FRAGEN UND ANTWORTEN ZUM FREIHANDELSABKOMMEN MIT DEN USA 1. WAS GENAU IST PARTNERSCHAFT (TTIP)? DIE TRANSATLANTISCHE HANDELS- UND INVESTITIONS- TTIP ist ein Handelsabkommen, das derzeit zwischen der Europäischen Union und den USA verhandelt wird. Durch das Abkommen sollen der Waren- und Dienstleistungsverkehr zwischen den Regionen intensiviert werden, indem Handelshemmnisse abgebaut werden. Auch Investitionen im jeweils anderen Land sollen durch entsprechende Vereinbarungen erleichtert werden. 2. UM WELCHE HANDELSHEMMNISSE GEHT ES? Die transatlantischen Handelsbeziehungen werden heute nicht durch die bei der Einfuhr zu entrichtenden Zölle am stärksten behindert, sondern durch die „Handelsbarrieren hinter den Zollgrenzen“, beispielsweise voneinander abweichende Verbraucher-, Sicherheits- oder Umweltnormen. Dies gaben 75 Prozent der auslandsaktiven Unternehmen im Rahmen der Umfrage „Going International“ des DIHK an. Derzeit müssen Hersteller, die ihre Produkte auf beiden Seiten des Atlantiks verkaufen wollen, für die Genehmigung ihrer Erzeugnisse unterschiedliche Prüfverfahren bei Normen und Standards durchlaufen und oft doppelt zahlen. So müssen in den PKW für den US-Markt etwa rote Blinker eingebaut werden. In Europa sind sie orange. Deren Funktion ist dieselbe. Doppelte Produktzulassungen führen bei der Einfuhr von Produkten in die EU laut einer Studie des niederländischen Instituts Ecorys derzeit zu Preiserhöhungen im Durchschnitt von 21,5 Prozent. Ebenso werden Produkte, die von Europa in die USA exportiert werden, ebenfalls stark verteuert. Würden gemeinsame Standards zwischen den Verhandlungspartnern vereinbart, hätte dies bestenfalls zur Folge, dass sich andere Länder ebenfalls an diesen Standards orientieren. Daher könnte TTIP eine Vorreiterrolle für die Setzung globaler Standards einnehmen. 3. WELCHE VORTEILE VERSPRECHEN SICH DIE EU UND DEUTSCHLAND VOM ABKOMMEN? Das Wirtschaftswachstum innerhalb der EU ist gering, sodass Impulse für Wachstum und Arbeitsplätze durch internationalen Handel geschaffen werden sollen. TTIP hat ein enormes wirtschaftliches Potenzial – die EU und die USA erwirtschaften gemeinsam etwa die Hälfte des globalen Bruttoinlandsprodukts. Die USA sind Deutschlands wichtigster Exportmarkt außerhalb Europas. 2014 beliefen sich die deutschen Exporte in die USA auf über 96 Mrd. Euro. Werden Handelsbarrieren wie Zölle und nichttarifäre Handelshemmnisse abgebaut, steigen einerseits die Exporte deutscher Produkte in die USA. Die o.g. Umfrage „Going International“ zeigt, dass über 60 Prozent der deutschen exportierenden Unternehmen Verhandlungen über ein Abkommen für wichtig oder sehr wichtig halten. Andererseits werden Investitionen in der EU und den USA auch für Investoren aus Drittländern attraktiver. Studien gehen davon aus, dass TTIP in Europa und Deutschland zumindest langfristig Arbeitsplätze schaffe und dadurch Wohlstand gesichert werden könne. Wie viele Arbeitsplätze durch TTIP entstehen könnten, variiert je nach Studie teilweise erheblich. Daneben soll durch TTIP ein transatlantischer Wirtschaftsraum geschaffen werden als Antwort auf regionale Abkommen zwischen den USA mit dem pazifischen Raum sowie Abkommen zwischen asiatischen Staaten. Bei diesem Argument geht es um die strategische Positionierung verschiedener Handelblöcke auf lange Sicht. Seite 1 von 3 TTIP könnte außerdem zu einem Liberalisierungsimpuls für den Welthandel führen und die stockenden multilateralen Verhandlungen auf Ebene der WTO wieder in Gang bringen. 4. SIND DIE VERHANDLUNGEN GEHEIM? Die Dokumente von Verhandlungen zu derartigen Abkommen sind gewöhnlich nicht öffentlich zugänglich. Am 9. Oktober 2014 hat der Rat der Europäischen Union beschlossen, das der EU-Kommission erteilte TTIPVerhandlungsmandat zu veröffentlichen. Während die Kommission bereits seit Anfang des vergangenen Jahres mit der Veröffentlichung von Dokumenten zum TTIP-Abkommen auf die Rufe nach mehr Information reagiert hat, hatte es im Rat bisher trotz wiederholter Aufrufe durch einige Mitgliedstaaten, dem scheidenden EU-Handelskommissar und Stakeholdern keine Mehrheit für die Veröffentlichung des Mandats gegeben. Daneben wird die europäische Öffentlichkeit durch Konsultationen eingebunden, indem sie um Meinungen und Vorschläge zu den zu bearbeiteten Themen gebeten wird. Bei den Verhandlungen zum TTIP soll den Interessen von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) nach Angaben der EU-Kommission mehr Beachtung geschenkt werden: KMU sind von Handelsbarrieren aufgrund von begrenzten menschlichen und finanziellen Ressourcen vergleichsweise stark betroffen. Im Rahmen eines TTIP-Beirates vertritt Felix Neugart, Leiter des Bereichs „Außenwirtschaftspolitik und -recht“ beim DIHK, die Interessen von KMU. Der Beirat wird von Ignacio Garcia Becero, dem Chefunterhändler der EU, geleitet. Im Abkommen ist für die Belange von KMU ein eigenes Kapitel vorgesehen. 5. WELCHE ÄNGSTE ÄUßERN EINZELNE INTERESSENSGRUPPEN? SIND DIESE BERECHTIGT? 5.1 WIRD DAS VERBRAUCHERSCHUTZNIVEAU DURCH TTIP ABGESENKT? Die EU-Kommission hat sich darauf festgelegt, dass die hohen europäischen Schutzstandards nicht zur Verhandlung stehen sollen. Es soll geprüft werden, in welchen Bereichen unterschiedliche Ansätze und Verfahren in den USA und der EU de facto zu gleichwertigen Schutzniveaus führen und ob in diesen Fällen die Verfahren gegenseitig anerkannt werden können. Die strengen Regelungen zum Schutz der europäischen Bürger, z.B. bezüglich mit Hormonen gemästeter Tiere, sollen durch ein Freihandelsabkommen nicht angegriffen werden. 5.2 WIRD TTIP DIE EINFUHR VON GENTECHNISCH VERÄNDERTEN ORGANISMEN VEREINFACHEN? Auch der Prozess zur Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) soll durch TTIP nicht verändert werden. Nach wie vor wird bei Zulassungsanträgen für neue GVO von der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit eine Sicherheitsbewertung erstellt, auf deren Grundlage dann die EU-Mitgliedstaaten der Europäischen Kommission ihre Autorisierung zur Zulassung geben oder nicht. Eine Abkürzung dieses Verfahrens durch ein bilaterales Abkommen ist nicht möglich. 5.2 IST TTIP EIN „ACTA DURCH DIE HINTERTÜR“? Geistiges Eigentum wird – wie in allen Freihandelsabkommen, die die EU verhandelt – Bestandteil des Abkommens sein. Ziel ist nicht die Aufweichung oder Harmonisierung der bestehenden Gesetze zum Schutz geistigen Eigentums. Die Verhandlungspartner wollen vielmehr bestehendes Recht zum geistigen Eigentum untersuchen und unnötige Handelshindernisse durch unterschiedliche Ansätze im Recht des geistigen Eigentums vereinfachen. 6. WIE STEHT ES UM DEN INVESTORENSCHUTZ? Investitionsschutzbestimmungen sind für Unternehmen bedeutsam: Sie sollen vor unfairer oder diskriminierender Behandlung im Vergleich zu nationalen Unternehmen sowie vor Enteignung schützen. Deutschland hat in der Vergangenheit zahlreiche Investitionsschutzabkommen vor allem mit Entwicklungsund Schwellenländern geschlossen. Auch die Vereinbarung von Schiedsgerichten ist üblich. Private Schiedsgerichtsbarkeit ist ein einfaches und effektives Mittel zur Streitbeilegung, gerade auch in der Seite 2 von 3 Handelsschiedsgerichtsbarkeit. Zwischen Ländern, die über entwickelte Rechtssysteme verfügen, ist die Verbindung von Handels- und Investitionsschutz hingegen nicht zwingend. Werden Investitionsschutzbestimmungen in das Abkommen aufgenommen, sollten bestehende Defizite der existierenden Schiedsverfahren beseitigt und ambitionierte Standards gesetzt werden. 7. GIBT ES BEREITS ERSTE ERGEBNISSE IN DEN VERHANDLUNGEN? Derzeit wurden noch keine Ergebnisse aus den Verhandlungen veröffentlicht. Während der neunten Verhandlungsrunde ging es vor allem um die regulatorische Kooperation und um Handelsregeln. Bei einzelnen Kapiteln des Abkommens wurde bereits versucht, die Gemeinsamkeiten von Textvorschlägen beider Seiten herauszuarbeiten. 8. WIE IST DER ZEITPLAN? Die Verhandlungspartner haben sich einen ambitionierten Zeitplan gesteckt. Anvisiert war ursprünglich ein Abschluss der Verhandlungen bis Ende 2014. Seit Juli 2013 haben neun Verhandlungsrunden zu TTIP stattgefunden. Die zehnte Verhandlungsrunde wird voraussichtlich vom 13. bis 17. Juli 2015 in Brüssel stattfinden. 9. WER ENTSCHEIDET AM ENDE? Sowohl das EU-Parlament als auch der Rat müssen das Abkommen annehmen. Sollte es sich um ein sog. „Gemischtes Abkommen“ handeln (welches auch die Kompetenzen der EU-Mitgliedstaaten berührt), müssen auch die nationalen Institutionen das Abkommen ratifizieren (in Deutschland: der Bundestag und der Bundesrat). Dies gilt als sehr wahrscheinlich – nicht zuletzt aus Gründen der öffentlichen Akzeptanz. Ansprechpartner: Johannes Laun, Tel.: 07131 9677-121 I johannes.laun@heilbronn.ihk.de Stand: 04.05.2015. Seite 3 von 3
© Copyright 2024