Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände

Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände
Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände x Hausvogteiplatz 1, 10117 Berlin
01.10.2014/hoe
Herrn Bundesminister des Innern
Dr. Thomas de Maizière
Alt-Moabit 101 D
10559 Berlin
Herrn Innenminister
Ralf Jäger
Vorsitzender der Innenministerkonferenz
Ministerium für Inneres und Kommunales
des Landes Nordrhein-Westfalen
Haroldstr. 5
40213 Düsseldorf
Bearbeitet von
Petra Laitenberger, DST
Dr. Klaus Ritgen, DLT
Ulrich Mohn, DStGB
Telefon +49 30 37711-840
Telefax +49 30 37711-809
E-Mail:
Petra.laitenberger@staedtetag.de
Aktenzeichen
32.46.00 D
Sofortiges Maßnahmenpaket zur Unterstützung der Kommunen bei der Aufnahme von
Asylbewerbern
Sehr geehrter Herr Bundesminister, sehr geehrter Herr Landesminister,
nicht nur Bund und Länder, sondern insbesondere die Kommunen sind gegenwärtig mit der Bewältigung der deutlich angestiegenen Zuwanderung von Flüchtlingen nach Deutschland
konfrontiert. Nach Schätzungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sollen
dieses Jahr mindestens 200.000 Flüchtlinge in die Bundesrepublik kommen.
Die deutschen Kommunen bekennen sich zu ihrer humanitären Verpflichtung, Bürgerkriegsflüchtlinge und Asylbewerber aufzunehmen und ihnen zu helfen. Dies betrifft insbesondere eine
menschenwürdige Unterbringung sowie eine angemessene medizinische und soziale Betreuung.
Vorfälle, wie sie jüngst in Nordrhein-Westfalen bekannt geworden sind, bedauern wir. Sie dürfen sich nicht wiederholen.
Die hohe Zahl an Flüchtlingen stellt die Städte, Landkreise und Gemeinden jedoch vor kaum
noch lösbare Herausforderungen, die ohne zusätzliche Hilfe seitens des Bundes und der Länder
nicht zu bewältigen sind. Aufgrund dessen sehen wir es als dringend erforderlich an, dass Bund
und Länder zügig ein sofortiges Maßnahmenpaket vereinbaren, um den Kommunen rasch und
durchgreifend Entlastung zu verschaffen.
Dieses Maßnahmenpaket sollte folgende Schwerpunkte haben:
Verkürzung der Verfahrensdauer beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
Im Rahmen des Koalitionsvertrages wurde das Ziel vereinbart, eine durchschnittliche Bearbeitungsdauer bei den Asylverfahren von drei Monaten zu erreichen. Gegenwärtig liegt die
Bearbeitungsdauer bei durchschnittlich knapp sieben Monaten. Bei Ländern wie Afghanistan,
Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände
Hausvogteiplatz 1, 10117 Berlin Telefon (0 30) 3 77 11-0; Telefax (0 30) 3 77 11-999
E-Mail: post@kommunale-spitzenverbaende.de; www.kommunale-spitzenverbaende.de
-2Irak oder Iran liegt sie bei bis zu 14 Monaten. Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände hält es daher für dringend erforderlich, die bereits erfolgte Personalaufstockung beim
BAMF noch beträchtlich auszuweiten, um eine akzeptable Bearbeitungszeit mit Blick auf die
hohe Anzahl der unerledigten Anträge zu erreichen.
Schaffung zusätzlicher Kapazitäten in den zentralen Aufnahmeeinrichtungen der Länder
In vielen Bundesländern reichen die Kapazitäten in den zentralen Aufnahmeeinrichtungen der
Länder zur Unterbringung der Asylbewerber bei weitem nicht mehr aus. Gleichzeitig steigt die
Zahl der Flüchtlinge und Asylbewerber weiter deutlich an. Es ist auch in nächster Zukunft davon
auszugehen, dass die Flüchtlingsströme durch die kriegerischen Auseinandersetzungen in den
betreffenden Regionen weiter ansteigen werden. Darauf müssen sich die Länder durch die Schaffung weiterer zentraler Aufnahmeeinrichtungen besser vorbereiten. Die Flüchtlinge müssen auch
länger in den Aufnahmeeinrichtungen der Länder verbleiben (bis zu 3 Monate), damit ihre Verteilung - soweit erforderlich - in die Kommunen besser und gründlicher vorbereitet werden kann.
Asylbewerber mit offensichtlich unbegründeten Asylbegehren sowie Asylbewerber, die in ein
nach der Dublin III-Verordnung für die Durchführung des Asylverfahren zuständiges europäisches Land zurückgeschoben werden können, sollten gar nicht erst an die Kommunen
weiterverteilt werden. Damit würde die Gefahr der Überforderung der Kommunen, die teilweise
kurzfristig hunderte von Personen unterbringen müssen, reduziert.
Ausbau der Infrastruktur
Viele Kommunen stoßen bei der Unterbringung längst an ihre Kapazitätsgrenzen. Da sie häufig
kurzfristig die betroffenen Personen unterbringen müssen, bleibt oft nur die Unterbringung in
häufig überteuert angemieteten Hotels oder anderen Ersatzunterkünften. Um eine Ausweitung
der Unterbringungsmöglichkeiten zu erreichen, sollten zum einen auch die Immobilien und Liegenschaften des Bundes (z. B. nicht mehr genutzte Kasernen, von der Bundesanstalt für
Immobilienaufgaben - BimA - verwaltete Liegenschaften) den Kommunen kurzfristig, unbürokratisch und zu angemessenen Preisen zur Nutzung überlassen werden. Des Weiteren müssen die
Länder ihrer Verantwortung bei der Finanzierung der erforderlichen kommunalen Einrichtungen
zur Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen gerecht werden. Dazu ist auch die vom
Bundesrat verabschiedete Gesetzesinitiative der Freien und Hansestadt Hamburg „über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen“ in die
Diskussion mit einzubeziehen.
Kostendeckende Erstattung
Die Erstattung der Kosten, die den Kommunen für die Unterbringung, Versorgung und Betreuung der Asylbewerber entstehen, ist in den Ländern unterschiedlich ausgestaltet. Gleiches gilt für
den Kostendeckungsgrad, welcher zum Teil völlig unzureichend ist. Es besteht daher dringender
Handlungsbedarf, dass die Länder eine kostendeckende Erstattung für die Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern leisten. Hinzukommen müssen auch die Kosten für die notwendige
soziale und psychosoziale Betreuung, die Aufwendungen für den Schulbesuch der Kinder sowie
die Kosten der Jugendhilfe und der gesundheit-lichen Versorgung. Da nicht zuletzt aufgrund
einer Vielzahl von Traumatisierungen die Kommunen von den Krankenkosten völlig überfordert
werden, könnte die diesbezügliche Finanzierung z. B. durch einen „Gesundheitsvorsorgefonds“
erfolgen, zu dem auch der Bund ergänzende Mittel bereitstellt.
-3Hilfe durch freiwilliges Engagement fördern
Viele Menschen wollen sich für Flüchtlinge engagieren. Das sollte der Staat stärker unterstützen
und könnte z. B. im Bundesfreiwilligendienst weitere Plätze für Integrations- und Flüchtlingshelfer schaffen. Auch für das Engagement bei der Betreuung von Flüchtlingskindern und bei der
Flüchtlingsunterbringung in privaten Wohnungen könnte der Staat bisherige Hindernisse aus
dem Weg räumen.
EU-Flüchtlingspolitik
Die Flüchtlingsfrage ist eine gesamteuropäische Herausforderung, die die EU gegenwärtig und
auch in den nächsten Jahren vorrangig beschäftigen wird. Wir sehen es daher als notwendig an,
dass der Bund sich verstärkt für eine gemeinsame europäische Außenpolitik einsetzt, die das Ziel
hat, die Fluchtursachen in den Herkunftsländern zu vermeiden. Ebenso ist der Bund angehalten,
auf europäischer Ebene darauf hinwirken, dass die geltenden gesetzlichen Regelungen zur Aufnahme von Flüchtlingen von allen EU-Mitgliedstaaten eingehalten werden.
Sehr geehrte Herren Minister, angesichts der sich weiter zuspitzenden Situation, sehen wir uns
veranlasst, auf eine rasche Verwirklichung der o. a. Maßnahmen zu drängen. Wir würden es daher begrüßen, wenn die notwendigen Schritte dazu in einem gemeinsamen Treffen von Bund,
Ländern und Kommunen zeitnah vereinbart werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ulrich Maly
Präsident des Deutschen Städtetages
Oberbürgermeister
der Stadt Nürnberg
Reinhard Sager
Präsident des Deutschen Landkreistages
Landrat des Kreises Ostholstein
Christian Schramm
Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes
Oberbürgermeister der Stadt Bautzen