Allgäuer Anzeigeblatt vom 02.04.2015

UNABHÄNGIGE TAGESZEITUNG FÜR DAS OBERALLGÄU UND KLEINWALSERTAL
...
A llgäuer A nzeigeblatt
Allgäuer Zeitung
Bernhard Grzimek
Ein ganzer Fernsehabend
für den Tierforscher
Medienseite
DONNERSTAG/FREITAG, 2./3. APRIL 2015
NR. 77
Asylbewerber
Schwere Vorwürfe
gegen den Verein „Exilio“
Allgäu-Rundschau
Warm anziehen!
Es bleibt trüb und kalt, aber es
schneit nicht mehr so viel
Wetter
www.allgaeuer-anzeigeblatt.de
Regierung
erlaubt Fracking
in engen Grenzen
PREIS ¤ 1,60
Eine deutsche Ära
Blickpunkt Lokales
Wenn Menschen sterben
Hospizbegleiter aus Oberstdorf und
Niedersonthofen berichten über
ihre Arbeit. Und darüber, wie unheilbar Kranke mit dem Tod umgehen.
»Seite 27
Öl-Förderung Schutz des Trinkwassers hat
oberste Priorität. Grummeln im Bundestag
VON MARTIN FERBER
Berlin Die Bundesregierung will die
Förderung von Öl und Gas durch
die umstrittene Fracking-Methode
in Deutschland grundsätzlich er–
lauben, räumt dabei aber dem Umwelt- und vor allem dem Wasserschutz höchste Priorität ein. Das
Bundeskabinett verabschiedete am
Mittwoch ein Gesetzespaket von
Umweltministerin Barbara Hendricks und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (beide SPD), wonach es
bis zu einer Tiefe von 3000 Metern
verboten ist, Öl und Gas unter hohem Druck mithilfe eines Gemisches aus Wasser, Sand und Chemikalien aus dem Gestein zu pressen.
Zudem erhalten die Wasserämter im
Genehmigungsverfahren ein Vetorecht.
Gleichwohl ist offen, ob es im
Bundestag eine Mehrheit für den
Gesetzentwurf gibt. Denn nicht nur
die Oppositionsparteien übten heftige Kritik an den Regierungsplänen,
sondern auch in den Koalitionsfraktionen ist der Widerstand groß. Allein in der Unionsfraktion gibt es
nach Angaben des CDU-Parlamentariers Andreas Mattfeld mehr als
hundert Abgeordnete, die das Vorhaben ablehnen. „In dieser Form ist
der Gesetzentwurf für zahlreiche
Kolleginnen und Kollegen nicht zustimmungsfähig.“ Notwendig sei
eine deutliche Verschärfung der
Vorschriften. Auch die SPD-Fraktion forderte Änderungen. Dagegen
kritisierte der Bundesverband der
Deutschen Industrie (BDI) die vielen Auflagen, die „vollkommen
überzogen“ seien.
Hendricks zeigte sich offen für
Veränderungen im parlamentarischen Beratungsverfahren. Sie trage
alle Vorschläge mit, „die mehrheitsfähig und fachlich verantwortbar
sind“, sagte sie. Die Forderung, das
Fracking in Deutschland komplett
zu verbieten, lehnte sie allerdings
ab. Dies sei mit dem Grundgesetz
nicht vereinbar, das die Forschungs- wie die Gewerbefreiheit
Lammert bedauert
Gauweilers Abgang
Berlin Bundestagspräsident Norbert
Lammert (CDU) hat nach dem
Mandatsverzicht des CSU-Abgeordneten Peter Gauweiler, 65, Kritik am Umgang mit dem UnionsAbweichler geäußert. Er habe dem
Parlamentskollegen „in einem Gespräch erläutert“, dass er dessen
Rückzug im Konflikt um die EuroRettungspolitik respektiere, aber
auch bedauere, sagte Lammert.
„Die vom Grundgesetz verbürgte
Freiheit des Mandats gibt jedem
Abgeordneten den Freiraum und
die Möglichkeit, das ihm von den
Wählern übertragene Amt auch
dann auszuüben, wenn er eine andere Meinung als die Mehrheitsmeinung seiner Fraktion vertritt.“ Gauweiler hatte im Streit mit CSU-Chef
Horst Seehofer seine Ämter aufgegeben. (dpa)
»Leitartikel, Politik
garantiere. Unterschiedliche Energieträger dürften nicht unterschiedlich behandelt werden. „Auch wenn
wir Fracking nicht brauchen, brauchen wir dieses Gesetz.“
Nach den Plänen der Regierung
bleibt die konventionelle Erdgasförderung in Sandgestein, die in Niedersachsen bereits seit Jahrzehnten
betrieben wird, unter strengeren
Auflagen erlaubt. Dagegen soll das
unkonventionelle Fracking erst ab
einer Tiefe von 3000 Metern möglich sein. Ein Komplettverbot gilt in
Wasserschutz- und Heilquellenschutzgebieten sowie in den Einzugsgebieten von Seen und Talsperren, aus denen Trinkwasser entnommen wird. Die Länder haben
das Recht, dieses Verbot auszudehnen, um die Wasserquellen von
Brauereien oder Getränkeherstellern unter Schutz zu stellen.
Bei Schäden gilt künftig die Umkehr der Beweislast. Nicht die Betroffenen müssen nachweisen, dass
Risse an den Hauswänden durch das
Fracking entstanden sind, sondern
die Firmen müssen belegen, dass
etwa ein Erdbeben nicht auf ihre
Bohrungen zurückgehe. Zudem
werden die Rechte der Anwohner
bei den Genehmigungsverfahren gestärkt.
Ein Blick in die USA
● Boom Fracking galt in den USA
lange als energiepolitischer Heilsbringer. Die Anhänger der umstrittenen Fördermethode für Schiefergas und Schieferöl frohlockten, dass
die Vereinigten Staaten in nicht
allzu ferner Zukunft ihren gesamten
Energiebedarf selbst abdecken
könnten. Bundesstaaten wie North
Dakota, unter dessen Präriegras
riesige Schieferölvorkommen liegen,
erlebten einen Wirtschaftsboom.
● Böses Erwachen Doch seit einigen Monaten herrscht Ernüchterung – Grund ist vor allem der Absturz des Ölpreises. (afp)
Kommentar
VON MARTIN FERBER
» fer@augsburger-allgemeine.de
Erlauben, um
zu verhindern
U
Theo Waigel verrät das Erfolgsgeheimnis von Helmut Kohl
In Erfurt, wo ihm zehntausende DDR-Bürger mit
Deutschland-Fahnen drei Monate nach dem Mauerfall zujubelten, versprach Helmut Kohl den Ostdeutschen das erste Mal „blühende Landschaften“ binnen
kurzer Zeit. Wenig später feierten ihn seine Anhänger als Kanzler der deutschen Einheit. Unter diesem
Titel wird Helmut Kohl in die Geschichtsbücher der
Nachwelt eingehen und die Schatten seiner Karriere
verblassen als Randnotiz. Theo Waigel zählte in der
wichtigsten Phase der Ära Kohl zu dessen engsten
Weggefährten. Zum 85. Geburtstag des Altkanzlers
erzählt der CSU-Ehrenvorsitzende in einem sehr
persönlichen Rückblick auf der Dritten Seite, wie es
Kohl geschafft hat, zu einer großen Figur der deutschen Geschichte zu werden. Und warum der Pfälzer
bis heute den Bayern besonders zugetan ist. Foto: dpa
Ministerin lässt Einsätze mit G 36 prüfen
Bundeswehr Konsequenzen aus technischen Mängeln bei Sturmgewehr
Berlin Als Konsequenz aus den technischen Problemen beim Sturmgewehr G 36 will Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU)
zurückliegende
Gefechtseinsätze
mit der Waffe untersuchen lassen.
„Ich werde eine Kommission damit
beauftragen, mit dem neuen Wissen
die Berichte über frühere Einsätze
mit dieser Waffe noch einmal genau
zu untersuchen“, sagte von der Leyen der Bild-Zeitung.
„Wir werden dabei auch ehemali-
ge Kommandeure befragen, ob ihnen aus heutiger Perspektive etwas
berichtenswert erscheint.“ Auf die
Frage nach möglichen Schadenersatzforderungen an den Hersteller
Heckler & Koch sagte sie: „Das lässt
sich jetzt nicht sagen. Zunächst
müssen wir den Abschlussbericht
auswerten.“ Nach jahrelangen Untersuchungen hatte die Bundeswehr
massive Probleme bei der Treffsicherheit ihres Standardgewehrs G 36
eingeräumt und erste Konsequen-
War Niklas schlimmer als Kyrill?
Wetter Der Süden war besonders stark vom Sturm betroffen
VON CAROLIN OEFNER
Augsburg Der Tag danach: Nur
noch gelegentlich pfeifen Böen um
die Häuser, „Niklas“ scheint sich
beruhigt zu haben. Doch war der
Orkan tatsächlich so schlimm?
Diplom-Meteorologe
Jürgen
Schmidt vom Wetterkontor verneint. „Niklas“ sei im Vergleich zu
anderen Stürmen nicht besonders
stark gewesen. Er erreichte eine
Spitzengeschwindigkeit von 192 Kilometern pro Stunde. Augsburg hat
es mit einer Windstärke von 100 Kilometern pro Stunde milde getroffen. In München, wo der Hauptbahnhof gesperrt werden musste,
stürmte „Niklas“ mit bis zu 137 Kilometern pro Stunde. „Das Außer-
Passanten werden in München von „Niklas“ umgeweht.
Foto: dpa
gewöhnliche ist, dass der Süden so
stark betroffen war“, sagt Schmidt.
Häufig ziehe die Nord- und die Ostsee das Sturmzentrum an. Momentan seien die Schäden eher gering
einzuschätzen.
„Niklas“ wütete flächendeckend
über Deutschland. Das war 2007
auch bei „Kyrill“ der Fall. Dieser
Orkan hatte sogar eine höhere Spitzengeschwindigkeit von 225 Stundenkilometern. In Augsburg erreichte er damals 112 km/h.
Am schlimmsten war 1999 „Lothar“. Dieser Orkan zog nur über
den Süden Deutschlands und mit
130 Kilometern pro Stunde über
Augsburg. Die höchste gemessene
Geschwindigkeit lag bei 270 km/h.
„Lothar“ gilt als der schwerste
Sturm seit langem. Allein 4,3 Millionen Kubikmeter Holz fielen ihm
zum Opfer.
Alle Starkwinde fegten zwischen
Dezember und März übers Land.
Dies sei wegen der großen Temperaturunterschiede im Winterhalbjahr ein wahrscheinlicher Zeitpunkt, sagt Schmidt.
»Bayern
zen gezogen. In den Einsätzen etwa
in Afghanistan und im westafrikanischen Mali soll das Sturmgewehr
nur noch eingeschränkt genutzt
werden. Von der Leyen schließt
auch nicht aus, dass es ganz aus dem
Verkehr gezogen wird. Die Bundeswehr hatte seit Mitte der 90er Jahre
176 000 dieser Gewehre gekauft. In
den vergangenen Jahren hatte es
mehrere widersprüchliche Gutachten über die Treffsicherheit des G 36
gegeben. (dpa)
»Politik
Lufthansa will
langfristig helfen
Seyne-Les-Alpes Gut eine Woche
nach dem Germanwings-Absturz
hat die Lufthansa den Angehörigen
der Opfer langfristige Hilfe versprochen und den Helfern in Frankreich
gedankt. „Wir helfen nicht nur diese
Woche. Wir möchten so lange helfen, wie Hilfe benötigt wird“, sagte
Lufthansa-Chef Carsten Spohr bei
einem erneuten Besuch mit Germanwings-Chef Thomas Winkelmann an der Unglücksstelle.
Zu Berichten über einen angeblichen Mitschnitt des Unglücks aus
dem Inneren der Maschine sagte der
Marseiller Staatsanwalt Brice Robin
auf Anfrage, Videos seien bislang
nicht Gegenstand der Untersuchung. Für den Fall, dass jemand
über ein Video verfüge, solle dieses
unverzüglich an die Ermittler übergeben werden. (dpa) »Panorama
mweltministerin Barbara Hendricks will die Hürden für das
Fracking in Deutschland so hoch legen, dass die umstrittene Fördermethode zwar theoretisch möglich,
in der Praxis aber so gut wie ausgeschlossen ist. Entsprechend kompliziert fällt ihr Gesetzentwurf aus,
gegen den nicht nur die Opposition,
sondern auch ein nicht unerheblicher Teil der Regierungsparteien
mobil machen. Sie fordern, was
naheliegender wäre, ein Komplettverbot, weil die Risiken zu hoch
und die Gefahren für Mensch und
Umwelt nicht abzuschätzen sind.
Fracking zwar offiziell zuzulassen, um es gleichzeitig durch die
Hintertür zu verhindern, diese Dialektik ist nur schwer verständlich
und kaum nachvollziehbar. Zumal
Fracking in Deutschland nie die
Rolle spielen wird wie in den USA.
Zudem hat Deutschland mit der
Energiewende einen anderen Weg
eingeschlagen. Langfristig führt
am konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien kein Weg
vorbei. Insgeheim setzt Hendricks
wohl darauf, dass sich das Thema
von selbst erledigt. Wegen des
Preisverfalls rentiert sich die kostenintensive Methode nicht mehr.
Ganz ohne Gesetz.
Beschämende Exekutionen
2014 ging die Zahl der Hinrichtungen zwar zurück. Doch Amnesty
International beobachtet in einigen
Staaten den „beschämenden
Trend“, die Exekution als angeblich
abschreckende Antwort auf Terrorismus einzusetzen.
»Politik
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