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Humboldt-Universität zu Berlin
Institut für Rehabilitationswissenschaften
Ansprechpartnerin: Dorothea Bischof, Klinische Linguistin M.A. (Promovendin)
Kontakt: dorothea.bischof@outlook.de
Wirksamkeitsuntersuchungen für Therapie- und Fördermaßnahmen
zur Lesefähigkeit von Grundschülern
Seit einiger Zeit gehen wir an der Humboldt-Universität Berlin in einem Forschungsschwerpunkt der Frage nach, mit welchen Lehr-Lernarrangements Kinder mit Schwächen im Schriftspracherwerb, die ehemals in Förderschulen unterrichtet wurden, nun auch in einer inklusiven Schule effektiv gefördert werden können.
Ein wesentliches Element bilden in diesem Zusammenhang evidenzbasierte, von Lehrkräften
zur individualisierten Unterrichtung und Förderung einzelner Kinder im Unterricht leicht einsetzbare Diagnose- und Fördermaterialien.
Für das Schreiben lernen liegen dazu bereits geeignete modularisierte diagnosegeleitete
Lernprogramme wie zum Beispiel das Würzburger orthographische Training (WorT) vor, das
speziell für den Einsatz in der Grundschule entwickelt und evaluiert wurde. Zur Unterstützung des Erwerbs von Lesekompetenzen existiert nichts Vergleichbares. Bisher vorhandene
Lesetests und Leseförderprogramme heben fast ausschließlich auf das Leseverständnis ab
und ignorieren den notwendigen Erwerb einer möglichst voll automatisierten Lesetechnik.
In der Folge einer unsicheren Lesetechnik ist das Lesen mühsam und das Leseverständnis
eingeschränkt, weshalb die Kinder aufgrund der sich einstellenden Misserfolge vielfach Strategien zum Vermeiden von Lesen entwickeln.
Da eine unsichere Lesetechnik den Kindern zwangsläufig auch in anderen Fächern außerhalb
des Leseunterrichts Schwierigkeiten bereiten wird, ist eine rechtzeitige Leseförderung für
den Lernerfolg der gesamten Schullaufbahn wichtig.
In einer Studie von österreichischen Wissenschaftlern wurde ein Zusammenhang zwischen
den frühen Leseleistungen und den späteren Rechtschreibleistungen belegt. Umso wichtiger
ist es, evaluierte Maßnahmen bei frühen Lesestörungen zu entwickeln, die auch in der Schule zur Förderung eingesetzt werden können.
In dem derzeitigen Projekt geht es darum die Wirksamkeit einer Lesetherapie bzw. einer
Lese-Rechtschreib-Förderung bei Zweitklässlern zu untersuchen. Dazu sollen die Fähigkeiten
der teilnehmenden Kinder zu Beginn und am Ende eines Förderprogramms mit unterschiedlichen Lese- und Rechtschreibtests festgestellt werden. Wenn gewünscht, werden die Ergeb-
nisse zu jedem teilnehmenden Kind umgehend an die entsprechenden Lehrkräfte und Eltern
zurückgemeldet.
Ein wichtiger Bestandteil des Projekts ist die Messung der Blickbewegungen beim Lesen von
Texten. Lesen ist neben dem Fortschreiten in der Blickrichtung auch das Verweilen zur inhaltlichen Verarbeitung des Gelesenen und das Zurückspringen im Text bei Unklarheiten. Bei
Kindern mit unterdurchschnittlichen Leseleistungen zeigen sich mehr Rücksprünge des Blickes im Text und höhere Verweilzeiten auf einzelnen Buchstaben. Die Messung der Blickbewegung ermöglicht eine sichere Diagnostik der Kinder. Darüber hinaus ist auch eine positive
Veränderung der Blickbewegungen und damit eine verbesserte Lesetechnik und Leseleistung
durch die von uns angebotenen Fördermaßnahmen zu erwarten.
Diagnostiktest, die durchgeführt werden sollen:
Um den Förderbedarf der Zweitklässler festzustellen, werden zu Beginn Diagnostiktests in
verschiedenen Bereichen durchgeführt. Auf der Basis dieser Eingangsdiagnostik werden die
individuellen Therapie- oder Fördermaßnahmen im Bereich Lesen oder Schreiben ausgewählt.
Im Einzelnen soll der Bereich der Lese- und Rechtschreibkompetenz anhand des Salzburger
Lese- und Rechtschreibtests (SLRT II) sowie des Leseverständnistests für Erst- bis Sechstklässler (ELFE 1-6) überprüft werden.
Die sprachlichen Kompetenzen werden anhand des Wortschatz- und Wortfindungstest für
6- bis 10-Jährige (WWT 6-10) überprüft, kognitive Fähigkeiten mittels des Grundintelligenztests CFT 1-R.
Die Blickbewegungen der Kinder beim Lesen können mit dem mobilen Eye-Tracking-System
der Humboldt-Universität direkt vor Ort aufgezeichnet werden.
Außerdem werden das visuelle Gedächtnis und die visuelle Analyse mittels einzelner anderer
Untertests überprüft.
Die gesamten Diagnostiktests können in Ihrer Schule durchgeführt werden.
Anschließende Therapie und Förderung:
Kinder, die eine unauffällige Lese- und Rechtschreibleistung zeigen, erhalten keine Therapie
oder Förderung. Sie bilden eine Kontrollgruppe, die zum Ende der Fördermaßnahmen nochmals abschließende Diagnostiktests durchläuft.
Kinder, die gute Fähigkeiten bei der Buchstabe-Laut-Zuordnung zeigen, aber durch sehr langsames und stockendes Lesen auffallen, erhalten eine speziell entwickelte Lesetherapie. Einige Kinder sollen hier eine sehr hochfrequente Therapie erhalten mit 5 Terminen in der Wo-
che, andere Kinder eine niedrigfrequente Therapie mit einem Termin in der Woche. Die Therapien können in Ihrer Schule stattfinden.
Den Kindern mit anderen ernsten Lernrückständen im Lesen und Rechtschreiben, können
wir eine entsprechende Förderung im Rahmen unseres Ambulatoriums (Arbeitsgemeinschaft
Lese-Rechtschreibförderung) anbieten oder wir stellen der jeweiligen Lehr- oder Förderkraft
das entsprechende Förderprogramm (WorT: Würzburger orthographisches Training oder
„Lesen lernen mit Erfolg“) inklusive einer Einführung zur Verfügung.
Auch die Kinder, die eine Therapie- oder Fördermaßnahme erhalten, nehmen am Ende an
einer Vergleichsdiagnostik teil. Die Lernfortschritte und den aktuellen Lernstand können wir
auf Wunsch gerne wieder an die entsprechenden Lehrkräfte oder Eltern rückmelden.
Übersicht Verlauf der Studie:
Eingangsdiagnostik
- Lese- und Rechtschreibkompetenzen
- Sprachliche Kompetenzen
- kognitive Fähigkeiten
- Visuelle Fähigkeiten: visuelles Gedächtnis und visuelle Analyse
- Blickbewegung beim Textlesen
Unauffällige Kinder
gutes einzelheitliches Lesen,
sehr schlechte Leistungen im
ganzheitlichen Erfassen
Therapie nach einem modellorientierten Ansatz
Abschlussdiagnostik
schwache einzelheitliche Lesefähigkeiten, Schwierigkeiten beim
Schreiben, schwache Leistungen
beim ganzheitlichen Lesen
Fördermaßnahmen mit
WorT oder „Lesen lernen
mit Erfolg“