Die Erbschaftssteuer: Eine biblische Steuer Presse-Dossier zur Abstimmung über die Volksinitiative «Millionen-Erbschaften besteuern für unsere AHV (Erbschaftssteuerreform)», 14. Juni 2015 Inhalt Die Erbschaftssteuer: Eine biblische Steuer ................................................................................... 2 Die gerechteste Steuer – Argumente für die Erbschaftssteuerreform ........................................... 4 Fakten gegen Ängste – Einwände und ihre Entkräftung ................................................................. 6 Eine biblische Steuerpolitik? – Grundlegende Gedanken ............................................................... 9 Kontakte ChristNet, www.christnet.ch Verantwortlicher Kampagne Erbschaftssteuerreform: Markus Meury, 078 722 55 86, markusmeury@gmx.ch Gesamtleitung ChristNet: Samuel Ninck-Lehmann, 022 322 13 24 (tags), 022 732 22 52 (abends), samuel.ninck@christnet.ch Erbschaftssteuer ist gerechteste Steuer Pressedossier ChristNet Pressecommuniqué Die Erbschaftssteuer: Eine biblische Steuer Genf, 20. April 2015 – Für die christliche Denkfabrik ChristNet sind Steuern auf Erbschaften gerecht, solidarisch – und biblisch begründet: Bereits das Alte Testament verlangt von Vermögenden, ihren Grundbesitz mit Bedürftigen zu teilen. Mit einer Umfrage will ChristNet die gerechteste Steuer eruieren und einen Kontrapunkt zum vorherrschenden Steuerabbau-Diskurs setzen. Die Erbschaftssteuer, die am 14. Juni zur Abstimmung kommt, ist ein Appell an die Solidargemeinschaft Schweiz. Sie will neue Einnahmen für die AHV, das wichtigste Sozialwerk des Landes generieren, sowie die Kantone unterstützen, die das Bildungs- und Gesundheitswesen finanzieren. Beide Anliegen stehen heute unter Druck. Eine sichere AHV und eine gute Bildungs- und Gesundheitsversorgung sind aber gerade für weniger begüterte Menschen essenziell. Bibel: Arme gesetzlich begünstigen Bereits die Bibel appelliert an Vermögende, ihren Reichtum mit den Armen zu teilen: Ein Gesetzestext im dritten Buch Mose verfügt alle fünfzig Jahre ein so genanntes Jubel- oder Halljahr (3. Mose 25,8-31). Land, das aus Not verkauft worden war, musste demnach wieder an die ursprünglichen Besitzfamilien zurückgegeben werden. Damit erhielten Arme wieder gleiche Spiesse im Überlebenskampf. Heute besteht das Startkapital bedürftiger Bevölkerungsgruppen aus guter Bildung und Gesundheit. Die AHV ihrerseits soll die Existenzgrundlage im Alter sicherstellen – ein Verfassungsauftrag, den sie bisher nicht erfüllt. Wie zu biblischen Zeiten sollen auch heute Vermögende eine besondere Verantwortung für das Gemeinwohl übernehmen. Vielfach zeigen sich Reiche bereits solidarisch, sie gründen Stiftungen oder Hilfswerke. Leider herrscht hierzulande aber je länger je mehr ein Rückzug ins Private vor. Der Staat, das ursprünglich umfassendste Solidarwerk, wird zunehmend beargwöhnt und so seiner besonderen Fähigkeit beraubt, Armut zu bekämpfen. Gefährlicher Trend Steuerabbau So sind Steuerwettbewerb und Steuerabbau die grossen Trends in der Schweizer Finanzpolitik, die den immer grösseren Vermögensunterschieden keinen Einhalt gebietet. Dies ist nicht nur eine Gefahr für den sozialen Frieden, sondern auch für die Demokratie: Denn wo sich Geld in den Händen weniger konzentriert, ballt sich auch die politische Macht. Und wo die Medien von Big Business gelenkt werden, ist die freie Meinungsbildung gefährdet. Die Erbschaftssteuerreform schafft einen Ausgleich zwischen Reichen, die ohne eigene Leistung zu einem Vermögen gelangen, und weniger Begüterten – wie dies schon die Bibel vorsieht. Deshalb empfiehlt ChristNet die Initiative eindringlich zur Annahme. Ein ausführliches Presse-Dossier mit Argumenten und Einwänden zur Erbschaftssteuer, sowie Hintergründen zur Steuerpolitik in der Bibel unter: www.christnet.ch -2- Erbschaftssteuer ist gerechteste Steuer Pressedossier ChristNet Umfrage: Welches ist die gerechteste Steuer? ChristNet hat eine Umfrage zur gerechtesten Steuer lanciert. Unter www.christnet.ch können alle Interessierten 1 bis 5 Punkte an verschiedene Steuerformen wie Einkommenssteuer, Vermögenssteuer, Verbrauchssteuern oder eben die Erbschaftssteuer verteilen. Im Zwischenergebnis nach 31 eingesendeten Antworten liegt die Vermögenssteuer mit insgesamt 139 Punkten in Führung. Die Erbschaftssteuer folgt erst auf dem 5. Platz, hält aber mit 129 Punkten Kontakt zur Spitze. Als unbeliebteste Steuern gelten bisher die Mehrwertsteuer (98) und die Gebühren für Leistungen der Behörden (90), beides nicht-degressive Steuerformen, die Arme und Reiche ungleich belasten. ChristNet hofft für den weiteren Verlauf der Umfrage auf eine Aufholjagd der Erbschaftssteuer, die sie aus den dargelegten Gründen für die fairste aller Steuern hält. Zugleich soll mit der «ultimativpositiven Umfrage» ein grundsätzlicher Kontrapunkt zum vorherrschenden Steuerabbau-Diskurs gesetzt werden. -3- Erbschaftssteuer ist gerechteste Steuer Pressedossier ChristNet Die gerechteste Steuer – Argumente für die Erbschaftssteuerreform Die Kantone haben ihre Erbschaftssteuern für direkte Nachkommen reihum abgeschafft. Dies geschah unter dem Druck des ungesunden Steuerwettbewerbs um die Reichsten. Trotz immer höherer Vermögen haben die Kantone immer weniger eingenommen. Waren es 1999 noch 1,5 Milliarden Franken, sank diese Zahl 2010 auf noch 974 Millionen. Die letzten 20 Jahre waren geprägt von einem stetigen Steuerabbau: Einkommenssteuern, Vermögenssteuern, Erbschaftssteuern, Dividendenbesteuerung, etc. Bereits im Jahr 2001 bezahlten die ärmsten 20 Prozent etwa 23 Prozent ihres Einkommens für Steuern und Abgaben, die reichsten 20 Prozent nur wenig mehr, etwa 24,5 Prozent. Da viele kantonale Steuersenkungen erst seither in Kraft getreten sind, ist davon auszugehen, dass die «Flat Tax» (gleicher Steuersatz für Arm und Reich) insgesamt heute schon Realität ist. Diese Steuersenkungen haben zu einer Steuerkrise geführt. In den letzten Jahren beschnitten praktisch alle Kantone die Grundversorgung wie Bildung, Spitäler, etc. Gerade die Bildung ist das eigentliche Lebenskapital für ärmere Menschen. Wenn sie nicht mehr gewährleistet ist, ist die Chancengleichheit für mehr und mehr Arme nicht mehr gewährleistet. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer stärker auseinander. Grosse Vermögen, die von Generation zu Generation gehen, sind auch in der Schweiz einer der Hauptfaktoren für die Konzentration des Wohlstands: Zwischen 1980 und 2010 ist der Anteil der reichsten 0,1 Prozent der Bevölkerung am gesamten Volksvermögen von 14 Prozent auf 21,5 Prozent gestiegen1. Die Schweiz hat denn (nach den USA) auch die höchste Vermögenskonzentration aller OECD-Länder2. Die ärmsten 25 Prozent mussten zwischen 2003 und 2010 eine Einbusse beim realen Einkommen hinnehmen3 –trotz immer grösserem Arbeitsdruck und grösserer Produktivität. Die biblische Forderung, Vermögen nicht anzuhäufen und Reichtum umzuverteilen, wird in unserer Gesellschaft heute nur sehr beschränkt befolgt. Geld und Macht in den Händen weniger Reicher schaden der Demokratie. Denn nur die Reichsten können sich auf die Dauer ein teures Politikmarketing leisten (Parteien, Wahl- und Abstimmungskämpfe, Medien Think Tanks, Abhängigkeit der Körperschaften von ihren Steuern). So ist die Möglichkeit der weniger Wohlhabenden bedroht, sich eine Meinung zu bilden, diese kundzutun und auch Gehör zu finden. Durch die Möglichkeit, Einkommen und Vermögen fast unbeschränkt zu akkumulieren entstehen starke Abhängigkeiten (Konkurrenz unter den Kantonen um Steuern der Reichen) bis zu Ungleichheiten vor dem Gesetz. Wir brauchen etwas wie ein biblisches Jubeljahr.4 So erhalten wieder alle die gleichen Chancen und Abhängigkeiten werden aufgehoben. Beim Jubeljahr wurde alle 50 Jahre Land, das aus Not verkauft wurde, wieder an die ursprünglichen Besitzfamilien zurückgegeben. Somit wurden Akkumulation verhindert, Abhängigkeiten gebrochen, und die Armen hatten wieder gleiche 1 Schweizerischer Gewerkschaftsbund: SGB-Verteilungsbericht 2015 – Eine Analyse der Lohn-, Einkommens- und Vermögensverteilung in der Schweiz. Dossier Nr. 107. 2015. verteilungsbericht.ch. 2 Credit Suisse: Global Wealth Report 2014. Zürich, 2014, Tabelle 1, S. 30. publications.creditsuisse.com/tasks/render/file/?fileID=60931FDE-A2D2-F568-B041B58C5EA591A4. 3 Vgl. «Verteilung des Wohlstands in der Schweiz.» Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats 10.4046 von Jacqueline Fehr vom 07.12.2010, August 2014. 4 Vgl. 3. Mose 25,8-31; mehr dazu: Lukas Amstutz, «Das Jubeljahr in Bibel und Theologie», in Die Schweiz, Gott und das Geld, ChristNet/StopArmut, 2013. christnet.ch/de/content/17-das-jubeljahr-bibel-und-theologie. -4- Erbschaftssteuer ist gerechteste Steuer Pressedossier ChristNet Lebenschancen. Heute besteht das Startkapital der armen Bevölkerung aus der Bildung. Deshalb ist es dringend nötig, dass die Kantone mehr finanzielle Mittel erhalten, damit die Chancengleichheit erhalten wird. Dazu leistet die Erbschaftssteuer einen Beitrag. Unter den alten Menschen ist Armut verbreitet. Dies wird oft übersehen, weil die Reichsten meist auch in dieser Alterskategorie sind und damit den Einkommens- und Vermögensdurchschnitt stark nach oben ziehen. Die AHV ist nicht existenzsichernd, trotz Verfassungsauftrag! In Zukunft droht sie wegen der Alterung der Bevölkerung gar noch abgebaut zu werden. Auf der anderen Seite wirken steigende AHV-Beiträge wie eine «Flat Tax» und belasten die unteren Einkommen stark. Die AHV setzt eigentlich den biblischen Solidaritätsgedanken um, indem die jüngeren Erwerbstätigen direkt mit den Rentnern solidarisch sind. Dazu sind aber neue Einnahmequellen wie die Erbschaftssteuer nötig. Die Erbschaftssteuer ist die gerechteste Steuer. Der Empfänger einer Erbschaft hat nichts dafür geleistet. Im Gegensatz dazu müssen heute Löhne aus harter Arbeit versteuert werden. Ungerecht! Die Erbschaftssteuer ermöglicht es, familiengebundene Vermögen wieder der Allgemeinheit zukommen zu lassen, und trägt so zu einer gerechteren Verteilung des Reichtums bei. Ein hoher Freibetrag von 2 Millionen Franken auf der Erbmasse sorgt dafür, dass nur 2 bis 3 Prozent aller Erbschaften in unserem Land betroffen sind. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und Bauernbetriebe erhalten Ermässigungen, die ihnen das Überleben sichern. -5- Erbschaftssteuer ist gerechteste Steuer Pressedossier ChristNet Fakten gegen Ängste – Einwände und ihre Entkräftung In den letzten Jahren haben viele Anliegen von Volksinitiativen ein Jahr vor der Abstimmung bei Umfragen Zustimmungsraten von 60 bis 70 Prozent erreicht, um dann am Abstimmungstag auf 20 bis 40 Prozent zu sinken. Jedes Mal wurde mit viel Geld Gegenpropaganda organisiert, die uns Angst um das eigene Wohl einflössten. Auch die Erbschaftssteuer hat bisher hohe Zustimmung erfahren. Lassen wir uns, wenn es ernst wird, wieder mit falschen Behauptungen Angst einjagen? Bereits sind zwei Bücher gegen die Erbschaftssteuer erschienen. Wenn’s um unseren Besitz geht, bricht Panik aus. Als Christen wollen wir «Gottes Reich und seine Gerechtigkeit» suchen und nicht der Geldlogik und Angstgefühlen folgen. Welches sind die Einwände gegen die Erbschaftssteuerreform, welches unsere Antworten? «Wir zahlen immer mehr Steuern!» Eine Studie der Eidgenössischen Steuerverwaltung von 2004 zeigt: Zwischen 1990 und 2001 wurden die reichsten 20 Prozent der Haushalte im Durchschnitt um 4300 Franken pro Jahr entlastet, die ärmsten 20 Prozent bezahlen 650 Franken mehr… Dies hängt damit zusammen, dass die Steuern zwar insgesamt sanken, die AHV-/IV-Beiträge und die leistungsabhängigen Abgaben aber gleich blieben oder anstiegen. Daraus ergibt sich faktisch eine «Flat Tax», d.h. eine Besteuerung ohne Progression. «Die Erbschaftssteuer schröpft uns alle!» Die Erbschaftssteuerreform betrifft nur 2 bis 3 Prozent aller Erbschaften in unserem Land. Nur diese entspringen einem Nettovermögen (nach Abzug aller Schulden wie Hypotheken oder Darlehen) von mehr als 2 Millionen Franken. Dafür sorgt der Freibetrag in der Initiative, der also etwa 97 Prozent aller Erbschaften von der Steuer befreit. «Wir sollen nicht immer mehr die Reichen schröpfen!» Das Gegenteil ist der Fall: Die weniger wohlhabenden Schichten werden immer stärker zur Kasse gebeten. Gleichzeitig haben hohe Einkommen in den letzten Jahren immer mehr zugenommen. Auch mit progressiven Steuern steht ihnen immer mehr zur Verfügung. Die Belastung der Reichen wird also auch mit progressiven Steuern nicht höher. «Die Erbschaftssteuer ist eine Neidsteuer und widerspricht dem zehnten Gebot!» Durch die immer grössere Vermögenskonzentration entstehen grosse Probleme. Genau deshalb wird im Alten Testament das Jubeljahr empfohlen, in welchem der Bodenbesitz alle 50 Jahre neu zugunsten der Landlosen verteilt werden soll. Die Erbschaftssteuer ist eine moderne Antwort darauf. «Die Reichen zahlen ja schon die Mehrheit des Steueraufkommens!» Dies besagt mehr über die immer grössere Kluft bei der Einkommensverteilung als über eine ungerechte Steuerbelastung. «Die Reichen wandern ab, wenn wir die Erbschaftssteuer einführen!» Die Reichen haben auch mit der Erbschaftssteuer noch genügend Vorteile in der Schweiz. Überdies ist die Erbschaftssteuer im Ausland oft höher. -6- Erbschaftssteuer ist gerechteste Steuer Pressedossier ChristNet «Aber der Reichtum ist doch ein Segen von Gott!» Im Alten Testament erscheint Reichtum oft (aber nicht immer) als Segen Gottes. Dabei gilt zu bedenken, dass Gott segnet, damit wir den Segen weitergeben (s. Abraham; 1. Mos. 12,2). Dann hat ja Gott trotz allem das Jubeljahr eingeführt (s.o.). Ausserdem spricht Gott an vielen Bibelstellen von Umverteilung. «Gott will doch, dass das Geld in der Familie bleibt!» Jesus hat nicht die Sippe zur Grundlage seines Engagements gemacht und sich vielmehr von den Ansprüchen seiner Familie distanziert. Die Anhäufung der grossen Familienvermögen schafft erst die genannten Probleme und rechtfertigt bei Weitem eine Umverteilung, wie sie die AHVErbschaftssteuerreform will. «Der Wert der Familie geht vor!» Wenn wir Familien fördern wollen, müssen wir dafür sorgen, dass Familie möglich ist. Das heisst auch armen Familien helfen. Die Kantone brauchen dazu genügend Mittel! Heute bauen sie entsprechende Hilfsleistungen eher ab, so etwa Krankenkassen-Vergünstigungen etc.! Deshalb ist die Erbschaftssteuer nötig. «Eine Erbschaft hilft, die Existenz der Kinder zu sichern!» Wegen der Alterung wird ab 2020 nur noch ein Drittel der Erbschaften an Kinder unter 50 Jahren ausgeschüttet werden. Ausserdem geht es bei der Initiative um Erbschaften mit sehr hohen Beträgen. Wer mehr als 2 Millionen vererben kann, dessen Kinder brauchen kaum um ihre Existenz zu fürchten. «Erbschaften werden doch bereits als Einkommen und Vermögen versteuert!» Das Doppelbesteuerungs-Argument zieht nicht. Geld, das im Umlauf ist, wird immer mehrmals versteuert: Zuerst der Lohn; dann die Einkäufe (Mehrwertsteuer); der Ladenbesitzer seinen Gewinn und seinen Lohn usw. Zudem stammen vor allem grosse Vermögen keinesfalls nur aus Einkommen, sondern zum grossen Teil auch aus früheren Erbschaften, Wertzuwachs von Immobilien, steuerfreien Kapitalgewinnen und steuerfreien Spekulationen. Erbschaften fallen an, ohne dass dafür etwas geleistet werden muss. Deshalb ist es nur gerecht, sie zu besteuern. Überdies sind die Vermögenssteuern in der Regel minimal! «Die Erbschaftssteuer bedroht KMUs und Bauernbetriebe und zerstört viele Arbeitsplätze!» Im Initiativtext heisst es klar: «Gehören Unternehmen oder Landwirtschaftsbetriebe zum Nachlass oder zur Schenkung und werden sie von den Erben, Erbinnen oder Beschenkten mindestens zehn Jahre weitergeführt, so gelten für die Besteuerung besondere Ermässigungen, damit ihr Weiterbestand nicht gefährdet wird und die Arbeitsplätze erhalten bleiben.» Die bürgerliche Mehrheit wird im Falle einer Annahme der Initiative dafür sorgen, dass Familienunternehmen nicht zu hoch belastet werden (z.B. mit 5 % statt 20 %) und einem hohen Freibetrag (z.B. CHF 50 Mio.). Zudem ist es in der Wirtschaftswissenschaft unbestritten, dass mehr Umverteilung mehr Arbeitsplätze schafft. Wenn Arme mehr Geld erhalten, geben sie es nämlich für das Nötigste wieder aus, anstatt zu sparen wie dies die Reichen tun… -7- Erbschaftssteuer ist gerechteste Steuer Pressedossier ChristNet «Der Staat soll nicht noch mehr einnehmen!» Wer ist denn der Staat? Wir selber! Dazu kommt: Fett gibt es keines mehr abzuschneiden. Bereits heute wird bei Essentiellem gekürzt, bei Gesundheit und Bildung. «Jeder kann doch selber fürs Alter sparen!» Leider trifft dies nicht zu. Mit einem Lohn von 3000 Franken pro Monat gibt es kaum Sparmöglichkeiten! «Die Alten sind heute doch reicher als früher!» Im Durchschnitt schon, aber nur, weil die Zahl der superreichen Senioren zugenommen hat. Heute liegen gigantische Vermögen bei einzelnen Familien. «Die Kantone werden entmachtet!» Der Steuerwettbewerb unter den Kantonen hat zu einem Steuersenkungs-Rennen geführt, zum Schaden aller. Bei einem gemeinsamen Vorgehen mit der Erbschaftssteuer gewinnen alle! -8- Erbschaftssteuer ist gerechteste Steuer Pressedossier ChristNet Eine biblische Steuerpolitik? – Grundlegende Gedanken Staat und Steuern in der Bibel Der moderne Staat des 21. Jahrhunderts und die Staatsformen, von denen die Bibel berichtet, sind nur schwer zu vergleichen. Der technische Fortschritt und die Mobilität von heute machen eine kollektive Organisation möglich, an die damals – vor allem in der Zeit zwischen 1000 vor Christus und der Eroberung Palästinas durch das Römische Reich im Jahre 63 vor Christus – nicht zu denken war. Entscheidender als der Staat waren Sippe und Familie. Gesetze und kollektive Organisation gab es indes schon zu biblischer Zeit. Im Alten Testament wird anerkannt, dass gewisse Aufgaben kollektiv gelöst werden sollen. Dazu zählen neben der religiösen Organisation auch die Gesetzgebung, der Strassenbau oder die Sicherheit. Ebenso gehört ein gewisser Grad an Umverteilung in den Kanon der alttestamentarischen Gesetzlichkeit. Davon lesen wir ab dem Buch Mose, noch mehr in den Büchern Könige. Im Neuen Testament bejaht Jesus den Staat als notwendige Realität, verzichtet aber auf die Präzisierungen hinsichtlich der Staatsform. Herausforderung Armut Einen breiten Raum nimmt in der Bibel das Thema der Solidarität ein. Zentral ist der Begriff der Armen. Zwar gibt es Stellen, an denen Armut mit Selbstverschulden in Verbindung gebracht wird. Sie sind allerdings rar und befinden sich nur im Buch der Sprüche und in der Aussage im Neuen Testament, dass, wer nicht arbeiten wolle, auch nicht essen soll. Ansonsten wird Armut als gesellschaftliches Übel beschrieben, das mit sozialer Benachteiligung oder Unterdrückung einhergeht. Das Alte und das Neue Testament sind voller Aufrufe, die Armen zu schützen – physisch und rechtlich – und mit ihnen zu teilen. Beispielsweise lesen wir in 5. Mose 15,7-11, wir sollten «dem Armen die Hand grosszügig öffnen». Und in Sprüche 21,13 heisst es: «Wer Ohren verstopft vor dem Hilfeschrei der Geringen, der wird einst rufen und keine Antwort erhalten.» Jesus erklärt den Jüngern auch, nach welchem Massstab sie einst gerichtet werden: «Ich war hungrig, und ihr habt mir zu Essen gegeben» (Mat. 25,45). Steuerliche Eingriffe des Staates Die Bibel empfiehlt zur Linderung und Bekämpfung von Armut das persönliche Engagement in Form von Almosen. Darüber hinaus kennt sie aber auch Formen gesetzlich geregelter Umverteilung: Alle drei Jahre diente der Zehnte nicht nur der Bezahlung der Leviten, sondern auch der Armutslinderung (5. Mose 14,28-29). Die Nachlese nach der Ernte war den Armen vorbehalten (3. Mose 19,10). Alle sieben Jahre blieb ein Feld unbestellt. Die Frucht gehörte den Armen (2. Mose 23,11). Alle sieben Jahre wurden die Schulden erlassen, «damit kein Armer unter Euch sei» (5. Mose 14,4). Von den Angehörigen des eigenen Volkes durften keine Zinsen verlangt werden (z.B. 2. Mose 22,24). -9- Erbschaftssteuer ist gerechteste Steuer Pressedossier ChristNet Jubeljahr: Die Bibel fordert dazu auf, alle 50 Jahre Land, das in Not verkauft werden musste, an die ursprünglichen Besitzer zurück zu geben. Dank diesem so genannten Hall oder Jubeljahr sollte die gleichmässige Landverteilung – bei der Eroberung Kanaans hatte ursprünglich jede Familie ein Stück Land erhalten – aufrecht erhalten bleiben. Landlosigkeit war in der Subsistenzwirtschaft im letzten Jahrtausend vor Christus der erste Schritt in die Armut. Die periodischen «Landreformen» des Jubeljahrs diente dazu, Betroffenen einen Neustart zu ermöglichen und struktureller Ungerechtigkeit vorzubeugen (3. Mose 25,8-31). Nächstenliebe und Solidarität Im Neuen Testament ist die zentrale Botschaft jene der Nächstenliebe. Praktische Hinweise, wie sie im Umgang mit Benachteiligten gemeint ist, finden wir in der Bergpredigt, im Gleichnis vom barmherzigen Samariter oder auch in der Erklärung Jesu, nach welchem Massstab die Jünger einst gerichtet werden (Matt. 25,31ff.). Wenn Jesus die tätige Nächstenliebe des Individuums auch stärker gewichtet, bedeutet dies nicht, dass er kollektive Solidarität ablehnt. Nirgends kritisiert er staatliche Regelungen, die zum Schutz von Armen eingeführt wurden. Solidarität behält auch im Neuen Testament seine umfassende – persönliche und kollektive – Bedeutung. Impulse für eine biblisch inspirierte Steuerpolitik Eine Steuerpolitik, die auf biblischen Solidaritäts- und Gerechtigkeitsprinzipien basiert, kann sich an folgenden Leitlinien orientieren: Gemeinschaftliche Herausforderungen: Es gibt menschliche Bedürfnisse, die am besten gemeinsam – teils nationalstaatlich, teils supranational – sichergestellt werden. Dazu gehören der Zugang zu Grundbedürfnissen wie Gesundheit, Sicherheit und Bildung oder das Bedürfnis der Bewahrung der Schöpfung und der menschlichen Lebensgrundlage. Eine ausschliessliche Erfüllung dieser Bedürfnisse über den Markt und privates Engagement des (egoistischen) homo oeconomicus ist illusorisch. Sie können diese nicht oder nicht zur grösstmöglichen Befriedigung aller befriedigen. Um die Aufgaben gemeinsam anzugehen, ist die Erhebung von Steuern nötig. Höhe und Form der Steuern: Wie hoch die Steuern sein sollen, kann aus biblischer Perspektive nicht allgemeingültig gesagt werden. Die Höhe hängt vom Kontext und den Bedürfnissen ab. Grundsätzlich gilt: So wenig wie nötig, so viel wie möglich. Darum sind auch progressive Steuern angezeigt. Obwohl die Bibel lineare Steuern kennt (der Zehnte), sind auch Hinweise auf progressive Steuern vorhanden: In Markus 12,42-43 zählt für Jesus zum Beispiel die Spende der Witwe mehr als die Gaben der Reichen, die nur von ihrem Überfluss geben. Reduktion der Schere zwischen Arm und Reich: Dies ist durch eine hohe Erbschaftssteuer und die Umverteilung von Einkommen möglich. Wenn die Chancengleichheit gestärkt wird und eine hohe Erbschaftssteuer erhoben wird, sind Umverteilungsmassnahmen nur noch beschränkt nötig. Dabei gilt zu bedenken, dass die Einkommensunterschiede zu biblischen Zeiten viel weniger gross waren als heute! Neujustierung der Arbeitsethik: Oft ist die Sorge zu hören, zu hohe Steuern sorgten dafür, dass sich Arbeit nicht mehr lohne und Investitionen und Innovationskraft abgewürgt würden. Wenn aber nur gearbeitet wird, um viel zu verdienen, stellt sich die Frage nach der Arbeitsmotivation und –ethik. Ist es nicht gerade -10- Erbschaftssteuer ist gerechteste Steuer Pressedossier ChristNet für Wohlhabende äusserst verdienstvoll, einen grossen Teil ihres Lohnes der Allgemeinheit zu geben statt es nur für sich selbst zu brauchen? Dies auch weil heute die Verbindung zwischen Einkommen und Leistung höchst zufällig geworden ist: Wirtschaftsführer erhalten bis zu 500 Mal mehr Lohn als eine Kassiererin in der Migros – ein massloses Verhältnis. Hier braucht es eine neue Optik: Nicht wie viel wir abgeben müssen ist entscheidend, sondern wie viel wir wirklich zum Leben brauchen. Fazit: Kritisches Vertrauen zu Staat und Steuern Vieles spricht vom biblischen Gesichtspunkt der Gerechtigkeit und Solidarität dafür, dem Staat die Steuern grosszügig zu überlassen. Vieles spricht auch dafür, dem Staat als Instrument der Umverteilung zwischen Arm und Reich zu trauen. Gleichwohl ist dies kein Plädoyer dafür, ihm in seiner Finanz- und Ausgabepolitik unkritisch gegenüber zu stehen. Der Staat ist stets gefordert, das ihm entgegengebrachte Vertrauen durch verantwortungsvolles Handeln zu rechtfertigen. Diese Sicht teilt auch die Bibel: «Ein König gibt durch das Recht dem Land Bestand, aber wer nur Abgaben erhebt, zerstört es.» (Sprüche 29,4) -11-
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