Allgäuer Zeitung, Kaufbeuren vom 29.04.2015

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A llgäuer Zeitung
Britische Parlamentswahl
Warum die Zukunft in Schottland
entschieden wird
Die Dritte Seite
MITTWOCH, 29. APRIL 2015
Der Arbeitsplatz der Zukunft
Bei Bosch im Oberallgäu hat die
vierte industrielle Revolution begonnen
Allgäu-Rundschau
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NR. 98
Flüchtlingswelle:
Bayern ruft
Bund um Hilfe
PREIS ¤ 1,60
29. April 1945
Blickpunkt Lokales
Viel Gegenwind
Über die umstrittenen Pläne für
Windkraftanlagen auf dem Höhenzug zwischen Oberbeuren und
Ruderatshofen wird vor Gericht
entscheiden.
Asyl Staatsregierung kritisiert mangelnde
Unterstützung bei Kosten und Wohnungsbau.
CSU-Politiker warnt vor „Völkerwanderung“
VON MICHAEL POHL
München Angesichts der steigenden
Flüchtlingszahlen verschärft sich
der Streit zwischen der bayerischen
Staatsregierung und dem Bund um
die Kosten der Unterbringung. Das
CSU-geführte Kabinett wirft der
Bundesregierung in einer Erklärung
vor, Länder und Gemeinden bei der
Finanzierung der Flüchtlingsunterbringung vor Ort im Stich zu lassen.
Bayern fordert nun vom Bund ein
umfassendes Maßnahmenpaket.
Sozialministerin Emilia Müller
warf der Bundesregierung zudem
vor, die Lage durch falsche Prognosen zu verschärfen: „Länder und
Gemeinden überall in Deutschland
sind durch die tatsächliche Entwicklung der Zahlen an die Grenzen ihrer
Leistungsfähigkeit gestoßen“, kritisierte die CSU-Politikerin. „Der
Bund trägt auch wegen der nach wie
vor inakzeptabel langen Asylverfahrensdauer erhebliche Verantwortung für diese Lasten“, sagte die Ministerin. Dies sei quer über die Parteigrenzen einhellige Auffassung aller Landesregierungen.
Müller betonte, dass Bayern darauf vorbereitet sei, deutlich mehr
Flüchtlinge unterzubringen, als ursprünglich vom Bund vorhergesagt
worden sei. Allerdings müsse beim
Asylgipfel zwischen Bund und Ländern am 8. Mai vereinbart werden,
dass der Bund sämtliche Kosten für
Asylbewerber übernehme, wenn deren Antragsverfahren länger als die
vorgesehenen drei Monate dauere.
Zugleich beschloss die Staatsregierung eine Bundesratsinitiative,
um Sozialleistungen für Wirtschaftsflüchtlinge zu kürzen. Asylbewerber beispielsweise aus Balkanstaaten, die keine Chance auf Anerkennung als Flüchtlinge haben, sollen nur noch eingeschränkt Mittel
zum Lebensunterhalt bekommen:
„Nur so können wir die Zuzugsanreize in den Ländern, in denen niemand verfolgt wird, reduzieren“,
sagte Müller. Bayerns Innenminis-
ter Joachim Herrmann forderte vom
Bund zudem neue Förderungen
beim Mietwohnungsbau: „Mit der
Anzahl der Asylanträge erhöht sich
auch die Anzahl der dauerhaft in
Bayern verbleibenden Zuwanderer“, sagte der CSU-Politiker.
Schon jetzt reiche das Angebot vor
allem in Ballungsgebieten an preisgünstigen Wohnungen nicht aus.
In einem Interview unserer Zeitung warnte der Chef der konservativen
Europaparlamentsfraktion
EVP, Manfred Weber, dass sich Europa auf weiter steigende Flüchtlingszahlen einrichten müsse: „Wir
müssen uns bewusst machen, dass
wir möglicherweise vor einem Jahrzehnt einer Art Völkerwanderung
stehen.“ In der Debatte um die steigende Zahl von Bootsflüchtlingen
aus Afrika wies der CSU-Politiker
scharf Forderungen von SPD und
Grünen nach einem europäischen
Zuwanderungsrecht zurück: „Wer
heute mehr legale Zuwanderung in
die EU fordert, verschärft die Probleme in Europa“, sagte Weber.
Angesichts von bis zu 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa
wäre so ein Vorgehen nur Nahrung
für Rechts- und Linkspopulisten.
»Kommentar, Politik und Bayern
Kommentar
VON MICHAEL POHL
» pom@augsburger-allgemeine.de
Flüchtlingsziel
Deutschland
N
Heute vor 70 Jahren wurde das KZ Dachau befreit
Sie konnten sich kaum auf den Beinen halten, waren
gezeichnet von Folter und Tyrannei der SS – ständig
den Tod vor Augen. Und doch drängten sich die
Häftlinge vor 70 Jahren an den Zaun des KZ Dachau
und jubelten ihren Befreiern zu. Was die amerikanischen Soldaten vorfanden, sprengte jede Vorstellungskraft. In Bayern extra berichten wir von diesem
Ort des Grauens. Wir erzählen die Geschichten von
Henry Landman und Georg Gottert. Der eine war
1938 als Jude inhaftiert, kam frei und kehrte 1945 mit
der US-Armee zurück. Der andere saß als zum Tode
verurteilter SS-Mann in einem Spezial-Lager ebenfalls ein. An der Gedenkfeier in Dachau am 3. Mai
werden neben Bundeskanzlerin Angela Merkel auch
rund 130 Überlebende mit ihren Angehörigen aus 20
Ländern teinehmen.
Foto: akg-images
Steigende Asylzahlen
● Anstieg Im März 2015 wurden
beim Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge insgesamt 32 000
Asylanträge gestellt. Im Vergleich
zum gleichen Monat des Vorjahres
sind das fast dreimal so viele Anträge – exakt betrug der Anstieg 184
Prozent gegenüber März 2014.
● Herkunft Insgesamt 19 730 Anträge wurden von Menschen aus
den Balkanstaaten Albanien, Bosnien
und Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien gestellt, das sind 60 Prozent aller Anträge. Aus dem Bürgerkriegsland Syrien kamen 4620 Flüchtlinge. (AZ)
Neue Lawine verschüttet Menschen
Erdbeben Bis zu 10 000 Tote in Nepal befürchtet. Helfer treffen ein
VON ANDREA KÜMPFBECK
Augsburg Mehr als 5000 Tote wurden bis gestern Abend gezählt – darunter ein Deutscher. Und die Opferzahlen steigen nach dem verheerenden Erdbeben in Nepal immer
weiter an. Premierminister Sushil
Koirala geht sogar von bis zu 10 000
Toten aus. Gestern am Spätnachmittag die nächste Hiobsbotschaft:
Von einer weiteren Lawine sollen
rund 250 Menschen verschüttet
worden sein. Die Lawine ist in Ghodatabela – bei der beliebten Trekking-Route Langtang in der Nähe
des Epizentrums – ins Tal gerast.
Das kleine Land im Himalaja ist
mit der Katastrophe völlig überfordert, von der laut den Vereinten Nationen etwa acht Millionen Menschen betroffen sind. Auch werden
nach Angaben des Auswärtigen Amtes etwa 100 Deutsche vermisst, deren Schicksal bisher ungewiss ist.
Bestätigt ist dagegen, dass ein Göt-
tinger Geografie-Professor durch
herabfallendes Gestein am Kopf getroffen und tödlich verletzt wurde.
Der 68-Jährige leitete eine Forschungs-Exkursion in den Himalaja.
15 Studenten sollen nicht oder nur
leicht verletzt worden sein.
Hilfsorganisationen aus aller Welt
haben inzwischen das Erdbebengebiet erreicht, unter anderem auch
ein Team der Kaufbeurer Hilfsorganisation Humedica. Ein Interview
dazu lesen Sie auf Panorama.
och nie seit Ende des Zweiten
Weltkriegs waren weltweit so
viele Menschen auf der Flucht wie
in den vergangenen Monaten. Tatsächlich scheint die Welt bis an die
Ränder Europas mit Kriegen, Terror und Konflikten in Unordnung
zu geraten wie lange nicht. Doch
auch die globale Vernetzung über
Internet und schnelle Medien trägt
dazu bei, dass immer mehr Menschen, die nicht unter Gewalt, sondern unter wirtschaftlicher Aussichtslosigkeit leiden, ihr Heil in
einer Flucht nach Europa suchen.
Noch ist Deutschland weit davon
entfernt, mit der Flüchtlingswelle
überfordert zu sein, auch wenn Politiker hart ums Geld streiten. Das
hat auch damit zu tun, dass die Zuwanderungsfrage in Politik und
Gesellschaft wesentlich pragmatischer als früher diskutiert wird: So
stimmte kürzlich selbst ein GrünenMinisterpräsident zu, Serbien zu
einem „sicheren Herkunftsstaat“ zu
erklären, das heißt, Flüchtlinge von
dort schneller abzuschieben. Dieses
Mittel muss auf alle Balkanstaaten
ausgedehnt werden. Dass fast zwei
Drittel der Asylbewerber vom Balkan kommen und keine Chance auf
Anerkennung haben, ist eine überflüssige Belastungsprobe für das
Asylrecht und die Aufnahmebereitschaft für wirklich Verfolgte.
Heute in Ihrer Zeitung
EU-Pläne gegen den Terror
Als Antwort auf die Anschläge von
Brüssel, Paris und Kopenhagen
will die EU-Kommission bei der Polizeibehörde Europol ein AntiTerror-Zentrum einrichten. Es soll
2020 fertig sein.
»Politik
In dieser Ausgabe
Deutsche Anklage-Bank
Prozess Wie ein stolzes Geldinstitut dem Abstieg entgegentaumelt
VON MICHAEL STIFTER
Guardiola tobt
Das Pokalduell gestern Abend gegen Borussia Dortmund ließ Pep
Guardiola (Bild), den Trainer des
FC Bayern, mitunter fast aus der
Haut fahren. Heftig und lang gestikulierte er. Allerdings vergeblich,
denn die Münchner verloren das
Pokal-Halbfinale im Elfmeterschießen mit 0:2. »Sport
Foto: Imago
Augsburg Mit der Deutschen Bank
war das immer ein bisschen so wie
mit dem FC Bayern. Man musste sie
nicht unbedingt mögen, aber allein
der große Name erzeugte schon eine
gewisse Ehrfurcht. Weltklasse eben.
Selbst in der düsteren Finanzkrise
hat die „Deutsche“ immer in der
ersten Liga mitgespielt, und ihr damaliger Chef Josef Ackermann wurde zeitweise zu einer Art Neben-Finanzminister. Klar, der ebenso eloquente wie smarte Schweizer hatte
auch seine Skandale. Man denke nur
an die ziemlich dämliche Siegesgeste, damals im Mannesmann-Prozess. Aber seit Ackermann weg ist,
kämpft das Haus gegen den Abstieg.
Gestern dann ein neuer Tiefpunkt: Fast alles, was in den vergangenen Jahren Rang und Namen bei
der Deutschen Bank hatte, traf sich
im Gerichtssaal. Und zwar auf der
Anklagebank. Da saßen sie nun im
fahlen Neonlicht: Rolf Breuer, Josef
Ackermann, Jürgen Fitschen, all die
großen Nummern aus den 80ern,
90ern und von heute. Gesagt haben
sie wenig. Dafür gibt es ja gut bezahlte Anwälte.
Nun könnte man natürlich argumentieren, das sei nur eine weitere
Parallele zum großen FC Bayern;
deren einstiger Chef sitzt schließlich
sogar hinter Gittern. Aber die Sache
mit der Deutschen Bank ist anders.
Denn der Prozess um versuchte
Täuschung der Justiz im Fall Leo
Kirch ist ja nur ein Glied in einer
langen Kette von Peinlichkeiten und
unerfreulichen Nachrichten rund
um das stolze Kreditinstitut. Und
die Aktie rutscht schon seit Monaten
dem Keller entgegen. Der BörsenDinosaurier taumelt. Und so wird
man vielleicht schon bald sagen
müssen: Mit der Deutschen Bank ist
das immer ein
bisschen so wie
mit dem Hamburger SV...
»Wirtschaft
Das war nur
der Anfang:
Josef Ackermann 2004 vor
Gericht. Foto: dpa
Krawalle nach Tod
eines Schwarzen
Baltimore Nach den schweren Ausschreitungen wegen des Todes eines
Schwarzen in Polizeigewahrsam
herrscht in Baltimore (US-Bundesstaat Maryland) der Ausnahmezustand. Bereitschaftspolizisten patrouillierten am Dienstag auf den
Straßen. Tausende Polizisten und
eine einwöchige nächtliche Ausgangssperre sollen die Krawalle nun
beenden. „Diese Gewalt wird nicht
toleriert“, sagte Marylands Gouverneur Larry Hogan. Mindestens 15
Beamte wurden verletzt. Es gab 200
Festnahmen. Die Randalierer bewarfen die Polizisten mit Steinen
oder griffen sie mit Stöcken an, setzten Autos in Brand und demolierten
Polizeiwagen. Plünderer räumten
Geschäfte aus, ein Supermarkt wurde angezündet. (afp)
»Leitartikel Seite 2 und Politik
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