Foliensatz - Plurale Ökonomik Hannover

Zur Krise der Ökonomie
Die Finanz- und
Staatsschuldenkrise
Helge.Peukert@uni-erfurt.de
Überblick
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1. Mangelhafter Pluralismus in der VWL
2. Werturteile
3. Antriebsfaktoren
4. Ein Kernprozess
5. Das Verschuldungsproblem
6. Die europäische Konstellation
7. Reformagenda
1. Mangelhafter Pluralismus:
Fehlanzeigen
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W. Bagehot: Vertrauen (Liquidität)
T. Veblen: Verschlagenheit und Betrug
J.M. Keynes: Spekulation und FTS
H. Minsky: Prozyklizität (Kreditbooms)
Ch. Kindleberger: Das Crash-Szenario
J.K. Galbraith: Psycho-Euphorie
W. Eucken: Knappheitsanker (I. Fisher)
Heutige Literatur
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Eatwell, J./Taylor, L. Global Finance at risk (2000)
Mandelbrot, B./Hudson, R. The (mis)behavior of
markets (2004)
Taleb, N. The black swan (2007)
Schulmeister, S. Die neue Weltwirtschaftskrise (2009)
Zeise, L. Ende der Party (2009)
Real World Economics Review (www.paecon.net)
Peukert, H. Die große Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise (5. Aufl. 2013)
Mainstream:
Der modeling approach
Solow: „The study of the economy and
economic policies through empirically
testable models“, loose fitting positivism
 Formal-mathematische ad hoc-Modelle,
ökonometrisches data mining, reproduzierbare Experimente, alles in Zahlen
 Nicht-formal: „unwissenschaftlich“
 Anspruch der Wertneutralität
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Geld: Eine soziale Konstruktion
(Felix Martin: Geld, DVA 2014)
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Locke: (Münz)Geld = Edelmetall, physikalisches Phänomen, Sache mit natürlichen Eigenschaften, Warentauschmittel
Soziale Erfindung: In welchem Maß und
wie soll Geld soziale Leben bestimmen?
Herrschaft: Emissionsrecht? Wer setzt
Knappheitsanker? Wer trägt Risiken? }
Fairness, politische Gerechtigkeit
Institutionenkenntnis
statt Datenhuberei
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„Analysis is not simply a matter of applying formulas in a logical and systematic way; it requires experience, intuition,
and good judgment … These changes
simply cannot be captured by econometric modeling or by other quantitative
techniques.“
Henry Kaufman:On money and markets
Weltbild der Ökonomen
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Invisible Hand, spontane Ordnung, Re-
putation, Selbstdisziplin durch Marktkräfte, lokales Wissen (Hayek), Effizienzmarkthypothesen, Realität:
Teufels Hand: nicht Mediokristan – Ex-tremistan,
nicht vorhersehbare fat tails
Black-Scholes, Portfoliotheorie, Value at
risk …: Gauss-Normalverteilung
25 fache Standardabweichung
nach Gauss (3fache: 99,7%)
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00000000000000001 (Power laws!)
EU-Glaube an effiziente
Märkte (nur bis 2008?)
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Keine europäische Bankenkontrolle
EZB: nur „Geldwertstabilität“
Geringes Eigenkapital ok, Derivate ok
Privatverschuldung regelt sich selbst
Reduzierter Staat: Selbstkontrolle über
Ratingagenturen, Basel II usw.
…
2. Werturteile
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Nicht nur „notwendige Tatsachen der natürlichen
Welt“ (Interessen, Ideologien), sondern auch Ethik
Demokratisch, sozial, kulturell divers,
legal (Verträge einhalten), gerecht
(Haftungsprinzip) und ökologisch
3. Antriebsfaktoren
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1. Deregulierung („Finanzinnovationen“)
2. Verindern einer Weltwirtschaftskrise
(BIP, Vermögenswertverluste)
3. Vermögensaufbau ↔ Schuldenaufbau
4. Einheitlicher Zins im Euroraum
5. Falsche Kreditvergabe (unproduktiv)
6. Steuer-Laschheitswettbewerb
Antriebsfaktoren
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7. Niedrige BIP-Wachstumsraten, unter
dem „natürlichen“ Geldzinssatz
8. Leistungsbilanzüberschüsse/defizite
und „freier“ Kapitalverkehr
9. Einkommens- und Vermögens- Polarisierung
Durchschnittliches jährliches BIP-Wachstum pro Kopf und
Jahrzehnt in den USA in konstanten Preisen 1960-2050
5,0 in Prozent
5,0
Wachstumsrate Mittel/Jahrzehnt USA
Trendlinie USA
Trendlinie EU6
4,5
4,0
3,5
3,0
4,5
4,0
3,5
2,91%
2,5
3,0
2,5
2,17% 2,26% 2,19%
2,0
2,0
1,5
1,5
1,0
0,62% 0,72% 0,53%
0,5
0,0
1960
1970
Quelle: AMECO 2012
1980
1990
2000
2010
2020
1,0
0,39% 0,28%
2030
2040
0,5
0,0
2050
Entwicklung der
Lohnstückkosten
Die Vermögensverteilung
Winnner take-all politics
(J. Hacker & P. Pierson, 2010)
Ungleichheit, Nachfrage
und Kredit
4. Ein Kernprozess:
Irrationaler Überschwang
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[HH (S) → FI (T) → U (I) → BIP +]
Veblen, Galbraith, Kindleberger, Minsky
Bonanza → neue Möglichkeiten →
Boom → Euphorie → Abweisung →
Unbehagen → Panik → Misskredit
(Depression): LEVERAGE (Verschuldung)
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Geldschöpfungsprivileg der Banken!
BESONDERHEITEN der
Geld- und Finanzmärkte
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Faulende Äpfel vs. faule Kredite
Preise ↑, Nachfrage ↑: Prozyklizität
Erwartungen = Nicht-Wissen → Herdenverhalten
Regulierungsbedarf! Weder vorherzusehen noch kontrollierbar
Wildpferde, nicht Schaukelstuhl
5. Das Verschuldungsproblem
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„All crises have involved debt that,
in one fashion or another, has become
dangerously out of scale in relation
to the underlying means of payment“
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J.K. Galbraith: A short history of financial
euphoria (1990)
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Reinigungskrise oder Superblase
Superblase statt
Reinigungskrise
Inländische Privatkredite als
%-Satz des BIP (R & R 2013)
Warum ist Verschuldung
problematisch?
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Grenze, dann Wachstumsbremse
Zinssatz > Wachstumsrate (r > g)
Gläubiger: Zugriffsansprüche auf BIP
Steigende Abhängigkeit vom „Kapital“
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Volatilität, Fragilität, Kollaps-Risiko
Schwellen-These
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Schrumpfung des Finanzsektors und der Verschuldung wesentlich
3 x 60% Schulden ist tragbar (Puffer), sollte
indirektes Ziel der Finanzmarktreformen sein
Cecchetti, S., Mohanty, M. und Zampolli, F.:
The real effects of debt (BIS, WP 352, 2011)
Der Finanzsektor ist nicht
geschrumpft worden
6. Die europäische
Konstellation
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Nicht-Reformen:
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Provisionen bei Anlageberatung
Gedeckte Leerverkäufe und CDS ok
HFH: keine Mindesthaltedauer
Basel III: 3%-Minimalismus
Megabanken: dürfen weitermachen
Keine Staateninsolvenzverordnungen
Viele Euro-Kernländer
sind stark überschuldet
Lösungen der Staatsschuldenkrise
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Transfer-Union (inklusive ESMs)
Sparmaßnahmen, Steuererhöhungen
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Zielkonflikte und wenig wirksam
Hohes Wachstum
EZB: Zinsen ↓, Inflation ↑, OMT, QE
Schuldenschnitte, Vermögensabgaben!
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+ Staats- und Bankinsolvenzen
McKinsey Global Institute: Debt and
(not much) deleveraging, 2015
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„For the most highly indebted countries,
neither growth nor austerity alone
is a plausible solution. New approaches
are needed … one-time taxes, for instance on the super rich“
Aus der Krise herauswachsen?
Eine unrealistische Strategie
EZB gießt Öl ins Feuer:
Neue Blasen
Der Ausnahmezustand
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Ultraexpansive Geldpolitik: 0-Zins, Vollzuteilung, Einlagen-Minuszins, QE
Vollversicherung zum Nulltarif (OMT)
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Heruntermanipulierte Zinsen für
Staatsanleihen (Spanien: von 7 auf 1,3%)
Bündnis EZB, Finanzgroßwirtschaft +
Politestablishment (Schattenstaat)
EZB-TINA?
Kurzfristige Alternativen
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1 Bio. € an Bürger: 3400 € p.p. oder kauft
massiv Anleihen der EIB auf
Ewiger EZB-Schuldenaufkauf bis 60% ohne
Zinsen (zero coupon perpetual bonds)
7. Reformagenda
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1. Regelbasierte/demokratische EZB
2. Schuldentilgungskonferenz
3. Vollgeldreform
4. Insolvenzen und Parallelwährungen
5. Banken-Zerschlagung (100 Mrd. €)
6. Gegen-Steuern: Vermögensabgabe,
EU: Mindeststeuersätze, GKKB, keine
Steueroasen (LuxLeaks)
Reformagenda
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7. Kerngeschäfte: Fonds, Versicherung
8. OTCs ≠ einklagbar, höhere Margins
9. 30% hartes Kerneigenkapital
10. Echtes Trennbankensystem
11. Verbote: Leerverkäufe, CDS
12. FTS, Haltedauer
13. Verbraucherschutz: Kein Zertifikateverkauf, Provisionsverbote
Zusammenfassung
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1. Mangelhafter Pluralismus in der VWL
2. Werturteile
3. Antriebsfaktoren
4. Ein Kernprozess
5. Das Verschuldungsproblem
6. Die europäische Konstellation
7. Reformagenda
ssssss
Modellregion Europa:
Postwachstumsgesellschaft
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Fairer Welthandel: gegen sozial-ökologisches Dumping
Mindeststandards (Produktion und Beschaffenheit), kein Unterbietungswettbewerb
≠ Geplante Obsoleszenz/Werbung
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Produktivitätsorientierte Lohnpolitik
Sozial-ökologische EU: Zollunion (Autarkie),
Klimazölle, Grenzausgleichsabgaben