Aktuelle Ausgabe als PDF - Berliner Anstoß

„Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt drauf an, sie zu verändern.“ K. Marx
Berliner Anstoß
ZEITUNG DER DEUTSCHEN KOMMUNISTISCHEN PARTEI (DKP) BERLIN | APRIL 2015
50 Cent Spende
ANNA.B
NEOREFORMISMUS
DIE SCHÖNHEIT VON OST-BERLIN
Der Berliner Anstoß im Gespräch
mit der Anti-NATO-Gruppe BerlinBrandenburg (ANNA.B) Seite 6
SYRIZA und Podemos:Die ewige
Leier des Reformismus in Europa –
reloaded Seite 10
Ein Treffen mit Ronald Schernikau im
Deutschen Theater – Eine Collage über
das Leben des Genossen Seite 13
NEIN
ZU KRIEG UND
FASCHISMUS!
Für eine Politik der Verständigung und
friedlichen Konfliktlösung
➽Nach der Befreiung Europas von
Faschismus und Krieg vor 70 Jahren, bestand mit der Stärkung des
Völkerrechts die Hoffnung auf die
friedliche Lösung von Konflikten in
den internationalen Beziehungen.
Doch noch nie nach 1945 gab es
mehr militärische Aggressionen und
bewaffnete Konflikte als heute. Mehr
als 16.000 Atomwaffen können alles
menschliche Leben auf dem Planeten auslöschen. Weltweit werden
jedes Jahr 1.700 Milliarden Dollar für
Krieg und Rüstung ausgegeben. Neue
Kriegsformen drohen. Der Einsatz
von Kampfdrohnen senkt schon jetzt
die Schwelle zum Krieg und untergräbt das Völkerrecht.
Interventionskriegen beteiligt. Die
Bundesregierung duldet Kriegsvorbereitungen und Interventionen durch
militärische Verbündete von deutschem
Boden aus. Die Regierenden möchten
die „neue deutsche Verantwortung“
in Form weltweiter Militäreinsätze
verwirklichen und Krieg zur Normalität
machen. Selbst Kinder und Jugendliche
sollen bereits dafür begeistert werden.
Wir wollen eine Welt ohne Krieg! Keine
Kampfdrohnen! Atomwaffen abschaffen! Abrüstung jetzt!
70 Jahre nach Ende des von Deutschland verschuldeten Weltkrieges
sind deutsche Soldaten wieder an
Der Krieg findet auch wieder in Europa
statt. Deutschland trägt Mitschuld an
der gefährlichen Entwicklung und dem
Krieg in der Ukraine. Die Initiative der
deutschen Kanzlerin und des französischen Präsidenten im Februar zum
Wir wollen ein Ende der Auslandseinsätze der Bundeswehr! 70 Jahre nach dem
Krieg Deutschlands gegen die Welt kann
Verantwortung nur heißen: Nein zur
Militarisierung der Gesellschaft. Nein zur
Militarisierung der deutschen Außenpolitik. Nein zum Export von Waffen.
Minsker Abkommen war ein Schritt in
die richtige Richtung. Wir treten ein für
einen umfassenden Friedensprozess
unter Beteiligung aller Konfliktparteien.
Kriege werden auch in den Köpfen vorbereitet: Der Hass auf den Anderen, die
Ablehnung des Neuen und Unbekannten, des Fremden, das Treten auf den
noch Schwächeren sind Bestandteile
einer inhumanen, neoliberalen Gesellschaftsordnung, die Militarismus und
Krieg, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit, Feindbilder und Nationalismus
in sich trägt wie die Wolke den Regen.
Wir wollen ein Leben in Solidarität
und Partnerschaft, eine Politik der
Verständigung und der gemeinsamen
Sicherheit. Historische Verantwortung
muss heißen: Nach der „verbrannten
Erde“ und den 27 Millionen Toten,
die der deutsche Faschismus allein
in der Sowjetunion hinterließ, muss
sich gerade Deutschland offensiv für
eine Entspannungspolitik mit Russland
einsetzen, die die Sicherheitsinteressen
aller Beteiligten berücksichtigt.
70 Jahre nach der Befreiung von
Faschismus und Krieg heißt Frieden
für uns: Nein zu Gewalt und Unterdrückung, ja zu friedlichen Lösungen
von Konflikten, ja zu Demokratie und
Partizipation, ja zu einer offenen Gesellschaft und sozialer Gerechtigkeit. Ohne
Gerechtigkeit kann es keinen Frieden
und keine Gewaltlosigkeit geben.
Dafür wollen wir gemeinsam am 10.05.
2015 als Abschluss der vielfältigen
Aktivitäten um den 8. Mai in Berlin
demonstrieren.
Berliner Aktionsbündnis
"70 Jahre Tag der Befreiung"
02
Berliner Anstoß | APRIL 2015
8.MAI 1945: VERNICHTENDE NIEDERLAGE
FÜR DIE REAKTIONÄRSTEN KRÄFTE DER
MONOPOLBOURGEOISIE
Argumente zur historischen Bedeutung der Befreiung
vom Faschismus am 8. Mai 1945 (Teil I)
➽Siebzig Jahre sind vergangen seit
der verheerendste und blutigste
Krieg in der Geschichte der Menschheit beendet wurde. Der Faschismus,
die reaktionärsten Kräfte der Monopolbourgeoisie, die den zweiten
Weltkrieg entfesselt haben, erlitten
eine vernichtende Niederlage. (...)
In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts
war der Sozialismus die Hauptkraft,
die für die Erhaltung von Frieden und
Sicherheit der Völker bestimmend war.
Mit der Niederlage des Sozialismus in
der UdSSR und in den ost- und südosteuropäischen Staaten Ende des Jahrhunderts wurde nicht nur der Kapitalismus restauriert - Kriege sind auch nach
Europa als Mittel der imperialistischen
Politik zurückgekehrt! (...)
KRIEGE – WERK DES IMPERIALISMUS
Wie schon der erste so war auch
der zweite Weltkrieg ein Werk des
Imperialismus, ein Ergebnis der tiefen
Krise des kapitalistischen Weltsystems, das nicht imstande war, seine
Widersprüche auf friedlichem Wege zu
lösen. Die ungleichmäßige ökonomische und politische Entwicklung des
Kapitalismus hat das Bestreben nach
einer Neuverteilung der Anfang des 20.
Jahrhunderts unter den Großmächten
bereits verteilten Welt gemäß dem
neuen Kräfteverhältnis wachgerufen
bzw. verstärkt.
Es bestätigt sich die auch für die
Gegenwart gültige Erkenntnis, dass
das Kapital und seine Nutznießer, die
stets nach mehr Profit und Herrschaft
streben, keine andere Grundlage für die
Aufteilung der Welt und ihrer Reichtümer als privatkapitalistisches Eigentum,
Kapital und Macht kennen.
So, wie im ersten Weltkrieg kämpften die imperialistischen Staaten
im zweiten Weltkrieg um Rohstoffquellen, Märkte, Vorherrschaft und
Weltherrschaft. Die Entfesselung des
zweiten Weltkrieges bestätigt, dass
friedliche Bündnisse zwischen den
imperialistischen Mächten, ihren
Koalitionen „... notwendigerweise
nur 'Atempausen' zwischen Kriegen
(sind) – gleichviel, in welcher Form
diese Bündnisse geschlossen werden,
ob in der Form einer imperialistischen
Koalition gegen eine andere imperialistische Koalition oder in der Form eines
allgemeinen Bündnisses aller imperialistischen Mächte. Friedliche Bündnisse
bereiten Kriege vor und wachsen
ihrerseits aus Kriegen hervor, bedingen sich gegenseitig, erzeugen einen
Wechsel der Formen friedlichen und
nicht friedlichen Kampfes auf ein und
demselben Boden imperialistischer
Zusammenhänge und Wechselbeziehungen der Weltwirtschaft und Weltpolitik.“ (Lenin, Werke, Bd. 22, S. 301)
Ganz in diesem Sinne warnte
auch der VII. Weltkongress der
Berliner Anstoß | APRIL 2015
Kommunistischen Internationale vor
der wachsenden Gefahr des Faschismus, der als offene terroristische
Diktatur der reaktionärsten, am meisten
chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals
charakterisiert wurde, und vor seiner
Unterschätzung.
KAMPF ZWISCHEN DEN
IMPERIALISTISCHEN GRUPPIERUNGEN
Im September 1939 trafen zwei imperialistische Gruppierungen aufeinander.
Die herrschenden Kreise aller ihnen
angeschlossenen Länder verfolgten ihre
jeweils eigenen Eroberungsziele. Aber
sowohl in der einen als auch in der
anderen Gruppierung bemühten sich
die herrschenden Kreise, nicht nur ihre
imperialistischen Konkurrenten und
Gegner, sondern auch die Sowjetunion
zu vernichten. Das ist ein wesentlicher
Unterschied zwischen den beiden
Weltkriegen. Die faschistischen Staaten,
darin besonders das faschistische
Deutschland, waren die Speerspitze der
Weltreaktion.
Die imperialistischen Kreise der USA,
Großbritanniens und Frankreichs
rechneten damit, dass im Krieg ihre
deutschen Konkurrenten geschwächt
und die Sowjetunion vernichtet oder
entkräftet werden würde, dass sie dem
Sieger und dem Besiegten ihre imperialistischen „Friedens“bedingungen diktieren könnten. Ihre imperialistischen
Expansionsziele beeinträchtigten ihre
Fähigkeit zur realistischen Einschätzung
der Kräfte, der Kräftekonstellationen
und des Wesens der verfolgten Politik.
Dazu waren sie erst bereit als der deutsche Faschismus sie direkt angegriffen
bzw. bedroht hat.
Angesichts der im Sommer 1939 besonders drastisch sich zeigenden feindseligen Haltung der Westmächte und der
Kriege im Fernen Osten sah sich die
Sowjetunion gezwungen, am 23.8. 1939
den von Deutschland vorgeschlagenen
Nichtangriffspakt anzunehmen. In einer
Unterredung mit dem französischen
Botschafter am 23. August 1939 betonte
der sowjetische Außenminister, dass
die sowjetische Regierung die Berliner
Vorschläge erst dann angenommen
habe, als sie sich davon überzeugt hatte, dass bei den englisch-französischsowjetischen Verhandlungen nichts
Die Sowjetunion und
ihre Streitkräfte verteidigten
die Freiheit und Unabhängigkeit ihrer Heimat und
trugen entscheidend dazu
bei, die Menschheit
vor der Gefahr der faschistischen Unterjochung
zu retten.
Positives zu erreichen war. Die sowjetische Regierung durchschaute das
englisch-französische Doppelspiel und
durchkreuzte mit dem Abschluss des
Vertrages die Intrigen der Westmächte,
eine antisowjetische Einheitsfront zu
schaffen. Sie verhinderte die völlige
außenpolitische Isolierung der Sowjetunion und gab ihr knapp zwei Jahre
Verschnaufpause, die für den weiteren
Aufbau der Volkswirtschaft und die
Stärkung der Streitkräfte genutzt werden konnten.
DEUTSCHER IMPERIALISMUS
VERFOLGT NEUORDNUNG EUROPAS
Die Entfesselung des zweiten Weltkrieges bestätigt, dass eine der zentralen
Thesen, in denen das expansionistische
Bestreben des deutschen Monopolkapitals seit seiner Entstehung zum
Ausdruck kommt, die Forderung nach
der „Neuordnung Europas“ ist. Sie ist
sowohl stets wiederkehrender Vorwand
als auch konstante Zielsetzung deutscher Expansionspolitik.
Das faschistische Deutschland hat kein
Geheimnis aus seinen Plänen gemacht.
Das Triumvirat zwischen Faschismus,
Monopolen und Militarismus war von
Anfang an auf die Vorbereitung und
Führung des Kampfes um Vorherrschaft
und Weltherrschaft ausgerichtet.
Der Faschismus als politische Bewegung
der reaktionärsten Kräfte der Monopolbourgeoisie erwies sich als jene
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Kraft, die das staatliche Herrschaftssystem und die materielle Basis für den
großen Krieg schuf, die Ideologie des
Aggressionskrieges auf der Grundlage
des aus der Geschichte des deutschen
Imperialismus übernommenen nationalistischen und chauvinistischen
Gedankenguts formte und die aggressiven imperialistischen Doktrinen
erarbeitete. In den militärischen Plänen
der Strategen des deutschen Imperialismus verschmolzen der „Lebensraum“,
der durch „Neuordnung“ geschaffen
werden sollte, der Antisowjetismus
und die Hegemoniebestrebungen des
deutschen Kapitals zu konkreten strategischen Plänen und zu Kriegen auf ihrer
Grundlage.
SOWJETUNION SOLLTE ZERSCHLAGEN
WERDEN. SIE WURDE ZUR HAUPTKRAFT
Im Mittelpunkt stand die Aggression
gegen die UdSSR, deren Beseitigung
das Tor zur Weltherrschaft öffnen sollte.
Mit dem Überfall auf die Sowjetunion
wurde er zum Krieg für die Befreiung
des sowjetischen Vaterlandes, des ersten und damals einzigen sozialistischen
Staates der Welt, und zum Befreiungskampf der Völker Europas von der
faschistischen Barbarei.
Der Sieg über den Faschismus durch die
Antihitlerkoalition, in deren Rahmen
die Sowjetunion den entscheidenden
militärischen und politischen Anteil
leistete und die größten menschlichen
und materiellen Opfer brachte, führte
zur Zerschlagung des Faschismus und
Militarismus und schuf tiefgreifende
Veränderungen im internationalen
Kräfteverhältnis.
Die Sowjetunion und ihre Streitkräfte
verteidigten die Freiheit und Unabhängigkeit ihrer Heimat und trugen
entscheidend dazu bei, die Menschheit vor der Gefahr der faschistischen
Unterjochung zu retten. Unter diesen
Bedingungen wurde die Tür für die
nachfolgenden demokratischen und
friedlichen Bedingungen in Europa und
in Deutschland geöffnet. Auf der Grundlage ihrer gestärkten internationalen
Stellung wurde die Sowjetunion auf der
Grundlage der sozialistischen Ordnung
zum Anwalt der nationalen Interessen
der befreiten Völker und des deutschen
Volkes in der internationalen Arena.
Geschichtskommission beim
Parteivorstand der DKP
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Berliner Anstoß | APRIL 2015
70 JAHRE BEFREIUNG
VOM FASCHISMUS
Antifa-Konferenz der DKP
➽Am 2. Mai lädt der DKP-Parteivorstand zu einer Konferenz in Berlin
anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung ein. Das Motto der Konferenz:
„8. Mai 2015: Tag der Befreiung vom
Faschismus – der Kampf geht weiter!
Rolle und Aufgaben der Kommunistischen Partei im antifaschistischen
Kampf damals und heute.“
Wir freuen uns besonders zu der
Konferenz Genossen der Kommunistischen Partei Russlands (KPRF) sowie Genossen Heinz Kessler, früherer
DDR-Verteidigungsminister, Armeegeneral a.D., begrüßen zu können.
Die Konferenz wird die historische
Bedeutung der Befreiung Europas vom
Faschismus, die Rolle der Kommunistischen Parteien in diesem Kampf und
die Lehren für den heutigen Kampf
gegen den wiedererstarkenden Faschismus beraten. Es sprechen:
•Prof. Anton Latzo, DKP Brandenburg,
Geschichtskommission der DKP: Der 8. Mai als geschichtliche Zäsur – Bedeutung des Sieges, Rolle der
Roten Armee und der Sowjetunion
•N.N., Vertreter der KPRF: Der Sieg der
Roten Armee als Resultat der Einheit
zwischen Volk und Partei
•Dr. Hans-Peter Brenner, stellvertreten der Vorsitzender der DKP: Zur
Kontinuität der Europastrategien des
deutschen Imperialismus vom
Zweiten Weltkrieg bis heute
•Jürgen Lloyd, Leiter der Karl-Lieb knecht-Schule der DKP: Strategie der
kommunistischen Bewegung im anti faschistischen Kampf
•Prof. Nina Hager, stellvertretende
Vorsitzende der DKP: Das antifaschisti sche Erbe der DDR
•Daniel Bratanovic, Sekretariat der DKP
Berlin, Geschichtskommission der
DKP: Erscheinungen und Funktionen
reaktionärer Bewegungen und Organi sationen für imperialistische Strategi en heute
Die Vorträge werden ergänzt durch
kulturelle Beiträge und Grußwörter,
unter anderem von der SDAJ. Es werden
auftreten: Der Singeclub der DKP- und
SDAJ-Berlin singt Lieder zum Jahrestag
der Befreiung Sinem Fendt und Belinda
Wolff lesen Texte gegen Faschismus und
Krieg Anna Cordi berichtet exemplarisch über das Leben der antifaschistischen Widerstandskämpfer Peter und
Ettie Gingold und ihre Bedeutung für
den antifaschistischen Kampf heute
Die Konferenz endet mit einer Podiumsdiskussion zum Thema „Von deutschem
Boden darf nie wieder Krieg ausgehen
– Strategien im Kampf für den Frieden“.
Es diskutieren Patrik Köbele (Vorsitzender der DKP), Heinrich Fink (VVN/BdA),
Sevim Dagdelen (MdB Die Linke), Lühr
Henken (Kasseler Friedensratschlag)
und eine Vertreterin der Revolutionären
Linken Berlin.
Die Konferenz findet im MünzenbergSaal im ND-Gebäude (Franz-MehringPlatz 1, Nähe Ostbahnhof, Berlin) statt.
Sie beginnt um 11 Uhr und endet gegen
19 Uhr. Für Pausen und Imbiss ist
gesorgt.
Der Eintritt ist frei. Alle Interessierten
sind herzlich eingeladen!
Berliner Anstoß | APRIL 2015
ROTES
GRIECHENLAND
KKE zu Gast in Kreuzberg
➽Der jeden ersten Donnerstag im Monat stattfindende Rote
Stammtisch der DKP Friedrichshain-Kreuzberg ist mittlerweile
eine Institution, die auch immer
Publikum anzieht, das nicht in der
DKP organisiert ist. In entspannter
Runde wird ein aktuelles Thema
beleuchtet. Meist sind hochkarätige
Referenten zu Gast, die den Abend
einleiten. Anfang März durften wir
Genossinnen und Genossen der
KP Griechenlands (KKE) im Café
Commune begrüßen. Ein brechend
voller Raum zeugte vom Interesse
an der Position der griechischen
Kommunisten zur jüngsten Wahl,
war diese Position doch in den
bürgerlichen Medien hierzulande
kaum präsent.
Die KKE beteiligt sich nicht an der
Syriza-Regierung, weil sie ihr vorwirft,
Illusionen zu verbreiten. Syriza sei
denn auch von jenen gewählt worden,
die sich einen Verbleib in der Eurozone
wünschten bei einem gleichzeitigen
Ende der Kürzungs-/Austeritätspolitik. So versprach Syriza den Wählern
Wiederherstellung und gar den Ausbau
sozialpolitischer Standards.
Dieser Widerspruch, einerseits im Euro/
der EU verbleiben und gleichzeitig mit
der Austeritätspolitik brechen zu wollen, ist nach Ansicht der KKE absurd
und von vornherein unrealistisch gewesen. Denn die EU als imperialistisches
und kapitalistisches Projekt folgt bestimmten, neoliberalen ökonomischen
Vorgaben. Eine „win-win“-Situation für
die kapitalistischen Profiteure und Institutionen einerseits und die griechische
Bevölkerung andererseits ist vor diesem
Hintergrund ausgeschlossen.
Folglich zeigte sich nach anfänglicher
Radikalrhetorik ein schnelles Einknicken
der neuen Regierung vor den altbekannten, vermeintlich alternativlosen
EU-Auflagen. Als „Reformen“ verblieben
vor allem Luftschlösser: die „Troika“
heißt jetzt „Institutionen“, aus dem
„Memorandum“ wurde „Vereinbarung“,
aus „Gläubigern“ „Partner“. Die kürzlich
beschlossene, an sich notwendige unentgeltliche Versorgung der Ärmsten mit
Energie und Lebensmitteln greift zu kurz
und kommt viel zu wenig Menschen
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zugute. Und auch die Einführung karger
Mindestlöhne ist in erster Linie dazu
geeignet, bestehende Tarifverträge zu
unterhöhlen. Das erinnert an Diskussionen hierzulande, wie sie einst auch
aus liberalen Kreisen angeregt wurden,
Grundeinkommen oder „Bürgergeld“
einzuführen.
Die Kernforderungen der KKE sind auf
vier Punkte zusammenzufassen:
•Austritt aus der EU. Sie ist nicht
reformierbar.
•Austritt aus dem Militärbündnis
NATO. Nicht warten, dass sie sich
„auflöst“.
•Keine Rückzahlung der Schulden:
Das Volk hat die Schulden nicht
gemacht.
•Das für sich reicht nicht aus: nötig
ist der sozialistische Umbau der Wirt schaft und Gesellschaft, über Ver staatlichung bzw. Vergesellschaftung
der Schlüsselindustrien.
Wie das Wahlergebnis zeigt, ist dieses
Programm allerdings nicht mehrheitsfähig. Die meisten Griechinnen und
Griechen wollten den Lebensstandard
von vor der Krise wieder haben, und sie
glaubten, allein ein Verbleib in der EU
könne dies ermöglichen. Mittlerweile
sehen jedoch ca. 30% der Bevölkerung
eine bessere Perspektive jenseits der EU.
Darauf fokussiert die KKE und arbeitet
mit ihren Vertreterinnen und Vertretern
an der Basis, um Genossinnen und
Genossen zu gewinnen und die Bevölkerung zur aktiven Teilnahme an der
Politik zu bewegen. Dazu nutzt sie die
starke Gewerkschaftsfront PAME. Ihre
Aktivisten arbeiten innerhalb der institutionalisierten Gewerkschaften, sind
darüber hinaus aber in jener klassenkämpferischen Organisation organisiert.
Syriza erreichte (als Synaspismos) noch
vor einigen Jahren um die 5% der Wählerstimmen. Sie hatte und hat keine aktive
Massenbasis. EU-orientierten Linken wie
der PdL hierzulande dient sie als „Beweis“ für die Möglichkeit der Machterlangung durch Wahlen, und man verspricht
sich zeigen zu können, dass man selbst
auch „regierungsfähig“ sei. Aber wozu?
Gegenwärtig ersetzt Syriza lediglich die
marginalisierte klassische Sozialdemokratie. Umgestaltung im Sinne der Not
leidenden Bevölkerung sieht anders aus.
Bernd Schillermann
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Berliner Anstoß | APRIL 2015
ANNA.B
Der Berliner Anstoß im Gespräch
mit der Anti-NATO-Gruppe BerlinBrandenburg (ANNA.B)
➽Jeden Donnerstag protestieren
sie auf dem Pariser Platz vor der USBotschaft gegen die Kriegspolitik der
NATO. Der „Berliner Anstoss“ sprach
mit den AktivistInnen Maren, Alant
und Micha über ihren Dauerprotest.
BA: Seit wann steht ihr vor der
US-Botschaft?
MAREN: Die Anti-NATO-Gruppe BerlinBrandenburg (ANNA.B) entstand im
September 2013, als die Bombardierung
Syriens durch die USA unmittelbar
drohte. Zunächst demonstrierten wir
täglich, unterstützt u.a. vom AntikriegsCafé. Wir reduzierten das später, um
Kräfte zu schonen. Wir sagten: Eine
Mahnwache kann vielleicht nicht
unbedingt Massen mobilisieren, aber
hat das Element der Stetigkeit, was bei
einer kurzfristigen Demo nicht der Fall
ist. Deswegen stehen wir jede Woche
ab 15 Uhr vor der US-Botschaft. Das
heißt nicht, dass wir genug wären. Wir
brauchen Unterstützung!
MICHA: Ausschlaggebend war die große
Kriegsgefahr 2013. Wir haben uns
mit Plakaten aufgestellt und machten
Aktionen in der Einsicht, dass es jetzt
unbedingt notwendig ist. Viele Syrer
schlossen sich an, mit denen wir nun
intensiven Kontakt haben. Wir haben
sehr oft diskutiert, sie wiesen uns auf
historische Gegebenheiten hin und
brachten Fakten, wie die Lage um
Syrien entstanden ist. Es gab ständig
Aktionen, die gemeinsam durchgeführt
wurden, z.B. gegen Saudi-Arabien, aber
auch zur Wahl. Als nämlich die Syrer
hier in Deutschland wählen wollten
und das nicht durften, sondern nur
symbolisch gewählt haben, waren wir
auch mit dabei.
BA: Welche sind eure weltanschaulichen Voraussetzungen, welche Positionen folgen daraus?
MICHA: Wir selber haben natürlich
eine Weltanschauung und aus dieser
begründen wir die Proteste, die wir
durchführen.
MAREN: Wir sind alle Marxisten. Das
Umfeld ist breiter, bis in die Linkspartei,
aber in der Mehrheit sind wir Mitglieder
der DKP.
Zum Krieg gegen Syrien haben wir
eindeutige Position ergriffen, z.B.
indem wir auch mit syrischen Fahnen
auftraten. Wir haben gesagt: Hier in
dieser Situation wird ein kriegerischer
imperialistischer Angriff gegen ein Land
geführt, das zwar ein kapitalistisches
ist, aber eines der fortschrittlichsten
im arabischen Raum. Deswegen gehört
unsere uneingeschränkte Solidarität
diesem Staat, der angegriffen wird,
und damit auch der Regierung Assad.
Unsere Forderungen waren und sind:
„Kein Krieg gegen Syrien“, "Keine Neuordnung des Mittleren Ostens", „Schluss
mit der Finanzierung, medialen und logistischen Unterstützung von bewaffneten Terroristen, die in Syrien als Todesschwadronen unterwegs sind“, „Keine
Unsterstützung des IS“, „Solidarität mit
den gegen den IS kämpfenden Truppen
der syrischen Armee und den kurdischen KämpferInnen“. Das heißt: Wir
wenden unsere Solidarität nicht nur auf
die kurdische Seite, sondern auch auf
die syrische Armee und ihre Verbündeten, die tapfer und mit großen Verlusten
den IS bekämpft. Das wird hierzulande
nicht gesagt. Das heißt nicht, dass wir
nicht mit dem Kampf der nordsyrischen
Kurden solidarisch wären. Die im ersten
Moment fast aussischtslose Situation in Kobani / Ain al-Arab hat sich
zum Glück geändert. Die ungeheuren
Schwierigkeiten liegen aber eben auch
darin, dass der Zusammenschluss mit
dem wichtigsten Bündnispartner, der
syrischen Armee, nicht zustande kam,
sondern man sich mit den vom Westen
unterstützten sogenannten Oppositionellen zusammentat. Wir gingen auch
für Homs und Aleppo auf die Strasse,
haben die Bilder gezeigt und angekreidet, was die vom Westen aufgebauten
Berliner Anstoß | APRIL 2015
Terrorverbände dort anrichten. Da war
unsere Kundgebung zum Teil wirklich
gut bevölkert.
BA: Seit dem Putsch in der Ukraine hat
sich der Schwerpunkt eures Protestes
nun offenbar verlagert?
MAREN: Wir haben die Forderung für
Syrien immer noch in unserer Anmeldung. Das Ukraine-Thema - und damit
die Gefahr eines großen NATO-geführten Krieges gegen Russland – wurde
aber so akut, dass wir reagierten. Wir
haben immer ein Leittransparent und
Bilder – anfangs ein sehr großes Transparent: „Keine Intervention in Syrien“.
Das bleibt aktuell, aber jetzt haben wir:
„Nie wieder Faschismus - nie wieder
Krieg“ (ein Zeile aus dem Schwur
von Buchenwald) und: „Frieden mit
Russland“.
BA: Zu Rojava konnten große Mobilisierungen bis in bürgerliche Kreise erreicht
werden. Mit der Solidarität für Russland
und den Donbass sieht es anders aus.
Findet ihr dafür Gleichgesinnte?
ALANT: Mal mehr, mal weniger. Harter
Kern sind wir drei, als fester Stamm
sind wir mehr. Seit kurzem sind Russen
dabei. Das ist eine große Bereicherung.
MAREN: Es sind hier lebende Russen
und Ukrainer - darunter ein Überlebender des faschistischen Pogroms im
Gewerkschaftshaus von Odessa. Jeden
Donnerstag gibt es nämlich vor der russischen Botschaft eine Kundgebung von
ukrainischen Unterstützern des Kiewer
Putsch-Regimes. Als Antwort darauf haben die Russen ihre Gegenveranstaltung
um 13 Uhr. Sie unterstützen uns und
freuen sich, wenn wir da sind. Wir sind
solidarisch zusammengewachsen. Wir
hatten neulich eine gemeinsame Kundgebung, da kam das russische Fernsehen, und gleichzeitig war in Odessa
eine parallele Aktion. Wir versuchen
immer wieder zu demonstrieren gegen
das Unrecht in der Ukraine.
ALANT: Die Russen stehen da vor ihrer
Botschaft mit einer russischen Fahne,
mit der Fahne Novorossijas, mit der von
Lugansk und der der Republik Donezk
- entsprechend dem, wie die aktuelle
Situation sich im Osten der Ukraine
entwickelt. Wir zeigen Solidarität mit
diesen Republiken. Wenn man nun die
bürgerlichen Medien anhört, würde
man davon ausgehen, dass jeder über
die Ereignisse in der Ukraine genauso
denkt wie diese berichten. Unsere
Erfahrung ist: Es ist fast umgekehrt. Ab
und zu kommt ein pro-Maidan-Mensch,
der uns anschnauzt. Aber in der Regel
sind fast 90% froh, dass wir da stehen.
MAREN: Diese Fahnen haben wir auch
bei der Demo zum Berlinbesuch von Jazenjuk gezeigt. Für die Protest-Bündnisse hierzulande ist das nachvollziehbar
schwierig. Die Medien in Novorossija
nahmen das andererseits zum Anlass,
darüber überhaupt zu berichten.
BA: Wo seht ihr die größte Kriegsgefahr?
ALANT: Die akuteste Kriegsgefahr
besteht, wenn der Waffenstillstand
im Donbass nicht hält. Die Amerikaner werden dann sehr viel Druck auf
europäische Regierungen ausüben, so
dass die es dann doch zulassen, dass
die USA direkt eingreifen. Wie es so
scheint, sind die Politiker hier in Europa
ein bisschen klüger und wissen, wo das
alles hinführen könnte.
MAREN: Ich will keine Allgemeinpätze
von mir geben, aber natürlich produziert
das kapitalistische System immer wieder
Krieg. Imperialismus ist nicht möglich
ohne das kapitalistische System. Als
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Die NATO und westliche Regierungen
brachten in der Ukraine eine Junta auf
den Weg - eine Regierung, die durch
einen Putsch entstand. Der gewählte
Präsident musste unter Morddrohungen
aus dem Land fliehen. Die Bundesregierung unerstützt das auch militärisch
- nicht offen, sondern hintenrum. Nach
außen posiert Frau Merkel als Friedenskanzlerin. Dieses Getue, diese militärische Aufrüstung geschieht während
der Friedensverhandlungen in Minsk.
Die russische Föderation arbeitet im
Gegensatz dazu daran, eine Lösung
zu ermöglichen. Währenddessen sagt
die britische Regierung zu, Geld und
Waffen an die ukrainische Regierung zu
liefern. Welche Verlogenheit!
BA: Seht ihr Spielräume für
Friedenskräfte?
MAREN: Die russische Regierung macht
eine sehr kluge Außenpolitik. Wir als
Anti-NATO-Gruppe tragen deshalb auch
russische Fahnen, um zu sagen: Wir unterstützen diese Politik, die friedenserhaltend ist. Wir sind solidarisch mit den
Ländern, die von den die Welt beherrschenden imperialistischen Staaten
Die russische Regierung macht eine sehr
kluge Außenpolitik. Wir als Anti-NATOGruppe tragen deshalb auch russische Fahnen, um zu sagen: Wir unterstützen diese
Politik, die friedenserhaltend ist.
Kommunist, als Marxist sollte man das
immer wieder deutlich aussprechen.
Unabhängig von dieser allgemeinen
permanenten Gefahr ist eine akute
jetzt die Aggression gegen die russische
Föderation. Russland soll umzingelt,
nach Brzezinski in mehr als 60 Teile zerstückelt werden. Man will diesen nicht
zur NATO gehörenden Staat nicht mehr
haben, ihn neutralisieren. Dazu werden
ununterbrochen verschiedene kriegstreibende Aktionen nicht nur militärischer,
sondern auch medialer und wirtschaftlicher Art geführt.
angegriffen werden. Die NATO versucht
immer zu zerstören und will an die
russische Grenze. Wir unterstützen
auch Novorossija. Die westliche Seite
handelt zweigleisig. Man tut als mache
man Friedensverhandlungen, liefert
gleichzeitig Waffen und versucht es zu
desavouieren. Friedensverhandlungen
gab es interessanterweise immer, wenn
Gewinne von der Seite Novorossijas zu
verzeichnen sind.
BA: Stoßen zu Euch auch ungebetene Gäste?
MICHA: Wie Alant sagt: etwa 10%.
08
Berliner Anstoß | APRIL 2015
Einmal kam eine Ukrainerin und sagte:
Ihr habt keine Ahnung, was in der
Ukraine los ist. Und dann hat sie recht
wirres Zeug geredet, das zeigte dann
wieder, dass sie doch nicht so gut Bescheid wusste. In der Beziehung ist das
für uns auch eine Bestätigung, dass wir
auf der richtigen Seite sind.
MAREN: Mitte März wurden wir sogar
beinahe körperlich angegriffen. Wir
haben auch Besuch von einigen Typen,
die versuchen, Demogäste anzuquatschen und so jede Information durch
uns zu verhindern. Ungebetene Gäste
gibt´s auch anderer Art. Das Thema
sollten wir anschneiden. Es gibt z.B.
eine Gruppe namens „Staatenlos“. Ihr
Chef ist ein bekannter NPD-ler, Rüdiger
Klasen. Es gibt keine Äußerung, wo er
sagt: Ich gehöre nicht mehr dazu. Er
betreibt diese „Staatenlos“-website - im
Grunde genommen ist es eine versteckte
„Reichsbürger“-Gruppierung.
Es gibt schon unter uns viele, die das
nicht durchschauen. Wenig verwunderlich ist also, wenn auch viele Russen
BERLINER BETRIEBS-TELEGRAMM
HELIOSKLINIKEN VOR DEM STREIK
Die Tarifverhandlungen für die beiden Berliner Helios Kliniken stehen vor dem
Scheitern (eine Entscheidung fällt erst nach dem Redaktionsschluss vom Berliner
Anstoß). Der größte private europäische Krankenhauskonzern will über keine
Tarifregelungen gegen Personalmangel und Arbeitsbelastung reden. Unter dem
Motto „Keine Schicht allein“ will die Gewerkschaft ver.di tariflich festschreiben,
dass auch in der Nacht und am Wochenende mindestens immer zwei Kräfte auf
der Station eingesetzt werden. Dazu weigert sich der Konzern Beschäftigte im
Osten und im Westen der Stadt gleich zu bezahlen.
ÖFFENTLICHER DIENST VOR NEUEN STREIKS
Eindrucksvoll demonstrierten die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Berlin für ihre Forderungen nach mehr Gehalt. Die Gewerkschaften ver.di, GEW, GdP
und IG BAU versammelten am 11. März insgesamt 17.000 Beschäftigte aus den Kitas, Schulen, Bezirksämtern und weiteren öffentlichen Einrichtungen zu einer der
größten Gewerkschaftsdemonstration der letzten Jahre. Die Tarifgemeinschaft der
Länder ist jedoch nach wie vor nicht bereit, auf die Tarifforderungen einzugehen.
Für den 26. März wurde zu weiteren Demonstrationen aufgerufen.
BESCHÄFTIGTE BEI KAISER VERUNSICHERT
Nach dem Verkauf der Kaiser-Tengelmann Filialen an den Edeka-Konzern steht
die Zukunft der 140 Filialen in Berlin auf dem Spiel. Ver.di fordert neben der
Arbeitsplatzsicherung auch die Tarifbindung. Das Problem ist, dass die Edeka
Märkte jeweils aus selbstständigen Geschäften bestehen. Auf einer berlinweiten
Betriebsversammlung demonstrierten die Mitarbeiter Einigkeit. Im April entscheidet zunächst das Bundeskartellamt ob der Verkauf stattfinden kann.
BETRIEBSRÄTE DURCHGESETZT
In zwei Berliner Metallbetrieben – Stage Tec, Oberschönweide / Leistikow-Utag,
Pankow – ändert sich für die Geschäftsführung einiges. Mit Hilfe der IG Metall
und einer 90 prozentigen Beteiligung wählten die Beschäftigten erstmalig einen
Betriebsrat. Mit Rückendeckung der Belegschaften wollen die neuen Betriebsräte
vor allem die Arbeitsbedingungen verbessern.
drauf reinfallen, weil sie auch klangvolle
Sprüche haben und sich als Antifaschisten geben. Wir sagen auf unserer
Mahnwache: Keine Faschisten, auch
keine getarnten! Wenn bei uns „Staatenlos“ oder Ähnliches antanzt, sagen wir:
„Ab!“. Wir nutzen alle Möglichkeiten,
sie von unseren Mahnwachen fernzuhalten, und das ist uns bisher auch immer
gelungen. Das sage ich ganz deutlich,
denn wir wollen keine Faschisten. Auch
wenn sie sich noch so sehr tarnen, wissen wir wer sie sind. Wir glauben ihnen
nichts und finden sie nicht nur verrückt,
sondern bekämpfenswert.
ALANT: Man muss auch verstehen, dass
Russen Hilfe da holen wollen, wo
sie welche zu sehen glauben. Wenn
„Staatenlos“-Leute oder Jürgen Elsässer sich hineindrängen, dann lehnen
viele das zunächst nicht ab. Da sind Le
Pen (Front National) und UKIP, sowie
rechtskonservative und rechtsnationale
Parteien aus ihrerseits imperialistischen europäischen Staaten, die verbal
gegen die Aggression der NATO und
der USA sind. Das muss man einfach
durchschauen.
MAREN: Wir hatten im Februar eine
Versammlung, wo der Vorsitzende der
DKP Patrik Köbele gesprochen hat. Er
hat von der Klarheit der Überzeugung
geredet und etwa gesagt: „Wir wissen
was Faschismus ist. `Küsst die Faschisten' – ist das etwa jetzt 'in'? Nein,
man muss klare Grenzen ziehen."
Das möchte ich unterstreichen. Wir
müssen immer wieder klar machen,
dass Faschisten prinzipiell, wie auch
die historischen Erfahrungen zeigen,
immer auf der Seite der herrschenden
Klasse sind; wenn sie zwischendurch
auch mal sich „antiimperialistisch“
geben, glauben das vielleicht auch
einige. Die Rolle von Faschisten in
der Historie und heute muss immer
wieder benannt werden. Warum ist
„Pegida“ da? Sie haben dieselbe Rolle
wie früher. Sie sollen die Massen an
sich ziehen, damit sie sich nicht gegen
die Herrschenden auflehnen. Sie sollen
Verwirrung stiften. Sie sollen spalten
und sie sind letztlich immer auf der
Seite des Kapitals.
Das Gespräch führte Klaus L.
Mehr Infos:
annab.over-blog.com
alternativepresseschau.wordpress.com
Berliner Anstoß | APRIL 2015
09
Literatur:
•in den 50er Jahren in den Schulen:
„Professor Mamlok“ von Friedrich Wolf,
•in den 60er Jahren „Das Tagebuch der
Anne Frank“ - Ausgabe 1960 Kinder buchverlag Berlin; „Nackt unter
Wölfen“ von Bruno Apitz – Ausgabe 1960
GAUCK, DIE DDR UND
AUSCHWITZ
Nachhilfestunden für einen ehemaligen Pfarrer
➽Am 26. Januar diskutierten
Jugendliche aus Deutschland und
Nachbarländern mit Bundespräsident
Gauck und Bundestagspräsident
Lammert über Auschwitz. Gauck
(Spross einer Familie bekennender
Nazis) verstieg sich dabei zu kruden
Verleumdungen über die DDR und
ihren Umgang mit der Vernichtung
der europäischen Juden durch den
Hitlerfaschismus.
Einige Zitate:
„Was nicht völlig klar war, war, dass
besonders durch diesen Rassenwahn
Hitlers, die jüdischen Menschen im Fokus des Vernichtungswillens standen.“
„Und wir haben sehr viel über Hitler gehört. Aber meistens wegen der kommunistischen Widerstandskämpfer, wegen
der kommunistischen Opfer. Und diese
starke Fokussierung auf das Morden
allein aus rassischen Gründen, das war
nachrangig.“
„Und deshalb brauchten viele Leute
eine eigene Annäherung an diese fürchterliche Zeit des Nationalsozialismus.
Bei mir persönlich und bei vielen anderen ging es über die Westmedien.“
„Und ich persönlich bin durch die
kirchliche Jugendgruppe, in der ich war,
konfron- tiert worden mit den Verbrechen und dem Leid.“
„In der Kirche waren die Leute ehrlicher,
die gehörten nicht zu den Unterdrückern.
Und in solchen Gruppen haben wir „Das
Tagebuch der Anne Frank“ gelesen oder
haben die verschiedenen Schicksale der
Verfolgten nachvollzogen.“
Eine ehemalige Berliner Lehrerin stellte
daraufhin folgende Dokumentation
zusammen:
Zu Gaucks „Antworten“ – Erinnerung
an Auschwitz und wie wurde die Geschichte in der DDR dargestellt:
In der DDR gab es ein einheitliches
Bildungssystem (von Rostock bis
Karl-Marx-Stadt), so dass alle Schüler
der Polytechnischen Oberschulen und
Erweiterten Oberschulen den gleichen
Unterrichtsstoff hatten. Im Geschichtsbuch der 9. Klassen – Ausgabe 1984
– findet man auf den Seiten 132/133 und
auf Seite 155 Aussagen über folgende
zu vermittelnde Inhalte: Kristallnacht
Nov. 1938; Rassentheorie und Antisemitismus; Nürnberger Gesetze 1935;
Konzentrationslager und deren Opfer;
Wannseekonferenz 1942; Endlösung der
Judenfrage (10 Mill. Opfer sind Juden);
Nürnberger Kriegsverbrecherprozess;
Warschauer Ghetto 1943
Weitere Literatur, die jedem zugänglich
war: „Wenn es ans Leben geht“ von
Peter Edel; „Meine liebste Mathilde“ –
Heinz Knobloch – Ausgabe 1985; „Der
gelbe Fleck“ - Rosemarie Schuder/Rudolf Hirsch – Ausgabe 1987
Wer sich für Literatur interessierte,
konnte in der DDR unzählige solche
Bücher finden. Es ist mir unvorstellbar,
wie man sich ausschließlich über die
Westmedien informieren musste, um
darüber wahre Geschichten zu erfahren
oder Menschen kennenzulernen, die
Unvorstellbares erlebt hatten.
Filme: „Ehe im Schatten“ - erster
DEFA-Film nach 1945; „Prof. Mamlok“;
„Jakob der Lügner“; „Sterne“
Fahrten in Konzentrationslager: Fahrten
wurden bereits Ende der 50er Jahre
für Schüler der 8. Klassen organisiert
(meist Jugendweihefahrten). In BerlinMitte wurden die Jugendweiheteilnehmer Ende der 60er Jahre mit einem
Sonderzug nach Weimar/Buchenwald
gefahren.- Das war Bestandteil unserer
antifaschistischen Erziehung.
Überall in der DDR gab es die Möglichkeit, Antifaschisten und ehemalige
KZ-Häftlinge in Schulen einzuladen.
Davon haben Lehrer der Egon-SchultzOberschule in Berlin-Mitte oft Gebrauch
gemacht (Bruno Apitz, Otto Halle - Buchenwaldhäftling seit Bestehen des KZ
– oder Siegmund Spieler). Eine unserer
ältesten Kolleginnen, die im vergangenen Jahr verstarb, war Hanna Heilborn.
Sie war Jüdin und überlebte Theresienstadt. Von ihr erfuhren Schüler und
Lehrer ihre tragische Geschichte.
Dazu brauchten wir keine kirchlichen Jugendgruppen. Religiöse Schüler, wie Herr
Gauck, gab es überall in den Schulen:
Katholiken, Protestanten und auch Zeugen Jehovas. Wir hatten mit ihnen keine
„Auseinandersetzungen“; sie beteiligten
sich an den Gesprächen, Fahrten u.a.
H. G.
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Berliner Anstoß | APRIL 2015
ILLUSIONEN DES
NEOREFORMISMUS
Syriza und Podemos
➽In Europa bekommen reformistische Projekte wie Syriza und
Podemos immer mehr Zulauf. Nachdem Syriza vor kurzem die Wahlen
in Griechenland gewonnen hat,
wird auch Podemos im spanischen
Staat als mögliche neue Regierung
gehandelt.
Was können die ArbeiterInnen und
Massen tatsächlich von solchen
Strohfeuer-Projekten erwarten?
Mehr als 100.000 Menschen versammelten sich am 31. Januar auf der Plaza del
Sol in Madrid, wo vor fast vier Jahren
die Empörten-Bewegung begann. „Presidente, Presidente“, riefen sie Pablo
Iglesias, dem Generalsekretär von Podemos, zu. Dieser versicherte der Menge,
dass der Moment der Veränderung jetzt
gekommen sei. Am Sonntag zuvor hatte
sein griechischer Kollege Alexis Tsipras
von Syriza die Wahlen in Griechenland
gewonnen und bildet dort nun die neue
Regierung. In einer Situation, in der die
Massen durch ihre Ablehnung die bestehenden Regime in eine Krise stürzen,
können diese Organisationen mit ihren
Verurteilungen der „politischen Kaste“
punkten. Gleichzeitig versuchen ältere
reformistische Parteien wie „die Linke“
von diesen Triumphen zu profitieren.
DER FEHLER LIEGT IM ANSATZ
Syriza bildet nun eine Regierung
gemeinsam mit der nationalistischen
ANEL (Unabhängige Griechen).
Bei den Wahlen 2009 noch auf weniger
als fünf Prozent der Stimmen gekommen, hatte Syriza 2012 plötzlich die
Möglichkeit, stärkste Partei zu werden.
Dort hatten sie noch die Nichtzahlung
der „illegitimen“ Schulden sowie die
Verstaatlichung der Banken als Teil
ihres Programms gefordert.
Seit den letzten Wahlen sorgte Syriza
vor allem dafür, dass die zahlreichen
Kämpfe der griechischen Massen und
Werktätigen, die nicht weniger als 32
Generalstreiks durchgeführt haben,
in parlamentarische Bahnen gelenkt
wurden. Die Hoffnung, eine SyrizaRegierung würde die soziale Misere
beenden, leitete das Abklingen einer
Mobilisierungswelle ein.
Um die Wahlen zu gewinnen, musste
sich Syriza als eine „ernstzunehmende“
und „vertrauenswürdige“ Kraft vor den
Entscheidungsträgern in der EU präsentieren. In diesem Sinne ist Tsipras‘
Präsentation in der City of London, seine Artikel in einigen imperialistischen
Blättern und seine ständig wiederholte
Bestätigung, Griechenland werde nicht
aus dem Euro, der EU oder aus der
NATO austreten und schon gar keine
„einseitigen Maßnahmen“ durchführen,
zu verstehen.
Einmal an der Regierung setzt sich
dieser Kurs fort und beschleunigt sich
sogar: Zuerst wurde die rechte ANEL
Berliner Anstoß | APRIL 2015
in die Regierung aufgenommen, und
ihr Anführer zum Verteidigungsminister ernannt. Im Tausch mit einigen
sozialen Zugeständnissen wurde
versprochen, die Trennung von Kirche
und Staat nicht weiter zu verfolgen.
Kurze Aufregung herrschte, als Finanzminister Varoufakis verkündete, nicht
mehr mit der Troika zu verhandeln.
Diese Drohung wurde jedoch schnell
zurückgenommen, nur Tage später
loben bürgerliche Kommentatoren die
griechische Regierung für ihre „versöhnlichen“ Signale, nachdem man
die Troika einfach umbenannt hatte.
Brüssel akzeptierte die „Liste der
Reformen“ der neuen Regierung, die
"Gläubiger" atmeten auf. Die angeblich
radikalen Veränderungen stellten sich
als Werbebetrug heraus.
Eine ähnliche Entwicklung hat Podemos durchlaufen, auch wenn diese
Formation kaum ein Jahr alt und noch
nicht in Regierungsverantwortung ist.
Auch sie stellte sich mit einem radikalen Programm zu den Europawahlen
im Mai 2014, bei denen sie mit mehr
als einer Million Stimmen als Stern am
Politikhimmel Spaniens aufging. Doch
dieses weichte sie nach und nach auf.
Iglesias traf sich jetzt heimlich mit der
alten Führungsriege der PSOE, die er in
seinen öffentlichen Reden als Teil der
politischen Kaste beschimpft. Das neue
„Programm für die Leute“ von Podemos
sieht neokeynesianische Wirtschaftspolitiken vor, die mittels Hilfskrediten
für kleine und mittlere Unternehmen
eine Verbesserung der Lebenslage der
Bevölkerung erreichen sollen.
DIE EWIGE LEIER DES REFORMISMUS
Was die Parteien des linken Neoreformismus – trotz aller Unterschiede in
ihrer Basis und ihrer Struktur – vereint, ist ihr gemeinsames Interesse an
einer Versöhnung der Klassen. Um
die sozialen Probleme der Massen zu
lösen, bedürfe es „nur“ der Eroberung
des Staates auf parlamentarischlegalistischem Wege – womit zugleich
die Klassennatur des bürgerlichen
Staats verneint und die Massen auf der
Straße demobilisiert werden. Fatal ist
das deshalb, weil die Krise nicht durch
denselben kapitalistischen Staat gelöst
werden kann, welcher die Rettung der
Banken und Konzerne auf dem Rücken
der lohnabhängigen Bevölkerung erst
durchgesetzt hat.
BERLIN-TELEGRAMM
ZU WENIGE ZÜGE
Die BVG braucht eigentlich mehr Züge um den Anforderungen im Berliner
Nahverkehr gerecht zu werden. Die Entwicklung des Fahrgastaufkommens ist
ständig gestiegen. Hinzu kommt, dass die Bestellungen für bestimmte Linien
noch nicht raus sind und der bestehende Wagenpark stark reparaturbedürftig ist. Die BVG versuchte nun der Hamburger U-Bahn Züge abzunehmen,
um die Zeit bis zur Lieferung neuer Züge im Jahr 2017 zu überbrücken. Der
Hamburger Senat hat aber abgelehnt. Droht nach dem S-Bahn-Chaos nun ein
U-Bahn–Chaos?
RAD FAHREN IN BERLIN?
Für Fahrradfahrer ist Berlin unattraktiv und die Menschen in dieser Stadt
sind völlig unzufrieden. Zu diesem Schluss kommt eine Umfrage des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs in der Kategorie der Städte über 200.000
Einwohner. Während 2013 aus dieser Bewertung noch ein Platz 24 herauskam, landete Berlin mit einer schlechteren Note von schlechter als „ausreichend“ nur noch auf Platz 30. Schlechte und zugeparkte Radwege, Fahrraddiebstahl und insbesondere im Winter schlecht geräumte Radwege sind die
Gründe. Geht es nach der Stadtplanung, wird sich das auch nicht wesentlich
verändern.
TEURERES SCHLOSS?
Das Berliner Stadtschloss wird wohl um einiges teurer werden als geplant.
Grund ist die kurzfristige Entscheidung des Berliner Senats die Zentral- und
Landesbibliothek nun doch nicht in das künftige Humboldtforum umziehen
zu lassen. Stattdessen soll eine stadtgeschichtliche Ausstellung dort untergebracht werden. Das Problem: Die technischen Planungen sind derzeit auf die
Bibliothek ausgerichtet und müssen nun komplett verändert werden. Das ist
ohne Bauverzögerungen und Mehrkosten nicht zu leisten.
EINE NEUE MILLIARDE
Der Berliner Flughafen BER braucht mehr Geld. Jetzt wurde öffentlich, dass
der Pannen- und Skandalflughafen kurzfristig weiter 1,1 Milliarden Euro aus
Steuermitteln benötigt. Damit steigt die Gesamtsumme auf mehr als 5,4
Milliarden Euro und damit mehr als doppelt so hoch als geplant.
IMMER MEHR FERNBUSVERKEHR
Die Entwicklung des Fernbusverkehrs bringt immer mehr Probleme mit sich.
Nachdem sich am Berliner ZOB die An- und Abfahrten auf über 210.000
verfünffacht haben wird es jetzt auch an deren Haltemöglichkeiten wie am
Bahnhof Zoo oder am Ostbahnhof immer enger. Die Prognosen gehen davon
aus, dass sich der Verkehr allein in diesem Jahr noch um weitere 40 Prozent
steigern wird. Prognosen, wie sich das auf den Berliner Straßenverkehr auswirkt, gibt es bisher nicht.
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Berliner Anstoß | APRIL 2015
Unsere Perspektive ist keine „Neuausrichtung der EU“, sondern die
Zerschlagung dieses Konstrukts des deutschen Monopolkapitals.
Die revolutionären Kämpfe der Gegenwart hat die Arbeiterklasse
der jeweiligen Länder auf nationaler Ebene zu führen, weil diese
den faktischen Rahmen des sie unterdrückenden staatlichen Herrschaftsinstruments inklusive seiner Repressivorgane darstellt.
Dabei geht es nicht allein um die
Erkenntnis, dass die Krise grundlegend nur durch die Überwindung des
Kapitalismus selbst überwunden werden kann. Denn selbst die moderaten
Versprechen, die Syriza nun macht,
werden sich nicht durchsetzen lassen,
wenn diese Auseinandersetzung nicht
als ein Klassenkampf verstanden
wird, der nur über Mobilisierung auf
den Straßen und vor allem in den
Betrieben gegen den Widerstand der
Kapitalisten gewonnen werden kann.
Dies gilt umso mehr, als der Gegner
nicht nur das griechische, sondern
vor allem das deutsche und europäische Kapital ist, welches Griechenland seit Beginn der Weltwirtschaftskrise von einer Misere in die nächste
getrieben hat.
Gegen Merkel und die Troika helfen
aber nicht Diplomatie und Verhandlungen, wie sie Tsipras und Co.
vorschlagen. Diese Regierung kann
keine Mobilisierung der griechischen
Massen ernsthaft wollen.
Stattdessen setzt Syriza und trotz einer
etwas anderen Klassenbasis auch Podemos darauf, inmitten einer enormen
Krise des wirtschaftlichen und politischen Regimes mit einer beispiellosen
Zerrüttung des politischen Establishments die Rolle der alten Sozialdemokratie einzunehmen.
Demgegenüber müsste in einer solchen
Situation, die sich durch eine enorme
Desillusionierung mit der bürgerlichen
Demokratie auszeichnet, erst recht ein
Programm der politischen Unabhängigkeit des Proletariats aufgeworfen
werden. Was gegen die Misere hilft,
ist nicht eine Neuverhandlung der
Schulden oder die Milderung der
Sparpolitik, sondern die sofortige und
entschädigungslose Verstaatlichung
der Banken und der Produktionsmittel
unter der demokratischen Kontrolle
der ArbeiterInnen. Es handelt sich hier
nicht um ferne Hirngespinste, sondern
um unmittelbare Lebensnotwendigkeiten für breite Schichten der Arbeiterklasse und der Jugend. Syriza hingegen
steht für die Wiederherstellung der
Legitimation des bürgerlich-kapitalistischen Regimes.
GEFAHR DER DESILLUSIONIERUNG
Von daher verwundert es immer wieder, wenn Gruppen mit einem revolutionären Anspruch, wie linke Kräfte in der
Partei „die Linke“, der EL (Europäische
Linke) oder sogar ein reformistischer
Sektor in der DKP, Projekte wie Syriza
unterstützen. Zwar reden sie von einer
„kritischen Unterstützung“ zur Verbesserung der unmittelbaren Situation der
Massen. Was sie aber nicht erklären,
ist, wie der Aufbau einer revolutionären
Alternative heute vonstatten gehen soll,
wenn nicht auf der Basis einer revolutionären Partei wie der KKE als Alternative zu Syriza und ähnlichen Projekten.
Fehlt aber diese Alternative wird eine
Desillusionierung zu einem weiteren
Aufschwung rechter Kräfte führen.
Denn jene sind in dieser Situation die
einzigen, deren Programm „gegen das
System“ gerichtet scheint. Wenn die
radikale Linke sich heute nur darauf
beschränkt, auf den reformistischen
Druck, der durch den Wahlsieg Syrizas
entsteht, mit „kritischer Unterstützung“
zu antworten und darauf zu hoffen,
dass quasi automatisch aus der Desillusionierung mit Syriza ein Aufschwung
der Klassenkämpfe in Europa entsteht –
dann überlässt sie im schlimmsten Fall
der extremen Rechten das Feld.
Unsere Perspektive ist keine „Neuausrichtung der EU“, sondern die Zerschlagung dieses Konstrukts des deutschen
Monopolkapitals. Die revolutionären
Kämpfe der Gegenwart hat die Arbeiterklasse der jeweiligen Länder auf nationaler Ebene zu führen, weil diese den
faktischen Rahmen des sie unterdrückenden staatlichen Herrschaftsinstruments inklusive seiner Repressivorgane
darstellt.
Stefan Natke
Berliner Anstoß | APRIL 2015
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DIE SCHÖNHEIT VON OSTBERLIN – EIN TREFFEN MIT
RONALD SCHERNIKAU
Ein Besuch im Deutschen Theater
➽Man kommt ja viel zu selten ins
Theater! Man hat wenig Zeit, es ist
teuer und der bürgerliche Kulturbetrieb bietet auch nicht immer
was Sehenswertes. Aber es gibt
Ausnahmen: Im Deutschen Theater
gibt es die Ronald SchernikauCollage: „Die Schönheit von OstBerlin“. Es ist eine Collage über das
intensive- aber leider viel zu kurze
Leben unseres Genossen Ronald
Schernikau. Ein bunter und lauter
Bilderbogen – genau so schnell und
atemberaubend wie sein Leben nun
mal war. Erzählt von seiner Mutter
– die grandios von Margit Bendokat
gespielt wird.
Ronald Schernikau, geboren 1960 in
Magdeburg, war ein Republikflüchtling
wider Willen. Er war sechs Jahre alt,
als ihn seine Mutter im Kofferraum
über die Grenze schmuggelt. „Nicht
wegen was Politischem – aus Liebe“
betont sie immer wieder. Sie bleiben
heimatlos. Der männliche Anlass der
Republikflucht hat heimlich noch eine
andere Familie und dazu noch im
Wohnzimmer ein Hakenkreuz zu hängen. Der Satz: „Die DDR ist das schönste Land der Welt“ zieht sich durch
das gesamte Theaterstück. Ronald
Schernikau findet aber seine politische
Heimat – seine Weltanschauung. Er
wird Kommunist. Mit aller Konsequenz.
Schon 1976 wird er Mitglied der DKP.
Und er wird Schriftsteller. Noch als
Schüler schreibt er sein erstes Buch –
die kleinstadtnovelle. Nach Ende seiner
Schulzeit zieht er nach Westberlin und
wird 1980 Mitglied der SEW. Er studiert
an der FU Philosophie und Germanistik. Zu seinen Freunden gehören Gisela
Elsner, Irmtraud Morgner, Peter Hacks,
Elfriede Jelinek und Matthias Frings.
Er taucht aber auch tief ein in die
Schwulenszene von West-Berlin. Er lebt
seine Homosexualität ganz offen und
tritt mit seinem Travestie-Ensemble
„Ladys Neid“ auf. Und er schreibt
Theaterstücke wie „Die Schönheit“.
Ab 1986 studiert er als Westberliner
am Institut für Literatur in Leipzig.
Seine Abschlussarbeit „Die Tage in L.“
erscheint 1989. Auf den freundschaftlichen aber drängenden Rat von Peter
Hacks hin, siedelt er im September
1989 (!) nach Ost-Berlin um – und wird
wieder DDR-Bürger. Er lebt in Hellersdorf und arbeitet als Dramaturg für
den Deutschen Fernsehfunk. Das Ende
seiner herbei gesehnten DDR-Staatsbürgerschaft kam bekanntlich sehr rasch.
In einer viel beachteten Rede auf dem
Kongress des Schriftstellerverbandes
im März 1990 bezeichnete Schernikau
die Entwicklung in der DDR ganz
klar als Konterrevolution. Was für ein
rasantes Leben! Ein rasantes Leben
das 1991 brutal stoppte. Er schaffte es
gerade noch seinen Roman „legende“
zu beenden. Am 20. Oktober 1991 starb
unser Genosse Ronald Schernikau an
den Folgen seiner AIDS-Erkrankung.
Leider können wir nicht mehr mit
Ronald eine Nacht in der Kneipe sitzen,
über die Weltlage philosophieren oder
sein neustes Buch lesen – aber 6. und
am 23. April gibt es noch Vorstellungen im Deutschen Theater. Und seine
Bücher gibt es auch immer noch!
Der Kapitalismus hatte nur eine Chance:
So zu tun, als sei er keiner.
Er würde den Leuten mit dem Stundenlohn erzählen müssen,
sie seien Herren ihrer selbst.
Das hat geklappt! Herzlichen
Glückwunsch!
Ronald M. Schernikau
Wer Ellen Schernikau, Ronalds Mutter
life erleben will, der hat über Pfingsten
beim Festival der Jugend der SDAJ im
Kölner Jugendpark die Möglichkeit.
Ingeborg Lohse-Geserick
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Berliner Anstoß | APRIL 2015
Schwember hat das Wort
Der Kommentar von Gerald Schwember
DAUMENDRÜCKEN!
➽Raumpfleger Ali Y. (45) hat die
Daumen gedrückt und ist jetzt voll
sauer! Das wäre die Chance auf den
vierten 400-Euro Putz-Job gewesen;
Bänke putzen im Olympia-Stadion, in
toller Atmosphäre.
Auch Profi-Flaschensammlerin Hilde
K. (73) war enttäuscht. Bei Olympia,
meinte sie bei unserem Gespräch
in der Suppenküche, hätte es sicher
eine Menge Flaschen mehr zum
Einsammeln gegeben.
Nun gingen die Flaschen leider zu
den Fischköppen.
Die harte Entscheidung des Deutschen
olympischen Fossilienkabinetts hat die
Berliner tief getroffen!
Strassenzeitungsverkäufer Rupert S. (33)
hatte auch schon von maximalen Verkaufszahlen geträumt. Die Japsen z.B.
würden ja alles kaufen... Allerdings, so
räumte er ein, wäre es sicher schwierig geworden, mit seiner greisen Töle
Hardy durch die S-Bahn-Wagen mit
grölenden Sport-Fans zu kommen.
Mein pakistanischer Internet-TelefonCafé-Spätkauf-Inhaber Asim H. (54)
zeigte sich auch recht betrübt. Er habe
ja das ultimative Kommunikationsunternehmen für Fern-von-zuhause-Sporttouristen! Rund um die Welt chatten
und telefonieren, hier billiger und voll
günstig. Als ich ihn darauf hinwies,
dass sein Spätkauf-Etablissement in der
Provinzstrasse im Wedding etwas weit
weg vom Geschehen läge, musste er
nachdenken.
Nachgedacht hat auch das SchnorrerPärchen Silke (19) und Sven (22). Wenn
so richtig coole Feierstimmung wie bei
Olympia herrsche, gäben die Leute
einfach mehr. Na ja, nicht immer Euro,
oft auch Landeswährung, Münzen, die
keine Bank tauscht. Aber immerhin, so
Sven, hätten man ja dann endlich mal
wieder so 'ne griechische Drachme in
der Hand.
Apropos, der Betreiber meines geliebten
griechischen Restaurants Theophrastos
P. (38) hätte Olympia auch gerne in Berlin gehabt. Weil er als Grieche - logisch
- ein besonderes Verhältnis dazu habe.
Bedauerlich die Entscheidung, aber er
würde dem Altmänner-Komitee trotzdem nicht den Stinkefinger zeigen.
Um die möglichen Restaurant-Mehreinnahmen während der 16-tägigen Sause
sei es freilich schade. Die hätten so
manche zusätzliche - solange andere
Entschädigungen noch auf sich warten
ließen - dringend notwendige Hilfslieferungen nach Griechenland möglich gemacht. Neben Enttäuschung aber auch
befremdliche Gleichgültigkeit in den
Berliner Straßen! Zeitungskioskbesitzer
Rainer F. (45) geht die ganze Sache am
Arsch vorbei! Die allein erziehende
Mandy Sch. (26) glaubt nicht an einen
zusätzlichen Minijob durch Olympia
und für die Bordellbesitzerin Rita M.
(58) reichen Tagesgeschäft und Messen
in Berlin voll aus! Nur die Taxifahrer
meckern. Aber die meckern ja immer.
Weshalb manch Außenstehender
schlussfolgert, dass DIE Berliner immer
was zu meckern hätten. Und sich so
Olympia weggemeckert hätten.
Hallo! Wie bitte?
Irgendwie zusammen gekratzte 55 %
waren doch für Olympia! Grinsten mit
Henkel und Müller um die Wette. Und
alle Berliner Medien machten Dauer-Power für die fünf Ringe. Quasi freiwillig
und gleichgeschaltet, gemeinsam mit
ausgesuchten Größen von Sport, Politik
und Wirtschaft.
Wat jucken bei soviel Freude auch 50
Millionen Euro Bewerbungskosten. Wat
kostet die Welt, wir ham's doch!
50 Mille, das sind ca. 8000 bis 10000
renovierte Schulklos, nur mal so, als
Beispiel! Wegen Olympia allerdings
erleichtern sich Schüler und Lehrer
auch gerne mal in verschimmelten Sanitäranlagen. Da kann auch ruhig mal
ein Treppengeländer wackeln und die
Turnhalle geschlossen werden, weil's
durchregnet. Macht nüscht, Hauptsache
wir können Olympia. Wird nun aber
nichts. Die 50 Millionen könnten nun
für ... keine Sorge, werden sie nicht,
denn jetzt sind sie ja nicht mehr da!
Und mit dem BER können wir uns Zeit
lassen, der Druck 2024 fertig sein zu
müssen ist weg! Die Berliner Zeitung
teilte übrigens mit, dass die BERArchitekten nun auch die Hamburger
Olympia-City planen.
Na, dann wollen wir mal die Daumen
drücken!
Berliner Anstoß | APRIL 2015
Serie
Spurensuche
Der Berliner Anstoß auf den Spuren der Arbeiterbewegung in Berlin
DIE WAFFEN NIEDER!
Der Ostermarsch in Berlin
➽April, April, der weiß nicht was er will … für das Wetter in Berlin gilt das
sicher. Warm, kalt, Sonne, Regen. Da müssen wir eben durch bis zum Sommer. Also habe ich auf meiner Spurensuche immer einen großen Regenschirm
dabei. Manchmal sind die Spuren der Arbeiterbewegung aber nicht an einem
bestimmten Ort zu finden. Das gilt auch für den Ostermarsch. Im Gegensatz
zum April weiß die Friedensbewegung was sie will: Der Kampf um den
Frieden ist natürlich das ganze Jahr über aktuell – aber einer der wichtigsten
Höhepunke ist, wie fast jedes Jahr seit 1958, natürlich der Ostermarsch.
Der erste Ostermarsch, 1958, begann,
nein nicht in Berlin, sondern in London.
Über 12 000 Menschen zogen Ostern 1958 voller Empörung gegen die
drohende nukleare Aufrüstung von
London zum Atomforschungsinstitut
nach Aldermaston – der legendäre
Aldermaston-Marsch.
Daraus entwickelte sich eine bis heute
andauernde Tradition von Ostermärschen in den westeuropäischen
Ländern.
In der Bundesrepublik Deutschland
bildete sich die Friedensbewegung nach
einer Rede des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer am 5. April 1957
in der er die Wiederaufrüstung der
Bundeswehr, auch mit Nuklearwaffen,
ankündigte. Eine Welle der Empörung
ging durch Deutschland: Wie war das?
Von Deutschem Boden soll nie wieder
ein Krieg ausgehen – Nie wieder Krieg
15
– Nie wieder Faschismus!
Zusammen mit Gewerkschaften,
Kirchen Teilen der SPD, vielen linken
Künstlern, natürlich den Kommunisten und, und, und, formierte sich die
Kampagne „Kampf dem Atomtod“. Die
Keimzelle der Friedensbewegung in
West-Deutschland. Ostern 1958 fanden
Friedensmärsche in Bremen, Kiel,
München, Mannheim, Dortmund und
Essen statt. Die größte Manifestation
gegen eine Wiederaufrüstung war in
Hamburg. 130 000 Menschen beteiligten
sich an einer Mahnwache – 14 Tage und
Nächte vor dem Hamburger Rathaus.
Die SPD zog sich allerdings schon wenig
später aus den Friedenskampagnen zurück, nachdem die Friedensbewegung
als „Kommunistisch gesteuertes Sicherheitsrisiko“ diffamiert wurde. Warum
wundert uns das nun gar nicht?
In den kommenden Jahren gingen
immer mehr Menschen in immer mehr
Städten Ostern auf die Straßen. Seit
Anfang der 60er Jahre demonstrierten
Ostern regelmäßig ca. 3 000 000 Menschen. Auch natürlich um gegen den
Vietnamkrieg Flagge zu zeigen. Einen
neuen Höhepunkt für die Ostermärsche gab es 1979 – 1983 mit dem Kampf
gegen den Nato-Doppelbeschluss.
Und in (West)Berlin? Da war natürlich
alles ein bisschen kleiner – und die
Wege des Ostermarsches etwas kürzer.
Aber auch die Berliner Friedensbewegung - zusammen mit der FRIKO, linken
Gewerkschaftern, Teilen der SPD, der
Kirchen, der AL in den 60er Jahren
noch mit Rudi Dutschke und natürlich
der SEW gingen Ostern tausende Menschen auf der Straße!
Ab 1990 änderte sich vieles. Auch die
Friedensbewegung war nach der Konterrevolution und dem Wegfall des Friedensgaranten Sozialismus erst einmal
in Schockstarre. Jetzt betraf das Kämpfen um Frieden auch die Menschen aus
Ostberlin – Menschen die sich immer sicher und geborgen fühlten. Der Anfang
war sehr schwierig. Andere Probleme
wie die Existenzsicherung und der
Kampf um den Arbeitsplatz standen für
die Menschen im Vordergrund. Ich kann
mich an Ostermärsche Anfang der 90er
Jahre erinnern. Da waren wir nicht einmal 100 Menschen die sich frierend auf
den Ostermarsch machten. Dann kam
es Schlag auf Schlag: Der Irak-Krieg, die
Kriege in Jugoslawien, Syrien, Ukraine,
Menschen die an den Küsten Europas
ertrinken - kriegsbedingtes Elend fast
überall auf der Welt. Und immer mehr
– auch viele junge - Menschen sehen
wieder, dass nur der Frieden der Garant
für eine Zukunft der Menschheit sein
kann. Auch wenn um den richtigen
Weg in diesem Kampf und manchmal
auch um die „richtigen“ Weggefährten
oft noch gerungen werden muss.
Also Leute, am 4. April ist es wieder
soweit. Zeigt (rote) Flagge für den
Frieden. Für unsere Zukunft und gegen
die Barberei! Wir seh´n uns: Ostersamstag, 12 Uhr, Dorothea-Schlegel-Platz, Mit
vielen Fahnen!
Ingeborg Lohse-Geserick
030/schicken
53 63 55
ò Bitte
Sie50.
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die Wochenzeitung „Unsere Zeit“
für 10 Wochen kostenlos. Das Testabo endet automatisch.
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TEMPELHOF-SCHÖNEBERG
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Herausgeber:
Deutsche Kommunistische Partei
(DKP), Landesverband Berlin
Nächste Ausgabe:
29. April 2015
Redaktionsschluss:
20. April 2015
Anschrift der Redaktion und
des Herausgebers:
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Tel.: 030. 29783132
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V.i.S.d.P.:
R. Perschewski
Franz-Mehring-Platz 1, Berlin
Auflage: 1.000
Druck: Eigendruck
ISSN-Print: 2197-5426
ISSN-Internet: 2197-5434
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