor privaten Schiedsgerichten verklagen, wenn sie sich benachteiligt fühlen. Auf dem Konvent im September letzten Jahres hat unsere Partei beschlossen, private Schiedsgerichte kategorisch abzulehnen. Inzwischen hat man im beabsichtigten Abkommen mit Kanada festgelegt, dass die privaten Schiedsgerichte nur qualifiziertes Personal einstellen, mehr Transparenz herstellen und auch eine Revisionsinstanz einrichten sollen. Vor diesem Hintergrund wird von Kritikern der Abkommen befürchtet, dass die SPD ihren Widerstand gegen die Schiedsgerichte aufgeben könnte. Ist an der Befürchtung etwas dran? Ortwin Runde: Für einen Rechtsstaat wie die Bundesrepublik sind private Schiedsgerichte für internationale 2 Handelskonflikte – wie auch immer sie verfasst sind – inakzeptabel. Darauf hat die Grundwertekommission in dankenswerter Klarheit hingewiesen. men beschlossen worden. Darauf haben sich die 160 Mitglieder der WTO geeinigt. Warum reicht dieses Abkommen den USA und der EU nicht aus? Diskurs: Thomas Oppermann und Dirk Wiese haben auf dem Kongress zum Freihandelsabkommen die Einrichtung eines internationalen Handelsgerichtshofs ins Gespräch gebracht. Ist das eine gute Idee? Ortwin Runde: Das Bali-Abkommen wurde von den Staaten akzeptiert, weil nach sehr langen zähen Verhandlungen darauf geachtet worden war, Vor- und Nachteile für die einzelnen Länder in ein einigermaßen ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Mit den transatlantischen Abkommen wird versucht, bilaterale Standards zu setzen, um privilegierte Handesbeziehungen zu ermöglichen. Dies beinhaltet immer auch die Gefahr des Ausschlusses von anderen Akteuren auf den Märkten. Eine offene weltweite Kommunikation über Regelwerke für globalisierten Handel ist dem immer vorzuziehen. Die nötigen wertorientierten Prinzipien dazu hat die Grundwertekommission vorgeschlagen (siehe Kasten S.5). Ortwin Runde: Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Es könnte allerdings nicht der EUGH sein, weil die USA diesem u.U. Parteilichkeit vorwerfen würden. Das Beste wäre ein Internationaler Handelsgerichtshof angebunden bei der WTO. Diskurs: Kritik an den Abkommen gibt es ja nicht nur in Europa. Die USamerikanische Senatorin Elizabeth Warren, die sich für eine stärkere Aufsicht und Kontrolle der Wallstreet einsetzt, fürchtet, die Finanzmarktregulierungen der USA könnten durch die Handelsabkommen unter Druck geraten, und der Gesetzgeber in den USA könnte bei seiner Steuer- und Finanzgesetzgebung noch zurückhaltender agieren als bisher, um Klagen von Finanzkonzernen gegen den amerikanischen Staat von vornherein aus dem Weg zu gehen. Ist diese Befürchtung nicht überzogen? Ortwin Runde: Nein, ich halte die Befürchtung für sehr berechtigt. Positiv finde ich, dass sich nun auch in den USA eine vertiefte Diskussion über das Verhältnis global agierender Unternehmen zu den demokratisch verfassten und legitimierten Staaten geführt wird. CETA enthält lange Kapitel zum Thema Finanzmärkte, und weil es bisher für die Staaten schon unmöglich war, den Finanzsektor zu regulieren, wird es dann noch schwerer, weil bei jeder Maßnahme der Staaten und seiner zuständigen Behörden befürchtet werden muss, dass ein privates Schiedsgericht den handelnden Staat zur Kasse bittet mit dem Vorwurf, dem jeweiligen Finanzinstitut seien wegen regulatorischer Maßnahmen Nachteile entstanden. Diskurs: Vor zwei Jahren ist ein weltweites Abkommen im Rahmen der WTO, das so genannte Bali-Abkomwww.forum-dl21.de Diskurs: In den Entwürfen der Abkommen ist von der Einrichtung sogenannter „Regulatorischer Mechanismen“ die Rede. Dadurch soll bewirkt werden, dass die Stakeholder von Anfang an in die Gesetzgebung der Handelspartner einbezogen werden. Läuft das auf die „Idealvorstellung“ einer marktkonformen Demokratie hinaus? Ortwin Runde: Wir sprechen viel über die privaten Schiedsgerichte und ihre Gefahren für unsere Vorstellungen von Rechtsstaatlichkeit und ihre Auswirkungen auf unsere Demokratie. Diese Probleme verschärfen sich noch einmal auf der Ebene der Einrichtung der „regulatorischen Mechanismen.“ Danach soll den Konzernen bereits im Vorfeld der Verabschiedung von Gesetzen die Möglichkeit gegeben werden, Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess und die Gesetzgebungsvorhaben zu nehmen. Daraus ergibt sich die Frage, welche Gestaltungsmöglichkeiten den demokratisch legitimierten Staaten in der sich weiter globalisierenden Wirtschaft selbst noch verbleiben. Bisherige Erfahrungen mit fehlender Transparenz und einer fehlenden Beteiligung der breiten Öffentlichkeit stimmen mich nicht optimistisch. Hier ist unsere Partei gefordert, sehr deutlich Position zu beziehen. #### Beschlusstreue 3 TTIP/CETA/TISA - Kein Kurswechsel der SPD! Der Kongress zum Freihandelsabkommen in Berlin am 23. Februar 2015 kam für viele Genossinnen und Genossen unerwartet. Gerade einmal fünf Monate zuvor hatte die SPD auf einem Konvent am 20. September 2014 in einem Beschluss „Erwartungen an die transatlantischen Freihandelsgespräche“ formuliert: • “Hohe Standards bei Arbeitnehmerrechten, Verbraucher- und Umweltschutz, der Daseinsvorsorge sowie für hohe demokratische und rechtsstaatliche Standards... • In jedem Fall sind Investor-StaatSchiedsverfahren und unklare Definitionen von Rechtsbegriffen, wie „Faire und Gerechte Behandlung“ oder „indirekte Enteignung“ abzulehnen... und • Die Fähigkeit von Parlamenten und Regierungen, Gesetze und Regeln zum Schutz und im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu erlassen, darf auch nicht durch die Schaffung eines „Regulierungsrates“ im Kontext regulatorischer Kooperation erschwert werden.“ Soweit so klar! Im Übrigen sollte der weitere Verhandlungsprozess intensiv begleitet werden, um die Meinungsbildung innerhalb der SPD weiter voranzubringen „mit fortlaufenden Berichten über den Stand der Verhandlungen sowie geeigneten Formaten für eine innerparteiliche, sachorientierte, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel politische Debatte.“ Der Kongress in Berlin war für diesen innerparteilichen Diskussionsprozess eher kein geeigneter Einstieg, denn es lagen keine neuen Fakten oder Informationen über die Verträge oder den Verhandlungsstand vor. Die TTIP-Vertragstexte sind immer noch nicht veröffentlicht, und den 1600 Seiten umfassenden CETA-Text gibt es bisher immer noch ausschließlich in englischer Sprache. Keine gute Grundlage für die angekündigte basisnahe Diskussion! Daraus lässt sich die Befürchtung ableiten, mit dem Berliner Das „Panel“ in Berlin mit Sigmar und Frau Cecilia Malmström Kongress solle eine Kurskorrektur des spruchsvoller sein würden als die zwiKonventbeschlusses in Sachen Freihan- schen den USA und uns, glaube vermutdelsabkommen eingeleitet werden. lich niemand. Der Abbau tarifärer und Diese Befürchtungen konnten durch nicht-tarifärer Handelshemmnisse sei die Rede unseres Vorsitzenden und sei- gerade für mittelständische Unternehne weiteren Einlassungen am 23.2.15 in men besonders wichtig. Berlin nicht überzeugend ausgeräumt Die genannten Vorteile – so Sigmar werden: - setzten aber voraus, dass die AbkomIn seinem Eingangsstatement stellte men den Primat der Politik über die Sigmar fest, wir bräuchten eine Diskus- Märkte nicht aufheben. Ein Abkommen, sion auf der Basis von Fakten und nicht das die Marktkonformität der Demoauf der Basis von diffusen Vermutungen; kratie voraussetzen würde, wäre mit TTIP sei eine Debatte über ein Handels- unserem europäischen und deutschen abkommen von großer Bedeutung, weil Verfassungsverständnis nicht vereinbar. es mehr sein werde, als ein normales Han- Freihandelsabkommen dürften also wedelsabkommen. Es werde keinen Angriff der bestehende Gesetze zum Schutz der auf existierende Regeln oder Gesetze Verbraucher, der Umwelt, der Kultur änim europäischen Raum oder in Kanada dern oder unter Rechtfertigungsdruck geben, das heiße aber nicht, „dass un- bringen, noch dürfen sie das Recht gesere Gesetzgebung nicht indirekt durch wählter Parlamente oder Gremien komdieses Freihandelsabkommen unter munaler Selbstverwaltung in irgend eiDruck geraten könne.“ Das Ziel sei nicht, ner Weise einschränken. „Ein modernes demokratische Regulierung zu verhin- Handelsabkommen, dass die Welthandern... Wir wollen die Standards für Ver- delsarchitektur bestimmen soll, darf z.B braucherschutz, Umweltschutz und Ar- nicht Deregulierung zum bestimmenbeitnehmerrechte selbst festlegen, aber den Prinzip machen.“ Denn das „right to „dazu seien wir angewiesen auf Partner.“ regulate,“ das in der Demokratie frei geTTIP solle im Zeitalter der ökonomischen wählten Parlamenten vorbehalten sei, Globalisierung ein neues Kapitel globa- dürfe weder durch scheinbar technische ler Handelspolitik aufschlagen. Es ginge Gremien wie den „Rat für regulatorische um ein transatlantisches Vorbild für eine Kooperation“ noch durch Schiedsgeglobale Handelsarchitektur, denn das richte unterlaufen werden. Stoppen der Verhandlungen auf der EbeNach diesen Aussagen unseres Vorne der WTO zeige, dass dort einstweilen sitzenden ließ sich noch nicht erkennen, jedenfalls nicht zu erwarten ist, dass dort ob unsere Parteispitze sich von der LiStandards für den Welthandel entwi- nie des Konvents entfernen will. Stutzig ckelt werden. Dass Abkommen zwischen machte dann aber ein weiterer Werbeden Vereinigten Staaten und China an- block für TTIP: Sigmar bemühte gar ein www.forum-dl21.de Problem der Bilateralen Abkommen 4 Diktum eines Bischofs von Hildesheim, der als Ziel der Globalisierung verkündet habe: Gerechtigkeit für alle und nicht Reichtum für wenige! Ja, wer wollte da nicht zustimmen! Bedauerlicher Weise aber enthalten die 1600 Seiten von CETA nicht eine einzige Zeile, die auf Schiedsgerichten eingesetzt, also nicht für deren komplette Streichung, sondern für einen anderen Weg. Wir wollen klarstellen, dass amerikanischen Investoren keine größeren Rechte eingeräumt werden als europäischen Investoren.“ Genosse Gabriel nannte dann auch Details, wie die Schiedsgerichtsbarkeit aussehen soll: 1.Wir wollen, dass ein eigenes CETA Schiedsgericht mit qualifizierten Richtern, Berufsrichtern oder qualifizierten Wissenschaftlern gebildet wird, 2.deren Verfahren öffentlich sein mögen. 3.Wir wollen, dass Entscheidungen des Schiedsgerichts überprüft werden können, und dass Entscheidungen Frau Cecilia Malmström nationaler Gerichte nicht in Schiedswill nicht nachverhandeln verfahren aufgehoben werden können. dieses Ziel ausgerichtet ist. Warum also 4. Investoren müssen sich entweder für das übertriebene Werben für CETA und das Schiedsverfahren oder den natiTTIP, in dem sogar eine Offenheit für den onalen Rechtsweg entscheiden. Beitritt von Schwellenländern in das at lantische Bündnis angedeutet wird mit Gelingen müsse es, so führte Sigmar der Option einer späteren Erweiterung Gabriel weiter aus, die Schiedsverfahren von Russland? Wo also ist der Haken? Sigmar verweist an dieser Stelle seiner Rede, also nach dem Werbeblock, auf den kritischen Punkt der Abkommen: Das InvestorStaat-Schiedsverfahren! „Ich halte diese ISDS-Verfahren (Investor-State-DisputeSettlement), wie wir sie kennen aus der Vergangenheit, für überhaupt nicht in die Zukunft übertragbar.“ Bei der Mandatserteilung durch die damalige Bundesregierung (CDU/FDP) habe sie eine Protokollnotiz abgegeben, bei der sie erklärt habe, dass sie der Meinung sei, dass zwischen etablierten Rechtssystemen wie den USA und Europa eigentlich Thomas Oppermann will gar keine besonderen Schiedsverfahren erforderlich seien. Wenn man allerdings Internationalen Handelsgerichtshof etwas näher hinschaue, müsse man sich mit Blick auf kleine und mittelständische aus dem Eindruck herauszulösen, es gebe Unternehmen (KMU) fragen, ob das stim- hier eine Sondergerichtsbarkeit. Nein, me. Ob wir wirklich einen Mittelständler nicht um die Schiedsverfahren aus dem auf die amerikanische Gerichtsbarkeit Eindruck herauszulösen, muss es gehen, verweisen wollen. Mit Blick auf China als vielmehr darum, die private Sondermüsse man fragen, ob solche Schiedsver- gerichtsbarkeit aufzuheben. Immerhin fahren nicht doch Sinn geben, die Frage hat Sigmar aber betont, am Ende solle sei doch, wer dort Richter ist. An diesem das stehen, was „Thomas Oppermann eiWochenende hätten die sozialdemokrati- nen internationalen Handelsgerichtsschen Partei- und Regierungschefs noch hof genannt hat, das ist die Richtung in einmal ihre Haltung dazu deutlich ge- die wir gehen müssen.“ macht: „Wir haben uns für die Einführung Mit der Aufzählung (1-4) am Schluss rechtsstaatlicher Alternativen zu den der Rede von Sigmar Gabriel deutet sich www.forum-dl21.de Bernd Lange ist Mitglied im EuropaParlament und Sprecher des für die Abkommen zuständigen Ausschusses an, wohin der Zug fährt: Der Vorsitzende möchte CETA durchwinken, und es darf der Eindruck entstehen, die SPD hätte sich in den CETA-Verhandlungen am Ende durchgesetzt. Dieser Eindruck ergibt sich daraus, dass mit Ausnahme der Forderung nach einem internationalen Handelsgerichtshofs, die Sigmar nun Thomas Oppermann zugeschrieben hat, alle oben genannten Positionen bereits in dem CETA-Vertragsentwurf enthalten sind: 1. Qualifizierte Richter: CETA S.171: „Arbitrators shall have expertise or experience in public international law...“ 2. Transparenz: CETA S. 174: „Hearings shall be open to the public.“ 3. Revisionsmöglichkeit: CETA S. 453: Reviews and appeal. 4. Entscheidung über Rechtsweg: CETA S. 463: „Choice of forum“. Es bleibt die Forderung der Einrichtung eines internationalen Handelsgerichtshofs. Ja, sie geht nicht nur in die richtige Richtung, sondern würde viele der Kritikpunkte an den Schiedsgerichten im Rahmen der ICSID aufheben. Bedauerlich, dass die sozialdemokratischen Spitzen bei ihrem Treffen in Madrid, diese Forderung nicht in ihren Forderungskatalog aufgenommen haben. An diesem Punkt sollten wir unserem Bundesvorstand Mut machen, weiter zu arbeiten. Dietrich Lemke Konventbeschluss ernst nehmen 5 Grundwertekommission: Schlussfolgerungen zu TTIP Beschluss: Januar 2015 Forum DL21, Regionalgruppe Hamburg-Schleswig-Hostein beschließt: 1) Die politische Freiheit der Bürgerinnen und Bürger zur wirtschaftspolitischen Gestaltung wird durch das veränderte Verständnis von Handelshemmnissen beschränkt, denn damit greift das Abkommen in die binnenwirtschaftliche Angebotsstruktur und Ordnung ein - sowohl diesseits wie jenseits des Atlantiks. Das wäre ein Meilenstein auf dem Weg zu einer marktkonformen Demokratie, die demokratische Prozesse zur Disposition stellt. Am Abend des 23.2.2015, also am Tag des SPD-Kongresses in Berlin, hat die Regionalgruppe DL21, HH-S-H, nach Anhörung der Rede unseres Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel (per lifestream) beschlossen, sich für die konsequente Umsetzung des SPD-Konvent-Beschlusses zu TTIP einzusetzen. Der Beschluss der Regionalgruppe DL21 HH-SH lautet: 2) Sowohl der Gleichheitsgrundsatz als auch sozialdemokratische Gerechtigkeitsvorstellungen verletzen die beabsichtigten Regelungen zum Investorenschutz. Sie stellen eine Diskriminierung inländischer Bürgerinnen und Bürger dar, die in ihren Belangen anders als ausländische Investoren auf den üblichen Rechtsweg angewiesen und zudem als Steuerzahler gezwungen sind, die erheblichen Kosten verlorener Schiedsgerichts-Verfahren zu tragen. Schiedsgerichte können daher nicht privatrechtliche Einrichtungen sein, sondern müssen eine rechtsstaatliche/öffentliche Grundlage haben. 3) Ein Verstoß gegen Gerechtigkeitsprinzipien, die die prinzipielle Offenheit des Zugangs zu Ressourcen voraussetzen, ist die Exklusivität des Abkommens. Sie schließt dritte Länder, insbesondere Schwellenländer, aus und ist ein Verstoß gegen die Solidarität mit diesen Ländern. Schwellenländer haben derzeit Privilegien im Handel sowohl mit den USA als auch mit der EU. Diese drohen durch TTIP verloren zu gehen. Deshalb droht TTIP jene zu schädigen, die der Vorteile des internationalen Handels besonders bedürfen. _____________________________ Redaktion: Dietrich Lemke, Manfred Körner Michael Seide TTIP/CETA/TISA: So nicht! Nachverhandeln! I. Der Beschluss des SPD-Konvents vom 20.9.2014 zum Freihandelsabkommen bleibt verbindliche Richtschnur für alle Ebenen der Partei. Das gilt insbesondere für die Aussage zu den Schiedsgerichten („... In jedem Fall sind Investor-StaatSchiedsverfahren und unklare Definitionen von Rechtsbegriffen, wie Faire und Gerechte Behandlung“ oder „Indirekte Enteignung“ abzulehnen.“ (Ziffer 8, Parteikonvent vom 20.9.2014) II. Die Empfehlungen des zuständigen Berichterstatters des EU-Parlaments an die Europäische Kommission (Entwurf eines Berichts vom 5.2.2015) sind zu unterstützen, das betrifft insbesondere 1. die Forderung nach mehr Transparenz, d.h. Veröffentlichung aller politische relevanten Verhandlungsgrundlagen vor Beratung in den Gremien, 2. im Bereich der nicht-tarifären Handelshemmnisse Sicherung höchster Verbraucher-, Umwelt-, Sozial- und Gesundheitsstandards, 3. die Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge wie Energie-, Wasserver- und Abwasserentsorgung, Abfallentsorgung, ÖPNV, Bildung und Kultur sind nicht verhandelbar. 4. die Berücksichtigung der Interessen von Wirtschaftspartnern insbesondere in Entwicklungsländern, 5. die Übernahme der Kernübereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO – International Labour Organization), 6. Verzicht auf außergerichtliche Investor-Staatsklage-Schiedsverfahren und 7. Verzicht auf die Einrichtung eines Regulatorischen Rates und eines so genannten „Regulatorischen Mechanismus“ vor Verabschiedung von Gesetzen in der EU und den USA. III. Die Regionalgruppe hält die Positionsbestimmung der zuständigen Kommissarin Malmström – wie sie sie am 23.2.15 in Berlin geäußert hat -, dass das CETA-Abkommen ausverhandelt www.forum-dl21.de und nicht mehr veränderbar sei –, für falsch und insbesondere wegen ihrer Präzidenzwirkung auf TTIP für politisch gefährlich. Wir begrüßen, dass Sigmar Gabriel deutlich Position hinsichtlich der in Rede stehenden Schiedsgerichtsbarkeit bezogen hat, die „Schiedsgerichte der Vergangenheit seien auf heute nicht übertragbar.“ Ziel müsse ein internationaler Handelsgerichtshof sein. Dieses Ziel wird von uns geteilt. Allerdings darf dieses Ziel nicht als langfristiges Ziel verstanden werden, weil es nach einer Verabschiedung von CETA und TTIP nicht mehr durchsetzbar wäre. IV. Die Regionalgruppe setzt eine Arbeitsgruppe zum Thema TTIP ein, die den weiteren Prozess um das Freihandelsabkommen begleitet. Diese Stellungnahme wird den zuständigen Gremien der Partei und den Abgeordneten unserer Bundestags- und Bürgerschaftsfraktion zugeleitet. Die Regionalgruppe bemüht sich über die Distrikte/ Kreise/Landesparteitag um Einrichtung eines entsprechenden Arbeitskreises auf Landesebene. ... Begründung: (Auszüge): zu 1.: Die in Planung befindlichen Verträge haben völkerrechtlichen Charakter. Ohne eine öffentliche Debatte in Kenntnis aller dort vorgesehenen Verpflichtungen und ohne Verabschiedung durch die Parlamente der EU-Länder sowie durch das EU-Parlament wären die Vereinbarungen u.A. verfassungswidrig und somit nichtig. Die öffentliche Debatte in unseren Demokratien ist nicht verzichtbar. Zu 3.: Die bitteren Erfahrungen vieler Kommunen mit Cross-Border-LeasingModellen dürfen nicht unberücksichtigt bleiben, sie würden mit TTIP wieder auferstehen. Die Erfahrungen mit der Privatisierung von Wasser waren durchweg abschreckend; auch hier müssen entsprechend notwendige Schutzklauseln vorgesehen werden,... 6 Grundgesetz verteidigen Investor-Staat-Schiedsverfahren: Selbstverständlich oder verfassungswidrig? Seitdem die Öffentlichkeit immer mehr über die Verhandlungen zum Freihandelsvertrag der EU mit den USA (TTIP) und über den entsprechenden Vertrag mit Kanada (CETA) erfährt, werden die dort vereinbarten Investor-StaatSchiedsverfahren zunehmend in Frage gestellt. Die Regelungen zu diesem Schiedsverfahren sehen vor, dass ein ausländischer Investor unter Umgehung der staatlichen Gerichtsbarkeit vor einem internationalen Schiedsgericht, das nicht öffentlich verhandelt und entscheidet, den Staat wegen „indirekter Enteignung“ oder „unfairer Behandlung“ auf Schadensersatz verklagen kann. Zu der die Öffentlichkeit bewegenden Frage, ob durch eine solche Schiedsge- Michael Seide richtsbarkeit, bei der drei Anwälte aus international angesehenen Kanzleien die Funktionen des Vertreters der Kläger- und der Beklagtenseite sowie des Richters ausüben, das Recht des Staates, Gesetze zu erlassen, faktisch aushöhlt, hat das Bundeswirtschaftsministerium ein Rechtsgutachten veröffentlicht. Darin kommt der Verfasser, Dr. Stephan Schill, zu dem Ergebnis, „dass der Handlungsspielraum des Gesetzgebers ...(durch das Schiedsverfahren) ...im Vergleich zum existierenden Verfassungsund Unionsrecht kaum zusätzlichen materiell-rechtlichen Bindungen unterworfen ist“, mithin die Besorgnisse der Öffentlichkeit unbegründet sind. Dass der Verfasser Mitglied der Schlichterliste des International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID) ist, blieb in den Medienberichten unbeachtet. Andere Befürworter solcher Schiedsverfahren weisen darauf hin, dass weltweit über 3000 Vereinbarungen für Schiedsverfahren existieren; die Mitgliedstaaten der EU haben alleine 1400 solcher Verträge geschlossen, davon entfallen auf die Bundesrepublik Deutschland 134. Danach seien Investor-Staat-Schiedsverfahren seit Jahrzehnten weltweit selbstverständliche Praxis. Erstaunlich ist dann, dass die deutsche Öffentlichkeit - und wohl auch der überwiegende Teil der deutschen Politik - erst in jüngerer Zeit, nämlich durch die Klage des schwedischen Energieversorgers Vattenfall auf 4,7 Milliarden Euro Schadensersatz wegen des Atomausstiegs, von der Existenz von Investor-Staat-Schiedsvereinbarungen erfahren hat. Zur Vattenfall-Klage wurde nur bekannt, dass nicht vorsehbar sei, wann die - dann unanfechtbare Entscheidung falle, Deutschland aber schon mehrere Millionen € Anwaltskosten zu tragen hatte. In einem erst kürzlich von der HansBöckler-Stiftung veröffentlichten Gutachten begründet Prof. Siegfried Broß seine Ansicht, dass private Schiedsgerichte nicht an das Völkerrecht gebunden sind und zum „Verlust der staatlichen Souveränität und Selbstachtung“ führen. Der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht - Broß gehörte bis 2010 dem 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts an; dieser Senat hat 2009 das bekannte Urteil zum LissabonVertrag gesprochen - stellt fest, dass die Einrichtung von Schiedsgerichten „verfassungswidrig ist, denn so könnten die parlamentarische Mitwirkung und Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts unterlaufen werden“. Unter Verweis auf einen Artikel von Andreas Zielcke (Süddeutsche Zeitung) vom 14.5.2014 stellt Broß fest, dass das Heranwachsen einer Funktionselite und die Dominanz von Wettbewerb und Ökonomie über das Recht und die Menschen die Staaten in eine Schieflage gebracht hat. Auch der Jurist Heribert Prantl, www.forum-dl21.de (Süddeutsche Zeitung), sieht durch das Investor-Staat-Schiedsverfahren den demokratischen Rechtsstaat gefährdet. Weiterhin macht sich Broß folgende Aussagen zu eigen: Zweck des Abkommens ist es ja nicht, den Investor vor entschädigungsloser Enteignung zu schützen; dazu bedürfte es keines Vertrages, das versteht sich in einem Rechtsstaat von selbst. In erster Linie soll er vielmehr geschützt werden vor veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen, die den Wert seiner Anlage mindern. Das aber bedeutet, dass sich der vertragsschließende Staat seiner gesetzgeberischen Freiheit und gesellschaftlichen Verantwortung begibt - vor allem auf den besonders empfindlichen Gebieten des Arbeits-, Verabraucherund Umweltschutzes. Denn das sind die Politikbereiche, die die Profitabilität von Kapitalanlagen am ehesten tangieren. Michael Seide Auszug aus dem Positionspapier des BMBWi und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege zur Transatlantic Trade and Investment Partnership vom 23.2.2015 3. In TTIP dürfen für die Daseinsvorsorge keine zusätzlichen Marktöffnungsverpflichtungen für Deutschland übernommen werden, die über das im WTO-Dienstleistungsabkommen (GATS) von 1995 bereits verbindlich Geregelte hinausgehen. Bei Erbringung von Dienstleistungen durch ausländische Anbieter müssen die in Deutschland geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen zu Standards und Lizenzierung für soziale und Gesundheitsdienstleistungen eingehalten werden. Die TTIP-Regelungen sollen somit nicht zu Änderungen in den Rahmenbedingungen für die sozialrechtliche Leistungserbringung durch Dienste der freien Wohlfahrtspflege führen. 4) Deutschland hat im GATS für den Bildungsbereich einen Vorbehalt, der Maßnahmen für alle Bildungseinrichtungenumfasst, die gemischt oder rein öffentlich finanziert sind. Darüber hinaus wurden für rein privat finanzierte Bildungsdienstleistungen im GATS teilweise Öffnungsverpflichtungen übernommen. Diese beziehen sich z.B. auf die rein privatfinanzierte Erwachsenenbildung. Vorsorgeprinzip 7 Kein Türöffner für Gentechnik! Keine Unterordnung europäischer Umweltpolitik unter Freihandelslogik Wenn von Produkten oder Technologien Gesundheits- oder Umweltrisiken zu erwarten sind, dann werden nach dem in Europa bestehenden Vorsorgeprinzip diese Risiken vorausschauend bewertet und - wo erforderlich - durch Beschränkungen oder Verbote zum Schutz von Mensch und Umwelt verringert oder ausgeschaltet. Das im Lissabon-Vertrag verankerte Vorsorgeprinzip schreibt für den Umwelt- und Gesundheitsschutz Vorsorgemaßnahmen besonders in jenen Fällen vor, in denen noch wissenschaftliche Unsicherheit über das Risiko bestimmter Produkte oder Verfahren herrscht. Auch die Zulassung im Bereich der Gentechnik folgt in der EU dem Vorsorgeprinzip und verlangt vor dem Inverkehrbringen und der Freisetzung von genetisch veränderten Organismen (GVO) eine umfassende Risikobewertung sowie die Kennzeichnung genmanipulierter Lebens- und Futtermittel. Alle zugelassenen GVOs müssen in einem öffentlich zugänglichen Register eingetragen werden. Ganz anders ist die Situation in den USA, wo genmanipulierte Pflanzen offiziell als „im Wesentlichen gleichwertig“ („substantially equivalent“) mit ihren konventionellen Artgenossen behandelt werden. Entsprechend gibt es weder ein spezifisches GVO-Zulassungsverfahren noch eine verpflichtende Risikobewertung oder Kennzeichnung. Für den Anbau genmanipulierter Pflanzen kommt es nur fallweise zu Überprüfungen der Umweltrisiken, während die Bewertung der gesundheitlichen Risiken fast vollständig ins Belieben der Konzerne gesetzt ist. Aus amerikanischer Sicht sind Verbote und Beschränkungen beim Handel mit Gentechnik-Lebensmitteln Handelshemmnisse, da es in den USA das in Europa übliche Vorsorgedenken nicht gibt. Die US-Wirtschaftslobby versucht deshalb, diese „regulatorischen Hindernisse“ in den Handelsabkommen aufzuheben oder zumindest in punktueller Zusammenarbeit mit der europäischen Industrie aufzuweichen. Auf dem Berliner Kongress der SPD am 26.3.2015 wurde suggeriert, die in Rede stehenden Abkommensentwürfe enthielten gar keine Regelungen bezüglich gentechnisch veränderter Produkte. Da mache man sich unnötig Sorgen und ließe sich in die Irre führen. Das Gegenteil ist der Fall! Da immerhin der Vertragsentwurf zwischen der EU und Kanada, wenn auch nur in englischer Sprache, vorliegt, haben wir dort nachgelesen: Im Article X.03: Bilateral Cooperation on Biotechnology auf den Seiten 442ff. wird u.a. als gemeinsames Ziel die „Förderung effizienter wissenschaftsbasierter Zulassungsverfahren“ für vertragliche Festlegung auf ein solches Verfahren würde europäischen Parlamenten die Möglichkeit nehmen, hier gesetzgeberisch zum Schutz der Verbraucher und der Umwelt tätig zu werden. Diese Gefahr droht selbstverständlich auch durch die Vereinbarung über die Einrichtung eines Regulatorischen Mechanismus, mit dessen Hilfe Einfluss auf die Gesetzgebung auf beiden Seiten des Atlantik durch Konzerne und andere so genannte Stakeholder genommen werden soll. Keine Abstriche bei Verbraucher- und Gesundheitsschutz Zusammengefasst: Die strengen europäischen Standards sind nicht verhandelbar. Sie dürfen weder abgesenkt noch durch gegenseitige Anerkennung der unterschiedlichen Standards in den Vertragspartnerstaaten unterlaufen werden. Zudem ist eine umfassende Kennzeichnungspflicht auch für verarbeitete Produkte zwingend. Dr. Manfred Körner, BUND Gentechnik-Produkte festgelegt. Dieses „wissenschaftsbasierte Zulassungsverfahren“ steht jedoch dem europäische Vorsorgeprinzip bei den Zulassungsverfahren diametral gegenüber. In der EU ist es auch ohne den vollständig erbrachten Beweis eines Risikos möglich, Zulassungen zu untersagen oder Restriktionen vorzunehmen. Nach dem vermeintlich „wissenschaftsbasierten“ Ansatz dagegen sind derartige Auflagen erst dann gerechtfertigt, wenn bereits nachweislich ein Schaden eingetren ist. Dieser Ansatz stellt aber eine erhebliche Gefahr für Mensch und Umwelt dar, wie z.B. Erfahrungen mit dem Baustoff Asbest oder dem Pestizid DDT gezeigt haben. Zu den verschiedenen Formen der Kooperation zur Zulassung gentechnisch veränderter Produkte gehört auch die Abstimmung so genannter „low level presence“, womit das Auftreten von Spuren nicht zugelassener GVOs in Produkten gemeint ist. Die völkerrechtswww.forum-dl21.de Dr. Manfred Körner - BUND Dec. 18, 2014: Einige Demokratische Abgeordnete haben die US-Administration aufgefordert, Investorenschutz-Regeln aus größeren Freihandelsabkommen herauszunehmen. Sie warnen, damit könnten Puffer gegen zukünftige Krisen untergraben und öffentliche Unterstützung für die Abkommen gefährdet werden. ... Senatorin Elizabeth Warren, Tammy Baldwin und Edward Markey schrieben an den zuständigen Handelskommissar Michael Froman: „Die Konsequenz der Aufnahme von ISDS-Regelungen wäre, man würde unseren Regulatoren die Instrumente aus der Hand schlagen, die sie benötigen, um die nächste Krise zu verhindern.“ Auch warnten sie vor Regelungen, die den Einsatz von Kapitalkontrollen begrenzen ... Veränderte Handelsströme 8 2 Millionen neue Arbeitsplätze! Einkommenszuwächse minimal! Wer gewinnt, wer verliert? Die prognostizierten Einkommenszuwächse bleiben dagegen selbst mittelfristig überschaubar. Den höchsten Zuwachs erhoffen sich die USA mit 13,4%, Verlierer sind alle Länder außerhalb des atlantischen Bündnisses; darunter Australien mit minus 7,4% gefolgt von Argentinien mit minus von 5,6%. (s. Grafik) Auch die von der Bertelsmann-Stiftung herausgegebene Broschüre zu TTIP liest sich eher als Werbeschrift denn als Gutachten. Dennoch sind die Zahlen ernüchternd: Es gibt nicht nur Gewinner der Vereinbarung, sondern auch Verlierer! Binnenmarkt verursachten Handelsumleitung zurückzuführen. Ähnliche Effekte existieren auch für die anderen EU-Länder, wie zum Beispiel für Großbritannien. Die handelspolitische Verflechtung der EULänder untereinander sinkt also. Der Handel Deutschlands mit den BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) würde durch das umfassende Abkommen um etwa 10 Prozent relativ zum Ausgangsgleichgewicht fallen. Gegen die massive Ausweitung des transatlantischen Handels ist dies ein geringer Effekt. Der Handel der USA mit den BRICSLändern würde allerdings deutlich stärker In der Studie der Bertelsmann-Stif- zurückgehen (30 Prozent). tung werden im wesentlichen drei BeWeniger innereuropäischer Handel reiche untersucht: Veränderungen der Handelsströme, Veränderungen auf Deutschland USA + 93% dem Arbeitsmarkt und Veränderungen der „Pro-Kopf-Einkommen“. Dabei - 23% werden zwei Szenarien untersucht: Deutschland Frankreich a) Wirkungen durch den Ab- 29% bau noch vorhandener Zölle und Deutschland Italien b) eine so genannte „tiefe LiberalisieDeutschland Griechenland - 30% rung“, d.h. Einbeziehungen aller so genannter nicht tarifärer Handelshemnisse. Deutschland Spanien - 30% Die zentralen Ergebnisse werden in der Studie wie folgt zusammengefasst: Deutschland Portugal - 30% Innereuropäischer Handel sinkt! Deutschland GBR - 40% „Der Handel Deutschlands mit seinen traditionellen Handelspartnern in Europa geht im umfassenden Szenario teilweise Deutschland Russland - 7% stark zurück (zum Beispiel mit Frankreich: –23 Prozent). Dies ist auf die RückabwickDeutschland China - 12% lung der durch europäische Zollunion und Anstieg der Beschäftigung begrenzt! Folgt man dem Bertelsmann-Gutachten, zeigt sich, dass TTIP zu einem Anstieg der Beschäftigung und zu einem Rückgang der Arbeitslosigkeit in den USA, der EU und im Durchschnitt aller OECD-Staaten führt. „Im Zollszenario sind die Effekte klein; bei einer tief greifenden Liberalisierung sind sie allerdings deutlich größer. Im OECD-Durchschnitt geht die Arbeitslosenrate um etwa 0,5 Prozentpunkte zurück. Anstieg der Beschäftigung in Prozent Belgien 0,10 % Dänemark 0,50 % Deutschland 0,47 % Frankreich 0,47 % Griechenland 0,78 % Italien 0,62 % Portugal 0,85 % Schweden 0,72 % Spanien 0,78 % Türkei minus 0,42 % Zusammengefasst: • • • • 30 % weniger innereuropäischer Warenaustausch, weniger als 4 % Zuwachs des Pro-Kopf-Einkommens, weniger als 1 % Anstieg der Beschäftigung und Gefährdung demokratischer Spielregeln: Will Europa das wirklich? www.forum-dl21.de
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