KU N D E N S E RVI C E 0 8 0 0 / 9 3 5 8 5 3 7 D 2,20 E URO F R E I TAG , 7. N OVE M B E R 2 014 KO M M E N TA R Zippert zappt Jeder zehnte Verbraucher ist überschuldet V THEMEN Über sechs Millionen Menschen betroffen Der Mann, der Osama Bin Laden erschoss Robert „Rob“ O’Neill diente 16 Jahre in der US-Eliteeinheit Navy Seals – immer im Verborgenen. Jetzt ist er über Nacht eine bekannte Persönlichkeit. Das Wort „Star“ ist wohl nicht angebracht. Denn O’Neill ist der Mann, der am 2. Mai 2011 in Pakistan Osama Bin Laden erschoss, den Führer des Terrornetzwerks al-Qaida. Vater O’Neill plauderte das Geheimnis aus, sein Sohn will sich in einer TV-Dokumentation zu der Kommandoaktion äußern. Er hat die Navy verlassen und arbeitet jetzt als Motivationsredner. Seite 6 Bundesregierung will Milliarden investieren 25 Jahre Mauerfall JAN DAMS Der Mann vom Brocken und sein provokantes Transparent Seite 8 Sport Rennställen in der Formel 1 geht das Geld aus Seite 21 Wissen Seitensprung einfach vergessen Seite 22 D ie schwarz-rote Bundesregierung will mit einem milliardenschweren Investitionsprogramm die Wirtschaft ankurbeln und etwas für die verfallende Infrastruktur tun. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kündigte überraschend zusätzliche Investitionen in Höhe von zehn Milliarden Euro an. Das Geld soll ab dem Jahr 2016 über drei Jahre fließen. Schäuble geht bislang davon aus, dass der Bund für diese Ausgaben keine neuen Schulden machen muss. Der Bundesfinanzminister hält an seinen Planungen fest, ab 2015 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Im Umkehrschluss heißt das: Der schwarz-roten Koalition steht eine grundlegende Haushaltsstrukturdebatte bevor. Denn bei sinkenden Steuereinnahmen und zudem steigenden Investitionsausgaben muss Schäuble entweder in anderen Ressorts kürzen oder die Steuern erhöhen. Noch will der Bundesfinanzminister nicht sagen, woher das zusätzliche Geld kommen soll. „Wie wir das im Detail machen, werden wir innerhalb der Regierung besprechen“, so seine lapidare Antwort. Zugleich aber machte er deutlich, dass das Geheimnis aus seiner Sicht aus einer „strikten Ausgabendisziplin und dem Vorrang für Investitionen besteht“. Ökonomen begrüßten Schäubles Ankündigung. „Es ist richtig, dass die Politik den Spielraum nutzen will, um Investitionen zu stärken“, sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Ulrich Grillo. Auch der Arbeitgeberverband BDA und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sprachen von einem positiven Signal. Schon vor wenigen Wochen hatte Schäuble angekündigt, ein stärkeres Augenmerk auf Investitionen zu legen. Der Druck auf die Bundesregierung war erheblich. Die europäischen Partner, der Internationale Währungsfonds (IWF) und die USA fordern seit geraumer Zeit, dass Deutschland mehr für seine Konjunktur tun soll. Will Finanzminister Schäuble wie verkündet im nächsten Jahr die schwarze Null in seinem Etat schaffen, muss er knauserig sein. Die müde Konjunktur macht es ihm schwerer als vermutet. Die jüngste Steuerschätzung ergab, dass der Fiskus im kommenden Jahr 6,4 Milliarden Euro weniger in der Kasse haben wird als gedacht. Bis einschließlich 2018 sagen die Steuerschätzer dem Gesamtstaat 20,9 Milliarden Euro weniger Einnahmen voraus als bei der Prognose im Mai. Das heißt aber nicht, dass die Einnahmen wegbrechen. Sie wachsen nur nicht mehr so stark wie erwartet. Schäuble geht nun davon aus, dass die Steuereinnahmen von 641 Milliarden Euro in diesem Jahr bis 2019 auf gut 760 Milliarden Euro steigen. JUNCKER UNTER DRUCK Wenige Tage nach seiner Amtsübernahme sieht sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit Vorwürfen wegen Steuererleichterungen für Großkonzerne in Luxemburg konfrontiert. Politiker von SPD, Grünen und Linker warfen dem ehemaligen Luxemburger Ministerpräsidenten vor, das Land in seiner Amtszeit zum Standort für Steuervermeidung gemacht zu haben. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) kritisierte, wer Steuerdumping zum Geschäftsmodell erhebe, lege die Axt an die europäische Solidarität. Seite 13 Trend zur Verschuldung Die Lokführergewerkschaft GDL hat den Bogen offensichtlich überspannt und verliert deutlich an Rückhalt in der Bevölkerung. 51 Prozent der Deutschen haben inzwischen kein Verständnis mehr für die Streiks. Das ergab der aktuelle Deutschlandtrend von Infratest Dimap für die ARD-„Tagesthemen“ und die „Welt“. Und die Ablehnung dürfte in diesen Tagen sogar noch heftiger ausfallen, denn ein Teil der Umfrage wurde Anfang der Woche geführt, als das gesamte Ausmaß des Streiks noch nicht feststand. Im Oktober hatte noch eine Mehrheit von 54 Prozent Verständnis für die Streiks der GDL. Wegen des Ausstands fielen am Donnerstag zwei Drittel der Fernzüge aus. Der Ersatzfahrplan laufe weitgehend stabil, teilte die Bahn mit. Größere Einschränkungen gab es teils bei Regional- und S-Bahnen. In einigen Regionen fielen laut Bahn drei von vier Zügen aus. Der Streik soll noch bis Montagmorgen dauern. Er wird die Bahn nach eigenen Angaben rund 100 Millionen Euro kosten. Leitartikel Seite 3 und Seite 9 stefan.v.borstel@welt.de Fast jeder zehnte Verbraucher in Deutschland ist überschuldet. Das geht aus dem „Schuldneratlas 2014“ der Wirtschaftsauskunftei Creditreform hervor. Im Vergleich zum Vorjahr sei die Zahl der Betroffenen um 90.000 auf 6,7 Millionen nochmals gestiegen, heißt es in der Analyse. Während die durchschnittliche Verschuldung zurückgegangen sei, habe sich das gesamte Schuldenvolumen aus Konsumentenkrediten um eine Milliarde Euro auf 218 Milliarden Euro weiter erhöht. Die sogenannte Schuldnerquote in Deutschland habe von 9,81 Prozent auf 9,90 Prozent weiter zugelegt. Damit sei nahezu jeder Zehnte überschuldet und habe mit „nachhaltigen Zahlungsstörungen“ zu kämpfen. Bundesweite Spitzenreiter bei der Überschuldung sind Bremerhaven mit einer Quote von 20,41 Prozent sowie Pirmasens (18,34 Prozent) und Offenbach am Main (18,04 Prozent). Von den Bundesländern haben die höchsten Schuldnerquoten Bremen (13,95 Prozent) und Berlin (13,02), gefolgt von Sachsen-Anhalt (12,57). Siehe Kommentar und Seite 10 Schäuble beugt sich Forderungen nach Konjunkturprogramm. Infrastruktur soll ab 2016 verbessert werden. Weniger Steuereinnahmen als erwartet ST E FA N VO N B O R ST E L ie passt das zusammen? Die Beschäftigung in Deutschland wächst, die Löhne steigen, und die Arbeitsplätze sind so sicher wie lange nicht mehr. Gleichzeitig klettert aber auch die Verschuldung. 6,7 Millionen Deutsche sind überschuldet, nahezu jeder Zehnte, so meldet die Wirtschaftsauskunftei Creditreform, hat mit „nachhaltigen Zahlungsstörungen“ zu kämpfen, sprich: steht kurz vor der Pleite. Je besser es den Deutschen geht, so scheint es, desto mehr Geld geben sie aus – und desto mehr Schulden machen sie. Während der Bundesfinanzminister sich müht, die „schwarze Null“ zu erreichen, und 2015 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen will, macht die Bevölkerung das Gegenteil und stürzt sich in den Konsumrausch – und die roten Zahlen. Dabei braucht man gar kein schlechtes Gewissen zu haben: Wer konsumiert, stützt die Konjunktur und tut der Wirtschaft gut, heißt es allenthalben in Politik und Wissenschaft. Hinzu kommt: Angesichts der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank unter ihrem Chef Mario Draghi war es noch nie so günstig, Kredite aufzunehmen, wie heute. Wer spart, ist doof, künftig muss er dafür sogar Strafzinsen zahlen. Dann lieber Schulden machen. Da darf es dann gern mal ein bisschen mehr sein. Und so mancher, das zeigen die Zahlen, hat sich auch übernommen. Auch gesellschaftlich gibt es einen Trend zum Schuldenmachen: Von einer „Erosion der Sparkultur“ sprechen die Experten – vor allem unter jungen Leuten. Die Zahl junger Überschuldeter ist in den vergangenen zehn Jahren um zwei Drittel gestiegen – tatsächlich kann manche Handyrechnung allzeit-kommunikative junge Leute rasch in den Ruin treiben. Warum sparen und für das Alter vorsorgen, wenn es doch so schöne Autos und Einbauküchen auf Pump gibt? Auf dem Vormarsch sind auch die Schuldnerinnen: Immer noch sind zwar mehr Männer als Frauen von Verschuldung betroffen, doch die weiblichen Schuldner holen mächtig auf. Von wegen „schwäbische Hausfrau“! Was die Schuldenlast angeht, sind die Frauen auf dem Weg zur Gleichstellung im vergangenen Jahr ein gutes Stück vorangekommen. Bei genauer Betrachtung zeigt sich freilich auch: Schulden hängen nach wie vor eng mit Armut und Arbeitslosigkeit zusammen. Im prosperierenden Süden herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Hier sind auch die Schuldnerquoten am niedrigsten. Der Ausblick ist daher trübe: Wenn jetzt die Konjunktur schwächelt, die Wirtschaft schrumpft und die Arbeitslosigkeit steigt, wird dies die Zahl der Schuldner, die ihre Kredite nicht bedienen können, weiter in die Höhe treiben. DÜSSELDORF – TWITTER/ ROBERT O'NEILL/JAKOB HOFF ertreter aus Politik und Wirtschaft haben sich bei GDL-Chef Weselsky für seinen Beitrag zur Feier des Mauerfalls bedankt. Am Sonntag gedenkt man in Deutschland auf vielfältige Weise der Wendetage vor 25 Jahren. Dank der Lokführergewerkschaft bekommen nun auch Nachgeborene und Westdeutsche ein Gefühl dafür, was Einschränkung der Reisefreiheit bedeutet. Wer nicht rechtzeitig einen Antrag auf eine Busfahrkarte gestellt hat, der muss zu Hause bleiben. Außerdem kommt es auch darauf an, dass der Antrag genehmigt wurde. Bundeskanzlerin Merkel dankte Weselsky ausdrücklich für seinen Einsatz, warnte aber davor, den Streik auf 40 Jahre auszudehnen, nur weil es die DDR auch so lange gegeben habe, das sei zu naturalistisch. Auch die Bananengroßhändler überlegen, ob sie durch einen Streik zum Gelingen der Feierlichkeiten beitragen können. Die Linkspartei dankte dagegen Jean-Claude Juncker, der durch seine Arbeit als luxemburgischer Ministerpräsident und Steuersparmodellbauer dafür gesorgt habe, dass die hässliche Fratze des Kapitalismus deutlich sichtbar wurde. B ** Mehrheit der Deutschen lehnt GDL-Streik ab Rückhalt in der Bevölkerung schwindet BERLIN – W Feuilleton ANZEIGE Warum hat der EZB-Turm so viele stürzende Wände? Am Häkchen hängt’s Seite 23 Bei WhatsApp kann sich jetzt niemand mehr herausreden Dax JULIA HACKOBER B Im Plus Seite 15 EURO DOW Xetra-Schluss DAX EZB-Kurs 17.45 Uhr 9377,41 1,2517 17.528,85 +0,30% +0,25% Punkte +0,66% US-$ Punkte ANZEIGE AUTO BILD TV – Das Magazin. Immer freitags. Heute um 18.25 Uhr „Die Welt“ digital Lesen Sie „Die Welt“ digital auf allen Kanälen – mit der „Welt“-App auf dem Smartphone oder Tablet. Attraktive Angebote finden Sie auf welt.de/digital oder auch mit den neuesten Tablets auf welt.de/bundle ei Facebook geht das ja schon länger so: Man sieht, wer welche Nachricht um wie viel Uhr gelesen hat, und kann sich dementsprechend ausrechnen, wie viele Stunden, Tage, Wochen schon wieder vergangen sind, in denen nicht geantwortet wurde. Auch WhatsApp zeigt jetzt an, ob eine Nachricht vom Empfänger gelesen wurde. Hat er sie aufgerufen, eine Sprachnachricht abgespielt oder ein Video angesehen, wird der Beitrag mit zwei blauen Häkchen angezeigt. Bislang konnten Nutzer nur sehen, ob eine Nachricht den WhatsApp-Server erreicht hatte (ein graues Häkchen) oder auf dem Telefon des Empfängers gelandet war (zwei graue Häkchen). Selbst in der Gruppe zur Organisation des Klassentreffens im Heimatdorf sind diejenigen schnell überführt, die so tun, als interessierten sie sich nicht für die Schicksale der ehemaligen Klassenkameraden, dann aber jeden neuen Beitrag („Also um 19 Uhr auf dem Weihnachtsmarkt!“) anklicken. So werden natürlich Hoffnungen geschürt, dass David, der Schwarm aus Abi-Zeiten, vielleicht doch noch aufkreuzt. Jetzt ist es mit der angenehmen Anonymität der Onlinekommunikation also auch bei WhatsApp vorbei. Das kann man jetzt ganz grauenvoll finden, sich überwacht fühlen und sich in seinem persönlichen Kommunikationsverhalten empfindlich gestört sehen. Auf Twitter hieß es jetzt schon im Eifer der Empörung: „Die Macher von WhatsApp wollen Beziehungen zerstören!“ Klar, ein lapidares „Sry, Handy vergessen“ als Erklärung, warum zu den Plänen der Abendgestaltung keine Antwort kommt, funktioniert nicht mehr. Man kann den blauen Haken aber auch positiv sehen. Sagen wir mal, dass ein Klassentreffen-Absturz mit David unvermeidbar schien. Wenn er aber auf eine sorgfältig komponierte, möglichst casual klingende Folgenachricht wie „Na, alles gut?“ nach einer Woche immer noch nicht geantwortet hat, bei WhatsApp allerdings der blaue Haken leuchtet, dann ist klar: Diesen Typen kann man vergessen. DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410 Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet. Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen. Tel. 030/25910, Fax 030/259171606, E-Mail: redaktion@welt.de; Anzeigen: 030/585890, Fax 030/585891, E-Mail anzeigen@welt.de, Kundenservice: DIE WELT, Brieffach 2440, 10867 Berlin, Tel. 0800/9 35 85 37, Fax 0800/9 35 87 37, E-Mail kundenservice@welt.de A 3,00 & / B 3,20 & / CH 5,00 CHF / CZ 95 CZK / CY 3,40 & / DK 25 DKR / E 3,20 & / I.C. 3,20 & / F 3,20 & / FIN 3,20 & / GB 3,00 GBP / GR 3,20 & / H 820 FT / I 3,20 & / IRL 3,20 & / KRO 28 KN / L 3,20 & / MLT 3,20 & / N 38 NOK / NL 3,20 & / P 3,20 & (Cont.) / PL 15 PLN / S 42 SEK / SK 3,20 € / SLO 2,80 & ISSN 0173-8437 260-45 Diskutieren Sie mit uns auf Facebook: facebook.com/welt ZKZ 7109 Wir twittern live aus dem Newsroom: twitter.com/welt + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.as-infopool.de/lizenzierung DIE WELT BERLIN-2014-11-07-swonl-86 b5b1f467d5b42f7143ba6c5a866b3fba AUS LIEBE SCHENKEN
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